MACHIAVELLI UND DAS TÖDLICHE ERBE - Christian Dörge - E-Book

MACHIAVELLI UND DAS TÖDLICHE ERBE E-Book

Christian Dörge

0,0
5,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

München, 1984. Karl Oswalt ist auf der Flucht vor der Polizei; er soll seine Frau Uschi umgebracht haben. Ich seiner Verzweiflung bittet er Privatdetektiv Bruno Machiavelli um Hilfe. Bevor dieser jedoch in Oswalts Sinne tätig werden kann, taucht die Polizei auf, und Machiavellis Klient wir auf der Flucht erschossen. Damit ist der Fall für die Polizei erledigt. Nicht jedoch für Machiavelli. Und im Zuge seiner Ermittlungen stößt er auf einen mächtigen Mann mit dunkler Vergangenheit und auf eine gewissenlose Frau, die mit jedem Erpresser fertig wird... MACHIAVELLI UND DAS TÖDLICHE ERBE ist der dritte Band einer Roman-Serie um den Münchner Privatdetektiv Bruno Machiavelli aus der Feder von Christian Dörge, Autor u. a. der Krimi-Serien EIN FALL FÜR REMIGIUS JUNGBLUT, DIE UNHEIMLICHEN FÄLLE DES EDGAR WALLACE, FRIESLAND und der Frankenberg-Krimis um den Privatdetektiv Lafayette Bismarck.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

 

CHRISTIAN DÖRGE

 

 

Machiavelli

und das tödliche Erbe

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Der Autor 

MACHIAVELLI UND DAS TÖDLICHE ERBE 

Die Hauptpersonen dieses Romans 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Zweiundzwanzigstes Kapitel 

Dreiundzwanzigstes Kapitel 

Vierundzwanzigstes Kapitel 

Fünfundzwanzigstes Kapitel 

Sechsundzwanzigstes Kapitel 

Siebenundzwanzigstes Kapitel 

Achtundzwanzigstes Kapitel 

Neunundzwanzigstes Kapitel 

Dreißigstes Kapitel 

Impressum

 

Copyright © 2023 by Christian Dörge/Signum-Verlag.

Lektorat: Dr. Birgit Rehberg

Umschlag: Copyright © by Christian Dörge.

 

Verlag:

Signum-Verlag

Winthirstraße 11

80639 München

www.signum-literatur.com

[email protected]

Das Buch

 

 

München, 1984.

Karl Oswalt ist auf der Flucht vor der Polizei; er soll seine Frau Uschi umgebracht haben. Ich seiner Verzweiflung bittet er Privatdetektiv Bruno Machiavelli um Hilfe. Bevor dieser jedoch in Oswalts Sinne tätig werden kann, taucht die Polizei auf, und Machiavellis Klient wir auf der Flucht erschossen.

Damit ist der Fall für die Polizei erledigt.

Nicht jedoch für Machiavelli. Und im Zuge seiner Ermittlungen stößt er auf einen mächtigen Mann mit dunkler Vergangenheit und auf eine gewissenlose Frau, die mit jedem Erpresser fertig wird... 

 

Machiavelli und das tödliche Erbe ist der dritte Band einer Roman-Serie um den Münchner Privatdetektiv Bruno Machiavelli aus der FedervonChristian Dörge, Autor u. a. der Krimi-Serien Ein Fall für Remigius Jungblut, Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace, Friesland und der Frankenberg-Krimis um den Privatdetektiv Lafayette Bismarck. 

Der Autor

 

Christian Dörge, Jahrgang 1969.

Schriftsteller, Dramatiker, Musiker, Theater-Schauspieler und -Regisseur.

Erste Veröffentlichungen 1988 und 1989:  Phenomena (Roman), Opera (Texte).  

Von 1989 bis 1993 Leiter der Theatergruppe Orphée-Dramatiques und Inszenierung  

eigener Werke,  u.a. Eine Selbstspiegelung des Poeten (1990), Das Testament des Orpheus (1990), Das Gefängnis (1992) und Hamlet-Monologe (2014). 

1988 bis 2018: Diverse Veröffentlichungen in Anthologien und Literatur-Periodika.

Veröffentlichung der Textsammlungen Automatik (1991) sowie Gift und Lichter von Paris (beide 1993). 

Seit 1992 erfolgreich als Komponist und Sänger seiner Projekte Syria und Borgia Disco sowie als Spoken Words-Artist im Rahmen zahlreicher Literatur-Vertonungen; Veröffentlichung von über 60 Alben, u.a. Ozymandias Of Egypt (1994), Marrakesh Night Market (1995), Antiphon (1996), A Gift From Culture (1996), Metroland (1999), Slow Night (2003), Sixties Alien Love Story (2010), American Gothic (2011), Flower Mercy Needle Chain (2011), Analog (2010), Apotheosis (2011), Tristana 9212 (2012), On Glass (2014), The Sound Of Snow (2015), American Life (2015), Cyberpunk (2016), Ghost Of A Bad Idea – The Very Best Of Christian Dörge (2017). 

Rückkehr zur Literatur im Jahr 2013: Veröffentlichung der Theaterstücke Hamlet-Monologe und Macbeth-Monologe (beide 2015) und von Kopernikus 8818 – Eine Werkausgabe (2019), einer ersten umfangreichen Werkschau seiner experimentelleren Arbeiten.  

2021 veröffentlicht Christian Dörge mehrere Kriminal-Romane und beginnt drei Roman-Serien: Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace, Ein Fall für Remigius Jungblut und Friesland. 

2023 erscheint sein neues Album Kafkaland. 

 

Künstler-Homepage: www.christiandoerge.de

  MACHIAVELLI UND DAS TÖDLICHE ERBE

 

 

 

 

 

 

  Die Hauptpersonen dieses Romans

 

Bruno Machiavelli: Privatdetektiv aus München. 

Xaver Diestelkamp: Kommissar bei der Münchner Kriminalpolizei. 

Karl Oswalt: ein Mann in Nöten. 

Uschi Oswalt: seine Frau. 

Wenzl Feichtinger: Inspektor bei der Starnberger Polizei. 

Hans-Dieter Schaper: Kommissar bei der Starnberger Polizei. 

Gregor Hölzl: Gründer von Gut Ehrengrün. 

Karin Bucher: seine Tochter. 

Elias Bucher: Rechtsanwalt und Karin Buchers Ehemann. 

Wolfram Hartmann: Direktor von Gut Ehrengrün. 

Liliane Brandstetter: eine Bankangestellte. 

Frederic Kellermann: ein Safeknacker. 

Marianne Rieder: eine junge Frau. 

Lukas Melbinger: ein Ex-Häftling. 

 

 

Dieser Roman spielt 1984 in München und Starnberg. 

  Erstes Kapitel

 

 

So etwas kann tatsächlich passieren: Man hat Feierabend gemacht, aber dann klopft jemand an die Tür, und sobald man öffnet, ist es, als ob man dem Unheil persönlich ins Gesicht starrt.

Dieser Mann war in Unglück eingehüllt wie in ein Leichentuch; er verströmte Angst wie einen widerwärtigen Geruch.

Er sprach fragend meinen Namen aus, und als ich zustimmend nickte, nannte er den seinen: Karl Oswalt.

»Ich muss mit Ihnen sprechen«, sagte er gehetzt. »Bitte...«

Ich trat zurück und deutete auf einen Stuhl. Als ich die Tür schloss, ertappte ich mich dabei, dass ich den Riegel vorschob. »Man macht Jagd auf Sie«, stellte ich fest. »Und zwar ganz energisch.«

»Woher wissen Sie das?« Die Verblüffung stand ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben.

»Im Radio und im Fernsehen wurde eine Meldung über Sie gesendet«, erklärte ich. »Es war kein Bild dabei, aber ich erinnere mich an Ihren Namen – und daran, dass sie in Starnberg leben.«

Ich bot ihm etwas zu trinken an, aber er lehnte mit einer heftigen Gebärde ab. Also setzte ich mich hin und wartete geduldig, bis er mir seine Geschichte erzählte.

 

Am Nachmittag des Vortages – Samstag, dem 6. April – hatte er einen heftigen Streit mit seiner Frau gehabt und war danach zu einer achtstündigen Sauftour aus dem Haus gestürmt. Das Resultat... waren Magenbeschwerden gewesen. Er war vielen fremden Leuten begegnet, von denen er nicht erwarten konnte, dass sie sich später an ihn erinnern würden.

Gegen 22.30 Uhr war er in ein Taxi gestiegen und hatte dem Fahrer seine Adresse im Falkenweg genannt. Es war ein großer Wohnkomplex mit vielen Eingängen an vier verschiedenen Straßen. Er war über den Hof gegangen und die Hintertreppe zu seiner Wohnung emporgestiegen, weil er nicht in der Stimmung war, mit Bekannten zu sprechen, denen er vielleicht am Vordereingang begegnen mochte. In den meisten Nachbarwohnungen war es dunkel und still. Aus einer Wohnung hörte er leise Radiomusik, aus einer anderen gedämpfte Stimmen.

Er schloss die Hintertür auf und betrat die dunkle Küche. In der übrigen Wohnung war es ebenfalls stockfinster. Das erleichterte ihn; er hatte beileibe nicht keinerlei Ambitionen, seiner Frau zu dieser Stunde gegenüberzutreten, und da er annahm, dass sie entweder ausgegangen war – wahrscheinlich – oder im Bett lag – weniger wahrscheinlich –, wollte er sich auf der Couch im Wohnzimmer schlafen legen.

Bei einem Blick in den vorderen Gang bemerkte er, dass die Schlafzimmertür offenstand. Da seine Frau diese Tür beim Zubettgehen stets schloss, nahm er an, sie sei ausgegangen.

Er holte sich in der Schrankkammer an der Vorderseite des Wohnzimmers ein Bettlaken und sah dabei ihren neuen Mantel hängen. Da es bei ihrem letzten Ehestreit hauptsächlich um diesen Mantel gegangen war, betrachtete er ihn mit einiger Verbitterung. Dann begann er sich darüber zu wundern, dass sie ihn nicht angezogen hatte. Es war ein Nerzmantel, der mindestens 2.000 Mark gekostet hatte. Er selbst hatte ihn seiner Frau nicht gekauft.

Als er dabei war, das Laken über die Couch zu breiten, hörte er Schritte in der Nachbarwohnung, in der es zuvor still gewesen war. Er dachte nicht weiter darüber nach, sondern registrierte es lediglich. Einige Minuten saß er auf der Couch und versuchte Mut zu sammeln, um ins Bad zu gehen. Er war ein wenig beunruhigt: Nachdem er den Mantel gesehen hatte, war er nicht mehr so sicher, dass seine Frau ausgegangen war, und er verspürte nicht die geringste Lust, den ganzen Streit noch einmal von vorn anzufangen.

Er fluchte in Gedanken auf seine Frau, weil sie die Schlafzimmertür nicht geschlossen hatte. Dann gab er sich einen entschlossenen Ruck und trat in den Gang hinaus. Schließlich bezahlte er die Miete und andere Haushaltkosten und hatte daher ein Recht, die Wohnungseinrichtungen zu benutzen.

An der offenen Schlafzimmertür blieb er stehen. Er wollte sie leise schließen und damit das Risiko verringern, seine Frau zu wecken. Als er sich behutsam vorbeugte und nach dem Türknauf griff, sah er sie. Sein erster Eindruck war, dass sie betete. Doch der Gedanke war derart unwahrscheinlich, dass er sich nicht länger als einen Augenblick nachklang.

Dann drückte er auf den Lichtschalter und trat ins Zimmer.

Was er als eine Haltung des Betens angesehen hatte, war eine grausige Parodie darauf. Ihr Oberkörper lag – mit dem Gesicht nach unten – auf dem Bett. Ihr rechtes Knie war auf den Boden gestützt und das linke Bein angewinkelt, so als hätte sie nach einem Sturz aufs Bett klimmen wollen. Sie trug noch dasselbe Kleidungsstück, in welchem er sie zuletzt gesehen hatte: ein rosa Nylon-Negligé. Ihr Haar fiel strähnig über ihr Gesicht. Eine Hand krallte sich ins Bettzeug, die andere lag offen da. Sie atmete nicht, und als er ihre Schulter berührte, fand er sie eiskalt.

Er sah, dass der Nylonstoff von ihrem linken Schenkel geglitten war und ein großes, ziemlich hässliches Muttermal freigab, dessen sie sich immer sehr geschämt hatte. Diese rücksichtslose Entblößung des Muttermals überzeugte ihn vollends, denn selbst im Dämmerzustand würde sie das Mal zweifellos bedeckt haben.

Das war seine Erklärung dafür, dass er nicht sofort einen Arzt oder die Polizei verständigt hatte. Besondere Eile schien nicht nötig zu sein. Im Vorbeigehen zog er das Negligé gerade, um ihr Bein zu bedecken. Es war eine kleine Geste der Verbundenheit – ganz und gar ohne Bedeutung, wie jetzt jeder weiß.

Er bemerkte ein metallisches Blinken zwischen den Haarsträhnen an ihrem Nacken und sah, dass die dünne, silberne Halskette, die sie ständig trug, zerrissen war. Die beiden Enden glitten langsam am Hals nach vorn, als er sie berührte. Normalerweise hatte an dieser Kette ein Schlüssel gehangen.

Er fand den Schlüssel an dem einzigen anderen Ort, wo er ihn je gesehen hatte: im Schloss der Stahlkassette, in der seine Frau ihre Schmuckstücke aufbewahrte und andere Gegenstände, von denen er nichts wusste. Die Kassette stand nicht an ihrem üblichen Platz auf einem Regal in der Schrankkammer, sondern am Rande einer hohen Schlafzimmerkommode gegenüber ihrem Bett.

Die Kassette übte eine faszinierende Anziehungskraft auf ihn aus. Als ein Symbol des gegenseitigen Misstrauens hatte sie – zusammen mit anderen weniger greifbaren Dingen – vom Anfang ihrer Ehe an zwischen ihnen gestanden. Mit Ausnahme der Schmuckstücke war es ihm nie gestattet gewesen, etwas vom Inhalt dieser Kassette zu sehen oder etwas Näheres darüber zu erfahren.

Als er nach dem Schlüssel griff, rutschte ihm die Kassette entgegen, und er packte sie mit beiden Händen und stellte sie auf den Boden, um sie zu öffnen. Der Schmuckbehälter – ein mit Samt ausgeschlagenes Tablett – füllte weniger als ein Drittel der Tiefe der Kassette. Darunter lag eine wirre Anhäufung von Kleinigkeiten: ein Flaschenöffner aus Messing mit eingesetzten Rheinkieseln, ein blindgewordener Schlüsselring an einer Hasenpfote und ein vergilbter Zeitungsausschnitt, auf dem seine Frau als Siegerin eines Tanzturniers in einem Münchener Ballsaal gezeigt wurde. Außerdem lagen da noch zwei Würfel und der Abschnitt einer mehrere Jahre vor ihrer Ehe datierten Flugkarte nach Rom und zurück.

Nicht in der Kassette, sondern unter einem Stapel von Unterwäsche in einem Schubfach fand er drei Fotos. Juristische Definition: unsittlich und anstößig. Es handelte sich offenbar um in schneller Folge aufgenommene Blitzlicht-Schnappschüsse, bei denen das Modell sich unbeobachtet gefühlt hatte. Das Mädchen war ihm unbekannt.

Er hielt die Fotos in der Hand, als an die vordere Wohnungstür geklopft wurde.

Mit einer Art unbewussten Gründlichkeit zimmerte er nun weiter an seinem eigenen Schafott: Ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein steckte er die Fotos in die Tasche, setzte das Schmucktablett in die Kassette zurück, drehte den Schlüssel herum und stellte sie mit dem Schlüssel im Schloss auf die Kommode zurück.

Das Klopfen wurde lauter.

Er griff nach dem Knauf der Schlafzimmertür, um sie zu schließen, überlegte es sich dann aber anders und ließ sie offen. Dann ging er zur Tür und öffnete sie. Ein paar Sekunden später berührte er mit der bloßen Hand auch den äußeren Türknauf, weil ihm die Tür aus der Hand glitt, und er sie nicht gegen die Wand schlagen lassen wollte, was sie dann aber doch tat.

Der Name des Nachbarn war Harald Straub. Ein Mann in den Fünfzigern, der in Bademantel und Pantoffeln im Gang stand und mürrisch und verlegen wirkte. Seine Frau Antonia trug auch einen Bademantel, aber sie wirkte nicht verlegen. Sie benahm sich nur feindselig – wie sie es ihm gegenüber stets tat – und war ausgesprochen neugierig.

»Was ist hier passiert?«, fragte sie schrill. »Wo ist Uschi?«

Oswalt konnte kein Wort hervorbringen. Er sah Straub hilflos an. Der Nachbar schien einen Funken von menschlichem Verständnis für ihn zu haben und sich unbehaglich zu fühlen.

»Komm, Antonia«, raunte er. »Lassen wir den Mann...«

Aber Antonias Spürnase hatte Witterung aufgenommen. »Ich habe nichts von Uschi gehört, seit Sie ihr am Nachmittag diese abscheulichen Dinge vorgeworfen haben!«

Sie stürmte an Oswalt vorbei auf das Schlafzimmer zu. Ihr Mann blieb vor der Tür stehen. Einen Moment später schrie Frau Straub laut auf. Ihr Mann eilte ihr nach, aber sie hatte sich schon wieder umgewandt und rannte ihn fast über den Haufen, während er neugierig über ihre Schulter ins Schlafzimmer spähte.

»Er hat sie ermordet!«, schrie sie. »Ruf die Polizei!«

Harald Straub bewegte sich nicht sofort. »Einen Moment, Antonia...«

Aber Antonia war schon fort in ihre eigene Wohnung gerannt.

Harald Straub folgte ihr zur Eingangstür und blieb dort – mit dem Rücken zu Oswalt hin – unschlüssig stehen.

Oswalt traf seine Entscheidung schnell genug. In seinem augenblicklichen Zustand von körperlicher Erschöpfung und Schock trieb es ihn ganz automatisch fort von einer ihm hoffnungslos erscheinenden Situation. Er flüchtete durch die Hintertür und setzte die Flucht fort.

Da er die Wagenschlüssel bei sich hatte, fuhr er im eigenen Wagen bis zum Stadtrand von Starnberg, ließ ihn dort stehen und bestieg einen Bus nach München. Er kam dort um vier Uhr dreißig morgens an und verbrachte eine Stunde in einer Caféteria im Hauptbahnhof. Da er keinen Bissen herunterkriegen konnte, trank er nur Kaffee.

Als es hell wurde, begann er durch die Straßen zu gehen.

Um acht Uhr trug er sich unter falschem Namen in das Meldeverzeichnis eines kleinen Hotels ein und ging in sein Zimmer hinauf. Er lag einige Stunden auf dem Bett, konnte es aber dann nicht länger in dem Zimmer aushalten und ging wieder durch die Straßen, bis er schließlich in einem Café in Schwabing landete. Er würgte eine Leberkässemmel hinunter und erbrach es vor dem Café wieder.

Am frühen Nachmittag wanderte er an der Isar entlang. Heftige Empfindungen von Schuldbewusstsein und das Gefühl eines schweren Verlusts suchten ihn heim. Fünf-, sechsmal zog er die Aktfotos hervor, betrachtete sie und schob sie in die Tasche zurück.

Am frühen Abend dieses Tages – am Sonntag, dem 7. April – fand er schließlich seinen Weg zu mir.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Als Karl Oswalt seinen Bericht der Ereignisse beendet hatte, spürte ich den vagen Wunsch, er würde einfach gehen und mir meinen Feierabend gönnen. Aber nachdem er sich ausgesprochen hatte, fühlte er sich erleichtert, und jetzt... nun, jetzt war zweifellos ich an der Reihe. Außerdem hatte er tatsächlich etwas Sympathisches an sich – eine Art jungenhafte Offenheit und Robustheit. Er sah so aus, als könnte er im Ernstfall einige Runden durchstehen.

»Sagen Sie mir, haben Sie irgendwelche Freunde?«, fragte ich.

»Mein bester Freund hat mich zu Ihnen geschickt. Elias Bucher. Er ist Rechtsanwalt.«

Ich kannte keinen Elias Bucher.

»Er betonte ausdrücklich, dass Sie mir einen Rat geben könnten«, fügte Oswalt hinzu.

»Ein guter Rat ist eine unverbindliche Angelegenheit. Wusste er keinen?«

»Er ist kein Strafverteidiger, sondern arbeitet in einer großen Firma. Seine Laufbahn steht noch ganz am Anfang.«

»Na gut. Wie lange waren Sie verheiratet?«

»Weniger als zwei Jahre.«

»Worüber haben Sie gestern gestritten?«

»Hauptsächlich über den Nerzmantel. Auch noch über andere Dinge, aber...«

»Was hat es mit diesem Nerzmantel auf sich?«

»Er ist mindestens 2.000 Mark wert. Wir sind nicht so reich. Als sie also mit dem Mantel heimkam...«

»...wunderten Sie sich, woher sie ihn hatte?«

»Ja. Ich dachte, sie hätte vielleicht ihr Konto überzogen, um ihn anzuzahlen. Als ich ihr das ins Gesicht sagte, geriet sie außer sich und behauptete, sie hätte den Mantel mit ihrem eigenen Geld bezahlt.«

»Besaß sie eigenes Geld? Vielleicht aus einer Erbschaft?«

»Soviel ich weiß, nicht.«

»Sie fingen also an, miteinander zu streiten.«

»So war es.«

»Und Frau Straub, Ihre Nachbarin, konnte das hören.«

»Man hört alles, was in den Nachbarwohnungen vorgeht.«

»Haben Sie sich oft derart heftig gestritten?«

»Ja.« Er fuhr sich übers Gesicht. »Für sie gehörte es irgendwie mit zum Leben.«

»Sie sprachen davon, dass sie abends allein ausging...«

»Oft – von Anfang an. Wir konnten nur drei Tage Flitterwochen feiern, und dann musste ich wieder zur Arbeit. Sie wollte jeden Abend irgendwohin ausgehen. Ich konnte mir das nicht leisten. Außerdem konnte ich das körperlich nicht durchhalten. Ich bin technischer Zeichner in einer Fabrik für Flugzeugteile und muss eine ruhige Hand behalten.«

»Wo haben Sie sie kennengelernt?«

Er fuhr sich wieder übers Gesicht. »In einem Tanzlokal, wo man sich Tanzpartnerinnen – nun ja – mieten kann.«

»In Starnberg?

---ENDE DER LESEPROBE---