MACHIAVELLI UND DIE UNSICHTBARE - Christian Dörge - E-Book

MACHIAVELLI UND DIE UNSICHTBARE E-Book

Christian Dörge

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Beschreibung

München, 1983. Der Privatdetektiv Erich Hirschhorn kommt bei einem Unfall ums Leben - oder war es Mord? Hirschhorns Witwe beauftragt Bruno Machiavelli, der Sache auf den Grund zu gehen. Kurz darauf wird Machiavellis Auftraggeberin Opfer eines Bombenanschlags, und Machiavelli hat nun keinerlei Zweifel mehr daran, dass er es mit einem höchst gefährlichen Gegner zu tun hat. Erste Ermittlungen führen ihn zu Hirschhorns letztem Klienten, dem kürzlich verstorbenen Millionär Wilhelm Siesmeyer aus Starnberg, und schließlich kommt Machiavelli einem ebenso dunklen wie tragischen Familiengeheimnis auf die Spur... MACHIVELLI UND DIE UNSICHTBARE ist der zweite Band einer Roman-Serie um den Münchner Privatdetektiv Bruno Machiavelli aus der Feder von Christian Dörge, Autor u. a. der Krimi-Serien EIN FALL FÜR REDMIGIUS JUNGBLUT, DIE UNHEIMLICHEN FÄLLE DES EDGAR WALLACE, FRIESLAND und der Frankenberg-Krimis um den Privatdetektiv Lafayette Bismarck.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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CHRISTIAN DÖRGE

 

 

Machiavelli

und die Unsichtbare

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Signum-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Der Autor 

MACHIAVELLI UND DIE UNSICHTBARE 

Die Hauptpersonen dieses Romans 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

Impressum

 

Copyright © 2023 by Christian Dörge/Signum-Verlag.

Lektorat: Dr. Birgit Rehberg

Umschlag: Copyright © by Christian Dörge.

 

Verlag:

Signum-Verlag

Winthirstraße 11

80639 München

www.signum-literatur.com

[email protected]

Das Buch

 

 

München, 1983.

Der Privatdetektiv Erich Hirschhorn kommt bei einem Unfall ums Leben - oder war es Mord? Hirschhorns Witwe beauftragt Bruno Machiavelli, der Sache auf den Grund zu gehen.

Kurz darauf wird Machiavellis Auftraggeberin Opfer eines Bombenanschlags, und Machiavelli hat nun keinerlei Zweifel mehr daran, dass er es mit einem höchst gefährlichen Gegner zu tun hat. Erste Ermittlungen führen ihn zu Hirschhorns letztem Klienten, dem kürzlich verstorbenen Millionär Wilhelm Siesmeyer aus Starnberg, und schließlich kommt Machiavelli einem ebenso dunklen wie tragischen Familiengeheimnis auf die Spur...

 

Machiavelli und die Unsichtbare ist der zweite Band einer Roman-Serie um den Münchner Privatdetektiv Bruno Machiavelli aus der FedervonChristian Dörge, Autor u. a. der Krimi-Serien Ein Fall für Remigius Jungblut, Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace, Friesland und der Frankenberg-Krimis um den Privatdetektiv Lafayette Bismarck. 

Der Autor

 

Christian Dörge, Jahrgang 1969.

Schriftsteller, Dramatiker, Musiker, Theater-Schauspieler und -Regisseur.

Erste Veröffentlichungen 1988 und 1989:  Phenomena (Roman), Opera (Texte).  

Von 1989 bis 1993 Leiter der Theatergruppe Orphée-Dramatiques und Inszenierung  

eigener Werke,  u.a. Eine Selbstspiegelung des Poeten (1990), Das Testament des Orpheus (1990), Das Gefängnis (1992) und Hamlet-Monologe (2014). 

1988 bis 2018: Diverse Veröffentlichungen in Anthologien und Literatur-Periodika.

Veröffentlichung der Textsammlungen Automatik (1991) sowie Gift und Lichter von Paris (beide 1993). 

Seit 1992 erfolgreich als Komponist und Sänger seiner Projekte Syria und Borgia Disco sowie als Spoken Words-Artist im Rahmen zahlreicher Literatur-Vertonungen; Veröffentlichung von über 60 Alben, u.a. Ozymandias Of Egypt (1994), Marrakesh Night Market (1995), Antiphon (1996), A Gift From Culture (1996), Metroland (1999), Slow Night (2003), Sixties Alien Love Story (2010), American Gothic (2011), Flower Mercy Needle Chain (2011), Analog (2010), Apotheosis (2011), Tristana 9212 (2012), On Glass (2014), The Sound Of Snow (2015), American Life (2015), Cyberpunk (2016), Ghost Of A Bad Idea – The Very Best Of Christian Dörge (2017). 

Rückkehr zur Literatur im Jahr 2013: Veröffentlichung der Theaterstücke Hamlet-Monologe und Macbeth-Monologe (beide 2015) und von Kopernikus 8818 – Eine Werkausgabe (2019), einer ersten umfangreichen Werkschau seiner experimentelleren Arbeiten.  

2021 veröffentlicht Christian Dörge mehrere Kriminal-Romane und beginnt drei Roman-Serien: Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace, Ein Fall für Remigius Jungblut und Friesland. 

 

Künstler-Homepage: www.christiandoerge.de

  MACHIAVELLI UND DIE UNSICHTBARE

 

 

 

 

 

 

  Die Hauptpersonen dieses Romans

 

Bruno Machiavelli: Privatdetektiv aus München. 

Augusta Hirschhorn: Witwe des verstorbenen Privatdetektivs Erich Hirschhorn. 

Xaver Diestelkamp: Kommissar bei der Münchner Kriminalpolizei. 

Claus Maywaldt: Inspektor bei der Münchner Kriminalpolizei. 

Dorothea Siesmeyer: eine reiche Erbin. 

Karoline Siesmeyer: eine weitere reiche Erbin. 

Paul Bieber: Rechtsanwalt. 

Erik Spangenberg: sein Mitarbeiter. 

Paula Lundquist: eine Hausdame. 

Eduard Goltschmit: ein undurchsichtiger Geschäftsmann. 

Ferdinand Hanauer: angehender Generaldirektor. 

Cindy Wiegand: eine junge hübsche Krankenschwester. 

 

 

Dieser Roman spielt 1983 in München und Starnberg. 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

»Es ist lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben«, sagte ich.

Die zierliche, brünette Frau, die mir gegenübersaß, nickte. »Fast ein Jahr, Bruno. Wie geht es Ihnen?«

»Passt schon.«

Es folgte ein unbehagliches Schweigen. Erich Hirschhorns Witwe hatte sich gut in der Gewalt, aber sie konnte nicht verhindern, dass ihre Finger zitterten, als sie eine Zigarette aus ihrer Handtasche hervorsuchte.

Ich gab ihr Feuer, und als sie mir dankte und dabei in die Augen sah, wusste ich, dass ich mich nicht geirrt hatte. Augusta Hirschhorn hatte Angst.

Ich mixte ihr einen Drink und reichte ihr das Glas. Sie hielt es in beiden Händen. In dem großen Lehnsessel, in dem sie saß, wirkte sie noch kleiner und zierlicher als sonst. Ich fragte mich, wie sie mit diesem zerbrechlichen Körper überhaupt 23 Jahre hatte alt werden können.

»Schmeckt ganz hervorragend«, sagte sie und lächelte mir über das Glas hinweg zu. »Ich habe mir das Trinken angewöhnt, seit... seit es passiert ist.« Sie lächelte wieder, als müsste sie sich für etwas entschuldigen. »Es hilft in Wirklichkeit zwar nicht, aber es gibt mir die Illusion von... von Hilfe.«

»Zweifellos.« Ich räusperte mich. »Sie sehen großartig aus – wenn ich so sagen darf.«

»Danke, Sie sind sehr freundlich.«

»Arbeiten Sie noch für dieselbe Firma?«

Sie nickte.

»Immer noch für Berkheimer & Schwarz in der Herzogstraße.«

Es war eine Maklerfirma, in der sie schon vor ihrer Ehe gearbeitet hatte. Sie hatte dann aufgehört, allerdings war dies nicht viel mehr als ein längerer Urlaub gewesen. Sie waren weniger als ein Jahr verheiratet gewesen, als Erich starb.

Der plötzliche Tod eines Kollegen ist immer beunruhigend. Er erinnert einen daran, dass man selbst auch ständig am Abgrund des Schicksals lebt.

Obwohl ich mit Erich Hirschhorn und seiner Frau allenfalls flüchtig bekannt gewesen war, erinnerte ich mich noch deutlich an die Nachricht von seinem Tod. Ich hörte im Radio – von der unpersönlichen Stimme eines Nachrichtensprechers mitgeteilt:

 

Die Leiche des Privatdetektivs Erich Hirschhorn wurde heute am frühen Abend in einer Gasse am Westend gefunden. Die Polizei untersucht die Möglichkeit eines Mordes, obwohl der äußere Anschein darauf hindeutet, dass Hirschhorn das Opfer eines Unfalls wurde. Er erlitt einen Halswirbelbruch – offensichtlich infolge eines Sturzes von einem hohen Gebäude. Frau Augusta Hirschhorn, die Witwe des Opfers, erklärte, sie wisse nicht, an welchem Fall ihr Mann kurz vor seinem Tode gearbeitet habe. 

 

Ich hörte wieder Augusta Hirschhorns Stimme.

»Erich hatte eine hohe Meinung von Ihnen. Er sagte immer, ich solle mich an Sie wenden, wenn ich einmal Schwierigkeiten hätte, mit denen ich nicht zur Polizei gehen könne.«

Ich bewegte mich unbehaglich auf meinem Stuhl. Die Schmeichelei klang nett, aber was würde nun folgen?

Sie nippte erneut an ihrem Glas. Es schien ihr schwerzufallen, zur Sache zu kommen, und ich nahm ihr die Arbeit ab.

»Ich nehme an, Sie haben etwas auf dem Herzen«, meinte ich ruhig. »Wollen Sie sich mir nicht offenbaren?«

Sie sah mich an – mit jener gespannten Nervosität, durch die ihre Angst deutlich hindurchschimmerte.

»Vielleicht ist es nur ein Hirngespinst«, sagte sie mit hörbarer Vorsicht. »Sie müssen mir versprechen, nicht zu lachen.«

Ich hob mit ernstem Gesicht meine rechte Hand, und sie erzählte mir die Geschichte.

Und an dieser Geschichte war rein gar nichts zum Lachen.

Ich mixte ihr noch einen Drink, ging zweimal um den Schreibtisch herum und setzte mich wieder. »Um noch einmal alles klarzustellen: Zuerst kam der Bursche von der Versicherungsgesellschaft und behauptete, er hätte Fragen wegen einer alten Versicherungspolice von Erich.«

Sie nickte. »Ich habe überall nachgeschaut.«

»Und Sie wissen natürlich nicht, wieviel von Ihrer Wohnung der Bursche inzwischen durchsucht hat?«

»Wahrscheinlich alles. Ich habe gar nicht daran gedacht, bis er plötzlich im Schlafzimmer aufgetaucht ist, wo der Schreibtisch steht.«

»Sie haben keine Police gefunden?«

»Nein. Und ich hatte auch nie zuvor von einer gehört.«

»Dann behauptete der Besucher er, es liege wahrscheinlich ein Irrtum vor, und ging?«

»Ja.«

»Das war vor einer Woche«, rekapitulierte ich. »Drei Tage später kam die Dame, die sich als Angestellte des Finanzamts ausgab.«

»So ist es. Ich war so schrecklich naiv, ihr nicht eine einzige Frage zu stellen. Ich ließ sie einfach herein und zeigte ihr alles. Bis mir schließlich auffiel, dass sie selbst für eine Steuerfahnderin reichlich neugierig war. Sie schien meine Gedanken zu ahnen und verschwand sodann eilig.«

»Als Sie beim Finanzamt anriefen, stellte sich heraus, dass an dem Tag überhaupt kein Beamter der Steuerfahndung unterwegs gewesen war.«

Sie nickte.

»Und dann kamen die beiden Männer von der Hausverwaltung, welche vorgeblich den Zustand der Wohnung überprüfen wollten.«

»Da ging mir endlich ein Licht auf«, sagte Augusta. »Ich ließ sie nicht herein.«

»Und beide Männer wurden nicht zudringlich?«

»Nein. Sie versuchten mich zu überreden, aber sie gaben es schließlich auf.«

»Sie haben keinen von diesen Leuten erkannt?«, wollte ich wissen. »Nie zuvor einen von ihnen gesehen?«

»Nein. Dessen bin ich sicher.«

»Haben Sie eine Ahnung, was die Leute bei Ihnen in der Wohnung gesucht haben könnten?«

»Nicht die geringste.«

»Hat Erich Sie jemals, zu irgendeiner Zeit in seine Arbeit eingeweiht?«

»Nein, er war in dieser Hinsicht betont schweigsam.«

Ich dachte einen Moment nach und warf dann einen Blick auf die Uhr.

»Ich möchte mir gern einmal Ihre Wohnung bei Tage ansehen. Vielleicht könnten Sie mir einen Schlüssel geben. Falls Sie irgendwelche persönlichen Dinge haben, die nicht von Fremden berührt werden sollen, brauchen Sie es mir nur zu sagen. Ich werde mich entsprechend danach richten.«

Sie lächelte matt. »Ich habe nicht viel zu verbergen. Ich habe ein sehr zurückgezogenes Leben geführt.«

»Als zweites möchte ich mit Ihnen zusammen einen Blick ins Verbrecher-Album werfen.«

»Die Polizei hinzuziehen?« Sie verzog das Gesicht. »Ist das wirklich nötig?«

»Je eher, umso besser«, versicherte ich ihr. »Falls Sie auch nur einen von Ihren Besuchern wiedererkennen, wären wir einen gewaltigen Schritt weiter.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn es denn sein muss...«

»Soll ich Sie jetzt heimbringen?«, fragte ich.

»Nein«, sagte sie. »Ich bin sicher, dass mir niemand gefolgt ist. Und ich fürchte mich nicht allein zu Hause. Ich brauche ja keinen hereinzulassen. Außerdem habe ich Erichs .38er-Revolver.«

»Können Sie damit umgehen?«

»Durchaus. Ich schieße ziemlich gut.«

»Haben Sie zu irgendjemandem außer mir über die Zwischenfälle gesprochen?«

»Nur zu Paul Bieber, meinem Anwalt«, erklärte sie. »Herr Bieber hat manchmal mit Erich zusammengearbeitet, er hat mir nach Erichs Tod sehr geholfen und sich um dessen Kartei und Akten gekümmert. Ich habe Paul Bieber auch mitgeteilt, dass ich Sie aufsuchen werde.«

»Wie hat er sich um Erichs Kartei gekümmert?«

»Nach Erichs Tod wollte die Polizei als erstes seine Kartei durchstöbern. Ich rief Paul an – Herrn Bieber –, und er sagte, das komme nicht in Frage, es sei denn, die Polizei hätte einen Hausdurchsuchungsbefehl.«

»Hat er erklärt, warum?«

»Er sagte, es könnten Hinweise in den Akten enthalten sein, durch die unschuldige Leute Schwierigkeiten bekämen. Für die Akten eines Detektivs bestehe eine Art Geheimhaltungspflicht – ähnlich wie bei einem Anwalt –, meinte Paul Bieber.«

»Was ist mit den Akten und der Kartei geschehen?«

»Wir verwahren sie auf einem Speicher. Paul hat mir dabei geholfen. Es waren drei Aktenschränke. Einer davon war jedoch leer. Erich war etwas zu optimistisch hinsichtlich seines beruflichen Aufstiegs gewesen. Jedenfalls packten wir alle Papiere in einen Schrank zusammen, und Paul versiegelte die einzelnen Schubfächer mit Klebstreifen. Dann riefen wir eine Spedition an und ließen den Schrank auf den Speicher schaffen.«

»Hat Bieber die Akten und die Kartei durchgesehen, bevor er die Kästen versiegelte?«

»Ich glaube nicht. Er hatte gar keine Zeit dazu.«

»Was müssen Sie tun, um an den Aktenschrank heranzukommen?«

»Ich muss meine Unterschrift zeigen wie bei einem Bankschließfach. Herr Bieber hat eine Vollmacht von mir. Er kann jederzeit an den Schrank heran, falls mir etwas zustößt.«

»Wenn Ihnen etwas zustößt?«

»Nun – es ist eine Art Generalvollmacht. Ich glaube, sie gilt auch, wenn ich krank bin.«

»Hat Bieber sich etwas zusammenreimen können, als Sie ihm von den geheimnisvollen Besuchern berichteten?«

»Er schien mir höchst verwirrt zu sein und stellte einige Fragen. Dann bot er mir an, zu mir zu kommen und mit mir darüber zu sprechen, aber ich lehnte das ab. Ich kann mir so viel Rechtsbeistand nicht leisten.« Sie lächelte etwas verlegen. »Ich weiß nicht einmal, ob ich mir Ihren Beistand leisten kann, Bruno.«

»Sagen Sie so etwas nicht, Augusta. Sie können mir eines Tages einen guten Börsentipp geben, und dann sind wir quitt.«

Ich telefonierte mit dem Polizei-Präsidium in der Ettstraße und erwirkte bei einem Inspektor für den nächsten Nachmittag um fünf Uhr eine Einsichtnahme in die Verbrecherkartei.

Nachdem ich mit Augusta diese Zeit vereinbart und ihren Schlüssel in Empfang genommen hatte, verabschiedete sie sich und ging.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Am nächsten Tag verbrachte ich fünf erfolglose Stunden damit, Augustas Wohnung zu durchsuchen. Es war ein altes Gebäude mit abbröckelndem Gesims und durchgetretenen Treppenläufern, aber Augustas drei Zimmer waren hübsch eingerichtet und tadellos sauber. Ich arbeitete so sorgfältig wie selten in meinem Leben. Kein Stück Papier, kein Schubfach, kein Regal blieben unbeachtet. Sogar das Bett nahm ich auseinander und setzte es wieder zusammen. Am Ende hatte ich nichts gefunden, was für jemand anderen als für Augusta Bedeutung haben konnte.

 

Da ich nicht daran glaubte, dass Augusta Feinde aus einer womöglich abenteuerlichen Vergangenheit hatte, blieb nur Erich selbst als Angelpunkt der merkwürdigen Geschehnisse. Aber Erich war und blieb... tot.

Ich hatte noch zwei Stunden bis zu der Verabredung mit Augusta Zeit und machte einen Abstecher ins Archiv der tz. Dort blätterte ich in den alten Zeitungen aus der Zeit von Erichs Tod. In einem kurzen Bericht fand ich endlich auch einen näheren Hinweis.

Ich ging ihm nach.

Südwestlich von der Bayerstraße ließ ich den Wagen auf einem unbenutzten Lagerplatz stehen und schlenderte eine Weile umher. Gemäß des Zeitungsberichts hatte Erich in einer Gasse hinter einer Straße mit einer bestimmten Hausnummer seinen Tod gefunden. Ich musste fast einen halbe Kilometer laufen, um die Hausnummer zu finden und dann zusätzlich einmal um den Block herum gehen, bis ich die gewünschte Stelle erreicht hatte.

Ich spürte ein unangenehmes Schwindelgefühl, als ich aus der engen Gassenschlucht die zehn Stockwerke hohen Steilwände der Häuser emporstarrte. Die Dächer der Hochhäuser schienen sich zueinander zu neigen. Die Reihen von hohen, leeren Fenstern schimmerten schiefergrau und waren unbeschriftet. Aber neben dem Lieferanteneingang des einen Hauses stand auf einem kleinen Metallschild:

 

G & D – Hotel- und Restaurant-Bedarf.

 

Der Firmenname sagte mir nichts.

Gegenüber dem Lieferanteneingang endete eine Feuerleiter zwei Meter über dem Boden. Ich sprang hoch, bekam die unterste Sprosse zu fassen und hangelte mich hinauf, bis ich die Füße auf die Sprosse stellen konnte. Die Feuerleiter war alt und wacklig, aber gottlob fest genug im Mauerwerk verankert. Ich kletterte empor und machte an jedem Stockwerk halt, um links und rechts und gegenüber der Gasse in die nächsten Fenster zu spähen.

Im dritten Stock blickte ich in einen Konfektionsbetrieb. Frauen saßen an langen, mit Stoffen bedeckten Tischen. Eine schaute ohne Neugier zu mir hin und beschäftigte sich wieder mit ihrer Arbeit. Jenseits der Gasse waren die Jalousien heruntergelassen.

In den nächsten zwei Stockwerken war in beiden Gebäuden nichts zu sehen. In der fünften Etage der Restaurant-Bedarfs-Firma waren Lagerräume mit Küchen- und Bareinrichtungen vollgestopft: große Stahlregale, Barstühle und viele andere Bedarfsartikel der Speise- und Getränkeindustrie.

Das wiederholte sich im sechsten Stock. Es war sehr interessant, sagte mir aber rein gar nichts. Meine Hände an den Leitersprossen waren klamm und braun von Rost. Aber ich war jetzt so weit gegangen, dass ich auch noch den Rest des Weges bis zum Dach zurücklegen konnte. Außerdem hoffte ich, innerhalb des Gebäudes einen leichteren Weg hinunter zu finden.

Im achten Stockwerk beobachtete ich fünf stämmige Kerle in einem Lagerraum beim Würfeln. Einer von ihnen sah mich, wurde steif und machte die anderen auf mich aufmerksam. Sie starrten mich an. Ich grinste fröhlich, winkte ihnen zu und stieg weiter.

Im neunten Stock befand sich ein zwei Fuß breiter Balkon mit Gitterumrandung. Ich schwang mich über das hüfthohe Geländer und spähte widerstrebend, mit verkrampftem Magen, in die Tiefe. Da hinunter wäre es ein langer, harter Fall von fünfundzwanzig oder dreißig Metern bis auf den Zementboden drunten. Am Ende der Sackgasse war eine Ladeplattform; ein Kombi-Lieferwagen stand davor. Zwei hohe Stahlrolläden waren herabgelassen.

Hinter mir sah ich durch die schmutzigen Fensterscheiben in einen leeren Speicher. Ohne mir konkret etwas davon zu versprechen, ergriff ich den unteren Rand des Fensterrahmens und hob ihn an. Das Schiebefenster gab nach und ließ sich mit einem rostigen Quietschen hochschieben.

Bevor ich hineinkletterte, warf ich noch einen Blick über die Gasse. Das Zimmer hinter dem Fenster drüben war schwach erhellt. Fenstervorhänge engten den Blick ein, aber ich konnte einen Teil der Einrichtung sehen: eine Couch, ein paar Stühle, einen Tisch mit einer Lampe darauf. Vielleicht war es das Wohnzimmer eines Nachtwächters oder eines Hausmeisters.

Dann öffnete sich plötzlich eine Tür im Innern, und eine Frau trat in das Zimmer. Sie trug nur Schlüpfer, Büstenhalter, Strümpfe und Schuhe. Von irgendwoher nahm sie einen Unterrock und streifte ihn über den Kopf. Dann zog sie ein Kleid an und glättete es am Körper. Ihr Gesicht hatte ich nicht gesehen. Aber ich erkannte, dass sie jung und gut gewachsen war. Und  etwas war am erstaunlichsten: Sie war kahlköpfig wie eine Kleiderpuppe.

Ich wandte mich ab, bevor sie mich entdecken konnte, stieg durch das Fenster in den Speicher und fand eine Treppe.

Eine halbe Stunde lungerte ich am Eingang von G & D – Hotel- und Restaurant-Bedarf herum. Leute kamen und gingen, aber keiner hatte Ähnlichkeit mit der kahlköpfigen Dame.

Um 16.30 Uhr gab ich das Warten auf und ging heim, um meine Verabredung mit Augusta einzuhalten.

 

 

 

 

---ENDE DER LESEPROBE---