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Timono, ein einfacher Stallbursche des Königs, erkennt auf einmal, dass er magische Fähigkeiten besitzt. Diese nutzt er, um die Aufmerksamkeit seiner Prinzessin zu erlangen, in die er sich verliebt hat. Sein Weg führt den jungen Zauberer auf ein Schiff, mit dem er irgendwann auf eine Insel gelangt, die ein Geheimnis hütet. Dort verbirgt sich ein Zauberkristall, der Timono zu sich gerufen hatte. Und das Schicksal soll sich bald erfüllen. Eine Geschichte über die große Liebe, Zauberkräfte, und kleinen Abenteuern auf dem Weg das Schicksal zu erfüllen.
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Seitenzahl: 428
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Jeanny O‘Malley
Magie, Schicksal und der Zauberkristall
Roman Fantasy
Impressum
Texte: © 2021 Copyright by Jeanny O’Malley
Umschlag:© 2020 Copyright by Jeanny O’Malley
Verantwortlich
für den Inhalt:Jeanny O’Malley
Postfach 1105
53805 Ruppichteroth
E-Mail: [email protected]
Facebook: @JeannyOMalley
Instagram: @Jeannyomalley
Twitter: @JeannyMalley
Druck:epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin
In einer Welt, in der das Schicksal eines jeden Menschen bereits lange vor den Geschehnissen geschrieben stand, gab es auch eine große Quelle der Magie. Tief in einer Höhle, unter einem riesigen See versteckt, gab es einen großen Kristall. Dieser leuchtete weiß und sorgte auf der Welt für das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse. Diese magische Energiequelle existierte seit Anbeginn der Zeit.
Eines Tages aber kamen zwei Zauberer. Sie entdeckten diese Höhle in dem See. Bis dahin war der Kristall immer gut versteckt gewesen. Es war entweder reiner Zufall, oder aber Schicksal, dass die beiden Männer die versteckte Quelle der Magie fanden. Sie spürten, welche unglaubliche Macht in dem Kristall ruhte. Der eine von ihnen war der Meinung, dass es besser wäre, wenn sie diesen Ort wieder verlassen würden und es nie einem verraten. Doch der andere Zauberer fühlte etwas, was er so noch nie erlebt hatte. Es war das Gefühl ein mächtiger Mann zu sein. Er wollte die Welt an sich reißen können mit dieser Energiequelle. Also versuchte er seinen Freund zu töten, um den Kristall auch wirklich für sich alleine zu haben. Dieser aber bemerkte die Veränderung seines Gefährten und konnte sich noch verteidigen.
Der Kampf auf Leben und Tod durch Zauberei forderte kein Todesopfer der Männer, sondern etwas viel Fataleres passierte. Sie zauberten Blitze aus ihren Fingern, um den anderen zu treffen. Danach folgten Feuerbälle und Stürme. Schließlich nach Stunden des Kampfes, aus dem kein Gewinner oder Verlierer hervorging, versuchten sie den Kristall für noch mehr Energie zu nutzen. Da geschah das, was für die Welt nie hätte schlimmer sein können: Die Quelle der Magie wurde in zwei Teile gespalten. Aus dem weißen leuchtenden Gebilde entstanden zwei gleiche Teile. Der eine leuchtete blau und der andere rot. Aus dem Gleichgewicht gerissen, war der eine Obelisk mit böser Energie gefüllt und der weitere mit guter.
Die Zauberer bemerkten zunächst keine Veränderung. So einigten sie sich, dass einer den roten und der andere den blauen Kristall mitnehmen sollte.
Als sie später an der Oberfläche ihrer Welt standen, sahen sie, wie die Natur um sie herum sich verändert hatte. Feuerbälle fielen vom Himmel, Stürme fegten über das Land und der ehemals ruhige See hatte Wellen bekommen, die doppelt so hoch waren, wie ein Mann. Tiere liefen wie verrückt über das Land und rannten die Zauberer fast um. Nun sahen sie, was sie angerichtet hatten. Die Natur war durch die Teilung des Kristalles aus den Fugen geraten. Der Versuch der beiden Zauberer scheiterte aber, den Kristall wieder zu einem zusammenzufügen. Sie schlossen einen Pakt. Jeder sollte seinen Kristall irgendwo in Sicherheit verstecken und über ihn wachen. Die Idee lag darin, dass sie getrennt voneinander keinen so großen Schaden anrichten könnten.
Zunächst ging der Plan auf. Die Welt schien wieder so zu sein, wie vor dem großen Unglück. Doch die Jahre vergingen. Die Zauberer starben beide im hohen Alter. Jahrhunderte danach wusste niemand mehr von der Quelle der Magie. Doch die Kristalle handelten eigenständig weiter. Der gute Kristall suchte nach jemandem, der ihm helfen könnte, ihn wieder mit seinem Zwilling zu vereinen, da der böse Kristall im Laufe der Zeit immer mehr an Kraft zunahm, was auch die Menschen in seiner Nähe negativ beeinflusste.
Vom Stallburschen zum Zauberer
„Guten Morgen Timono! Heute ist dein vierzehnter Geburtstag. Du willst diesen Tag doch wohl nicht etwa verschlafen, oder?“ fragte seine Tante, nachdem sie ihn geweckt hatte. Timono reckte sich in seinem Bett und sagte gähnend: „Nein! Ich komme gleich.“ Lächelnd ging die Tante in die Küche, wo schon der Onkel und der Geburtstagskuchen auf Timono warteten. „Ich kann gar nicht glauben, wie lange Timono schon bei uns lebt. Es kommt mir so vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass seine Eltern ums Leben gekommen sind. Der Arme Junge. Er war schon sehr früh auf sich alleine gestellt.“ meinte die Tante seufzend. Seinen Bart zwirbelnd antwortete Timonos Onkel: „Er hatte doch uns. Ich finde, dass er ein prächtiger Junge geworden ist. Er wird bald den Mädchen den Kopf verdrehen.“ „Ja! Das wird er bald.“ seufzte die Tante. Da kam Timono auch schon in die Küche. Seine dunklen Haare hatte er noch nicht gekämmt, und seine hellblauen Augen waren müde. Freudig sah er die Geburtstagstorte an. „Alles Gute zum Geburtstag mein Junge!“ wünschte ihm sein Onkel. Glücklich umarmte er seine Paten und fragte dann: „Kann ich für heute Nachmittag meine Freunde einladen?“ „Wenn du mir erst mit den Pferden des Königs hilfst, dann ja. Denk daran, dass du immer noch ein königlicher Stallbursche bist. Da hast du gewisse Pflichten. Der König ist wichtiger als ein Geburtstag eines Untergebenen.“ Seufzend sah Timono auf den Boden und meinte traurig: „Ich will mal was anderes machen. Aber dafür muss ich bestimmt noch eine Menge lernen.“ Liebevoll legte seine Tante ihre Hand auf seinen Kopf und sagte: „Das ist doch eine gute Stelle, die du und dein Onkel haben. Es gibt Leute, denen geht es schlechter. Du solltest zufrieden sein. Und heute Nachmittag können deine Freunde gerne kommen.“ „Danke!“ flüsterte Timono seiner Tante zu und ging zusammen mit seinem Onkel zu den Ställen des königlichen Hofes.
Timono war ein sehr aufgeweckter junger Mann, der abenteuerlustig war und immer was Besseres sein wollte als ein Stallbursche. Er liebte die Herausforderung und stellte sich kühn gegen jeden, der ihm etwas Böses wollte.
Aber die Pferde des Königs liebte er. Immer wenn er mit ihnen zusammen war, erfüllte ihn dies mit Freude. Sorgfältig hegte und pflegte er die Pferde, gab ihnen immer genügend Futter und täglich frisches Wasser. Auch redete er mit ihnen und es kam ihm vor, als wenn sie ihn verstehen würden. Ein Lieblingspferd hatte er nicht. Zwar war das Lieblingspferd des Königs das Prächtigste von allen, aber er mochte auch die einfachen Kutschpferde und die, die für die Jagd bereitstanden und für die Ritter.
Am Nachmittag war er mit seiner Arbeit fertig und ging nach Hause um sich für seine Feier zu waschen und umzuziehen. Sein zu Hause war die Unterkunft der Bediensteten neben dem Pferdestall. Es war zwar armselig anzuschauen, aber dennoch war es eines der geräumigsten am ganzen Hofe.
Seine drei Freunde kamen zu Besuch und sie redeten am Tisch miteinander. „Heute ist mir was Tolles passiert!“ erzählte Jeremy. Aaron fragte nach: „Was hast du denn erlebt?“ „Ja genau! Spann uns nicht auf die Folter.“ bat Isaak. Timono saß da und meinte: „Bestimmt warst du mit deinem Vater auf der Jagd.“ „Woher weißt du das?“ wollte Jeremy wissen. Timono biss in sein Stück Kuchen und antwortete dann: „Ich habe dich heute Nachmittag mit eurer Beute wiederkommen sehen. Da war mir alles klar.“ Aaron fragte: „Was habt ihr denn für Beute gemacht?“ „Wir haben einen Hasen erlegt. Was anderes darf man ja nicht töten. Alles andere ist Beute für den König.“ antwortete Jeremy. „Ach ja! Stimmt ja! Da habe ich nicht mehr dran gedacht. Ich gehe ja nicht mit meinem Vater auf die Jagd. Wir gehen nur zusammen Fischen.“ „Wo ist der Unterschied?“ fragte Isaak nach. Timono schluckte seinen Kuchen herunter und antwortete: „Weil Fischen keine anderen Leute verletzen kann, bei dem Versuch sie zu fangen oder zu erlegen. Daher darf jeder fischen.“ Jeremy hielt seine Nase hoch und meinte: „Da könnt ihr einmal sehen, was mir heute so Tolles passiert ist. Es darf nicht jeder Mann Tiere töten.“ „Ich möchte mal etwas anderes machen, als ein Stallbursche zu sein. Ich will Abenteuer erleben und irgendwann mal hier weg gehen können.“ seufzte Timono leise. Isaak klopfte ihm auf die Schulter und meinte: „Das schaffst du auch. Du bist jetzt schon ein königlicher Stallbursche. Das ist mehr, als ich vielleicht mal werden könnte.“ Da klopfte es an die Haustüre und ein Diener des Königs stand vor Timono. „Ist dein Onkel da?“ wollte der Diener wissen. Timono nickte und deutete auf die Stube, wo sein Onkel auf einer Holzbank saß und eine Figur schnitzte. Der Diener betrat das Zimmer und sagte: „Ich bin geschickt worden, um euch mitzuteilen, dass der König morgen eine Reise ins andere Königreich machen will. Der Kutscher ist krank geworden, und da ihr ja sowieso die Pferde pflegen müsst, wollte der Hofmarschall wissen, ob ihr auch die Kutsche fahren könnt.“ „Aber sicher können wir eine Kutsche fahren. Ich werde für ihn einspringen.“ antwortete der Onkel. „Da ist noch eine Sache! Unser Lakai ist auch krank geworden, vermutlich eine ansteckende Krankheit. Dieser müsste auch ersetzt werden.“ meinte der Diener. „Dann wird Timono diesen ersetzen. Wir werden beide mitkommen.“ Voller Freude über eine kleine Reise jubelte Timono in der Küche bei seinen Freunden herum. Alle drei waren sehr neidisch auf ihn.
Am nächsten Tag durfte Timono zusammen mit seinem Onkel die königlichen Pferde vor die Kutsche des Königs spannen und diese dann auch fahren. Für diesen Tag zog er extra seine besten Kleider an. Er fragte seinen Onkel neugierig: „Warum will denn der König seine Kutsche dabei haben? Sonst reitet er immer auf seinem Lieblingspferd.“ Lächelnd antwortete sein Onkel: „Heute will seine ganze Familie das benachbarte Königreich von Philipp dem Dritten besuchen. Das heißt, dass seine Frau und seine Tochter dabei sein werden.“ Aufgeregt über seine neue Tätigkeit als Lakai, wartete er ab, bis der Onkel die Kutsche vor dem Eingang des Schlosses anhielt. Danach stellte er sich neben der Treppe auf, um den Damen beim Einsteigen zu helfen.
Zuerst schritt der König selbst aus dem Schloss und stieg in die Kutsche ein. Direkt nach ihm kam die Königin zu den starken Armen von Timono, der ihr in die Kutsche half. Ihr folgte die Prinzessin mit fast schwebenden Schritten. Eine solche Frau hatte er noch nie zuvor in seinem Leben gesehen. Sie weckte in ihm ein Gefühl, welches ihm noch neu war in seinem jungen Alter. Er fand, dass sie wunderhübsch aussah. Ihr langes blondes Haar hatte sie zu einem Zopf zusammen geflochten und ein kleines winziges Diadem auf ihrem Kopf glitzerte in der Sonne. Zwar hatte er sie mal von weitem gesehen an ihrem Fenster oder hinter dem Zaun im Garten, aber so nah sah er sie niemals. Vorsichtig half er auch ihr in die Kutsche und lächelte sie dabei freundlich an. Timonos Lächeln war ihr irgendwie sympathisch und sie lächelte zurück. Der König sah dies und räusperte sich kurz. Daraufhin sah die Prinzessin schnell in eine andere Richtung.
Der König gab ein Zeichen und sein Onkel lenkte die Kutsche bis ins andere Königreich. Dort angekommen half Timono ihnen auch wieder aus der Kutsche. Verzückt schaute er der Prinzessin hinterher. In seinem Bauch kribbelte es irgendwie. Ihm waren diese Gefühle neu. Er hatte aber schon mal von Erzählungen gehört, dass man verliebt ist, wenn es im Bauch kribbelt.
Als die königliche Familie in dem Schloss verschwunden war, fragte Timono seinen Onkel an der Kutsche: „Warst du schon einmal verliebt?“ Nickend bestätigte er diese Frage. Schließlich antwortete er kurz: „In deine Tante. Dann habe ich sie geheiratet.“ Timono musste lachen. Darauf meinte er lächelnd: „Nein! Ich meine in eine Prinzessin.“ Vorsichtig zündete sich der Onkel seine Pfeife an und verschluckte sich fast dabei an dem ersten Zug. Nachdenklich schaute er Timono in die Augen und meinte besorgt: „Vergiss sie schnell wieder. Sie ist nichts für dich. Du wirst sie niemals heiraten können. Außerdem würde sie nie einen Stallburschen bevorzugen wollen.“
Traurig schaute Timono zum Schloss. Dann merkte er, dass er einen Stich in seinem Herzen fühlte. Er fand dieses Gefühl, nicht geliebt zu werden, so schrecklich, dass er am liebsten tot wäre. Mit gesenktem Kopf versorgte er die Pferde und ging anschließend in das Gasthaus zu den anderen Untertanen und Dienern. Zunächst aß er etwas Suppe mit Brot und ging dann auf sein Zimmer. Er legte sich auf das Bett und starrte an die Decke. Diese Prinzessin ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Die ganze Zeit musste Timono an ihr schmales Gesicht, ihre langen blonden Haare und an ihre blauen Augen denken. Sie war für ihn wunderschön. Er mochte alles an dieser Frau. Er dachte daran, dass er noch nicht einmal wusste, wie sie heißt. Mit einem Satz sprang er aus dem Bett und ging aus seinem Zimmer in den Gastraum. Dort setzte er sich neben seinen Onkel und fragte ihn leise: „Weißt du, wie die Prinzessin heißt?“ Nickend antwortete er: Joanna ist ihr Name. Seltsam, dass du den Namen der Prinzessin nicht kennst. Schließlich arbeiten wir an ihrem Hofe.“ Seufzend stand Timono wieder von dem Stuhl auf und wollte gerade gehen, als ihm sein Onkel streng befahl: „Mach nur keine Dummheiten!“ Nickend verließ er das Gasthaus und ging etwas spazieren.
Timonos Weg führte ihn zu dem Teich mitten im Schlosspark. Dort schaute er sich das Wasser an, welches im Mondschein glitzerte. Plötzlich hörte er hinter sich Schritte. Langsam drehte er sich um und sah die Prinzessin vor sich stehen. Überrascht fragte er sie: „Was macht ihr denn noch zu so später Stunde hier?“ Freundlich antwortete sie: „Die gleiche Frage wollte ich euch auch gerade stellen. Ich bin hier um noch etwas Luft zu schnappen, bevor ich auf mein Zimmer gehe.“ Timono verneigte sich vor ihr und meinte stammelnd: „Genau das hatte ich auch vor.“ Langsam ging die Prinzessin an ihm vorbei und stellte sich an den Rand des Teiches. Er gefiel ihr irgendwie. Zwar fand sie es seltsam, dass ihr ein Untertan ihres Vaters viel besser gefiel als der Prinz, den sie hier in diesem Königreich besuchte, aber in diesem Augenblick war es ihr egal. Darauf schlug sie ihm vor: „Ihr könntet mich ja eine kurze Strecke begleiten. Dann können wir zusammen die frische Luft atmen und keiner von uns ist alleine. Alleine zu sein ist ja auch so langweilig.“ Glücklich stimmte er zu. Vorsichtig stellte er sich neben sie an den Rand des Teiches und sagte stammelnd: „Wenn ich euch schon begleiten darf, will ich mich wenigstens vorstellen! Mein Name ist Timono.“ „Das ist ein schöner Name, finde ich.“ Danach ging sie einige Schritte von dem Wasser weg und sagte schließlich: „Mein Name ist Joanna.“ Timono folgte ihr und ihm fiel nichts Besseres ein als die Tatsache, dass dieser Name, aus ihrem Mund gesprochen, Musik in seinen Ohren war. Lächelnd und verliebt sah er ihr in ihre Augen und meinte nur: „Das ist auch ein schöner Name. Der Schönste, den ich je gehört habe.“ Joanna musste lachen. Dann sagte sie etwas schüchtern: „Ich finde euch sehr nett. Ihr seid ein sympathischer Mensch. Erzählt mir mehr von euch.“ Ohne lange nachzudenken, was sie interessieren könnte, plauderte er einfach über das Erste, was ihm einfiel. Er redete wie ein Wasserfall und erzählte ihr: „Als ich noch klein war, kamen meine Eltern bei einem Sturm ums Leben, als sie auf einem Schiff waren. Seitdem lebte ich bei meinem Onkel und meiner Tante bei euch im Schlosshof. So bin ich Stallbursche geworden. Und es macht mir sehr viel Spaß mit den Pferden zu reden und sie zu pflegen.“ Joanna fand seine Geschichte traurig und lustig zugleich. Sie fragte neugierig: „Ihr redet wirklich mit den Pferden? Könnt ihr sie verstehen?“ „Leider nein!“ antwortete er ihr. Dann sah er ihr in die Augen und meinte verträumt: „Aber es beruhigt sie, wenn jemand mit ihnen redet. Manchmal meine ich, dass sie mich verstehen können. Ich merke auch, wenn sie aufgeregt sind, oder Angst haben. Dann weiß ich sofort, was zu tun ist.“ Begeistert sah Joanna ihn an. Sie fand ihn lieb, nett und er sah gut aus. Sie mochte ihn schon vom ersten Moment an.
Zusammen gingen sie zum Schloss. Timono begleitete sie bis kurz vor den Hintereingang. Dann sagte er zu ihr: „Ab hier fängt für mich die verbotene Zone an. Weiter darf ich euch nicht begleiten.“ „Das ist sehr schade“, meinte sie seufzend. Dann hielt sie ihm ihre Hand hin und wartete auf einen Handkuss von ihm. Doch er lehnte es ab. Timono sagte etwas kleinlaut: „Ich darf dies bestimmt nicht machen. So gerne ich eure Hand mit meinen Lippen berühren würde, darf ich dies bestimmt als Stallbursche nicht.“ Die Prinzessin sah ihm in die Augen und meinte auffordernd: „Ich erlaube es euch und es sieht hier auch keiner.“ Glücklich und erleichtert, dass er sie nicht beleidigt hatte, küsste er vorsichtig ihre Hand. Mutig fragte er sie: „Kann ich euch wiedersehen?“ Einen kurzen Moment lang überlegte sie und schließlich antwortete sie ihm: „Ja! Morgen zur selben Zeit am gleichen Ort.“
Verliebt sah er ihr noch nach, bis sie hinter der Türe verschwunden war. Timono ging geradewegs zurück in sein Zimmer im Gasthaus, um endlich etwas zu schlafen und dabei von seiner Prinzessin Joanna zu träumen. Es dauerte einige Zeit, bis er schließlich schlafen konnte. Kurz vorher stellte er sich noch vor, wie er sie im Arm halten würde und sie küsste. Von seinen Wünschen beflügelt glitt er sanft ins Land der Träume und schlief endlich ein.
In der Nacht hatte Timono einen seltsamen Traum. Er sah sich selbst, wie er Dinge mit reiner Willenskraft bewegen konnte. Plötzlich wachte er aus diesem Traum auf. Dann schaute er seine Schuhe an und fragte sich leise: „Ob ich dies wirklich machen kann? Mein Urgroßvater konnte dies, wie man mir erzählte. Damit könnte ich alle Leute und auch die Prinzessin beeindrucken.“ Angestrengt versuchte er, seinen Schuh zu sich an das Bett zu holen. Erst nach dem zehnten Versuch bewegte sich der Schuh. Aber er kam nur zwei Zentimeter weit. Timono nahm seine Finger dazu. Er zeigte auf den Schuh und machte eine Bewegung, die ihn zwingen sollte, zu ihm zu kommen. Nochmals bewegte er sich nur zwei Zentimeter. Er versuchte es immer wieder, aber irgendwann war er vor Müdigkeit nicht mehr konzentriert genug, um es besser zu können. Voller Freude lehnte er sich in sein Kopfkissen und legte die Hände hinter den Kopf. Er stellte sich vor, wie er der Prinzessin seine neue Zauberkunst vorführen würde und sie sich voller Entzücken in ihn verliebte. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief er schließlich ein.
Am nächsten Morgen ging Timono in den Gastraum zu seinem Onkel und setzte sich neben ihn an den Tisch. Im Gegensatz zum Vorabend war der Raum so früh morgens wie leergefegt. Grinsend nahm er das Messer auf dem Tisch in die Hand und meinte leise: „Schau dir das Messer bitte genau an. Ich werde jetzt versuchen es zu bewegen.“ Sein Onkel lachte und sagte: „Jetzt fängst du aber an zu spinnen. Genauso, wie dein Urgroßvater. Er glaubte auch immer zaubern zu können. Dabei war alles nur ein Trick.“ Timono legte das Messer neben den Teller seines Onkels und zeigte mit dem Finger auf diesen Gegenstand. Konzentriert dachte er daran, dass er das Messer zu sich bewegen wollte. Mit einer kurzen Fingerbewegung zu sich selbst bewegte sich das Messer doch tatsächlich ganz langsam auf ihn zu. Der Onkel staunte darüber. Lächelnd verneigte sich Timono und fragte: „Na? Glaubst du immer noch, dass ich spinne?“ Mit dem Kopf schüttelnd antwortete der Onkel leise: „Das glaube ich einfach nicht. Du hast die Magie wohl von deinem Urgroßvater geerbt. Wahrscheinlich konnte er es doch.“ Zufrieden aß Timono ein Brot und lächelte dabei. Doch dann riss der der Onkel ihn aus seinen Tagträumen, indem er ihn ermahnte: „Aber pass auf, dass dich keiner dabei beobachtet. Zeig niemandem, dass du es wirklich kannst. Man weiß nie, wie die Menschen darauf reagieren. Auch wenn du nur Gutes damit bezwecken möchtest, können andere Leute mit dem Finger auf dich zeigen und meinen, du hättest sie mit einem bösen Fluch belegt.“ Leise seufzte Timono, denn er wusste, dass sein Onkel recht hatte. Doch in ihm wuchs der Wunsch, es der Prinzessin zu zeigen, um sie zu beeindrucken.
Den Tag über verbrachte Timono bei den Pferden im Stall. Er striegelte und bürstete sie, und führte sie ein wenig in der Gegend herum. Er war so glücklich und zufrieden, wie er es zuvor noch nie war. Flüsternd sagte er dem Pferd in das Ohr: „Gestern Abend habe ich die Prinzessin kennengelernt. Sie ist einfach wunderschön und freundlich. Ich mag sie sehr gerne. Und mitten in der Nacht habe ich festgestellt, dass ich Dinge durch meine Gedanken bewegen kann. Ich bin zurzeit richtig glücklich.“ Wieder lächelte er und das Pferd nickte mit dem Kopf. Jetzt wusste Timono, dass das Pferd ihn verstanden hatte.
Am Abend ging Timono abermals in den Schlosspark und stellte sich an den Teich. Kurze Zeit später tauchte auch Prinzessin Joanna dort auf. Sie lächelte ihn an und fragte leise: „Seid ihr alleine hier?“ Er nickte nur. Darauf meinte er: „Ich habe mich aus dem Gasthaus geschlichen.“ „Ich habe mich aus dem Schloss geschlichen“, erzählte Joanna lachend. Unvermittelt nahm sie seine Hand und meinte euphorisch: „Kommt mit! Ich werde euch etwas zeigen.“ Wortlos und fragend folgte er ihr. Joanna führte ihn zu einem Felsen am Rande des Schlossparks. Vorsichtig bestieg sie den Felsen und winkte ihm zu, dass er ihr folgen soll. Sofort kletterte er auch hinauf. Oben angekommen konnten beide weit über das Land schauen. Sie erzählte freudig: „Da hinten, wo auf dem Hügel die vielen Lichter brennen, ist unser Schloss. Es sieht von hier gar nicht so weit aus.“ Timono fragte sie vorsichtig: „Kann ich euch auch etwas zeigen?“ Neugierig nickte sie. Ohne zu zögern, nahm er ihre Hand und führte sie an eine Stelle, wo keine Bäume waren und der Mond gut auf den Boden scheinen konnte. Dort fragte er sie: „Joanna! Habt ihr einen Gegenstand bei euch, den ich mal kurz benutzen könnte?“ Sie nickte und nahm aus ihrem Täschchen einen silbernen Kamm heraus. Zuerst wollte sie ihm diesen Gegenstand geben, aber er lehnte es ab und meinte: „Nein! Behaltet ihn in der Hand, aber umschließt ihn nicht mit euren Fingern. Ich will ihn nicht anfassen. Ich will den Kamm nur bewegen.“ Sie tat, was er wollte, und beobachtete ihn sorgfältig. Mit einer kurzen Handbewegung und einem Fingerzeig ließ er den Kamm ein wenig tanzen. Joanna staunte nur. Jubelnd tanzte Timono im Mondlicht herum. Er sagte freudig: „So toll hat es noch nicht geklappt. Bis jetzt konnte ich die Gegenstände immer nur ein wenig bewegen. Das liegt wohl an eurer Gegenwart. Ihr beeinflusst wohl etwas meine Zauberkraft.“ Joanna schmunzelte ein wenig, bevor sie ihn anhimmelte. Plötzlich hörte Joanna eine ihr bekannte Stimme, die ihren Namen rief. Schnell lief sie der Stimme entgegen. Timono blieb zurück und fragte sie etwas lauter: „Kann ich morgen wieder hier auf euch warten?“ Doch Joanna hörte dies nicht mehr. Sie war schon viel zu weit weg.
Seufzend ging Timono wieder in das Gasthaus zurück. Traurig und verärgert darüber, dass er nicht wusste, ob er sie wiedersehen würde, ging er auf sein Zimmer. Als er vor der Zimmertüre stand, wollte er diese mit seinen Gedanken öffnen. Aber dazu war er in diesem Moment nicht konzentriert genug. Also öffnete er die Türe per Hand. Erschöpft ließ er sich auf sein Bett fallen und dachte nach, was diese Veränderung herbeigeführt haben könnte. Nach wenigen Überlegungen schlief er schließlich ein.
Am nächsten Morgen wurde Timono von einem lauten Horn geweckt. Schnell stieg er in seine Schuhe und ging zu seinem Onkel ins Zimmer. Dort fragte er ihn: „Was hat das Horn zu bedeuten?“ Pflichtbewusst antwortete der Onkel, nachdem er sich seine Pfeife angezündet hatte: „Die königlichen Herrschaften wollen auf die Jagd gehen. Wir müssen gleich die Pferde bereitstellen.“ Erleichtert ließ sich Timono auf einen Stuhl sinken und meinte erschrocken: „Ich dachte schon, dass es etwas Schlimmes zu bedeuten hat.“
Kurz nachdem die Pferde von Timono und seinem Onkel gesattelt, und an den Zügeln herum geführt wurden waren, kamen die zwei Könige aus dem großen Tor heraus. Sie trugen beide ihre Jagdanzüge und hatten Armbrüste dabei. Timono hielt das Pferd seines Königs an dem Zügel fest und ließ den König aufsitzen. Dabei hörte er, wie er zu dem anderen König sagte: „Morgen Abend nach den Festspielen findet die Verlobungsfeier zwischen meiner Tochter und eurem ältestem Sohn statt. Dafür werden wir gleich einen stattlichen Hirsch erlegen.“ Der andere König nickte zufrieden und sie ritten mit ihrem Jagdgefolge aus dem Schlosshof heraus.
Mit einem stechenden Schmerz in seinem Herzen blieb Timono auf dem leeren Platz alleine zurück. Sein Onkel war schon in das Gasthaus zurückgegangen. Traurig sah er den Pferden hinterher und dachte an Joanna. Der Gedanke daran, dass sie am nächsten Tag mit einem älteren Prinzen verlobt wird, ließ Timono innerlich erstarren. Er hatte ein Gefühl in seiner Brust, als würde man sein Herz herausreißen. Ihm wurde klar, dass er etwas unternehmen musste. Er konnte dies nicht so einfach hinnehmen. Verärgert ging er in den Stall zu den restlichen Pferden um diese zu versorgen und überlegte, was er machen könnte.
Noch am selben Tage kam ein Ritter in den Pferdestall und erblickte Timono. „Was machst du hier?“ wollte der Ritter wissen. Timono zuckte bei diesem Anblick zusammen und antwortete: „Ich versorge die Pferde, mein Herr. Ich bin der Stallbursche.“ „Na dann ist ja gut. Kennst du einen Knappen, der noch keinen Ritter hat?“ fragte der stattliche und junge Mann nach. Timono verneigte sich ein wenig und meinte: „Nein, mein Herr. Ich kenne keine Knappen.“ Timono sah ihn sich an. Der Ritter war groß, mit etwas längeren, gewellten, blonden Haaren und einem Schnurrbart. Irgendwie sah er anders aus, als die anderen Ritter die er jemals gesehen hatte. Irgendwas hatte er an sich, was verriet, dass er sehr gütig war. Prüfend ging der Ehrenmann um den Stallburschen herum und musterte ihn. „Du könntest mein Knappe werden. Meiner ist leider erkrankt und morgen ist das Turnier. Da brauche ich deine Hilfe. Hättest du Lust?“ „Ja mein Herr, Sir. Ich möchte gerne euer Knappe sein. Wann soll ich anfangen?“ wollte Timono aufgeregt wissen. Der Ritter lachte etwas und antwortete ihm: „Morgen früh wartest du hier auf mich. Ich werde dich dann holen kommen und dir alles sagen. Übrigens, mein Name ist Clarence.“ Danach verschwand er wieder durch das Tor.
Jubelnd lief Timono ins Gasthaus zu seinem Onkel und rief: „Onkel! Onkel! Morgen werde ich ein Knappe für einen der Ritter sein. Endlich kann ich somit beweisen, was wirklich in mir steckt.“ „Das ist ja schön für dich. Vernachlässige aber nicht deine Hauptaufgabe.“ meinte sein Onkel etwas strenger. „Keine Sorge. Ich werde mich bemühen alle Aufgaben mit höchster Sorgfalt zu erledigen.“ strotze er voller Stolz.
In der Nacht konnte Timono kaum schlafen. Er war so aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Er überlegte laut: „Es könnte ja sein, dass bei dem Turnier auch die Prinzessin anwesend ist. Somit kann ich ihr zeigen, dass ich besser bin als sämtliche Prinzen der Welt.“
Am nächsten Morgen eilte Timono sehr früh zu den Pferden in den Stall und versorgte sie. Er wollte ziemlich schnell mit seiner Hauptaufgabe als Stallbursche fertig werden, um sich danach voll und ganz seinen Aufgaben als Knappe zu widmen.
Es dauerte nicht mehr lange, bis der junge Ritter Clarence den Pferdestall betrat. „Komm mit. Es wird Zeit. Du musst mir noch in meine Rüstung helfen.“ befahl er seinem Knappen. Voller Stolz folgte Timono ihm als neuer Knappe. Zusammen gingen sie zu einem großen Zelt neben dem Festplatz. Staunend sah sich Timono alles genauestens an. „Wird der König und seine Familie nachher auch da sein?“ fragte er leise. Der junge Ritter war erstaunt über die Neugierde des neuen Knappen, antwortete ihm aber: „Ja! Beide Königsfamilien werden später da hinten unter dem Dach sitzen und die Spiele eröffnen. Auf die Prinzessin Joanna bin ich mal gespannt. Sie soll so schön sein wie eine Rose, die gerade ihre Knospen öffnet. Der Gewinner des Turniers tritt in die Dienste der Prinzessin, wenn sie mit dem Prinzen verheiratet wurde. Und es gibt einen Wettkampf mit einem Wildpferd. Derjenige, der es schafft am längsten auf dem Pferd zu bleiben und es vielleicht sogar zähmt, der wird von der Prinzessin geküsst. Ich hoffe ja, dass ich derjenige bin.“ Erstaunt über diese Informationen konnte Timono seinen Mund zunächst einmal nicht mehr schließen. „Was passiert denn mit dem Wildpferd? Und warum sollte die Prinzessin einen Mann küssen, wenn sie doch so gut wie verlobt ist?“ fragte Timono vorlaut. Ritter Clarence lachte und erklärte ihm: „Na du bist mir ja ein Neugieriger. Aber du gefällst mir. Das Pferd wird der Prinzessin als Verlobungsgeschenk überreicht. Das Wildpferd, welches gezähmt wird, symbolisiert eine Frau, die verheiratet wird. Nach der Hochzeit muss sie ihrem Mann hörig und treu sein. Und sie küsst den Mann, der das Pferd zähmt dafür, dass er ihr dabei geholfen hat, eine gute Frau zu werden und dafür, dass sie später auch mal selbst auf diesem Pferd reiten kann.“ So viel Unterwürfigkeit widerte Timono an. Er konnte nicht verstehen, dass sich eine Frau einem Mann so einfach hingeben konnte. Er würde die Prinzessin auf Händen tragen und nicht in einen Käfig sperren, um sie zu zähmen. Er liebte die Prinzessin so wie sie war. Und ein wildes Pferd ist ein edles Tier, dachte er bei sich im Stillen.
Im Zelt des jungen Ritters angekommen zeigte ihm dieser, wie man eine Rüstung anlegt und welche Waffen für welche Disziplin benutzt werden. „Also, die Lanze ist für den Kampf zu Pferde um den Gegner von seinem Gaul zu stoßen. Dieses also reichst du mir bitte für den ersten Kampf an. Sobald einer auf dem Boden ist, kommt der Kampf der Schwerter oder man kann auch dafür die Streitaxt benutzen oder den Schlegel mit Kette. Gut ist auch manchmal der Streitkolben. Wenn es so weit ist, werde ich dir schon sagen, welche Waffe du mir bringen sollst. Vergiss aber niemals mein Schild. Und für den Wettbewerb des Zielschusses bringst du mir für die Zielscheiben die Armbrust und für die Strohtiere die Wurfaxt. Wenn du noch Fragen hast, dann stelle sie mir, während du mir jetzt in die Rüstung hilfst.“ erklärte Clarence ruhig und gelassen. Timono schaute ihn beeindruckt an und antwortete leise: „Nein mein Herr, Ihr habt mir alles wirklich gut erklärt und teilweise habe ich die Benutzung dieser Waffen schon einmal gesehen. Es sollte für sie heute nichts schief gehen.“
Das Turnier fing an. Die Menge jubelte dem Herold zu, der gerade in die Arena schritt. Die Fanfaren ertönten und der Herold sprach danach zu dem jubelnden Volk: „Höret her und vernehmt meine Worte. Heute findet ein ganz besonderes Turnier statt. Der Beste der Besten wird heute als Gewinner hervorgehen und unserer zukünftigen Königin als königlicher Ritter zur Seite stehen. Darüber hinaus findet als krönender Abschluss des Turniers etwas statt, was man nur zu königlichen Hochzeiten macht. Die Ritter dürfen alle am Ende des Tages versuchen ein Wildpferd als Hochzeitsgeschenk für die Prinzessin Joanna zu zähmen. Demjenigen, dem dieses gelingt, wird einen Kuss von der Prinzessin als Dank für seine Dienste erhalten. Die Regeln für den heutigen Tag lauten: Die meisten und besten Treffer geben die meisten Punkte. Sobald ein Ritter das Visier hochklappt, heißt es für ihn Aufgabe, und das Turnier ist für ihn vorbei, und er hat verloren. Wer beim Ringstechen die meisten Ringe auf seiner Lanze zählt, gewinnt diesen Abschnitt. Beim Roland zählen die Drehungen, die das Schild, welches von der Lanze getroffen wird, macht. Der Tjost findet in alter Tradition statt. Die Lanze muss beim Aufprall brechen. Es gibt zwei Punkte bei einem Treffer auf den gepanzerten Kopf, einen Punkt bei einem Treffer auf die gepolsterte Brust und sogar drei Punkte, wenn der Gegner aus dem Sattel gehoben wird. Sollte es bei dem Tjosten am Ende unentschieden stehen, dann wird am Boden mit dem Zweikampf weitergemacht, bis einer zu Boden geht und sich geschlagen gibt.“ Dann stellte sich der Herold auf ein Podest am Rande der Arena und rief der jubelnden Menge zu: „Und hier meine sehr verehrten Gäste lasset uns die Ritter begrüßen, wenn sie in die Arena einreiten.“
Timono folgte Ritter Clarence, der auf seinem Pferd saß, in die Arena. Er hörte die Leute um ihn herum jubeln und feiern. Die Pferde trabten über den Staub in der Arena, als wären sie die Hauptpersonen bei diesem Wettkampf. Stolz präsentieren die anderen Knappen die Wappen ihrer Herren und Timono tat dies auch. Sein Blick ging aber hinüber zur Tribüne des Königs. Dort sah er seine geliebte Prinzessin sitzen. Sollte sie ihn auch schon erkannt haben? Nervös schaute er sie an, aber sie blickte in eine andere Richtung. Mit seinem Übermut schwenkte er das Wappen von Ritter Clarence mit sehr viel Elan. Sein Plan ging auf und die Prinzessin, aber auch sehr viele andere Augen wurden auf ihn aufmerksam. Timono hörte sofort auf mit dem Wappen zu spielen und nickte der königlichen Familie ehrfürchtig und respektvoll zu. Seine Geste wurde auch wohlwollend zur Kenntnis genommen und Joanna lächelte ihn sogar ein wenig an und schüttelte dabei leicht ihren Kopf. Clarence lächelte auch die Prinzessin an, da er dachte dieses Lächeln galt ihm. Höflich nickte sie zurück und schaute daraufhin in eine andere Richtung.
Als alle Ritter auf ihren Positionen standen und die Knappen bereit waren, fing das Turnier an. Zunächst galt es, mit Wurfäxten auf ein Wildschwein aus Stroh zu treffen. Auch da gab es Abstufungen für die Punkte. Ritter Clarence ging aus diesem Spiel zunächst als Zweiter hervor. Timono gab ihm die letzte Wurfaxt in die Hand und sagte leise: „Ein Treffer noch in das Herz des Schweins und ihr seid der Gewinner in diesem Spiel.“ Clarence nahm die Axt, trieb sein Pferd an und ritt auf das Schwein aus Stroh zu und traf tatsächlich an die Stelle, wo es sein Herz haben sollte. Timono jubelte seinem Herrn zu und sprang vor Freude in die Luft.
In der nächsten Disziplin war der Roland das Ziel, welches Clarence mit der Lanze treffen musste. Tatsächlich schaffte er es, den Roland ziemlich oft drehen zu lassen. Nur wenige vermochten dies zu schaffen.
Beim Ringstechen war Clarence in seinem Element. Er sagte zu Timono: „Das ist der Wettkampf, den ich am besten beherrsche. Bis jetzt stehe ich schon nicht schlecht da, oder?“ „Es könnte nicht besser sein. Wenn ihr dies hier gewinnt, steht ihr an erster Stelle. Dann kann euch nur noch das Tjosten den Sieg rauben.“ antwortete Timono euphorisch.
Wie schon erhofft, gewann Clarence das Ringstechen. Triumphierend hielt er seine Lanze mit den Ringen in die Luft und nickte der Prinzessin zu.
Wenig später fing das Tjosten an und Timono spürte die Anspannung, die in der Luft lag. Mensch und Tier wirkten in diesem Moment nervös. Man hörte die Pferde schnaufen und einige scharrten mit ihrem Huf auf dem Boden herum. Langsam reichte Timono seinem Ritter die Lanze in die Hand und schaute ihm in die Augen, als er sagte: „Ihr schafft das schon. Ich glaube fest an euch.“ Nickend dankte Clarence ihm und trieb sein Pferd an, langsam auf seine Position zu gehen. Die Anspannung aller in der Arena verriet, dass es der gefährlichste aller Wettkämpfe war. Alles wurde ruhig in der Arena und der Atem schien zu stocken, als die Ritter plötzlich aufeinander zuritten. Timono konnte kaum hinsehen. Ein Knall folgte auf das Trappeln der Pferde und ein Ritter fiel vom Pferde. Zum Glück war es nicht Clarence. Dieser saß triumphierend in seinem Sattel und genoss den Jubel der Menge.
So ging es den Nachmittag weiter. Die verschiedensten Ritter traten gegeneinander an, bis nur noch das Finale ausblieb. An dem Finale sollten Clarence und ein Ritter Roland teilnehmen. Timono sprach zu Clarence: „Er heißt schon so wie das Gerät, welches ihr heute auch schon besiegt habt. Das könnt ihr schaffen. Und dann werdet ihr später auch noch das Wildpferd zähmen.“ „Wenn das so einfach wäre. Der Mann ist wirklich gut und er sitzt fest im Sattel. Das wird doch etwas schwieriger werden. Von den Punkten her sind wir gleich. Dieser letzte Kampf ist entscheidend.“ klagte Clarence und nahm seine Lanze in die Hand, die sein Knappe ihm hochhielt, und ritt zu seinem Platz.
Die Fahne wurde geschwenkt und die Pferde angetrieben. Die Lanzen schwenkten in die Richtung des Zieles und es ertönte zwar ein kräftiger Knall, jedoch fiel keiner zu Boden. Clarence hatte nichts erreicht, außer dass er starke Schmerzen in seiner Brust verspürte. Aber er hielt es noch ein wenig aus. Der Herold sprach zu der Menge: „Das ist der erste Kampf heute, der zu Boden ausgetragen werden muss. Lasset die Ritter von ihren Pferden steigen und sich bewaffnen.“ Timono eilte zu Clarence und fragte hastig: „Welche Waffen wollt ihr nutzen? Ich werde euch alles holen, was ihr nur wollt.“ „Mein Schild und mein Streitkolben. Ich hoffe, das wird reichen.“ antwortete Clarence und versuchte dabei Luft zu holen. Timono merkte dies und fragte vorsichtig: „Ist alles in Ordnung bei euch? Soll ich einen Arzt rufen?“ „Nein! Ich werde das Turnier gewinnen und koste es meine letzte Kraft.“ hauchte er aus seinem Visier heraus. Eilig lief Timono davon, um die Waffe seines Herrn zu holen. Joanna beobachtete ihn dabei.
Der Zweikampf verlief am Anfang noch sehr gut, aber dann wurde Clarence von einer Stachelkugel auf den Brustpanzer getroffen. Das Atmen fiel ihm immer schwerer. Mit seiner letzten Kraft nahm er seinen Streitkolben und schlug mit diesem auf den Helm des Gegners, der ohnmächtig zu Boden fiel. Kurz darauf sank Clarence auf die Knie und die Menge sah ihn entsetzt an. Hastig und voll Sorge lief Timono auf ihn zu und hob ihm vorsichtig den Kopf an. Er hörte ihn keuchend atmen. Schnell zog er ihm den an der Brust zusammengedrückten Panzer aus, dass Clarence besser Luft holen konnte. Der Herold rief zu der Menge: „Sieger im Wettkampf ist Ritter Clarence. Er ist als Letzter übrig geblieben und hat beim Zweikampf die meisten Punkte erzielt. Wir haben den Ritter der zukünftigen Königin gefunden. Er ist der Beste unter den Besten.“
Nachdem Timono Ritter Clarence zusammen mit zwei anderen Knappen ins Zelt getragen hatte, nahm er ihm die restliche Rüstung ab. Er hatte genau an den Rippen einen großen Bluterguss durch den harten Aufprall. Er atmete nur noch schwach und war bewusstlos. Timono legte einen kalten nassen Umschlag auf die verletzte Stelle und auf seine Stirn, damit sein Kreislauf wiederkommen würde. Von außerhalb des Zeltes hörte er, wie das nicht normalerweise übliche Zureiten des Wildpferdes für die Prinzessin begann. Zweigeteilt wusste Timono nicht, was er machen sollte. Sollte er sich die Rüstung des Ritters, soweit er das alleine konnte, anziehen und dann für ihn bei dem Turnier mitmachen, oder sollte er weiter dafür sorgen, dass es dem Ritter bald wieder besser ging? Dann schaute er durch einen Spalt im Zelt und sah die Prinzessin auf der Tribüne sitzen. Da packte ihn der Mut, teilte einem anderen Ritter mit, dass Clarence mitmachen würde und er sich nur ausruhen müsste, und sodann zog er die Sachen seines Ritters an.
Nachdem alle anderen Ritter bei dem Wildpferd versagten, kam Timonos große Stunde. Sein Gesicht war verdeckt und er schritt mit dem Wappen seines Herren und stolzen Fußes auf das Pferd zu. Das Pferd stand da nur mit einem Seil um den Hals und schaute Timono an. Vorsichtig ging er langsam auf das Pferd zu und sagte: „Schhhht! Mein Großer! Ganz ruhig, ich will dir nichts tun. Ich will mich nur kurz auf deinen Rücken setzen und der Prinzessin imponieren.“ Langsam griff er zu dem Seil und meinte leise: „Ich werde dir nicht zur Last fallen. Ich bin viel leichter als die anderen Ritter.“ Etwas unruhig trippelte das Pferd zurück. Beruhigend strich Timono ihm über den Hals und schwang sich mit einem Ruck auf den Rücken des Pferdes. Nervös bäumte es sich auf, um diesen lästigen Menschen herunter zu werfen. „Ganz ruhig! Merkst du denn nicht, dass ich dir nicht wehtue? Ich will dir nicht schaden. Ich möchte nur gewinnen, um einen Kuss der schönsten Frau der Welt zu bekommen.“ meinte Timono leise. Das Pferd wurde immer ruhiger und blieb auf einmal stehen. Joanna saß auf der Tribüne und hatte das ganze Spiel verfolgt. Begeistert von dieser Darbietung klatschte sie eifrig und jubelte ihrem kühnen Ritter zu. Timono streichelte das Pferd am Hals und sagte: „Ich danke dir.“ Danach schaute er zu der Prinzessin rüber, die sich auf den Weg zu ihrem neuen Pferd machte. Zufrieden stieg er von diesem ab und hielt es am Seil fest. Joanna blieb vor dem Hengst stehen und gab ihm eine Möhre zu essen. „Meine Prinzessin, ich bin es, Timono.“ flüsterte er ihr zu. Joanna lächelte, streichelte das Tier und sagte leise: „Ihr seid sehr mutig euch als Ritter auszugeben, nur um einen Kuss von mir zu bekommen.“ „Nur in eurer Nähe zu sein und euch zu sehen, macht mich glücklich.“ antwortete er leise. Der König stellte sich hin und rief: „Jetzt ist die Zeit gekommen, dass sich die Prinzessin bei ihrem zukünftigen Ritter bedanken muss.“ Joanna lächelte und kam mit ihrem Mund näher an Timonos Wange heran. Kurz bevor ihr Mund sein Ziel erreichte, schrie jemand: „Man hat mir meine Sachen gestohlen. Wo ist mein Knappe abgeblieben?“ Timono erschrak. Er war entdeckt worden. Voller Angst stieg er auf das Pferd, schaute noch einmal zu der Prinzessin hin und ritt von dem Turnierplatz weg. Einige Wachen wollten ihn aufhalten, aber er war viel zu schnell und sie konnten ihn nicht mehr einholen. Seufzend blickte Joanna ihm hinterher.
Spät am Abend war der Turnierplatz wieder wie leergefegt. Nur noch in dem Zelt von Ritter Clarence brannte eine Kerze. Timono sah das Licht und nahm das Pferd am Seil und führte es mit sich zu seinem Ziel. Vorsichtig schaute er in das Zelt hinein und sah den Ritter, der seine Wunden verarztete. „Kann ich euch helfen, mein Herr?“ fragte Timono etwas kleinlaut. Clarence sah ihn an und fragte: „Wo bist du gewesen? Du hast mich vor aller Welt lächerlich gemacht.“ „Das tut mir wirklich leid. Ihr wart nur schwer verletzt und ohnmächtig und die letzte Disziplin fing an. Ich dachte, ich würde euch noch wieder fit bekommen und sagte, dass ihr daran teilnehmen würdet. Als ich merkte, dass ihr nicht wach wurdet, dachte ich an eure Ehre und zog eure Sachen an. Ich dachte, es würde nicht auffallen. Und da ich gut mit Pferden umgehen kann, wollte ich für euch den Sieg erringen, was mir auch gelungen ist. Und dann flog ich auf und musste weg.“ Prüfend blickte Clarence in seine Augen, grinste ein wenig, und meinte „Dann komm herein und hilf mir mit meinen Wunden. Ich könnte tatsächlich etwas Hilfe gebrauchen.“ Timono fiel ein Stein vom Herzen und sagte: „Ich habe eure Sachen hier in meinem Sack und das Pferd habe ich auch wieder mitgebracht. Ich habe es an einen Pfahl gebunden.“ „Das ist wirklich ehrlich von dir. Du hättest dich ja auch mit den Sachen aus dem Staub machen können und ich hätte dich nie wiedergesehen.“ meinte der Ritter und wrang dabei ein Tuch aus, welches er zuvor ins Wasser gelegt hatte. „Das hätte ich nie gemacht. Ich war so stolz und dankbar, dass ihr mich als Knappe wolltet, dass ich euch niemals enttäuschen wollte.“ Wieder lachte der junge Ritter und meinte: „Mal sehen, wie der König dies entscheiden wird. Eigentlich habe ich mich in den anderen Disziplinen nicht schlecht gehalten. Es muss ja schließlich einen Gewinner geben, welcher der neuen Königin nach der Hochzeit dienen darf.“ Dieser letzte Satz erinnerte Timono wieder daran, dass die Prinzessin jemanden heiraten sollte, den sie vielleicht nicht liebte. Dies machte ihn traurig. Clarence sah ihn an und fragte dann neugierig: „Was macht dir solchen Kummer? Kann ich dir irgendwie helfen?“ Timono schaute ihm in die Augen und antwortete aufrichtig: „Ich will ehrlich zu euch sein. Ich bin unglücklich verliebt.“ „Wie kann man denn unglücklich verliebt sein? Geh hin zu der Frau, nimm sie dir und versuch sie zu erobern.“ bestärkte ihn der Ritter. Seufzend meinte Timono: „Nein! Das geht nicht. Sie ist einem anderen Mann versprochen worden und sie will ihn heiraten. Ihre Liebe ist nur ein Traum von einem einfachen Stallburschen.“ Clarence sah ihn prüfend an und fragte leise: „Es ist die Prinzessin, nicht wahr?“ „Ja! Ihr habt mich durchschaut. Sie ist es. Und sie ist unerreichbar für mich.“ seufzte Timono. Lächelnd bemerkte der Ritter: „Daher auch der Versuch das Wildpferd zu zähmen. Wegen des Kusses der Prinzessin.“ Dann machte er das Tuch noch einmal nass und legte es wieder auf seine Prellung und sagte dabei: „Du bist aber mehr als ein einfacher Stallbursche. Du bist heute schon zu meinem Knappen geworden und hast ein Wildpferd gezähmt. Du hättest vielleicht auch alle Voraussetzungen zu einem Ritter. Du müsstest nur einem vom Königshaus das Leben retten und der König könnte dich zu einem Ritter schlagen. Dann wärst du schon näher an deinem Ziel. Aber bis dahin ist die Prinzessin schon längst verheiratet und dann hast du wirklich keine Chance mehr bei ihr. Aber dafür könntest du die Herzen von vielen anderen Damen gewinnen. Du musst es nur wollen. Ich könnte dich etwas trainieren.“ Timono lächelte und sagte leise: „Das ist wirklich nett von euch, aber ich denke, dass ich dies nicht will. Ich glaube, ich brauche einen Abstand zwischen der Prinzessin und mir. Wenn ich irgendwann mal ein Ritter werden soll, dann bin ich bestimmt auch mal öfter in ihrer Nähe. Das würde ich nicht aushalten, ohne sie küssen zu wollen.“ Clarence klopfte ihm auf die Schulter und meinte dann: „Das verstehe ich nur zu gut. Ich bin ja auch noch jung und habe mich gerade erst in eine tolle Frau verliebt.“ Danach stand er auf und ging bis auf den Turnierplatz. Timono folgte ihm. Dort hatte er das Wildpferd angebunden. Seufzend sah Timono Clarence an und sagte leise: „Wenn ihr wirklich der Ritter der neuen Königin werdet, dann passt bitte auf sie auf. Ich werde jetzt die Stadt verlassen und werde meinen eigenen Weg suchen. Lebt wohl.“ Clarence hielt ihm die Hand hin und meinte leise: „Lebe auch du wohl. Ich habe noch niemals einen jungen Mann wie dich kennengelernt. War nett dich als Knappen zu haben. Wie war noch einmal dein Name?“ „Timono! Und ich danke euch für alles.“ antwortete er und der Ritter ging lächelnd in sein Zelt zurück.
Als Timono wieder im Gasthaus auf seinem Zimmer war, schrieb er Joanna einen Brief.
Meine Prinzessin Joanna,
ich weiß nicht, wie ich es am besten sagen soll, aber seit dem ersten Moment, als ich euch sah, gehörte mein Herz bereits euch. Als wir uns dann im Schlosspark am Teich trafen, bemerkte ich, dass ihr ganz anders seid, als alle anderen Prinzessinnen auf der Welt. Ihr habt Humor und ihr seid abenteuerlustig. Ich fühle mich in eurer Gegenwart stark und schwach zugleich. Gestern habe ich erfahren, dass ihr mit einem Prinzen verlobt werden sollt, der bestimmt zwanzig Jahre älter ist, als ihr. Bestimmt habt ihr ihn auch erst vor kurzem kennengelernt, aber ihr liebt ihn bestimmt nicht. Ich will nicht voreingenommen sein, aber durch diese Hochzeit wird bestimmt nur an ein vereintes Königreich gedacht, und nicht an wahre Liebe. Ich hingegen liebe euch meine Prinzessin. Ich kann in eurer Gegenwart kaum atmen. Und wenn meine Liebe nicht erwidert wird, dann will ich auch nicht länger als Stallbursche in eurer Nähe sein, sondern dann würde ich in die weite Welt gehen und versuchen euch zu vergessen. Ich wünsche euch noch viel Glück und ein langes Leben bei einem vereinten Königreich.
In Freundschaft Timono
Diesen Brief versiegelte er gut und schlich mit dem Umschlag in der Tasche am nächsten Morgen aus dem Gasthaus heraus. Es war um die Mittagszeit und jeder Mensch am Hofe konnte Timono sehen. Er hatte Glück, dass er unbemerkt in das Schloss hineinkam. Als er sich in den vielen Gängen verirrte, kam er in die Küche. Dort wurde er von einer Küchenhilfe gesehen. Sie war ein noch sehr junges Mädchen und half ihrer Mutter gelegentlich beim Kochen. Mit großen Augen sah sie ihn an. Timono nutzte die Gelegenheit und fragte das Mädchen freundlich: „Kannst du mir helfen und mir sagen, wo ich die Prinzessin Joanna finden kann?“ Zuerst sah ihn das Mädchen nur an, aber dann hob sie ihren Arm und deutete auf eine Türe am Ende der Küche. Sie antwortete ihm: „Die Prinzessin ist im Garten. Durch diese Türe kann man sie sehen.“ Timono bedankte sich lächelnd und ging langsam durch die Küche hindurch zu der Türe in den Garten.
Als er die Prinzessin erblickte, versteckte er sich zunächst hinter einem Busch, da die Prinzessin nicht alleine war. Ihre Mutter saß neben ihr auf der Bank und sie beide beobachteten einen Maler bei der Arbeit. Es dauerte gar nicht lange, da stand die Königin von der Bank auf, nahm ihr Kleid in die Hand und ging auf den Maler zu. Timono nutzte den Augenblick und lief geduckt zu der Bank herüber. Joanna sah ihn ankommen und lächelte ihn verzückt an. Schnell übergab er ihr den Brief und versteckte sich dann wieder hinter dem Busch.
Joanna kam gar nicht dazu, die Nachricht zu lesen, weil ihre Mutter bereits auf dem Rückweg war. Vorsichtig ließ die Prinzessin den Umschlag in ihrer Tasche verschwinden.
Beruhigt darüber, dass der Brief sein Ziel erreicht hatte, ging Timono zurück durch die Türe in die Küche. Erneut lief ihm das junge Mädchen über den Weg. Diesmal wollte er den schnellsten Weg aus dem Schloss wissen und fragte leise: „Kannst du mich auf dem schnellsten Wege zu dem Pferdestall bringen? Du wirst auch dafür belohnt.“ Sofort nickte das Mädchen und brachte ihn durch den Hintereingang aus dem Schloss heraus. Dankend drückte Timono ihr ein Geldstück in die Hand und machte sich auf den Weg zu seinem Onkel. Dort angekommen setzte er sich mit ihm zusammen an einen Tisch in dem Gasthaus und sie aßen eine warme Suppe.
Am Abend wurde es früh dunkel. Die Verlobungsfeier sollte erst, wie er im Gasthaus erfahren hatte, in ein paar Stunden anfangen, und bis mitten in die Nacht andauern. Timono saß in seinem Zimmer und dachte an Joanna. Er wollte gerne wissen, ob sie den Brief schon gelesen hatte. Plötzlich bekam er eine Vision. Er sah Joanna im Schlosspark an dem Teich stehen und auf ihn warten. Erstaunt über seine Fähigkeit wusste er zunächst gar nicht, was er machen sollte, aber dann zog er seine Schuhe an, ging aus seinem Zimmer heraus und machte sich auf den Weg zu dem Schlossteich.