Mein Herz gehört für immer dir - Marie Ferrarella - E-Book

Mein Herz gehört für immer dir E-Book

Marie Ferrarella

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Beschreibung

Sein Elternhaus verkaufen und endlich alles hinter sich lassen – so sieht Keith O'Connells Plan aus. Bis er die hinreißende Maklerin Kenzie Bradshaw trifft. Sie lässt Erinnerungen an glückliche Zeiten aufleben und löst Gefühle in ihm aus, die er sich seitdem verboten hat …

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Seitenzahl: 168

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IMPRESSUM

Mein Herz gehört für immer dir erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2015 by Marie Rydzynski-Ferrarella Originaltitel: „Coming Home for Christmas“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRA, Band 63 Übersetzung: Valeska Schorling

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A., Getty Images / Roman Rybalko

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2023

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751521987

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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PROLOG

Es war ein seltsames Gefühl, wieder hier zu sein.

Eigentlich hatte er nicht damit gerechnet, jemals wieder zurückzukehren. Nicht in diese Stadt. Und ganz bestimmt nicht in dieses Haus.

Andererseits hätte er auch nicht damit gerechnet, so schnell von seiner Mutter in der Vergangenheitsform sprechen zu müssen.

Klar, er und seine Mutter hatten zehn Jahre lang kein Wort miteinander gewechselt. Doch obwohl beim letzten Mal zwischen ihnen hitzige, wütende Worte gefallen waren, war seine Mutter ihm immer wie eine Naturgewalt vorgekommen. Und die hörten nicht einfach auf, da zu sein. Sie machten weiter, ganz egal, ob jemand Zeuge ihres Waltens wurde oder nicht.

Irgendwo in seinem Unterbewusstsein hatte er geglaubt, das träfe auch auf seine Mutter zu. Dass sie ewig leben würde.

Doch Dorothy O’Connell war nicht mehr da. Ohne Vorwarnung, ohne jede Erkrankung war sie an Herzversagen gestorben. Hätte ihre Nachbarin ihn nicht telefonisch davon verständigt, hätte er das noch nicht mal gewusst.

Tja, jetzt wusste er es. Und es gab nichts, was er tun konnte. Es gab auch keine Chance mehr, den Bruch zwischen ihnen zu kitten.

Nicht dass das sehr wahrscheinlich gewesen wäre, selbst wenn sie noch zwanzig Jahre länger gelebt hätte. Die Wunden saßen einfach zu tief.

Er hatte seine Mutter schon lange vor jenem Tag verloren, an dem er das Haus verlassen hatte.

Seufzend sah Keith sich im Wohnzimmer im Erdgeschoss um. Man sollte meinen, nach zehn Jahren – und wohlwissend, dass sie tot war – würde er nicht mehr damit rechnen, dass sie jederzeit reinkam. Oder darauf zu lauschen, ob sie ihn oder Amy rief.

Oder sie beide.

Das Haus war vom Klang ihrer Stimme und ihrer Gegenwart erfüllt gewesen, solange er denken konnte. Zumindest die meiste Zeit, die er hier gewohnt hatte. Erst später – nach dem Autounfall, nach Amys Tod – hatte sich alles verändert. Und war doch auf irgendeine seltsame Art gleich geblieben.

Nur die Atmosphäre war anders gewesen. Angespannter. Feindseliger. Was vermutlich zum Teil seine Schuld gewesen war.

Keith zuckte mit den Schultern, obwohl niemand da war, der ihn sehen konnte. Niemand, der darauf reagieren konnte.

Aber das war sowieso egal. All die Konflikte, all die Worte, die gesagt wurden – und auch diejenigen, die unausgesprochen blieben –, spielten keine Rolle mehr. Es war vorbei.

Wie das Leben seiner Mutter.

Er war nur hier, um den Rest zu erledigen. Dieses längt vergangene Kapitel seines Lebens endgültig abzuschließen und nie mehr daran zu denken.

Das Leben ging schließlich weiter.

Keith widerstand dem Impuls, nach oben zu gehen und die anderen Zimmer zu betreten, die er seit zehn Jahren nicht mehr betreten hatte. Wozu? Er war schließlich nicht aus sentimentalen Gründen hier, sondern um das Haus mitsamt Inventar zu verkaufen. Er konnte nichts mehr mit dem alten Krempel hier anfangen.

Keith straffte die Schultern und beschloss, alles Nötige in die Wege zu leiten. Je schneller er diese Aufgabe hinter sich brachte, desto eher konnte er nach San Francisco zurückkehren.

Und das Haus in Bedford und die Frau, die darin gewohnt hatte, vergessen.

1. KAPITEL

Mit ihrer guten Figur und ihrem jugendlichen, hellblonden Haarschnitt sah Maizie Sommers Jahre jünger aus, als sie tatsächlich war. Sie führte das darauf zurück, dass ihre Familie und ihr Maklerbüro sie jung und frisch hielten.

Und ihr Hobby, das sie zusammen mit ihren beiden besten Freundinnen Theresa und Cecilia ausübte. Ein Hobby, das ihr den Schwiegersohn und die Enkelkinder beschert hatte, die sie sich immer gewünscht hatte. Sie, Theresa und Cecilia waren nämlich richtig gute Kupplerinnen, und sie standen dazu.

Meistens agierten sie im Verborgenen. Die nichtsahnenden Objekte ihrer selbstlosen Bemühungen wussten selten, wer wirklich dahintersteckte, wenn die Liebe in ihr Leben trat.

Die Anregung dazu kam oft von einem Verwandten der ahnungslosen „Opfer“ – in der Regel einem Elternteil. Und von da an übernahmen die drei Damen die Regie.

Ihre Jobs waren ihnen eine große Hilfe bei ihren selbstlosen Bemühungen. Nachdem sie alle ihr Kind – oder in Theresas Fall ihre Kinder – großgezogen und ihre Männer verloren hatten, hatten sie die Leere in ihrem Leben gefüllt, indem sie sich auf ihre Stärken besannen und einen lukrativen Lebensunterhalt daraus machten. Maizie vermittelte Häuser und Wohnungen, Theresa war Inhaberin eines Catering-Service, und die penible Cecilia hatte eine Reinigungsfirma gegründet.

Bei ihrer Arbeit kamen die drei erfolgreichen Unternehmerinnen mit immer neuen Menschen in Kontakt – ein nahezu unerschöpflicher Pool, aus dem die drei Freundinnen ihre Kandidaten auswählten: Singles, die einen Seelengefährten brauchten, um ihr volles Potenzial zu entfalten.

Maizie, Theresa und Cecilia betrachteten das Verkuppeln als Berufung. Sie hielten immer Ausschau nach dem nächsten möglichen Paar, nach der nächsten Erfolgsstory.

Doch keine war dabei so aktiv wie Maizie, deren Klientel ständig wechselte. Sie hatte nicht nur ein gutes Auge für Immobilien, sondern auch für Einsamkeit, egal wie gut sie überspielt wurde.

So wie zum Beispiel bei ihrem neuesten Kunden, der eines Mittwochmorgens in ihr Büro kam. Der große, gut aussehende Mann trug einen teuren grauen Anzug und wirkte irgendwie traurig. Er hatte grüne Augen und gut geschnittenes, volles dunkelbraunes Haar. Seine kerzengerade Haltung ließ seine muskulösen Schultern noch breiter wirken.

„Maizie Sommers?“, fragte Keith, als er sich ihrem Schreibtisch näherte.

Er hatte ihren Namen von derselben Nachbarin, die ihn über den plötzlichen Tod seiner Mutter informiert hatte. Seiner Meinung nach war ein Maklerbüro zwar so gut wie das andere, aber ein kleines war vielleicht engagierter, sodass sich das Haus schneller verkaufen lassen würde. Zumindest war ihm das durch den Kopf geschossen, als er Maizie im Internet gefunden hatte. Er war sofort zu ihr aufgebrochen.

Maizie lächelte dem jungen Mann mütterlich zu. Ihr Lächeln war so vertrauenerweckend wie entwaffnend und gab ihren Klienten das gute Gefühl, für sie da zu sein und hundert Prozent zu geben.

Unterschrieben wurde immer erst dann, wenn der Klient rundum zufrieden war. Maizie nahm dessen Bedenken grundsätzlich sehr ernst. Und sollte besagter Klient zufällig Single und mit Partner eindeutig besser dran sein, umso besser. Maizie glaubte nämlich fest an die Macht der Liebe.

Auch Theresa und Cecilia waren davon überzeugt, dass die Seele genauso Nahrung brauchte wie der Körper. Und jeder Erfolg – und bislang hatten sie nur Erfolge zu verbuchen gehabt – war erfüllender als ihre richtigen Jobs.

Und so kam es, dass Maizie den jungen Mann, der diesen Morgen ihr Büro betrat, gleich in zweifacher Hinsicht als Kandidaten ins Auge fasste.

Ihr Lächeln kam aus tiefstem Innern. „Ja, das bin ich, junger Mann“, sagte sie liebenswürdig. „Was kann ich für Sie tun?“ Sie beugte sich etwas über ihren Schreibtisch, um ihm eine Hand zu schütteln.

Die Frau erinnerte Keith an seine Mutter. Nicht dass sie ihr wirklich ähnlich sah, aber sie strahlte eine ähnliche Begeisterungsfähigkeit und Güte aus, wie es seine Mutter früher tat.

Zumindest in seiner Kindheit und Jugend. In den Jahren vor Amys Tod. Damals waren sie noch eine glückliche Familie gewesen. Dank Dorothy O’Connell hatte Amy und Keith auch ohne Vater nie etwas gefehlt. Ihre Mutter war ein Fels in der Brandung gewesen, und sie waren in dem Gefühl aufgewachsen, dass ihnen nichts passieren konnte, solange sie da war.

Leider hatte sich das als großer Irrtum erwiesen.

Als Keith auffiel, dass er schon eine ganze Weile schwieg, anstatt Mrs. Sommers’ Frage zu beantworten, räusperte er sich verlegen und machte etwas, das er nur sehr selten tat: Er entschuldigte sich. „Tut mir leid, ich wollte sie nicht so anstarren.“ Er riss den Blick von ihr los. „Aber Sie haben mich vorübergehend an jemanden erinnert.“

Maizies Lachfältchen vertieften sich. „Eine angenehme Erinnerung, hoffe ich?“

„Nun ja, also … ja, früher schon …“, stammelte Keith, den Blick immer noch abgewandt.

„Ich verstehe.“ Maizie wartete darauf, dass er fortfuhr, aber er fühlte sich offensichtlich unbehaglich in ihrer Gegenwart. Maizie war so etwas nicht gewohnt. Die meisten Menschen reagierten offen und positiv auf sie – etwas, worauf sie sich viel zugutehielt.

Sie fragte sich, ob er wohl verheiratet oder anderweitig liiert war. Er sah auffallend gut aus. Sollte er nicht bereits vergeben sein – tja, dann hatte sie vielleicht ihr nächstes Projekt gefunden.

„Sind Sie hier, um ein Haus zu kaufen, Mr. …?“

„Oh, Entschuldigung.“ Keith ärgerte sich über sich selbst. Er war heute anscheinend nicht in Bestform, was nach einer Nacht im Haus seiner Kindheit allerdings kein Wunder war. Er hätte ein Hotelzimmer buchen sollen – was er sofort nachholen würde, sobald er hier fertig war.

„Ich bin Keith O’Connell“, sagte er und schüttelte Maizie die Hand. „Ehrlich gesagt will ich ein Haus verkaufen, nicht kaufen.“

„Verkaufen …“, wiederholte sie langsam. „Ihnen gehört also ein Haus hier in Bedford?“

„Gewissermaßen.“

Er brachte es nicht fertig, sich als Besitzer zu bezeichnen. Das war seine Mutter gewesen, die hart hatte arbeiten müssen, um das Haus abzubezahlen. Er hatte dort lediglich gewohnt, bis er weggezogen war. Es war ihm nur durch die Umstände in die Hände gefallen.

Weil sonst niemand mehr da war.

„Es ist …“, er stockte und korrigierte sich, „… war das Haus meiner Mutter.“

Maizie, die ihm wieder sein Unbehagen anmerkte, interpretierte es auf die einzige Art, die ihr einfiel: dass er Skrupel hatte, was den Verkauf des Hauses anging.

„Sind Sie sicher, dass Sie verkaufen wollen?“

„Ja“, antwortete er wie aus der Pistole geschossen. „Ich lebe in San Francisco und kann daher nichts damit anfangen. Ich will es so schnell wie möglich loswerden.“

Maizie stand auf. „Wenn das so ist, dann lassen Sie es uns mal ansehen.“

Keith nickte. „Mein Wagen steht drüben vor dem Restaurant.“ Er ging zur Tür, um sie Maizie aufzuhalten.

Maizie ging hindurch und steuerte direkt auf einen cremefarbenen Mercedes zu. „Wir nehmen meinen Wagen“, verkündete sie.

Keith warf einen unschlüssigen Blick auf seinen dunkelblauen Sedan, den er auf der anderen Straßenseite geparkt hatte. Er war daran gewöhnt, die Kontrolle zu haben. Derjenige zu sein, der hinterm Steuer saß. „Ich dachte, wir …“

Maizies mütterliches Lächeln wurde noch mütterlicher. „Wozu unnötig Ihr Benzin verfahren?“, fragte sie fröhlich und entriegelte die Türen ihres Wagens. Sie stieg ein und schnallte sich an. Ihr neuer Klient folgte erst nach kurzem Zögern.

Sie legte die Hände auf das Lenkrad und wartete, bis Keith sich ebenfalls angeschnallt hatte. Er war größer als gedacht. „Wenn Sie mir jetzt noch die Adresse sagen, können wir los.“

Keith nannte ihr die Straße und die Hausnummer. „Es liegt im …“

„… West-Park-Viertel, ich weiß“, ergänzte Maizie. Sie lächelte Keith zu, als sie losfuhr. „Ich mache den Job schon eine ganze Weile.“

Schön für Sie, dachte Keith und sah starr geradeaus. Hoffentlich würde diese Fahrt eine der letzten zum Haus seiner Mutter sein.

„Das ist ein sehr schönes Haus“, sagte Maizie, nachdem sie die beiden Stockwerke, die große Garage und den Garten inspiziert hatte.

Sie zog es vor, sich ungestört einen Eindruck von einem Haus zu verschaffen, das sie verkaufen sollte, doch viele ihrer Klienten bestanden darauf, sie persönlich herumzuführen. Keith hingegen hielt sich zurück, seitdem er die Haustür geöffnet hatte.

Es war offensichtlich, dass er sich hier nicht wohlfühlte.

Entweder das oder er wollte das Haus eigentlich gar nicht verkaufen, war aber aus finanziellen Gründen dazu gezwungen.

„Wie schnell können Sie es an den Mann bringen?“, fragte er, kaum dass Maizie die erste Runde hinter sich hatte.

Maizie musterte ihn aufmerksam. „Ich fürchte, das hängt vom Markt und vom Preis des Hauses ab und …“

„Tun Sie es einfach“, sagte er unvermittelt.

„Wie bitte?“

Warum ist er nur so angespannt, fragte sie sich. Hing das mit dem Haus oder mit etwas anderem zusammen? Sie nahm sich vor, Antworten auf diese Fragen zu finden. Das war zwar nicht unbedingt erforderlich, um das Haus zu verkaufen, konnte aber anderweitig nützlich sein.

„Setzen Sie einfach den Marktwert fest und verkaufen Sie es etwas darunter.“

„Sie wollen es unter Wert verkaufen?“ Maizie fragte sich, warum er einen Verlust in Kauf nehmen wollte. Dieses Haus hier hatte eine ideale Sackgassenlage in einer ohnehin schon gefragten Siedlung.

Wieder musterte Maizie ihren neuen Kunden neugierig. „Stimmt etwas nicht mit dem Haus, Mr. O’Connell?“

„Nein.“ Keith fiel es schwer, seine Ungeduld zu zügeln, aber seine Maklerin anzublaffen half ihm jetzt auch nicht weiter. Außerdem war es nicht Mrs. Sommers’ Schuld, dass er es eilig hatte. „Mit dem Haus ist alles in Ordnung. Ich will es einfach nur loswerden. Wie schon gesagt, ich lebe hier nicht mehr und muss beruflich nach San Francisco zurück.“

„Was machen Sie denn so, Mr. O’Connell?“

„Ich bin Anwalt.“ Normalerweise erfüllte es ihn immer mit Stolz, das zu sagen, doch diesmal empfand er seltsamerweise nichts. Nur innere Leere. So als bedeute sein Beruf ihm nichts.

Was absolut lächerlich war. Natürlich bedeutete er ihm etwas. Wahrscheinlich war er einfach erschöpft vom Flug.

„Anwalt also.“ Maizie nickte beifällig. „Der Sohn und die Tochter einer meiner besten Freundinnen sind auch Anwälte.“ Ernst sah sie ihn an. „Ist Ihre Mutter hier zufällig gestorben?“

Wenn das der Fall war, würde sich das Haus nämlich nicht so ohne Weiteres verkaufen lassen. Todesfälle mussten angegeben werden, und nicht wenige Menschen schreckten davor zurück, ein Haus zu kaufen, in dem womöglich ein Geist sein Unwesen trieb.

Keith blinzelte überrascht. „Was? Nein. Wieso?“

„Ich dachte, das erklärt vielleicht, warum Sie so … angespannt sind.“ Ihr fiel kein passenderes Wort ein. Sie wollte den jungen Mann nicht brüskieren, aber sie war neugierig, was ihm so zu schaffen machte. Denn irgendetwas machte ihm zu schaffen. Das sah man auf den ersten Blick.

„Jetlag“, antwortete er achselzuckend, als erkläre das alles.

„San Francisco liegt in derselben Zeitzone wie Bedford“, sagte Maizie sanft.

„Natürlich liegt es in derselben Zeitzone, ich bin schließlich kein Idiot!“, platzte er ungeduldig heraus. „Sorry“, fügte er hinzu und versuchte, seine Wut zu zügeln. Er hatte im Laufe seines Lebens gelernt, seine Emotionen gut zu verbergen, doch in diesem Augenblick gelang ihm das nicht. „Ich war gerade geschäftlich in New York, als ich den Anruf bekommen habe, dass …“ Er korrigierte sich. „Meine Kanzlei hat einen Anruf von der Nachbarin meiner Mutter entgegengenommen, in dem sie mitteilte, dass meine Mutter gestorben sei. Meine Assistentin hat dann mich angerufen, und ich bin in den nächsten Flieger gestiegen.“

Keith redete sonst nie über persönliche Dinge, schon sehr lange nicht mehr. Doch der plötzliche Tod seiner Mutter steckte ihm immer noch so in den Knochen, dass er mehr von sich preisgab, als er wollte. „Aber das ist hier völlig ohne Belang“, fügte er steif hinzu.

„Stimmt. Ich wollte mir nur einen Eindruck von der Situation verschaffen – und von Ihnen. Das hilft mir dabei, meinen Job gut zu erledigen.“ Mehr wollte Maizie nicht dazu sagen. Dieser Mann brauchte offensichtlich mehr als nur den Verkauf dieses Hauses, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen.

Er musste erst mal zu sich selbst finden.

„Es ist mir egal, was Sie dafür bekommen. Verkaufen Sie es einfach. Ich kann keinen Klotz am Bein gebrauchen.“

„Im Moment ist Ihnen vielleicht egal, was Sie dafür kriegen, aber das kann sich schnell ändern.“ Maizie ließ den Blick durch das Wohnzimmer gleiten. „Darf ich fragen, was Sie mit der Einrichtung vorhaben?“

Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht. Nach kurzem Überlegen machte er eine wegwerfende Geste. „Lassen Sie ruhig alles entsorgen.“ Die Gegenstände seiner Mutter erinnerten ihn an eine Zeit, an die er nicht gern zurückdachte. „Schmeißen Sie alles weg.“

Das wäre eine schreckliche Verschwendung, und Maizie war keine Verschwenderin. „Auch das könnten Sie eines Tages bereuen.“

Keith bereute gerade nur dieses Gespräch. Er beschloss, Mrs. Sommers trotzdem ausreden zu lassen. „Na schön. Und was schlagen Sie stattdessen vor?“

Maizie musste an das Gespräch denken, das sie erst am Tag zuvor mit Theresa geführt hatte. Es war um die Tochter einer gemeinsamen Freundin gegangen.

Der alleinstehenden Tochter einer gemeinsamen Freundin.

Ein liebreizendes Lächeln breitete sich über ihr Gesicht. „Ich glaube, ich habe da schon eine Idee.“

„Dir ist doch klar, dass du zu viel arbeitest, oder?“, fragte Marcy Crawford ihre jüngste Schwester MacKenzie Bradshaw, als sie ihr durch den Verkaufsraum folgte, der für jede Hochschwangere der reinste Hindernislauf war.

Ihre Frage war rein rhetorisch. Sie wollte, dass Kenzie, das geliebte Nesthäkchen von fünf Kindern, endlich ihr Leben änderte, doch Kenzie wich ihr wie immer aus. Buchstäblich. Sie schlängelte sich nämlich durch so schmale Gänge, dass Marcy ihr nicht folgen konnte.

Kenzie warf einen Blick über eine Schulter und blieb gerade lang genug stehen, um sich das hellblonde Haar aus den Augen zu pusten. Sie musste dringend mal wieder zum Frisör, aber jetzt in der Vorweihnachtszeit hatte sie einfach zu viel um die Ohren. Das Geschäft lief gut. Richtig gut. Der Umsatz ihres Ladens „Hidden Treasures – Verborgene Schätze“ war mehr als nur zufriedenstellend. „Sagt die Frau, die hochschwanger ist und ein einjähriges Kleinkind mit sich herumschleppt!“

Kenzie liebte ihre Schwester genauso wie ihre anderen drei Geschwister und ihre Mutter, war jedoch jedes Mal genervt, wenn sie sich über ihr fehlendes Privatleben beklagten. Sie mochte ihr Leben so, wie es war – geschäftig und einträglich.

„Genau meine Rede“, sagte Marcy. Es gelang ihr, sich so vor ihre Schwester zu stellen, dass Kenzie von einer mit Schnitzereien verzierten Anrichte aus der Jahrhundertwende der Fluchtweg abgeschnitten wurde. „Du solltest dich eher um die Gründung einer Familie kümmern, als deine Zeit mit dem alten Plunder von toten Leuten zu verschwenden.“

„Das sind verborgene Schätze“, korrigierte Kenzie sie. Die Möbel und anderen Gegenstände, die sie in ihrem Laden verkaufte, waren alles Unikate. „Des einen Plunder ist des anderen Schatz.“

„Wie auch immer“, sagte Marcy erschöpft. Alex, ihr schlafender Einjähriger, wurde allmählich ganz schön schwer. „Sag einfach Ja zum heutigen Abendessen.“

„Das würde ich ja gern tun“, antwortete Kenzie liebenswürdig, „aber wie du weißt, lüge ich nicht gern.“ Sie sah ihre Schwester durchbohrend an. „Weißt du was, Marcy? Ich würde sofort zusagen, wenn du mich nicht verkuppeln wolltest.“

„Dich verkuppeln?“, fragte Marcy mit einer Mischung aus gekränkter Unschuld und Empörung. „Wer will dich denn verkuppeln?“

„Du“, gab Kenzie ungerührt zurück. Sie fand einen Spalt neben einer alten Singer-Nähmaschine und wand sich hindurch.

Marcy versuchte tapfer, sich zu verteidigen. „Tue ich nicht. Wie kommst du nur darauf?“ Als Alex wegen ihrer lauten Stimme zu wimmern begann, wurde sie leiser. „Wie kommst du darauf?“, zischte sie.

Kenzie sah sie wissend an. „Du hast mich gebeten, keine Jeans zu tragen und mir das Haar hochzustecken.“

Wegen ihres vollen Terminkalenders und weil sie sich im Job gut kleidete, trug Kenzie in ihrer Freizeit gern bequeme Sachen. Aber anscheinend war das ihrer Schwester zu bequem.

Marcy schniefte. „Ich finde nun mal, dass du dann besser aussiehst.“

Kenzie beschloss, sich etwas deutlicher auszudrücken. „Marcy, du rennst den ganzen Tag hinter einem total aufgedrehten Kleinkind hinterher und bekommst in einem Monat dein zweites Kind. Warum sollte meine Frisur dich auch nur ansatzweise interessieren, wenn du keinen Extragast eingeladen hättest?“

Marcy gab es auf. „Okay, du hast mich durchschaut. Ich habe Bob gebeten, seinen Freund George einzuladen. George ist wirklich total nett und …“

Kenzie schnitt ihrer Schwester sofort das Wort ab. Dieses Gespräch würde nirgendwohin führen, also hatte es auch keinen Zweck weiterzureden.

„Ganz bestimmt ist er das, aber das werde ich nie herausfinden, weil ich nämlich nicht kommen werde.“