Mein Leben ohne Dich - Magurno Nadine - E-Book

Mein Leben ohne Dich E-Book

Magurno Nadine

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Beschreibung

Welcome zu Paradise Motherf***ers! Nur ihretwegen sitze ich in dieser verfluchten Hölle fest. Nur wegen ihr bin ich in diesem Körper gefangen, der langsam aber sicher zerfällt. Ich bin nicht mehr der Mann, den sie damals gekannt hat und dieser werde ich auch nie wieder sein. Je eher sie das in ihren schönen Klopf bekommt, desto besser. Ich kann sie nicht begehren, während ich sie gleichzeitig umbringen will. Ich kann sie nicht anbeten, währen ich sie eigentlich von einer Klippe schupsen möchte. Und doch wäre es faszinierend ihr dabei zuzusehen, wie sie zerbricht.

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Für meinen Bruder

Ich glaube nicht an Seelenverwandtschaft, aber du bist verdammt nah dran

TRIGGERWARNUNG

Wollen wir ehrlich sein? Wenn du wirklich eine brauchst, dann lass die Finger von diesem Buch. Hier dreht es ich tatsächlich um eine Liebesgeschichte. Nur leider ist es keine, die aus dem rosa Märchenbuch deiner Kindheit entspringt. Also weiterlesen auf eigene Gefahr.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Silver

Jackson

Epilog

Prolog

Silver

Sommercamp Santa Monica, Kalifornien

Tillie macht einen weiteren Pinselstrich über die weisse Leinwand, welche auf ihrer Staffelei steht. Sie ist ein Naturtalent. Ich bin sprachlos. «Hervorragend Tillie. Mach weiter so.» Als ich hinter ihr vorbeilaufe, lege ich ihr meine Hand auf die Schulter und drücke sanft zu. «Danke Miss Michaelson.» Sie ist so süss. «Nenn mich doch Silver. Miss Michaelson klingt so alt.» Und sie fängt an zu kichern. Genau wie meine anderen Schüler geht sie gerade mal zur Grundschule. Das ist das erste Mal, dass ich bei so einem Sommercamp für Kids teilnehme. Meine Mutter, wie auch meine Klassenlehrerin meinten, dass es doch eine tolle Idee wäre und es sich sicher in den Bewerbungsunterlangen fürs College auch nicht schlecht machen würde. College…eigentlich hatte ich nie gross Lust zu studieren, aber in meinem Kopf hat sich der Gedanke, einmal anderen Leuten die Kunst näher zu bringen, verfestigt. Tja, aber um meinem Traum als Kunstlehrerin zu erfüllen, komme ich um ein Studium leider nicht drumherum. Von einem Ferienjob wie diesem, kann ich in der Zukunft leider nicht leben.

Aber darüber mache mir Gedanken, wenn ich wieder zu Hause bin. Im guten alten Sterling im schönen Staate Utah. Hört sich an, wie eine verschlafene Kleinstadt? Ist sie auch, aber ich liebe es dort zu leben. Ich bin dort in den Kindergarten und in die Grundschule gegangen. Und jetzt besuche ich auch die High-School in Sterling. Meine Mitschüler würden mich wohl eher als Eigenbrötlerin bezeichnen, da ich doch lieber für mich allein als unter grossen Menschenmengen bin. Diese Tatsache begreift meine Mutter bis heute nicht. Sie meint immer, ich sei doch so eine liebenswerte und anständige Person. Man müsse mich doch einfach lieben. Klar Mom, du hast mich ja auch auf die Welt gebracht, du musst sowas sagen. Aber egal.

Vor drei Jahren kam mein Vater bei einem Autounfall ums Leben und seitdem leben meine Mutter und ich allein in einem grossen Bauernhaus ein bisschen ausserhalb der Stadt. Stadt? Naja, wohl eher Dorfkern oder so. Bei knapp 400 Einwohnern können wir wohl schlecht von einer Stadt reden. Da meine Mutter seit ein paar Monaten gesundheitlich ein bisschen angeschlagen ist und nicht mehr alle Tiere auf dem Hof selbst betreuen kann, haben wir uns nur noch auf die Milchkühe fokussiert und eine Hof-Hilfe eingestellt.

«Silver.», ruft Andy und ich gehe zu ihm rüber. Heute haben zehn Kinder an meinem Kurs teilgenommen und es macht mir einen Riesenspaß ihnen dabei zuzusehen, wie sie ihre Fantasie aufs Papier bringen. Ihnen sind fast keine Grenzen gesetzt.

Auf dem Sammelplatz vor unseren Bungalows haben die Kinder ihre Staffeleien aufgestellt und malen heute mal mit Acryl. Andy zeigt auf sein Bild. Damit ich es richtig erkenne, muss ich schon näher rangehen. «Gefällt es dir Silver? Habe ich nur für dich gemacht.» Andy strahlt bis über beide Ohren und läuft rot an. Gott, er ist so süss. Aber was er genau gezeichnet hat, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Schwarze Striche laufen vom oberen Rand nach unten. In der Mitte befindet sich ein helloranger Punkt und darin wurden zwei silberne Kleckse aufgetragen.

«Das sieht sehr interessant aus Andy. Was ist die Geschichte dazu?» Diese Frage stelle ich immer, wenn ich wirklich keinen blassen Schimmer habe, was das Bild eigentlich darstellen soll. Ha! Ich bin doch eine großartige Lehrerin, nicht wahr? «Danke Silver. Ich habe dich gezeichnet. Du hast so wunder wunderschöne Augen.» Er blickt zu mir auf und klimpert dann tatsächlich mit den Wimpern. Grosser Gott! Er nimmt die Leinwand vom Holz und drückt sie mir gegen die Brust. «Ich schenk es dir.», meint er dann ganz selbstzufrieden und grinst weiter wie ein Honigkuchenpferd. Ich verspreche ihm hoch und heilig, dass ich es zu Hause in meinem Zimmer aufhängen werde. Er himmelt mich leider durch diese Aussage noch mehr an, als hinter uns plötzlich eine Glocke erklingt.

DING! DING! DING!

Das ist das Zeichen für alle, dass der Kurs für heute vorbei ist und bereits der nächste auf sie wartet. Meine Schüler sammeln ihre Farben und Leinwände zusammen und machen sich davon.

Da dies für heute mein letzter Kurs war, sammle ich die Staffeleien ein, damit ich sie nachher in den Abstellraum neben der Hütte vom Empfang stellen kann.

«Dir ist schon klar, dass er unsterblich in dich verknallt ist, oder?» Diese Stimme beschert mir jedes Mal eine Gänsehaut. Eine Gänsehaut, die ich jeden Tag spüren möchte. Ich drehe mich um und sehe Jackson, wie er mich amüsiert angrinst. Er sieht so verdammt gut aus. Seine braunen Haare sind feucht und sehen fast so schwarz aus wie meine. Seine eisblauen Augen haben mir schon vom ersten Augenblick an den Atem geraubt. Er trägt seine blauen Badeshorts und dazu ein weisses Hemd. Jackson gibt im Camp Schwimmkurse. Extra dafür wurde ein Pool angebaut, den wir Leiter auch regelmässig benutzen dürfen. Also alles Luxus pur hier.

«Wer weiss, vielleicht bin ich ja auch ein bisschen verknallt.», gebe ich ihm als Antwort und drücke ihm ein paar Staffeleien in die Arme. Völlig entrüstet starrt er auf das Holz und dann zu mir und wieder zurück. «Was wird das?», fragt er spielerisch empört, doch ich ziehe nur die Schultern nach oben. «Ich brauche Hilfe und du bist gerade da.»

Jackson weiss, dass er nicht mit mir diskutieren muss. Ich bin ein Riesen Sturkopf und kriege eigentlich fast immer das, was ich will. «Na schön. Ich helfe dir die Sachen wegzuräumen, aber dafür wirst du mir nachher beim Lagerfeuer helfen.» Einmal in der Woche machen wir ein grosses Lagerfeuer am Strand. Ganz typisch werden dann Würste und Marshmallows gegrillt, Musik wird gespielt und Lieder gesungen. Ich weiss, der totale Kitsch, aber es macht trotzdem verdammt viel Spass. Ich kann schon fast fühlen, wie meine Augen leuchten und meine Mundwinkel fahren ganz weit nach oben. «Gibt es auch Marshmallows?» Ich mache einen Schmollmund und klimpere, wie vorhin Andy, mit meinen Wimpern. Jackson fängt bei dem Anblick an zu lachen und schüttelt den Kopf, als er sich von mir abwendet und die Abstellkammer ansteuert. Schnell laufe ich ihm hinterher.

«Und?» Ich werde nicht lockerlassen. Ich öffne ihm die Türe und er legt die Holzgestelle an ihrem zugewiesenen Platz ab. Er kommt wieder raus und schliesst die Türe hinter sich. Er will mich tatsächlich quälen. «Hm, ich weiss nicht genau.», meint er und legt sich den Finger nachdenklich ans Kinn. «Ich glaube Mister Donalds hat was erwähnt, aber ich bin echt nicht mehr sicher.» Mister Donalds ist unser Campleiter und weil er mit meiner Klassenlehrerin verwandt ist, habe ich es ihm zu verdanken, dass ich heute hier bin. Er ist ein toller Leiter und Lehrer. «Jetzt spann mich doch nicht so auf die Folter.» Ich rüttle an Jacksons Armen doch er steht wie ein Fels in der Brandung. Irgendwann scheint er dann doch noch Erbarmen zu haben und nimmt ich in den Schwitzkasten. Ich mag es, wenn es zwischen uns so locker läuft. Von Anfang an hatten wir einen super Draht zueinander. Ich weiss, dass er eine Freundin in Los Angeles hat, aber manchmal kann ich meine abschweifenden Gedanken nicht mehr zurückhalten. Gerne würde ich wissen, wie sich seine Lippen anfühlen. Ob er ein guter Küsser ist und wie er wohl ohne Klamotten aussehen würde. Ich bin zwar keine Jungfrau mehr, aber wirklich Erfahrung in solchen Sachen habe ich nicht. Ich hatte ein einziges Mal Sex mit einem Mitschüler, kurz vor Weihnachten. Aber das war der totale Flopp. Wie gesagt, Erfahrung habe ich nicht, aber auch ich weiss, was ein Orgasmus ist und dass es eher zu den schlechten Nummern gehört, wenn ein Typ schon nach zehn Sekunden kommt und dann einschläft. Naja, so viel dazu.

Aber ich weiss, dass Jackson tabu ist, als gebe ich mich mit dem zufrieden, was ich habe.

«Klar gibt es Marshmallows Baby. Was wäre ein Lagerfeuer ohne den geilen Süsskram.» Eine Totenwacht will ich fast einwerfen, lasse es aber dann doch sein. Ich befreie mich aus seinem Griff, ziehe mir mein schwarzes Top und die Jeansshorts zurecht, bevor ich lossprinte. «Wer zuerst am Strand ist.», rufe ich noch hinterher und lege einen Zahn zu, weil Jackson mir auch schon auf den Fersen ist. «Ich krieg dich!» Lachend rennen wir beide durch das halbe Camp und nehmen dann den schmalen Weg zum Strand. Ich kann die Holzplanken und Äste schon von hier aus sehen und ich erhöhe nochmal die Geschwindigkeit. «Du bist zu lahm Silver.», stichelt er mich weiter an und tatsächlich überholt er mich in der nächsten Sekunde. Mist!

Nach Atem ringend komme ich an meinem Ziel an. Meine Hände liegen auf meinen Knien und ich muss mich konzentrieren, dass ich nicht gleich in Ohnmacht falle. Meine Lungen brennen wie die Hölle. «Wo warst du denn? Hast du noch einen Zwischenstopp eingelegt? Ich warte seit gefühlten Stunden auf dich.» Jackson schmeisst noch ein paar Äste auf die Feuerstelle und tut so, als wäre er schon den ganzen Tag hier.

Ich glaube er schwitzt nicht mal. Wie kann das sein? Gott, ich bin so scheiss unsportlich. «Halt die Klappe!», blaffe ich ihn jetzt an und lasse mich auf den Sand fallen.

∞∞∞

Während Mister Donalds Ring of Fire von Johnny Cash auf seiner Gitarre zum Besten gibt, sorgen wir anderen Leiter dafür, dass das Feuer weiterhin brennt und die Kinder genügend zu essen bekommen. Als auch der letzte von ihnen versorgt ist, gönne ich mir eine kurze Verschnaufpause und ziehe mich ans Meer zurück. Ich liebe es hier draussen zu sein. In Utah haben wir ja gar keine Möglichkeit das Meer zu sehen. Bei uns zu Hause gibt es nur Staub, weite Prärie und manchmal fliegt sogar ein Strohballen umher. Aber mehr gibt es dort eigentlich nicht zu sehen. Ich ziehe mir meinen Hoodie über und setze mich in den Sand. Das Wasser ist heute Abend sehr ruhig und das Rauschen beruhigt all meine Sinne. Die Welt scheint hier wie in Watte verpackt zu sein. Herrlich. Ich will nie wieder weg. Meine Zehen graben sich in den kühlen Sand, der Mond scheint und lässt die kleinen Wellen glitzern. Es sieht aus, wie in einem Traum.

«Darf ich mich setzen?» Ich hebe meinen Kopf und sehe Jackson wie er auf mich zuläuft. Auch er ist barfuss und trägt einen Hoodie. Seine Haare sind jetzt unter einem Cap versteckt, welches er verkehrtherum aufgesetzt hat. Er sieht heiss aus. Und dann noch dieses unverschämte Lächeln. Gott, er ist fast jede Sünde wert.

Ich rücke ein Stück zur Seite, obwohl hier mehr als genug freier Platz ist. «Klar.» Jackson setzt sich neben mich und unsere Oberschenkel berühren sich dabei. Aber es scheint ihn nicht zu stören, er bewegt sich keinen Millimeter weg. «Ich hab dir was mitgebracht.» Wie von Zauberhand holt er einen gegrillten Marshmallow hinter seinem Rücken hervor. Er steckt sogar schon zwischen zwei Keksen fest und hat einen Schokoklecks auf dem Dach. Genau wie ich sie mag. «Oh mein Gott. Ist das dein Ernst?» Ich glaube, dass meine Stimme anfängt zu piepsen. «Klar. Ich kenne dich doch. Du versorgst zuerst immer alle anderen und vergisst dann dich selbst. Deshalb habe ich einen für dich gesichert.» Ist er nicht total süss?

«Danke Jack.» herzhaft beisse ich in den Keks und ich fange sofort an zu stöhnen. «Oh…mein…Goff…daff..is…soooooo guuutttt.» Ich weiss mit vollen Mund sollte man nicht reden, aber dieser Geschmack, das ist eine Explosion der Sinne, eine verdammte Offenbarung. Ich liebe es. Jackson neben mir fängt an zu lachen und ich schlucke hastig alles runter. Gott, nur dafür lohnt es sich sich Ring of Fire reinzuziehen. «Du bist mein Held Jackson Raines.» Und das meine ich total ernst. Er verwöhnt mich nach Strich und Faden. Ich lecke mir die Finger sauber, ich will ja nichts verschwenden. «Warte, du hast das was.» Mit dem Daumen fährt er meine Unterlippe nach und streicht dabei ein bisschen Schokolade weg. Er schiebt sich seine Fingerkuppe in den Mund und saugt daran. «Mh, du hast recht, das ist echt lecker.», meint er beiläufig und saugt einfach weiter. Weiss er eigentlich, wie verdammt sexy das aussieht? Ich denke nicht. Gerade stelle ich mir vor, wie er etwas anderes an meinem Körper so zwischen seine Lippen zieht und sich daran festsaugt. «Hm.», mache ich völlig unbewusst und starre zu Jackson rüber. Ihm ist es nicht entgangen, dass ich ihn anstarre und auch sein Blick heftet sich jetzt an meine Lippen. Mein Oberkörper neigt sich zu ihm rüber, ich recke ihm mein Gesicht entgegen und schliesse die Augen. Wird es passieren? Wird er mich küssen oder mache ich mich hier gerade völlig zum Deppen?

Und bevor ich darüber nachdenken kann, wohin ich auswandern soll, legen sich seine weichen Lippen auch schon auf meine. Fuck! Jackson küsst mich tatsächlich und er ist so verdammt gut. Genau wie ich gehofft hatte. Seine Lippen sind weich und er bewegt sie so auf meinen, als wäre ein Profi. Er weiss genau was er da tut. Meine Hand findet ihren Weg auf seinen Nacken und ich ziehe ihn noch näher an mich ran. Er riecht fantastisch, nach Meer, nach Minze. Einfach süchtig machend. Und ich will mehr. Ohne unsere Lippen voneinander zu trennen, setze ich mich rittlings auf ihn und halte sein Gesicht jetzt mit beiden Händen gefangen. Jacksons Hände liegen auf meiner Taille und halten mich an Ort und Stelle fest. Mit einer sanften Bewegung streiche ich mit meiner Zunge über seine Unterlippe und verlange nach Einlass. Er gewährt ihn mir sofort und öffnet seinen Mund, damit sich unsere Zungen vereinen können. Heiliger Strohsack! Jacksons Mund, seine Zunge und dann auch noch der Schokoladengeschmack sind das pure Paradies. Unser Kuss wird wilder und stürmischer, ich reibe mich an seinem Körper und suche nach der Erlösung, die meine Mitte so sehr verlangt. Aber es ist alles zu wenig.

«Nicht hier.», raunt Jackson zwischen unseren Lippen hindurch. Erst jetzt fällt mir wieder ein, wo wir uns eigentlich gerade befinden. Oha. Fast hätten wir hier eine kleine Peep-Show vor den Kids aufgeführt. Ich löse meine Lippen von seinen und wir blicken uns lange tief in die Augen. Was mag wohl in seinem Kopf vorgehen? Was machen wir als nächstes?

Aber diese Fragen bleiben unbeantwortet, weil mein Handy mit einem ziemlich nervigen Klingenton unsere Zweisamkeit harsch unterbricht. Da ich genau weiss, wer es ist, rolle ich mit den Augen. «Tut mir leid, aber da muss ich einfach rangehen.» Mit den Händen fährt sich Jackson über das Gesicht, so als ob er sich wieder zur Besinnung zurückholen will. Ich erhebe mich, greife in die Aussentasche meines Hoodies und hole das Handy hervor. «Hey Mom.», nehme ich den Anruf entgegen und gehe ein paar Schritte zum Wasser rüber. «Hey Silver. Wie geht es meinem Schatz?», fragt sie mich und ich kann hören, dass sie geweint hat. «Mom, was ist los?» Mein ganzer Körper spannt sich wie eine Feder und jedes Glück, das ich vorhin noch verspürt habe, ist wie weggeblasen. «Mom?», frage ich wieder, da ich noch keine Antwort bekommen habe. «Schatz…» sie schluchzt wieder auf. «…es tut mir leid, dass ich dich störe, aber ich muss dir was sagen.»

Und die nächsten Worte, die aus dem Hörer zu mir kommen, lassen meine ganze Welt in Stücke brechen.

Jackson

Drei Jahre später / Los Angeles, Kalifornien

Ich rieche das verbrannte Gummi meiner Reifen. Der stechende Schmerz in meinem Bein lässt die Tränen über meine Wangen

laufen. Das fühlt sich mehr als nur beschissen an. Ich wische mit dem Arm über mein Gesicht. Blut. Überall ist Blut. Oh Gott, ich sterbe…

«Jacky.» Etwas Schweres lässt sich auf meinen Bauch fallen und ich bin sofort hellwach. Ich brauche ein paar Sekunden, um mich zu orientieren, weil die Jalousien noch zu sind. Es ist dunkel in meinem Zimmer, nur das Licht auf meinem Schreibtisch brennt noch. «Wach?», fragt mich die liebliche Stimme meiner kleinen Schwester, die sich rittlings auf meinen nackten Bauch gesetzt hat. «Hey Sweet, ja, jetzt bin ich wach.»

Ich liebe Maddie über alles, aber gerade wäre ich froh, wenn ich noch ein paar Stunden schlafen könnte. Die ganze Nacht habe ich fast kein Auge zugetan. «Spielen Jacky Komm.» Maddie hüpft auf und ab und drückt damit unweigerlich auf meine volle Blase. «Ah, Maddie okay ich komme gleich okay. Geh doch schon mal vor und hol deine Sachen.» Ich hebe meine zweijährige Schwester von meinem Bauch runter und stelle sie auf den Boden neben meinem Bett. Vielleicht sollte ich das nächste Mal, wenn ich hier übernachte die Türe abschliessen, aber ich glaube auch das würde den kleinen Wirbelwind nicht aufhalten. «Yyyeeaahhhhh!!!», schreit sie durch das halbe Haus als sie aus meinem Zimmer rennt. Ich muss lächeln. Sie ist so süss und unschuldig. Sie soll ein Leben lang so bleiben verdammt.

Ich sehe auf mein Handy. Drei Nachrichten von Ashley und eine von AJ. Er will, dass wir heute Abend in einen Club gehen, ich soll ihn gegen zehn Uhr abholen. Als Antwort schicke ich ihm einfach ein Daumen hoch Emoji. Die anderen von Ashley lösche ich gleich ungelesen. Meistens kommt eh nur Bullshit von ihr oder irgendwelche Nacktbilder. Mit frischer Wäsche im Schlepptau, gehe ich in mein Bad, das gegenüber liegt. Seit ich auf dem Campus wohne und nur ab und zu hier übernachte, sieht es viel ordentlicher aus. Ich denke, auch wenn mich meine Mom vermisst, freut sie sich immer, wenn ich wieder gehe. Ich bin kein Ordnungsfanatiker und lasse gerne mal was liegen. Ist leider so, sorry. Ich ziehe mir den Hoodie über den Kopf und schmeisse ihn, wie auch meine Shorts in den Wäschekorb neben der Spüle.

Die kurze, aber kalte Dusche hat meine Lebensgeister geweckt und ich bin schon fast startklar für den Tag. Normalerweise ist es mir ziemlich gleich, ob ich wach oder stoned bin, aber wenn ich hier bei Maddie bin, achte ich fast immer darauf, dass ich bei klarem Verstand bleibe. Wegen ihr und damit meine Eltern nichts mitkriegen. Die misstrauischen Blicke meiner Mom und das ewige Nachfragen meines Dads nerven mich schon seit Jahren. Deshalb ziehe ich hier lieber eine kleine Show ab, habe dafür aber meinen Frieden. Schnell ziehe ich mir frische Boxershorts und eine kurze Jogginghose über. Vor dem Spiegel halte ich noch einen kurzen Moment inne. Jede einzelne Figur, Blume, Totenschädel oder Tribal lasse ich auf mich wirken. Vor knapp zwei Jahren habe ich damit angefangen mir den Oberkörper zu tätowieren und genau so lange, hat mich keiner mehr oben ohne gesehen. Mit den Fingern fahre ich über die Tinte und spüre jede einzelne Unebenheit darunter. Von Weitem ist nichts zu sehen, aber wenn man näher dran ist, dann sieht man alles und dieses Risiko werde ich nie eingehen. Ich ziehe mir den dünnen Longsleeve an und rubble nochmal meine Haare durch.

Der Duft von Pfannkuchen und warmen Kaffee kommt mir entgegen, während ich den Gang entlanglaufe, der zum Wohnzimmer und zur angrenzenden Küche führt. «Meins Papa!» Unser Dad versucht gerade Maddie ihren Pfannkuchen zu stehlen, doch die lässt dasnicht zu und haut ihm auf die Finger. Gut so Kleines! Ich habe meinen Vater, Hunter Ferguson, vor drei Jahren kennengelernt. Meine Mom war jahrelang meine einzige Bezugsperson und ich hatte auch kein Problem damit. Ich habe auch nie gross nachgefragt, weil ich einfach kein Interesse an meinem Vater hatte. Keine Ahnung warum. Wahrscheinlich war ich einfach zufrieden, so wie es war. Wer weiss das schon. An dem Abend, als ich den Autounfall hatte, hat mir Mom erzählt, dass mein Vater hier wäre. Zuerst dachte ich, es sei ein Scherz, aber es war ihr verdammter Ernst. All die Jahre hatte er von mir keine Ahnung,

aber als er mich gesehen hat, wollte er mich unbedingt kennenlernen. Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen worden war, habe ich mich ein paar Mal mit ihm getroffen und er war echt in Ordnung. Wir konnten schnell eine Verbindung aufbauen und ich habe ihn als meinen Dad akzeptiert.

An einem Samstag, als er mich zur Uni gefahren hat, wurde er vom psychopathischen Ex-Freund meiner Mutter angegriffen und lag danach zwei Wochen im Koma. Es war knapp und wir hätten ihn beinahe verloren. Seitdem habe ich keinen einzigen Zweifeln mehr und bin dankbar, dass er noch hier bei uns sein kann. «Guten Morgen Honey.» Meine Mutter, Sara, kommt mit einer grossen Pfanne zu mir rüber und schiebt zwei grosse Pfannkuchen auf meinen Teller. Ich setzte mich an den Tresen und schaufle mir die Leckerei in den Mund. «Lecker. Danke Mom.» und handle mir einen mahnenden Blick von Maddie ein. «Was ist?», frage ich sie und ihre Augen werden zu kleinen Schlitzen. «Mund zu Essen.» Ach so, ich soll nicht mit vollem Mund sprechen. «Klar doch Sweet. Ich rubble durch ihre blonden Locken und hinterlasse ein Vogelnest, aber ihr scheint es egal zu sein, sie isst einfach weiter.

Nach dem Frühstück verabschiedet sich Mom in ihr Restaurant und wir Männer räumen den Tisch auf, während Maddie im Wohnzimmer mit ihren Puppen spielt. «Wie läufts mit deinen Kursen?», fragt mich Dad und ich ziehe die Schultern ein Stück nach oben. Da ich in den letzten Jahren wohl eine Art Wachstumsschub hatte, überrage ich heute meinen Vater um lockere fünf Zentimeter und auch an Muskelmasse habe ich nicht gespart. «Alles gut so weit. Ich habe fast nur Einsen oder Zweien.», gebe ich an und hole mein Pokerface hervor. Weil, wenn ich ehrlich sein will, geht mir das Studium ziemlich auf den Senkel. Ich wollte damals meinen Master machen, aber heute weiss ich nicht, ob ich das wirklich noch will. Die Kurse laufen so la la, ich bestehe immer grad sehr knapp. Aber da ich gelegentlich die Rektorin ficke, drückt sie beide Augen zu und lässt mich weiterstudieren. Wohl eher zum Leidwesen einiger Profs und Mitstudenten, aber die müssen ja auch nicht alles wissen. «Alles klar. Wenn du was brauchst oder sonst mal quatschen willst, so unter Männern.» Dad boxt mich leicht an. «Dann sag einfach Bescheid okay.» Ich nicke ihm zu, obwohl wir beide wissen, dass ich das Angebot nie annehmen werde. Ich habe gelernt, wie ich mit meinen Dämonen umzugehen habe.

Die letzten Teller finden ihren Platz in der Geschirrspüle und ich wasche mir kurz die Hände, bevor ich mich zu Maddie auf den Wohnzimmerboden setze. Sie ist wohl die einzige Frau, ausser meiner Mutter, vor der ich auf die Knie gehen würde. Diese kleine Lady, die mir gerade ihre Puppe ins Gesicht drückt, ist wohl das reinste Geschöpf, das ich je zu Gesicht bekommen habe. Ich liebe sie so sehr, ich würde jedem den Finger brechen, der sie nur schräg ansieht. Während ich wie eine jüngere Version meines Vaters aussehe, kommt Maddie ganz nach unserer Mutter. Blonde Haare, blaue Augen, eine grosse Klappe. Dad sitzt im Büro und schreibt wohl an seinem neusten Bestseller. Ich bewundere ihn dafür, wie er solch fiktive Welten aus dem Nichts erschaffen kann. Während des Schreibprozesses kann er sich in eine andere Welt flüchten. Ich beneide ihn. Gerne würde ich das auch auf diese Art können, aber dieses Talent ist mir leider nicht vergönnt.

«Durst.», meint Maddie nach einer Weile und macht dabei eine Geste, als ob sie eine unsichtbare Tasse in der Hand hält und sich an den Mund führt. «Dein Wunsch sei mir Befehl mein Herz.» Ich erhebe mich und will in die Küche gehen, um ihr ein Glas Wasser zu bringen, als ich über eines ihrer Plüschtiere stolpere. Am Sofa kann ich mich gerade noch so halten, dass ich nicht hinfalle, aber mein Fuss hat sich dabei ein bisschen verdreht und der Schmerz durchzuckt mich wie ein verfluchter Elektroschock. Scheisse! Damit ich nicht gleich losschreie, balle ich meine Hand zur Faust und beisse kräftig hinein. Maddie darf nicht merken, wie scheisse es mir geht, sonst ruft sie sicher gleich nach Dad. «Hör zu Sweet.» Ich drehe mich zu ihr um. «Jacky muss kurz aufs Klo okay? Aber Daddy wird so lange auf dich aufpassen.» Sie nickt mir zwar zu, aber ihre Aufmerksamkeit bleibt weiterhin auf ihre Puppen gerichtet. Gut so. So gut und so schnell wie ich kann, humple ich weiter. Ich rufe Dad zu, dass er kurz nach Maddie sehen soll, da ich auf die Toilette muss. Mit einen lauten Okay von seiner Seite mache ich mich auf den Weg in mein Badezimmer.

Ich schliesse die Türe hinter mir und setze mich auf den Klodeckel. Mir ist schwindlig und ich habe das Gefühl, dass ich mich gleich übergeben muss. Gott. Mit geschlossenen Augen versuche ich meine Atmung zu beruhigen, aber es hilft alles nichts. Das Frühstück bahnt sich seinen Weg nach oben und ich ergebe mich lautlos ins Spülbecken. Dabei keine Geräusche zu machen, braucht jahrelanges Training. Ich spüle mir den Mund aus und spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht. Der Schmerz in meinem Bein lässt langsam nach und ich kann wieder klarer sehen. Fuck! Ich hasse meinen Körper. Seit Jahren versuche ich krampfhaft, ihn wieder dorthin zu treiben, wo er früher war, aber es will mir einfach nicht gelingen. Dass nach einem siebenfachen Beinbruch eine Karriere als Basketballspieler wohl nicht mehr im Bereich des Möglichen lag, war mir klar. Damit konnte ich auch leben. Deshalb habe ich meine sportlichen Aktivitäten auch eher auf meinen Oberkörper geschoben. Vor allem mit Hanteltraining. Und ich bin verdammt stolz, wie ich heute aussehe, aber dieses verfickte Bein…es wird immer eine Last sein…mehrmals war ich kurz davor es mir selbst abzuschneiden, aber durchziehen konnte ich es noch nie. Irgendwann vielleicht, wenn ich genug drauf bin, wird es wahrscheinlich passieren.

Ich wasche das Becken aus und setze mich auf den jetzt geschlossenen Klodeckel. Verfickte Scheisse! Wann wird das alles ein Ende haben? Aus dem Schrank unter der Spüle hole ich mein schwarzes Böxchen hervor. Ich zähle kurz die paar Pillen durch, die ich noch habe. Für heute sollte es reichen, aber ich brauche dringend Nachschub und vielleicht auch noch gleich was Stärkeres. Mit einem Glas Wasser, welches neben der Spüle steht, schlucke ich eine Oxycodon Tablette herunter und hoffe, dass sich die Wirkung schnell bemerkbar macht. Ich habe wirklich keine Lust meinem Dad zu erklären, warum ich wie Quasimodo durch die Gegend humple. Ich räume die Box zurück in den Schrank und hole mein Handy hervor. Für heute Abend habe ich mich mit AJ in einem Club verabredet und bitte ihn, uns noch einen kleinen Spassmacher zu besorgen. Spasseshalber zieht er sich ab und zu ein bisschen Koks rein und ich mache meistens gerne mit. Nur das ich das Koks nicht als Spass brauche, sondern damit die Stimmen in meinem Kopf und die Schmerzen in meinem Körper endlich verschwinden. Die Ruhe, die ich jedes Mal empfinde, ist der reinste Segen. Ich geniesse diese Trips so sehr, dass ich mir manchmal wirklich wünsche, dass es ausserhalb dieser Welt nicht anderes mehr geben würde. Aber da ist Maddie, meine Eltern und die Uni. Ich kann es mir nicht leisten vollends abzudriften. Deshalb sind diese Ausflüge ins Wunderland auch keine Regelmässigkeit. AJ schickt mir ein Daumen-Hoch Emoji und sobald ich mein Bein wieder belasten kann, gehe ich zurück zu meinem Dad und löse ihn ab, damit ich mich noch ein paar Minuten mit Maddie beschäftigen kann, bevor ich mich auf den Weg zu AJ mache.

∞∞∞

Unser Stammclub, das DIVERS, ist wie fast jedes Wochenende gut besucht. Klar sind wir nicht immer in Los Angeles, aber wenn wir hier sind, dann gehen wir jedes Mal in den Club. Der Türsteher kennt uns bereits und wir können die Warteschlange schnell umgehen.

«Hey Baby.», AJ begrüsst die blonde Kellnerin und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. Ich glaube ihr Name ist Sandy, bin mir aber nicht mehr sicher. Eigentlich sollte AJ ihren Namen wissen, ich meine er hat sie flachgelegt und nicht ich. Aber bei all den Weibern, die er in seinem Leben hat, verwundert es mich nicht, dass er nicht mal mehr ihre Namen weiss.

Ich denke deshalb nennt er auch alle Baby. Damit keine peinliche Situation entsteht. Zwar lasse ich auch selten was anbrennen und auch wenn mein Hirn zeitweise drogenumnebelt ist, kann ich mich an jeden einzelnen Namen erinnern.

Aber ihr Name hat sich in mein Herz gerbrannt. Ihrer und kein anderer. Fuck!

«Hey AJ Darling. Was kann ich euch bringen?», fragt Sandy und wir geben ihr unsere Bestellung durch. Die Musik ist laut, die Menschenmenge ist in Feierlaune und so wie es aussieht, werden wir auch von einer kleinen Mädels-Truppe abgecheckt. Sollte also für heute Abend kein Problem sein, jemanden abzuschleppen. Ich muss sie aus meinem Kopf kriegen. Das wirst du niemals. Die Stimme in meinem Kopf scheint mich zu verhöhnen, weil sie genau weiss, dass alles was ich tue, einfach nichts bringt. Der Schmerz bleibt präsent. Allgegenwärtig. «Hey Bro. Alles klar?» AJ stupst mich von der Seite an und reicht mir meinen Bourbon. Ich nehme ihm das Glas ab und gönne mir einen Schluck. Der Whiskey brennt sich durch meine Speiseröhre und wärmt meinem Bauch von innen. Herrlich! Ich leere ihn in einem Zug und bestelle gleich noch einen. «Alles gut Bro.», gebe ich zurück und hoffe, dass er es dabei belässt. AJ kennt mich mittlerweile so gut, dass er auf Anhieb merkt, wenn etwas nicht stimmt. Heute ist kein guter Tag. Wann hatte ich das letzte Mal einen guten Tag?

Damals, mit ihr.

Ich packe mein neu gefülltes Glas fester und möchte es am liebsten zerbrechen. Heute brauche ich definitiv was Stärkeres. «Hast du was dabei?», frage ich AJ und sehe, dass auch er jetzt die Mädels-Truppe abcheckt. Er blickt kurz zu mir rüber und nickt fast unmerklich. «Cesar kommt in dreissig Minuten zum Hintereingang.» Cesar Dominguez ist ein bekannter Drogendealer in diesem Viertel. Er ist zwar teuer, aber sein Stoff ist der Hammer. AJ hat seine Kontaktdaten von einem Cousin bekommen und seit wir das erste Mal bei ihm gekauft haben, gibt es für uns keine andere Option. Cesar weiss, auf was wir stehen und welche Menge wir brauchen. Er ist sehr zuverlässig.

«Sehr gut.», antworte ich ihm und widme mich dann auch wieder den Ladies vor uns. Sie sind zu dritt und könnten wohl rein vom Optischen her nicht unterschiedlicher sein. Sie wippen auf der Tanzfläche hin und her, aber ihre Aufmerksamkeit ist auf uns gerichtet. Die Linke hat lange blonde Haare und einen kurvenreichen Körper, die Mittlere hat dunkle schulterlange Haare und ist schlank aber die Kleine ganz rechts sticht die beiden anderen aus. Ihre Haare sind schwarz und glatt. Sie reichen ihr bis zu den vollen Brüsten, die in einem engen Shirt stecken. Ihre Jeans schmiegen sind an ihre breiten Hüften und sie trägt Converse. Sie ist nicht die typische Traumfrau, die in allen Romanen beschrieben wird. Nein, sie ist anders und genau das finde ich anziehender als alle anderen 0815 Frauen. Obwohl ihr Körper üppiger als der ihrer Freundinnen ist, scheint sie sich wohlzufühlen. Sie bewegt ihre Hüften hin und her und ihr Blick ist die ganze Zeit auf mich gerichtet. Lasziv beisst sie sich auf die volle Unterlippe und mein Schwanz weiss genau, wo er heute Abend noch landen wird.

«Die rechts gehört mir.» Und AJ stellt sein leeres Glas auf den Tresen. Er klatscht sich mit mir ab und wir gehen gemeinsam auf die Ladies zu. AJ stellt sich in die Mitte der beiden anderen, während ich mich der schwarzhaarigen widme. «Hey.», begrüsse ich sie und schenke ihr ein Lächeln, das sie sofort erwidert. «Hey.» Ihre Stimme klingt ein bisschen rauchig, aber es spielt keine Rolle, weil ich eh nicht vorhabe viel mit ihr zu reden. Und so wie sie mich ansieht, beruht es auf Gegenseitigkeit. «Ich bin Bella.» Sie hält mir ihre Hand hin und Gentleman, wie ich einer bin, hebe ich ihre Hand an meinen Mund und küsse sanft ihre Haut. Die Härchen auf ihrem nackten Unterarm stellen sich sofort auf. Bingo! Ich stelle mich hinter Bella und drücke ihr meinen Schritt gegen den runden Arsch. Sie keucht erschrocken auf, als sie meinen Ständer bemerkt, aber entfernt sich nicht von mir. Während AJ mit den beiden anderen Mädels eine kleine Dance Show veranstaltet, lasse ich meine Hände über Bellas Kurven gleiten. «Ich heisse Ty.» Ist zwar nicht vollständig gelogen, da mein zweiter Name Tyrell lautet, aber das muss ja nicht gleich jede fremde Tussi wissen oder? Bella schiebt mir ihren Arsch noch mehr entgegen und legt dabei ihre Hände hinter meinen Nacken. Die Kleine geht aber auch schön ran. Mit der Nase fahre ich ihren Hals entlang nach oben und beisse in ihr Ohrläppchen, was sie sofort zum Stöhnen bringt. Gott, es ist einfach zu leicht geworden. Sie riecht nach Parfüm und einer Mischung aus Schweiss und Kokos. Ich hasse Kokos wie die Pest, aber scheiss drauf. Für heute werde ich es ertragen.

Wir tanzen eine Weile miteinander und ich knete dabei ihren geilen Arsch. «Alter.» AJ klopft mir auf die Schulter und zeigt auf sein Handy. Cesar ist da und wartet auf uns. Ich nicke ihm zustimmend zu. AJ geht an uns vorbei und ich gebe den Ladies die Anweisung, dass sie sich in zehn Minuten mit uns vor den Toiletten treffen sollen, wenn sie noch was erleben möchten. Brave Hündchen, wie sie nun mal sind, hüpfen ihre Köpfe schnell auf und ab. Zu einfach! Ich bahne mir meinen Weg durch die Menschenmenge und gehe AJ hinterher, der jetzt auf eine Türe in hinteren Bereich des Clubs zusteuert. Kurz spricht er mit dem Türsteher, den wir Gott sei Dank auch kennen. Mit einer kurzen Begrüssung lässt er uns durch und wir verschwinden nach draussen.

Cesar lehnt an der Wand neben der Türe und raucht, dem Geruch nach, eine Joint. «Hey C.» AJ klatscht ihn ab und ich mache es ihm nach. «Alles klar Jungs?», will Cesar wissen. Wir machen ein bisschen Smalltalk und Cesar fragt uns nach der Uni. Wie es läuft und was die Kurse machen. Cesar ist wahrscheinlich gleich alt wie mein Dad, sieht aber durch den stetigen Drogen- und Alkoholkonsum um einiges älter aus. Cesar sollte als abschreckendes Beispiel dienen, aber ich lasse sein Aussehen einfach an mir abprallen.

«Wieviel darfs den heute sein die Herren?», fragt er und AJ holt einen hundert Dollarschien hervor. Das sollte für heute und nächste Woche genügen. Cesar holt ein Plastiksäckchen hervor und die beide tauschen Geld gegen das Koks. «War mir eine Freude mit euch Geschäfte zu machen.» Cesar schüttelt uns die Hände. «Wir sehen uns Jungs.» Er geht davon und wir wieder in den Club.

«Sind die Mädels bei den Toiletten?» AJ geht am Türsteher vorbei und ich folge wieder. «Jep. Ich glaube die wissen gar nicht, was auf sie zukommt.», meine ich und wir machen uns auf den Weg zu den Toiletten. Und tatsächlich stehen alle drei in Reih und Glied davor. «Hey ihr Süssen.», begrüsst AJ alle drei und überprüft das Behindertenklo. Er öffnet die Türe einen spaltbreit und sieht sich im Raum um. «Alles leer. Wir können rein.», gibt er Entwarnung und nachdem die Mädels ihm gefolgt sind, schliesse ich die Türe hinter uns ab, nicht dass wir noch ungebeten Besuch bekommen. «Und was machen wir jetzt hier?», fragt Blondie und setzt sich auf das Waschbecken. Ihre Beine baumeln herunter und lassen ihre goldenen High Hells im Licht glitzern. «Was wir hier machen?» AJ geht auf sie zu und stellt sich zwischen ihre Beine. Er sieht ihr lange in die Augen und sagt nichts, was sie sichtlich nervös schlucken lässt.

«Wir werden jetzt ein bisschen Spass haben Baby.» Baby. Er weiss schon jetzt nicht mehr, wie sie heisst. Ich setze mich auf den geschlossenen Klodeckel und ziehe Bella auf meinen Schoss. Brownie setzt sich auf den Toilettenboden und schaut gespannt zu AJ rauf. «Und wie soll dieser Spass aussehen?», fragt sie und lehnt sich an die Wand. Statt zu antworten holt AJ das Koks aus seiner Gesässtasche und fängt an mehrere Lines auf der Ablage neben dem Waschbecken zu verteilen. «Ist das…?» Blondie macht grosse Augen, als sie AJ dabei zusieht und auch Brownie hat sich jetzt erhoben. «Koks?», beendet sie den Satz ihrer Freundin. Alle beide stehen jetzt an der Seite von AJ und ihre Blicke sind auf das weisse Pulver gerichtet.

Ich schaue nach oben zu Bella, aber ihr Blick ist nur auf mich gerichtet. Ach Schätzchen, mach das hier nicht zu mehr, als es eigentlich ist. «Willst du?», frage ich sie dann und zeige mit meinem Kinn zu den anderen. Zu meiner Überraschung schüttelt sie den Kopf und gleitet mit ihren Lippen meine Wangen hinauf. «Ich will nur dich.», haucht sie dann in mein Ohr. Natürlich werde ich ihr ihren Wunsch erfüllen, aber zuerst muss ich die Stimmen in meinem Kopf abtöten, die mir schon wieder weissmachen wollen, dass das alles hier falsch ist. Das ich es nicht nötig habe bla bla bla. Meine Hand fährt ihren Nacken hinauf und ich ziehe ihren Kopf zu mir runter. Unsere Lippen treffen sich zu einem kurzen, aber stürmischen Kuss. Bevor ich das Ganze hier aber noch weiterführen kann, schiebe ich sie von meinem Schoss. «Warte kurz.», weise ich sie an und trete zu der kleinen Gruppe vor dem Waschbecken. AJ hat sich bereits eine Line gegönnt und hält jetzt Brownie das Röhrchen hin. Sie zögert nur einen kurzen Moment und zieht dann die nächste Line. «Oha.» Brownie hält sich die Finger vor die Nase und bevor sie sich wieder auf den Boden setzt, reicht sie das Röhrchen an Blondie weiter. Sie hält es zwischen ihren langen Fingern und schiebt es hin und her. Sie ist extrem nervös. Wahrscheinlich ist es für sie alle das erste Mal. Ich kann ihr nachfühlen, es ging mir damals nicht anders. Aber sobald man den ersten Schritt gemacht hat, ist alles andere danach ein Spaziergang.

Wieder schiebt sich AJ zwischen ihre Beine. Sie trägt einen kurzen Minirock, der durch seinen Körper jetzt noch mehr nach oben gleitet. AJs Hände fahren über ihre nackten Oberschenkel und verschwinden kurz darauf unter dem Stoff. Ihr überraschter Blick und das Aufkeuchen sprechen Bände. «Wir wollen doch alle unseren Spass habe nicht wahr Baby.», umschwärmt er die Kleine mit seiner verführerischen Stimme. Blondie schliesst genüsslich die Augen als AJ sie weiter mit seinen Fingern bearbeitet. Gott, wenn er so weitermacht, kommt sie gleich hier auf dem Waschbecken. Den beiden zuzusehen, lässt mich nicht kalt und ich merke, wie ich wieder hart werde.

«Na los Kleine, oder ich nehme mir die nächste.», unterbreche ich die beiden und hoffe, dass es endlich weitergeht. Ich will nicht die ganze Nacht auf diesem Klo verbringen. AJ löst sich von ihr und deutet mit der Hand auf die nächste Line. Sie ist zwar immer noch unsicher, aber legt sich dann doch das Röhrchen an die Nase und zieht. «Ah Scheisse. Das brennt.» Blondie presst sich die Augen zu und sie fängt an zu husten. War wohl etwas zu schnell die Kleine. AJ nimmt das Röhrchen wieder an sich und wir ziehen nacheinander noch die restlichen Lines.

Während AJ sich ans Waschbecken lehnt, gehe ich zurück zu Bella. Sie erhebt sich und lässt mich wieder auf den Klodeckel sitzen. Ich lehne meinen Rücken an die Wand hinter mir und warte auf die Wirkung der Drogen. Weil Cesars Stoff so verdammt gut ist, dauert es meist nur ein paar Minuten und die Welt um mich verschwindet in sich selbst. Auch dieses Mal werde ich nicht enttäuscht. Alles um mich scheint plötzlich, wie in Watte verpackt zu sein. Die Musik vom Club kommt nur noch ganz leise, wie ein Flüstern, an meine Ohren. Das grelle Licht ist gedämpft und ich fühle mich wie im siebten Himmel.

Welcome zu Paradise Motherfuckers! Endlich!

«Soll ich dir einen blasen?» Ich öffne meine Augen und sehe in zwei braune Pupillen. Ihr schwarzer Haarschopf ist so unglaublich schön und weich. Meine Hände fahren durch ihre Strähnen und ich spiele damit. Wunderschön. Ihr Haar war schon immer so weich. Ohne meine Antwort abzuwarten, fingert sie an meiner schwarzen Jeans herum und öffnet den Knopf und den Reissverschluss. Bella zieht meine Hose und die Boxershorts herunter. Sie lässt keine Sekunde verstreichen und leckt mit ihrer Zunge über meine ganze Länge, bevor sie meine Spitze in den Mund nimmt. Sie ist gut. Während sie meinen Schwanz bearbeitet, lasse ich meinen Blick durch den Raum gleiten. Blondie sitzt immer noch auf dem Waschbecken und lässt sich jetzt von AJ ficken. Seine Stösse sind so hart, dass ihre freigelegten Brüste schnell auf und ab wippen. Daneben lehnt Brownie. Sie ist über das Becken gelehnt und saugt an den Nippeln von Blondie. Das ganze Szenario sieht verdammt heiss aus und lässt mich nur noch geiler werden. Genau so habe ich mir den Abend vorgestellt und doch freue ich mich innerlich, wenn er endlich vorbei ist.

Bella lässt von meinem Schwanz ab und erhebt sich zwischen meinen Beinen. Mit langsamen Bewegungen schält sie sich aus ihrer engen Hose und schmeisst sie von sich. Ihre Pussy hat einen kleinen Streifen. Die dunklen Härchen glitzern im Licht und man kann deutlich sehen, wie nass sie bereits für mich ist. Aus meiner Hose, die jetzt auch auf dem Boden liegt, hole ich ein Kondom und überlasse dann ihr die Arbeit. Mit einem ratschenden Geräusch öffnet sie die Verpackung und streift mir das Gummi über. Breitbeinig lässt sie sich rittlings auf mich nieder und nimmt meinen Ständer in sich auf. «Ah Gott.», stöhnt Bella auf und lässt ihren Kopf nach hinten sinken. Ich gleite mit meinen Händen unter ihr Top und ziehe es ihr aus. Die BH-Körbchen ziehe ich einfach nach unten. Ihre Nippel sind hart und aufgestellt. Ich sauge mich nacheinander an ihnen fest und es dauert nicht lange und Bellas Pussy zieht sich fest um mich zusammen. Sie bewegt ihr Becken auf und ab und schreit dann ihren Höhepunkt in den Raum. «Tyy!!!!!! Jaaa!!!!»

Ihr Kopf kommt wieder nach vorne und sie legt ihre Stirn an meine. Wir küssen uns wieder hemmungslos und lassen unsere Zungen miteinander spielen. Ich massiere ihre Brüste und kneife sie in die Spitzen, während sie mich weiter reitet. «Mach weiter Bella. Es dauert nicht mehr lange.», sporne ich sie an, damit sie jetzt ja nicht nachlässt. Die Schweissperlen tropfen von ihrer Stirn auf mein Gesicht. Im Hintergrund höre ich das Stöhnen und Keuchen der anderen Mädels. «Ah du geile Sau!», ruft AJ dazwischen. «Du magst es wohl hart, oder?» Kurz schaue ich zu ihnen rüber. Die Mädels haben jetzt die Plätze getauscht. Während sich AJ von hinten in Brownie pumpt, kniet Blondie vor ihnen und leckt die Pussy von Brownie. Krass, wie hemmungslos ein bisschen Pulver im System machen kann. Während ich den dreien zusehen, packe ich Bella fest an ihrem Arsch und stosse von unten in sie rein. Härter, schneller. Meine Sicht schwindet und ich stelle mir, vor wie ich sie ficken würde. Leider kam ich nie in den Genuss, deshalb muss ich es mir in meiner Fantasie ausmalen. Wie sie sich anfühlen würde. Wie sie meinen Namen schreien und wie ihr Körper erbeben würde. Der Gedanke an ihren vollen Mund, ihre kleine Zunge, die ich schmecken durfte, ihr Haar, das nach Meer roch und ihre einzigartigen Augen, die mir von Anfang an den Atem geraubt haben, lassen mich endlich kommen. Ich packe Bella fest an ihren Hüften und drücke sie auf meine Mitte und lasse sie erst wieder los, sobald ich mit einem lauten Aufstöhnen gekommen bin. Ich schiebe mich in sie und verharre einen Moment. Mein Körper steckt in einer anderen, doch in meinen Gedanken wird immer nur eine Platz haben.

Sie.

Silver

Sterling, Utah

Mit dem Klebeband verschliesse ich die letzte Kiste mit meinen Malutensilien. Nie hätte ich gedacht, dass ich so viele Malsachen besitze, aber fast zwei Drittel meiner Habseligkeiten sind davon betroffen. Verrückt! Ich schiebe die Kiste zur Seite und trete an das Fenster. Von diesem Zimmer aus, hat man den besten Überblick über das ganze Anwesen. Es ist mein Zimmer. War mein Zimmer. Früher mal. Jetzt ist alles anders. Wehmütig drehe ich mich um und lasse den Blick nochmal durch den Raum schweifen. Ich hoffe ich habe nichts vergessen. Das Haus und das Grundstück dazu konnte ich zu einem sehr guten Preis an unsere Nachbarn, die Pettersons, verkaufen. Ihre erwachsene Tochter wird mit ihrem Mann und den beiden Töchtern hier einziehen. Das lässt ein gutes Gefühl zurück, weil ich weiss, dass es in guten Händen sein wird.

Seit mein Dad bei einem Autounfall ums Leben kam, wohnten meine Mom und ich hier allein. Wir haben den Hof und die Tiere selbst bewirtet bis zu jenem Zeitpunkt von vor drei Jahren, als meine Mama krank wurde. Lungenkrebs. Im Endstadium. Dass uns noch drei Jahre vergönnt waren, glich fast einem Wunder. Meine Mom hat gekämpft wie eine verdammte Löwin und ich habe sie unterstützt so weit meine Kraft reichte. Vor zwei Monaten, als ich ihr das Frühstück bringen wollte, lag sie einfach im Bett und starrte an die Decke. Sie war bleich und erst beim zweiten Mal Hinsehen, fiel mir auf, dass sich ihre Brust nicht mehr bewegte. Sie war tot. Meine Mama starb in der Nacht, allein. Dieser Anblick hat sich in meine Netzhaut eingefressen und wird mich wahrscheinlich ein Leben lang begleiten. Alle Wiederbelebungsmassnahmen meinerseits und der der Sanitäter, die ich gerufen hatte, waren vergebens. Es war vorbei. Sie hat gelitten, sie hat gekämpft und jetzt ist sie frei. Ich hoffe, dass es ihr da, wo sie jetzt ist, besser geht. Dass sie Frieden gefunden hat. Ich werde noch lange danach suchen.

Die Tage nach ihrer Beerdigung habe ich damit verbracht, unsere Sachen zu verkaufen, um noch ein bisschen zu Geld zu kommen, da die Krankenhausrechnungen noch offen waren. An den Abenden, an denen ich alleine hier hockte, machte ich mir Gedanken, wie es weitergehen sollte. Ich wollte nicht mehr hier sein, allein. In Sterling hat mich eigentlich nichts mehr gehalten, bis auf meine Mutter und unser Hof. Meine Klassenlehrerin meinte, nach einem intensiven Gespräch, dass ich doch endlich die Gelegenheit beim Schopf packen sollte. Für mich hat sie einige frühere Kontakte angezapft und ihnen meine Situation geschildert. Viele waren beeindruckt von meinen Werken als Malerin, meinen Noten und meine Engagements.

Tja, wahrscheinlich war es der letzte Wunsch meiner Mutter, denn ich erhielt tatsächlich ein Vollstipendium von meiner bevorzugten Uni. Das Telefon liess mich erstmal aus allen Wolken fallen. Damit hätte ich nie in meinem Leben gerechnet. «Das ist deine Chance.», meinte meine Lehrerin. «Nutze sie!».

Und wie ich das tun würde. «Hallo?», die Stimme von Mister Petterson dringt vom unteren Stock zu mir herauf. «Ich komme gleich.», rufe ich und schnappe mir die letzte Kiste. Bevor ich die Türe für immer schliesse, sehe ich mir alles nochmal an. Die Tochter der Pettersons übernimmt das Haus samt Mobiliar. War mir natürlich sehr entgegen kommt, da ich dort, wo ich hingehe, keine Möbel mitnehmen kann. Ich lasse alles zurück. Meine ganze Vergangenheit. Ich hoffe, es ist die richtige Entscheidung.

Die Türe schliesst sich mit einem Klick und ich gehe die Treppe nach unten zum Hauseingang. Mister Petterson ist ein grosser Mann in den Sechzigern. Er ging mit meiner Mutter zur Schule und so wie sie mir mal erzählt hat, war er unsterblich in sie verknallt. Aber meine Mama hatte nur Augen für meinen Vater. Er war der typische Bad Boy und hat keine an sich rangelassen, bis…tja, bis meine Mama aufgetaucht ist und sein Herz gestohlen hat. Es war so eine typische Liebesgeschichte, wie aus einem Roman. Ein kleines Märchen halt.

«Mister Petterson, schön dass Sie es einrichten konnten.» Samt Kiste gehe ich auf ihn zu und er schenkt mir ein ehrliches Lächeln. «Silver, meine Liebe. Wie geht es dir?» Diese Frage hat mir in der letzten Zeit das gesamte Dorf gestellt und ich habe immer die gleiche Antwort. «Gut.» Nein, nichts ist gut, aber es ist egal. Das Leben geht weiter, es hält nicht für dich an, nur weil du gerade nicht klarkommst. Ich gehe an ihm vorbei und lege den letzten Karton in den Kofferraum meines alten Fords. Wir haben eine lange Reise vor uns und ich hoffe, dass es die alte Klapperkiste bis zum Ziel schafft. Mister Petterson wartet auf der Veranda und während ich ihm wieder entgegenlaufe, hole ich meinen Schlüsselbund aus der Gesässtasche meiner Jeansshorts. Ich ziehe den Hausschlüssel und den Schlüssel zur Scheune vom Bund ab und lege beide in seine Handfläche. «Und du bist dir sicher, dass du das willst?», fragt er mich. Ich stelle mich neben ihn und wir überblicken beide das Land. Eigentlich ist es nichts Besonderes, ein normaler Bauernhof, wie man ihn fast überall zu Gesicht bekommt. Aber ich bin hier aufgewachsen. Ich hatte nie ein anderes Zuhause. Hier habe ich meine ersten Schritte gemacht, meinen ersten Sandkuchen gegessen und ihn gleich danach wieder ausgekotzt. Hier hatte ich meinen ersten Kuss und mein erstes Mal, das weniger spektakulär war, aber egal. Hier hat sich mein bisheriges Leben abgespielt. Aber es ist Zeit. Es ist Zeit das Alte hinter mir zu lassen und endlich einen Neuanfang zu wagen.

Ich blicke zu Mister Petterson auf und lächle ihn an. «Ja, ich bin mir sicher.» Es ist beschlossene Sache. Er nickt mir zu und wünscht mir noch mal viel Glück und versichert mir sogar, dass wenn meine Reise nicht das bringen sollte, was ich mir erhofft habe, dass hier immer ein Platz für mich wäre. Bevor ich gleich in Tränen ausbreche, drücke ich ihn kurz an mich und setze mich dann in mein Auto. Ich fahre durch die Einfahrt und biege in die Hauptstrasse ein. Mein Navi zeigt eine Fahrt von ungefähr acht Stunden an. Mit dem Verkehr werden es wahrscheinlich neun bis zehn sein. Deshalb werde ich auf halber Strecke in einem Motel übernachten müssen.

Bevor ich meine Heimat endgültig verlasse, mache ich noch einen allerletzten Besuch. Ich biege rechts ab und parkiere auf einem freien Feld vor einem grossen Abgrenzungszaun. Dahinter befindet sich ein grosses Feld, auf dem mehrere Grabsteine herausragen. Meine Füsse führen mich wie von selbst an den Reihen vorbei, bis ich bei einem Doppelgrab stehen bleibe. Der Stein ist aus massivem Granit und die Namen meiner Eltern, Anna und Peter, sind darin eingemeisselt, sowie auch ihre Geburts- und Sterbedaten. Gott, ich vermisse sie beide so abartig. Ich bin bereits volljährig und erwachsen, aber wenn ich jetzt hier stehe, dann fühle ich mich wieder wie ein kleines Kind, dass ihre Mommy und ihren Daddy vermisst. Ich lasse die Tränen ungehindert über meine Wangen laufen. Die letzten drei Jahre habe ich meine Mutter zu Hause gepflegt. Am Anfang war es noch nicht so schlimm, aber als dann ihre Haare wegen der Chemo ausgefallen sind und sie dermassen an Gewicht verloren hat, dass man sie fast nicht mehr wiedererkannt hat, von da an ging es bergab.

Sie verlor ihre Kraft und konnte nicht mehr selbständig laufen oder sonst etwas tun. Für die Tiere und den Hof hatten wir Hilfe, aber die Pflege meiner Mutter habe ich persönlich übernommen. Ich habe mein Leben hinter ihres gestellt. Ich als Tochter war nun verantwortlich für die Gesundheit meiner Mama. Es war nicht immer einfach und es gab viele Nächte, in denen ich mich in den Schlaf geheult habe. Und dann dachte ich an ihn. Er hat mir alles bedeutet. Er war das Licht in meiner Dunkelheit. Ein einziges Foto von ihm habe ich auf meinem Handy gespeichert. Immer wenn es mir schlecht ging, habe ich es mir stundenlang angeschaut. In der Hoffnung, dass ich ihn eines Tages wieder sehen würde. Mich ihm erklären könnte. Wir werden sehen.

Ich verabschiede mich von meinen Eltern und lege ihnen drei Rosen vor den Stein. Weil es mich innerlich fast zerreisst, werfe ich keinen Blick zurück, als ich durch das Tor zurück zu meinem Auto gehe. Schnell schiebe ich mir die Sonnenbrille auf die Nase und starte den Motor. Es liegt ein weiter Weg vor mir, doch ich bin mehr als nur bereit ihn endlich zu gehen.

∞∞∞

Auf halber Strecke nehme ich irgendeine Ausfahrt auf dem Freeway und steuere das erstbeste Motel an, das ich finden kann. Es sieht zwar nicht so luxuriös aus, aber solange es sauber ist, wird es für diese eine Nacht reichen. Ich betätige die Klingel am Empfangstresen und kurz darauf erschient auch schon ein junger Mann.

«Willkommen bei Marys. Was kann ich für Sie tun?», rattert er seinen Text herunter und ich muss schmunzeln, weil er wohl alles andere als begeistert von seinem Job ist. «Hey. Ich hätte gern ein Zimmer für eine Nacht.», meine ich dann und hole bereits mein Portemonnaie aus der Tasche. Als er meine Stimme wahrnimmt, hebt er dann doch seinen Kopf und schenkt mir tatsächlich ein breites, zahnspangenbedecktes Grinsen. «Oh hallo schöne Frau.» Er sieht aus wie ein kleiner Nerd mit seiner Hornbrille. Er legt seinen Kopf schief und seine Wangen fangen an sich rot zu färben. Oh Gott. Will er etwa mit mir flirten? Oh, bitte nicht. «Ja, ähm…ich hätte gerne ein Zimmer für die Nacht.» Und dann fängt er an auf seinem Computer was einzutippen. «Einzel- oder Doppelzimmer?», will er wissen und ich sage ihm, dass ich gerne ein Einzelzimmer hätte, aber mit zwei Schlüsselkarten, da mein Freund noch dazukäme. Warum ich das sage? Scheisse, ich kenne den Typen überhaupt nicht und auch wenn er noch so unschuldig aussieht, könnte sich hinter seinem verpickelten Gesicht doch ein Serienvergewaltiger oder Mörder verstecken. Deshalb gebe ich ihm die Lüge mit dem Freund durch, nicht dass er auf die Idee kommt, mitten in der Nacht in meinem Zimmer zu erscheinen und mich zu lynchen.

Pickelgesicht zieht tatsächlich seine Mundwinkel nach unten, aber er sagt weiter nichts dazu, sondern macht seinen Job. «Dann kann ich dir Zimmer 23 anbietet. Es kostet pro Nacht 40 Dollar.» Ich nehme das Zimmer und schiebe ihm das Geld über den Tresen zu. «Dann brauche ich noch deinen Pass.» Auch diesen gebe ich ihm rüber und er schliesst ihn ihm Safe ein, bevor er mir die Schüsselkarten zum Zimmer gibt. «Frische Badetücher findest du auf dem Bett, WLAN gibt es kostenlos und Check Out morgen früh wäre bis zehn Uhr.»

«Alles klar. Danke.» Ich nehme alles entgegen und hole noch frische Kleider aus dem Auto.

Zimmer 23 habe ich schnell gefunden und habe vom Fenster aus sogar Ausblick auf meinen Wagen. Es ist klein, aber sauber und gemütlich. Der Teppich hat zwar schon bessere Zeiten erlebt, aber das spielt für mich keine Rolle. Ich stecke mir die frischen Badetücher unter den Arm und gönne mir eine lange heisse Dusche. Es fühlt sich fantastisch an nach der langen Fahrt die Muskeln zu entspannen. Schnell rubble ich mir meine Haare trocken und ziehe mir meine Schlafshorts und ein Top über. Da das WLAN gratis ist und es hier keinen Fernseher gibt, surfe ich noch eine Runde im Internet und checke meine Mails. Meine Studienbetreuerin von der Uni hat mir eine Nachricht geschickt und meint, dass mein Zimmer auf dem Campus wahrscheinlich am Wochenende bezugsbereit wäre. Naja, ich hoffe natürlich, dass es früher klappt, sonst muss ich mir noch mal ein paar Nächte in einem Motel gönnen. Und diese kosten in Los Angeles wahrscheinlich mehr als 40 Dollar pro Nacht. Sie hat mir auch noch meinen Stundenplan geschickt und den dazugehörigen Campusplan, damit ich mich nicht gleich am ersten Tag verlaufe. Ich freue mich wahnsinnig auf das Studium an der UCLA. Wer hätte gedacht, dass ich nach all der Zeit doch noch auf den Campus komme.

Die UCLA war immer ein Traum von mir, den ich wegen der Krankheit meiner Mutter hintenangestellt habe. Aber jetzt ist er greifbar nahe und ich kann es kaum erwarten endlich zu starten. Was mich wohl alles erwarten wird? Wie meine Mitbewohnerin wohl ist? Und die Jungs? Vielleicht finde ich sogar meine grosse Liebe? Ob er vielleicht dort ist? Wir haben nie über unsere Zukunft geredet, deshalb weiss ich nicht, ob erüberhaupt studiert oder ob er irgendwo arbeitet. Dass er damals in Los Angeles gelebt hat, weiss ich noch. Aber nach drei Jahren kann sich auch das geändert haben. Ich bin so aufgeregt, dass ich wahrscheinlich kein Auge zubekomme.

Noch eine Nacht und dann beginnt mein neues Leben.

Jackson

UCLA, Kalifornien

Oh Gott, habe ich je erwähnt, dass ich Montagmorgen hasse? Nein? Okay, ich hasse es wie die Pest. Nicht nur weil ich immer noch einen Nachbrand vom Wochenende habe, nein, auch weil ich heute ein grosses Examen habe, für das ich fast nichts gelernt habe. Gott, ich sollte mich mal zusammenreissen. Oder ich mache einen kurzen Zwischenstopp bei Rektorin Scott. Wer weiss.