Pretty Savage - Nadine Magurno - E-Book

Pretty Savage E-Book

Magurno Nadine

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Beschreibung

Um den Tod ihres Bruders zu rächen, begibt sich Nikki auf einen steinigen Weg, der voller Hindernisse zu sein scheint. Undercover wird sie in eine Untergrundorganisation eingeschleust und erlebt dabei menschliche Abgründe, die sogar sie aus der Bahn zu werfen drohen. «Von einer Sekunde auf die nächste, ist mein Leben, wie ich es bisher kannte, nicht mehr da. Er ist nicht mehr da. Und ich kann nicht aufhören zu schreien. « Wird sie ihr Ziel erreichen? Kann die Seele ihres Bruders endlich die langersehnte Ruhe finden? Oder wird Nikki dabei zugrunde gehen? Das Gefühl der Rache kann einen Menschen an seine Grenzen bringen, ihn vielleicht sogar darüber hinaus stossen. Wird sie fallen? Oder wird sie fliegen? «Und auch ich habe endlich meinen Platz in dieser Welt gefunden. Er ist dunkel und voller Blut. Aber es ist genau der Ort, an dem ich immer hätte sein sollen.» Welche Rolle spielt Blake Reed? Der Instructor dieser ominösen Organisation. Hat er was mit dem Mord zu tun oder ist auch er einfach nur eine Schachfigur in dem Spiel das wir Leben nennen? «Manchmal habe ich das Gefühl innerlich zu zerbrechen, obwohl ich dachte, dass ich längst tot sei. Doch die Splitter in meinem Herzen beweisen mir immer wieder das Gegenteil.»

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Triggerwarnung

Dieses Buch enthält Inhalte, die möglichweise für einige Leser triggernd wirken können. Deshalb lest diese Geschichte mit Vorsicht, wenn ihr auf folgende Themen sensibel reagiert:

Gewalt und Tod

Explizite Szenen

Direkte Sprache

Kinky Stuff (Blood Play)

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Nikki

Blake

Epilog

Danksagung

Prolog

Nikki

New York, New York

Weisse Flocken rieseln vom Himmel und tanzen in der Luft umher. Es ist kurz vor Mittag und der Schnee hat bereits den ganzen Central Park unter sich bedeckt. Ich liebe es. Ich liebe den Winter, den Schnee und Weihnachten. Ich mag die Musik und den Geruch nach Lebkuchen. Alles scheint in dieser Zeit wie verzaubert zu sein. Sogar die Menschen, die normalerweise gestresst durch die Strassen rennen, werden ruhiger...verträumter...besinnlicher.

Vielleicht gefällt mir diese Jahreszeit deswegen am besten, weil ich es geniesse, wenn um mich herum die pure Harmonie herrscht. Wer weiss. In meiner Vergangenheit gab es sehr wenige Momente, an die ich mit einem Lächeln zurückdenke. Als Baby wurde ich vor einer Kirche ausgesetzt und danach in ein Kinderheim weitervermittelt. Der typische Klassiker eben. Ich wurde von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht.

Leider war die eine schlimmer als die vorherige. Das einzige Gute an dieser Zeit ist mein Bruder Dylan. Okay, ja, zugegeben, er ist nicht mein leiblicher Bruder, aber es hat sich nie realer angefühlt. Ich glaube es war bei meiner dritten Familie, als Dylan dazustiess. Unsere Möchtegerneltern haben uns nur wegen den staatlichen Zuschüssen bei sich aufgenommen. Vom ersten Tag an waren wir auf uns allein gestellt. Ich war gerade mal zehn und Dylan zwölf, als wir den Alltag allein bestreiten mussten. Unsere Eltern haben sich mit dem Kindergeld ihren Drogenkonsum finanziert und waren die meiste Zeit über auf einem Trip. Dylan hat für uns gekocht, während ich für saubere Betten und Zimmer gesorgt habe. Ich ging gern zur Schule, denn so konnte ich der Hölle in unserem aufgezwungenen Zuhause entfliehen. Wenn wir Geld für Essen oder Kleidung brauchten, haben wir es uns irgendwo geschnorrt oder haben gestohlen. An diese Zeit erinnere ich mich nicht gerne zurück. Wenn ich Dylan nicht gehabt hätte, dann wäre ich wahrscheinlich zerbrochen oder irgendwann gar auf dem Strich gelandet. Deswegen gehe ich davon aus, dass ich heute beinahe süchtig nach Glückseligkeit bin. Sobald Dylan achtzehn wurde, hat er alle Hebel in Bewegung gesetzt, um mich dort rauszuholen. Tatsächlich hat es nicht viel gebraucht, damit er das Sorgerecht für mich bekam. Den Behörden war es wohl egal, denn sie haben weder bei Dylan noch bei unseren Pflegeeltern einen Hausbesuch gemacht. Das Einzige, was für diese Aasgeier zählte, war das Geld. Denn als Dylan siebzehn wurde, hat er angefangen zu arbeiten.

Und zwar nicht als Tellerwäscher oder Kellner. Nein, er konnte bei einer grossen Firma hier in der Stadt als Immobilienmakler anfangen und hat es innerhalb von kurzer Zeit bis nach ganz oben geschafft. Er war und ist immer noch verdammt gut in seinem Job. Deshalb musste er tatsächlich nur einen bestimmten Betrag bezahlen, um die Vormundschaft für mich zu bekommen. Dylan hat mich sozusagen rausgekauft. Was mir eigentlich ziemlich egal war. Hauptsache ich kam da raus. Alles andere war zu diesem Zeitpunkt irrelevant.

Seither wohnen Dylan und ich zusammen in New York in einer Mietwohnung in der Stadt. Zwar ist die Miete abartig teuer, aber Dylan wollte sich nichts Festes kaufen. Er meinte, wir wären noch jung und man könne ja nie wissen, wohin uns das Leben noch führen wird. Mystisch. Aber das ist typisch für meinen Bruder. Er kann sich selten auf etwas festlegen. Eine feste Freundin hatte er noch nie.

Bis auf ein paar Affären und One-Night-Stands hatte er glaube ich noch nie etwas Längerfristiges am Laufen. Das gleiche gilt für seinen Job. Zwar arbeitet er immer noch in der gleichen Firma wie damals, aber seine Aufträge führen ihn mittlerweile durch die ganze Welt. Es ist echt krass. Während er durch die Welt bummelt, hüte ich zu Hause unsere Wohnung und arbeite immer noch als Verkäuferin bei GAP. Leider waren meine Noten fürs College nicht ausreichend und da ich eh noch nicht wusste, was ich eigentlich machen will, habe ich mich dazu entschieden, erstmal dafür zu sorgen, dass Dylan finanziell nicht alles allein stemmen muss. Damit ich meinen Beitrag leisten kann, habe ich den Job als Verkäuferin nur allzu gerne angenommen. Irgendwann werde ich sicher noch herausfinden, was ich eigentlich mit meinem Leben anfangen will, aber bis dahin habe ich noch ein bisschen Zeit. Denn heute geht es erstmal darum, richtig Party zu machen. Letzte Woche wurde ich achtzehn.

Heisst, offiziell volljährig. Melli, meine beste Freundin, hat für heute Abend eine Party organisiert. Da ich leider in der Öffentlichkeit noch keinen Alkohol trinken darf, haben wir entschieden, dass bei ihr zu Hause zu machen. Sie hat alle meine Freunde eingeladen und ich kann es kaum noch erwarten. Spencer, ihr älterer Bruder soll anscheinend auch dabei sein. Ich bin heimlich in ihn verschossen. Melli meinte, dass er auch ein Auge auf mich geworfen hat und deshalb hoffe ich und kreuze im Kopf meine Finger, dass heute Abend noch was läuft. Dylan ist seit drei Wochen in Rom, um ein Projekt zum Abschluss zu bringen und heute kommt er endlich zurück. Perfektes Timing würde ich sagen. Er hat mir nämlich hoch und heilig versprochen, dass er bei der Party dabei sein wird.

Meine Stiefel machen knirschende Geräusche, als ich durch den Schnee laufe. Kinder machen eine Schneeballschlacht, ihre Eltern lachen mit ihnen und ein Verkäufer, mit seinem fahrbaren Verkaufsladen, preist seine heisse Schokolade an. Strassenmusiker spielen ihre besten Weihnachtslieder, die Eisbahn im Park ist mehr als gut besucht. Ich lehne mich mit den Ellbogen auf die Bande und schaue den Leuten dabei zu, wie sie versuchen nicht auf die Nase zu fallen. Mein langer Mantel schützt mich vor der klirrenden Kälte und die Mütze, die mir Dylan letzte Weihnachten geschenkt hat, sitzt tief auf meiner Stirn. Meine langen hellblonden Haare trage ich in dieser Zeit meist offen, damit sie mir noch zusätzliche Wärme spenden können. Die Handschuhe habe ich leider zu Hause liegen lassen und dieser Fehler macht sich langsam bemerkbar. Dylan wollte nicht, dass ich ihn am Flughafen abhole, da die Strassenverhältnisse mehr als prekär sind. Stattdessen wollte er sich mit mir direkt hier im Central Park treffen, um mit einer heissen Schokolade auf meinen Geburtstag anzustossen.

Habe ich schon erwähnt, dass ich mich abartig freue und er einfach der beste Bruder auf der ganzen Welt ist? Ich liebe ihn und vermisse ihn jedes Mal so sehr, wenn er auf Geschäftsreise ist.

Ich reibe meine kalten Hände aneinander und versuche damit ein bisschen Wärme zu erzeugen, als ein Schneeball meinen Hinterkopf trifft. Alter! Ist das deren ernst? Die Kids sollen gefälligst gegeneinander und nicht gegen mich antreten. Genervt drehe ich mich um. Und verfalle einfach so in eine Starre. Die Überraschung könnte nicht minder schöner sein. Aufgeregt kreische ich auf, stosse mich von der Bande ab und renne Dylan entgegen. Er steht da, mit einem fetten Grinsen im Gesicht und breitet seine starken Arme aus. Die Reisetasche, die er gerade noch geschultert hatte, gleitet zu Boden. «Sis! », brüllt er lachend und fängt mich im Flug auf. Er vergräbt seine Nase in meinen Haaren und ich kralle mich an ihm fest. Melli meinte einmal, dass an uns das perfekte Liebespaar verloren gegangen ist. Dylan liebt mich und ich ihn, aber über geschwisterliche Liebe sind unsere Gefühle nie hinausgewachsen. Das war nie eine Option für uns beide. Er wirbelt mich herum, sein Aftershave erfüllt meinen Geruchssinn und vernebelt mich. Wenn er da ist, dann ist einfach alles besser. Immer. Nach zwei weiteren Runden lässt er mich wieder auf die Füsse sinken und ich sehe zu ihm auf. Seine braunen Haare sind unter einem Beanie vergraben, seine haselnussbraunen Augen sehen müde, aber happy aus. Der Dreitagebart ist neu, steht ihm aber ausgezeichnet. «Endlich bist du wieder dal», seufze ich auf, drücke ihm einen Kuss auf die behaarte Wange. Eine Armlänge hält er mich von sich, sein prüfender Blick huscht über meine Erscheinung.

«Wann bist du denn bitte so gross geworden?», fragt er grinsend und ich haue ihm gegen den Oberarm. Was er wohl nicht mal wahrnimmt unter der dicken Daunenjacke, die er trägt. «Halt die Klappe. Komm, ich will alles über Rom wissen. Hast du mir was mitgebracht?»

Dylan schnappt sich seine Tasche vom Boden und wir laufen beide rüber zum Wagen mit der heissen Schokolade. «Es war wärmer als hier.» Lachend schüttle ich den Kopf. So eine Aussage kann nur von ihm kommen. «Aber der Abschluss kam leider nicht zu Stande. Was ziemlich schade ist, aber etwas Geld habe ich doch noch verdient und dir das hier gekauft.» Er wühlt in seiner Jackentasche herum. Eine schwarze Samtschachtel kommt zum Vorschein. Ich kann fühlen, wie meine Augenbrauen unter die Kappe wandern. Heiliger Strohsack! «Dylan...das war eigentlich nur ein Scherz.» Das war es wirklich. Klar freue ich mich immer, wenn er mir was schenkt, aber das hier...das scheint viel zu teuer und wertvoll zu sein. «Ich habe es in einem kleinen Schmuckgeschäft in Rom gefunden und musste es einfach kaufen. Es ist wie für dich gemacht.» Ehrfürchtig und mit zitternden Händen nehme ich die Schachtel entgegen. Atme noch einmal tief durch und öffne unter seinem konzentrierten Blick den Deckel. «Grosser Gott», hauche ich, als ich die filigrane Kette sehe, die sich darin befindet. Mit der Hand halte ich mir den Mund zu, damit ich nicht gleich anfange zu schluchzen. «Dylan...» Er greift in die Schachtel und holt den Silberschmuck heraus. «Dreh dich um», fordert er mich auf. Ich folge seiner Anweisung und halte meine Haare nach oben, als er mir die Kette um den Hals legt. Ein Anhänger, der eine weisse Perle beinhaltet, baumelt jetzt über dem Stoff meines Mantels. «Es ist wunderschön.» Meine Stimme ist nur noch ein Flüstern. Noch nie hat mir jemand sowas Schönes und Wertvolles geschenkt. Es ist einfach perfekt. Ich drehe mich zu ihm um, schlucke die aufkommenden Tränen herunter. «Danke Dylan. Ich werde es nie wieder ablegen.» Seine Mundwinkel wandern ganz weit nach oben und die Freude in seinen Augen ist beinahe greifbar. «Das habe ich gehofft. Ver...» Weiter kommt er nicht. Sein Mund bleibt einfach mitten im Satz offen. Seine Augen liegen weiterhin auf meinen, aber der Glanz ist verschwunden. Als ob er mit einem Fingerschnippen einfach gelöscht wurde.

«Dylan?» Was ist los mit ihm? Was...? Plötzlich läuft eine Flüssigkeit unter seinem Beanie hervor. Ein Rinnsal fährt über seinen Nasenflügel, seinen Mund und landet im weissen Schnee unter uns.

Ich sehe nach oben, sehe das Loch, das bis vor ein paar Sekunden noch nicht da war und ich fange an zu schreien. So laut, wie ich es noch nie zuvor getan habe. Dylans Körper landet wie in Zeitlupe auf seinen Knien und sackt dann zur Seite. Alles um uns herum gerät in Panik. Während ich schreie und Tränen mein Gesicht überfluten, dringt die brutale Realität über mich hinein. Eine Kugel hat Dylan getroffen. Eine Kugel hat sich durch seinen Kopf gebohrt und ihn vor meinen Augen getötet. Einzig die Tatsache, dass ich einen Kopf kleiner als er bin, hat mir gerade das Leben gerettet. Ich habe weder einen Schuss noch sonst etwas Verdächtiges wahrgenommen. Von einer Sekunde auf die nächste ist mein Leben, wie ich es bisher kannte, nicht mehr da. Er ist nicht mehr da. Und ich kann nicht aufhören zu schreien.

Nikki

10 Jahre später

Die Musik, die durch die Anlage in meinem Wohnzimmer dringt, erfüllt die ganze Wohnung mit ihren Bässen. Mit den Hüften wippe ich hin und her. Meine nackten Füsse machen klatschende Geräusche auf dem Steinboden, als ich ins Schlafzimmer laufe. Gerade habe ich mir eine Dusche gegönnt und hole jetzt die Kleider aus dem begehbaren Kleiderschrank. Die Wohnung, die ich mir vor Jahren mit Dylan geteilt habe, musste weichen. Weil...naja, weil es einfach nicht anders ging. Die Wohnung, die ich jetzt habe, steht der vorherigen in nichts nach. Im Gegenteil, sie ist sogar noch grösser und luxuriöser. Was mir eigentlich nicht wirklich wichtig ist, weil ich eh nicht viel hier bin, aber mein Boss hat darauf bestanden. Und was mein Boss will, das kriegt er normalerweise auch. Vor allem, wenn die Entlohnung stimmt. Aus dem Schrank hole ich Unterwäsche, meine schwarzen Skinnyjeans, den schwarzen Longsleeve und meine Boots. Während ich mich umziehe, checke ich kurz nochmal die Daten auf meinem Handy. Alle Infos, die ich für den heutigen Job brauche, sind abgespeichert. Ich weiss, was ich zu tun habe und wie ich es machen muss. Ein Job, wie jeder andere auch. Meine schwarzen Haare föhne ich trocken und binde sie zu einem hohen Pferdeschwanz nach oben. Meine Standardfrisur, wenn ich sowas wie heute geplant habe. Genau wie die Kleidung, die ich trage. Alles unauffällig und leicht zu vergessen. Naja, deswegen und weil ich mich beinahe überall an meinen Körper habe tätowieren lassen, ist diese Inkognito-Kleidung nun mal notwendig. Mike, mein Boss, hat fast einen Herzinfarkt gekriegt, als ich mit meinem ersten Tattoo ankam. Es war nicht mal gross. Aber leicht ersichtlich auf meinem Oberarm.

«Du musst für die Gesellschaft durchsichtig bleiben Nikki!»

«Man darf dich nicht erkennen Nikki!»

«Du musst unter dem Radar schwimmen Nikki!»

Blablabla. Mike weiss mittlerweile genau, dass er mir nichts mehr verbieten kann. Am Anfang unserer Zusammenarbeit habe ich jede seiner Anweisungen blind ausgeführt. Ich habe nie etwas hinterfragt, denn ich weiss, dass ich nur mit seiner Hilfe an mein Ziel gelange. Aber je tiefer ich in meiner Arbeit versunken bin, desto abgestumpfter wurde ich. Und das hat sich auch nach aussen getragen. Wir arbeiten seit nunmehr zehn Jahren zusammen und dass ich nicht mehr zu allem Ja und Amen sage, passt ihm immer weniger. Aber scheiss auf ihn. Das bin nun mal ich. Und ich werde mich auch nicht wieder ändern.

Ich schliesse den Reissverschluss meiner Boots, als mein Handy klingelt. Natürlich muss er vorher noch anrufen. Obwohl ihm bewusst ist, dass ich den Auftrag hervorragend ausführen werde, muss er sich immer wieder versichern. Er geht mir langsam auf die Eierstöcke. «Ja.», nehme ich seinen Anruf an und mache mich währenddessen auf dem Weg nach vorne zum Eingang. «Bist du bereit?», will er wissen. Dass ich die Augen verdrehe, sieht er Gott sei Dank nicht. Sonst würde ich mir eine weitere Standpauke einhandeln. Darauf kann ich gerade getrost verzichten. Ich stelle das Handy auf Lautsprecher. «Ich bin immer bereit.», antworte ich auf seine mehr als überflüssige Frage, ziehe mir die Jacke über und kontrolliere nochmal den Inhalt meiner Tasche. «Das weiss ich doch Nikki. Das Geld ist da. Gib mir Bescheid, wenn du fertig bist.» Dann legt er auf. Selbstverständlich werde ich mich, nachdem der Job erledigt ist, umgehend bei ihm melden. Nachdem ich verschwunden bin, ich mir eine halbe Flasche Whiskey gegönnt habe und nachdem ich mich mit meinen inneren Dämonen auseinandergesetzt habe. Dann...und wirklich erst dann, wird er wieder von mir hören.

Wenn ich mich nicht vorher selbst erschossen habe. Bisher war die Versuchung gross, aber der Gedanke an Rache immer noch grösser. Glück gehabt, oder? Das Handy schalte ich aus und lege es in die Tasche zu meinen anderen Sachen. Sie ist schwer als ich sie mir über die Schulter werfe und die Wohnung verlasse.

Auf den Strassen New Yorks herrscht reger Betrieb. Wie eigentlich immer. In dieser Stadt ist es egal, ob es Tag oder Nacht ist, es herrscht immer Ausnahmezustand. Es ist Herbst und die Sonne knallt von oben auf mich nieder. Meine Aufmachung ist fast zu warm, aber da ich nicht weiss, wie lange ich an meinem vorgegebenen Ziel ausharren muss und die Abende sowie auch die Nächte kühl sind, ist es die perfekte Wahl. Meinen schwarzen Camaro parke ich immer mindestens zwei Strassen von meiner Wohnung entfernt. Nicht, weil ich an wachsendem Verfolgungswahn leiden würde, hierbei handelt es sich nur um eine weitere Vorsichtsmassnahme, die von Mike angeordnet wurde. Seit Jahren mache ich es auf diese Weise und bisher hat es sich auch bewährt. Verfolgt wurde ich zwar noch nie, aber wenn etwas funktioniert, dann sollte man auch nichts daran ändern, oder? Und damit ich irgendwann mein Ziel erreichen kann, ist es nur von Vorteil, wenn ich noch ein bisschen am Leben bin. Ich öffne meinen Wagen mit dem Autoschlüssel und werfe die Tasche in den Kofferraum. Ein Navi brauche ich nicht, denn ich weiss, wohin es mich heute führt. Wenn ich oder besser gesagt Mike einen Auftrag annimmt, dann wird das wochenlang geplant. Wenn nicht sogar Monate im Voraus. Das Gebäude, das ich gleich ansteuere, habe ich schon mehrmals besucht und ausgekundschaftet. Der Plan ist bereits fest in meinem Kopf verankert. Jeder Schritt, jede Bewegung ist genauestens geplant. Natürlich kann immer etwas Unvorhersehbares passieren, aber dafür gibt es immer einen Plan B. Von dem ich bisher noch nie Gebrauch machen musste. Der Verkehr ist jetzt am späten Nachmittag übersichtlich und ich komme ohne grössere Verzögerung vorwärts. Das Treffen, zu dem ich fahre, ist in zwei Stunden angesetzt, aber ich bin gerne bereits vor Ort, wenn es losgeht. Das Gelände rund um das Gebäude ist leer. Da mein Auto auffallen würde, parke ich es ein paar Meter weiter entfernt zwischen zwei weiteren verfallenen Häusern. Wieder schultere ich meine Tasche und mache mich auf den Weg zum höchsten Punkt in der näheren Umgebung. Ich bin nicht nervös oder aufgeregt. Das bin ich schon seit Jahren nicht mehr. Okay, bei den ersten Aufträgen habe ich gezittert, wie Espenlaub und wahrscheinlich habe ich mich sogar einmal eingepinkelt, aber das ist lange her. Viel zu lange. Man wird, wie gesagt, abgestumpft, gleichgültig...leer. So fühle ich mich im Moment. Leere herrscht in meinem Inneren. In meinem Kopf und in meinem Herzen. Seit Dylan nicht mehr da ist, stirbt alles in mir nacheinander ab. Ich sterbe ab. Aber es ist mir egal. Das Einzige, was mich noch am Leben hält, ist, den Mörder meines Bruders zu finden. Und es ist mir egal, was oder wer sich mir dabei in den Weg stellen mag. Jedes Hindernis wird aus dem Weg geräumt. Es ist unausweichlich.

Auf dem Dach des verlassenen Gebäudes angekommen, stelle ich die Tasche ab und hole meine Utensilien hervor. Das M24 SWS Scharfschützengewehr benutze ich immer bei so einfachen Jobs, wie es heute der Fall ist. Es ist nicht allzu schwer und ich habe es innerhalb kürzester Zeit aufgebaut. Sobald ich das Zielfernrohr aufgesteckt habe, lege ich mich in Position. Ab jetzt heisst es abwarten. Das Gewehr ist geladen, mein Körper ruhig, mein Kopf leer. Es kann also losgehen. In solchen Momenten wie diesen denke ich über nichts mehr nach. Ich handle, wie ich es gelernt habe. Wie Mike es mir beigebracht hat. Es ist zu viel Zeit vergangen, um es je wieder anders machen zu können. Ich töte, um nicht selbst getötet zu werden. Wenn alles vorbei ist. Wenn mein Opfer gefallen und die Realität in meine Gedanken zurückgekehrt ist, dann gönne ich mir einen Moment der Schwäche. Einen Moment, der mit dem Brennen des Whiskeys in meiner Kehle ein bisschen erträglicher wird. Mein Atem geht flach und ich beobachte die Umgebung durch das Rohr. Alles ist ruhig. Wir befinden uns auf einem verlassenen Fabrikgelände ausserhalb der Stadt. Hierhin verirren sich wohl nur noch Drogenjunkies und Obdachlose, die einen Platz für die Nacht suchen. Aber bis die hier eintreffen, habe ich noch genügend Zeit. Ein Auto, dessen Scheinwerfer erlöschen, sobald es auf das Gelände einbiegt, fordert meine Aufmerksamkeit.

Showtime!

Ich verfolge den Wagen bis zum Haupttor des gegenüberliegenden Gebäudes. Er hält an, aber der Motor läuft weiterhin. Es ist ein grauer BMW. Kurz darauf biegt ein zweiter Wagen um die Kurve. Ein weiterer BMW. Wie passend. Der Auftrag lautet, den Dealer von Santos zu erschiessen, damit die Leute von Dos Palas die Drogen mitnehmen können. Und da Dos Palas mehr als genug locker gemacht hat, nahm Mike den Auftrag mit Kusshand entgegen. Würde mich nicht wundern, wenn er Sanchez Dos Palas, dem Kopf der Gang, noch einen geblasen hätte. Würde zu dem geldgierigen Sack passen, der er nunmal ist. Ich habe Mike viel zu verdanken. Er hat mich aufgenommen, als ich am Boden lag und er hat mich alles gelehrt, was ich heute kann und was ich brauche. Aber er ist ein Arsch. In jeder Hinsicht. Drei Millionen. Drei Million Dollar für einen Kopfschuss zwischen die Augen von Santos Dealer. Kinderkram für mich. Ich bin schlimmeres gewohnt. Aber ich will mich jetzt nicht beklagen, es ist leicht verdientes Geld. Und meine Wohnung und vor allem mein Wagen lässt sich nicht mit Almosen finanzieren. Also liege ich jetzt hier auf meinem Bauch und habe beide Autos im Visier. Ein Foto der Zielperson hat uns Dos Palas zukommen lassen. Ich kenne also mein Ziel. Weiss, wie er aussieht und sich bewegt. Wenn es sein müsste, dann könnte ich wohl sogar sagen, welche Schuhgrösse er trägt. Obwohl es keine Rolle spielt. Grösse 46. Aber ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Ich lade mein Gewehr und entsichere es. Ein Schuss mehr, ein Opfer mehr. Und ich bin einen Schritt näher an meiner Rache. Sie wird kommen. Bald.

Tief ziehe ich die Luft in meine Lungen, meine Zunge streicht über meine ausgetrockneten Lippen. Ich ziele, halte die Luft an. Drücke den Abzug nach hinten und lasse die Luft wieder entweichen. Sobald Santos Dealer aussteigt, trifft die Kugel zwischen seine Augen und kommt an seinem Hinterkopf wieder raus. Dos Palas Männer wissen von meiner Anwesenheit und haben sich dementsprechend daneben platziert. Sein Körper fällt in sich zusammen und er bleibt reglos liegen. Ich bleibe weiter in Position bis einer der Männer den Puls kontrolliert und mir mit einem aufgestellten Daumen anzeigt, dass der Job erledigt ist. Die zwei wissen nicht, wo ich mich aufhalte oder wer ich eigentlich bin. Und ich gedenke es dabei zu belassen.

Ich bin ein Schatten. Tauche auf, wenn man mich braucht und verschwinde genauso schnell wieder in meiner Welt.

Ich bleibe so lange liegen, bis die beiden Männer die Leiche in den Kofferraum verfrachtet haben und mit beiden Autos davongefahren sind. Sie werden ihrem Boss mitteilen, dass alles nach Plan verlaufen ist.

Deshalb kann ich mir das Feedback an Mike noch sparen. Ich rolle mich auf die Seite, schaue in den Himmel über mir und frage mich, wie lange ich noch so weitermachen kann. Wie lange kann jemand innerlich verrecken, bevor es sich nach aussen frisst? Jetzt lasse ich das erste Mal den Gedanken an Dylan zu. Sehe das Bild vor mir, wie er, wie der Typ von eben, mit einem Schuss zwischen den Augen einfach zusammensackt und stirbt. Zack. Einfach weg. Dass der Schütze ein Profi war, verwundert mich nicht. Da man keinen Knall gehört hat, gehe ich davon aus, dass er einen Schalldämpfer benutzt hat. Was mir klar wurde, als ich das erste Mal selbst einen benutzt habe. Und das alles dank Mike. Noch während der Beerdigung von Dylan hat er mich zur Seite genommen und mir alles erzählt, was ich wissen musste. Dylan war nicht der, der er zu sein schien. Nein, er war so viel mehr, als ich es mir je hätte ausdenken können. Und auch ich habe endlich meinen Platz in dieser Welt gefunden. Er ist dunkel und voller Blut. Aber es ist genau der Ort, an dem ich immer hätte sein sollen.

Blake

Es ist kurz nach neun Uhr morgens als mein Wecker mich aus einem mehr als unruhigen Schlaf holt. «Ah Fuck!», stöhne ich genervt auf und knalle meine flache Hand auf das Scheiss Teil. Wenn ich Glück habe, dann zerlege ich ihn gleich in seine Einzelteile. Es wird stumm, aber ein Knacken ist nicht zu hören. War wohl mit zu wenig Kraft. Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen und strecke mich durch. Das Knacken beim Wecker blieb aus, dafür tun es meine Knochen umso mehr. Gott, ich fühle mich wie ein alter Greis, der an Arthritis leidet. Erst letzte Nacht sind Justin und ich aus Russland zurückgeflogen. Es war verdammt kalt. Aber es hat sich gelohnt. Wir sind ein paar Dollar reicher und unser Boss ist mehr als zufrieden. Was will man mehr? Naja, ich hätte gerne noch ein paar Stunden mehr geschlafen, aber ich habe Justin versprochen, dass ich heute Morgen noch mit ihm trainieren gehe, bevor wir am Abend mit Robin und den Jungs um die Häuser ziehen. Robin hat vor zu heiraten und wir feiern heute seinen Junggesellenabend. Ich gönne Robin sein Glück von ganzem Herzen, aber ich muss zugeben, dass ich darauf keinen Bock hätte. Also auf den Junggesellenabschied schon, aber nicht auf die Ehe selbst. Eine Frau ein ganzes Leben lang. Scheisse, nein danke. Dafür ist die Auswahl viel zu gross. Und ich mag die Abwechslung in meinem Leben. Da müsste meine Zukünftige schon eine Zauber-Muschi haben, damit ich mich nur noch von einem Menü auf der Karte ernähren würde. Mein Gaumen mag aber die Auswahl. Deshalb, no way. Ich schliesse mich hier aus. Es ist geplant, dass wir uns am späteren Nachmittag zuerst bei Robin zu Hause treffen, ein bisschen vorglühen und dann in die Stadt gehen. Dort hat Justin in einem Stripclub einen Tisch und eine kleine Privatshow für uns reserviert.

Und dann folgt Bar um Bar. Völlig klischeehaft ich weiss. Aber ich freue mich drauf. Nach Russland haben wir uns eine kleine Auszeit mehr als verdient. Und einzig diese Aussicht ist mir momentan Motivation genug, dass ich meinen faulen Hintern doch noch aus dem Bett buxiere und unter die Dusche springe. Gestern Abend bin ich direkt vom Flughafen in meine Wohnung gefahren. Sobald ich meine Schuhe von den Füssen gestreift und die Tasche auf den Boden gelegt habe, überkam mich die Müdigkeit. Die letzten Wochen war ich mehr oder weniger ohne Unterbrechung unterwegs und dieser Umstand hat gestern seinen Tribut gefordert. Ohne vorher zu duschen, bin ich auf das Bett gefallen und schlief sofort ein. Leider bin ich kurz darauf, ich glaube es waren knapp zwei Stunden später, wieder aufgewacht und wälzte mich die Nacht hin und her. Wahrscheinlich war es mein Unterbewusstsein, das mich am Durchschlafen gehindert hat. Und jetzt kommt halt die Quittung. Damit ich ein bisschen wacher werde, stelle ich das Wasser in der Dusche auf kalt. Für meinen Körper ist der erste Kontakt ein grosser Schock und meine Muskeln ziehen sich krampfhaft zusammen. Aber für meinen Geist ist es die reinste Wohltat. Das kalte Wasser läuft mir über die Haare und lässt sie in dunklen Strähnen über meine Augen gleiten. Mit kreisenden Bewegungen verteile ich das Duschgel auf meiner Haut. Ein Brennen an der Seite lässt mich zusammenzucken. Stimmt, gestern Morgen habe ich mir die Haut an meiner Seite, oberhalb meiner Rippen, bei einem Maschendrahtzaun aufgerissen. Anfängerfehler. Der Riss ist zwar nicht tief, aber brennt wie die verfluchte Hölle. Shit! Darauf bedacht die Stelle nicht zu treffen, wasche ich mich weiter und spüle mir dann den Schaum vom Körper. Die Haare lasse ich lufttrocknen und schlüpfe in meine Trainingshosen und ein sauberes Shirt.

Das Fitnesscenter, in dem wir uns treffen, befindet sich im Kellergeschoss unserer Arbeitsstelle. Diese ist Gott sei Dank nur ein paar Strassen entfernt und ich lege die Distanz zu Fuss locker in ein paar Minuten zurück. Als ich um die letzte Ecke biege, wartet Justin bereits auf mich. Er ist zwar mein bester Freund, aber seine Überpünktlichkeit kann einem schon mal auf den Sack gehen. «Morgen Alter.», begrüsse ich ihn mit einem Handschlag. Er sieht um einiges fitter aus als ich. Hat anscheinend ein paar Stunden mehr Schlaf bekommen. Seine blonden Haare sind perfekt gestylt, jede Strähne sitzt.

Sein Gesicht ist rasiert und lässt sein Babyface erstrahlen. Er sieht aus wie der typische Sunnyboy. Schwiegermutter-Liebling. Ein Surfer Boy, der definitiv mehr draufhat, als man ihm zutrauen würde. Bei ihm täuscht der erste Blick. Aber das ist mit Absicht so. Er will, dass man ihn unterschätzt. Er liebt es, wenn die Leute dann überrascht über seine Fähigkeiten zurückweichen. Justin Nolan ist muskulös, gut trainiert und hat kein Gramm Fett zu viel auf den Rippen. Bilderbuch, ich hab's ja gesagt.

«Hey Bro.», grüsst er mich zurück. «Bist du bereit für ein paar Einheiten auf der Hantelbank?» Ah scheisse, er will gleich voll reinhauen. Hätte mir ja klar sein sollen. Justin ist unverwüstlich. Meine Grimasse scheint ihm wohl Antwort genug zu sein. Lachend wirft er seinen Arm über meine Schulter. «Komm schon Blake. Wir haben heute noch was vor, da musst du voll bei der Sache sein.» Das ist mir alles klar. Deshalb habe ich eigentlich gehofft, dass wir es, nach der Russland-Reise, heute ein bisschen ruhiger hätten angehen können. Aber leider habe ich die Rechnung nicht mit Justins Tatendrang gemacht. Der Kerl scheint 24/7 Hummeln im Arsch zu haben. Wahrscheinlich war er sogar als Kind hyperaktiv. Gott, ich will mir seine arme Mutter nicht vorstellen. Einen Justin Nolan will man nicht zähmen. Da würde man sich die Zähne ausbeissen. «Okay ist ja gut. Gib mir ein paar Minuten Zeit, dann bin ich voll dabei.», beschwichtige ich ihn und wir treten gemeinsam durch die Eingangstür. Die Empfangsdame telefoniert und begrüsst uns mit einem mehr als freundlichen Nicken. «Die will dich ficken.», raunt mir Justin zu. Ich schubse ihn leicht zur Seite. «Ne, die macht dir schöne Augen. Die will deinen Schwanz schon lange.», antworte ich. Denn ich weiss aus sicherer Quelle, dass Susi schon lange heimlich in ihn verknallt ist. Aber sie ist viel zu scheu, um den ersten Schritt zu wagen. Sie ist süss, aber sie versteckt sich hinter ihrer dicken Hornbrille und dem grossen Pult. Wenn Justin sich die Mühe geben würde, hinter all das zu schauen, dann würde wahrscheinlich auch er an ihr Interesse haben. Aber Justin ist da eher so gestrickt wie ich. Eine Lady ein ganzes Leben lang gibt es nicht. Wir haben mehr als genug Liebe für viele Frauen zu vergeben. «Wer weiss, vielleicht lasse ich sie ein paar Mal dran herumlutschen.», gibt er kichernd zurück und eilt durch den Gang zu den Aufzügen. Hinter ihm trete ich in die Kabine und wir fahren nach unten ins Kellergeschoss.

Alles hier ist der pure Luxus. Die Geräte und auch die Trainer sind auf dem neuesten Stand. Nichts hiervon lässt zu wünschen übrig. Für jeden ist etwas vorhanden.

Neben dem Fitnessraum befindet sich eine grosse Turnhalle, die mehrheitlich für die Rekrutierung neuer Angestellter benutzt wird. In ein paar Tagen steht wieder ein solches Event an und ich kann es kaum erwarten, mitzuwirken. Es ist jedes Mal verdammt spannend, zuzusehen, wer weiterkommt und wer schon bei der ersten Prüfung scheitert. Die Spreu trennt sich vom Weizen. Einen Raum weiter, befindet sich der Poolbereich, der auch fast täglich von den Angestellten genutzt wird. Für unseren Job müssen wir fit und ausdauernd sein. Deshalb ist es auch für mich selbstverständlich, dass ich mich regelmässig hier aufhalte und meine Trainingseinheiten absolviere. Auch wenn ich todmüde bin und eigentlich lieber im Bett liegen würde. Der innere Schweinehund muss hierbei einfach Platz machen. Während Justin und ich uns auf die Laufbänder stürzen, um uns aufzuwärmen, kommen Robin und die anderen Jungs dazu. Alle sind wegen heute Abend aufgeregt und können es kaum erwarten, dass wir endlich loslegen. Die Hochzeit findet zwar erst in einem Monat statt, aber Tessa, Robins Verlobte hat darauf bestanden, dass der Junggesellenabschied bereits jetzt stattfindet. Ich glaube, sie hat zu viel den Film Hangover geschaut und hat Panik, dass sowas auch bei ihr passieren könnte. Falls wir also Robin heute Abend verlieren sollten, dann hätten wir einen Monat Zeit, um ihn zu finden. Wenn ich es mir recht überlege, dann ist die Idee gar nicht mal so verkehrt. «Also, um welche Zeit seid ihr bei mir?», will unser Junggeselle wissen und ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Zwar ist er sich vollkommen sicher, dass Tessa die Frau seines Lebens ist, aber den Stripperinnen scheint er nicht abgeneigt zu sein. Als Justin mit dem Vorschlag ankam, wollte er am liebsten auf der Stelle loslegen. Während ich weiter meine Strecke auf dem Laufband absolviere, geht Justin mit ihm und den anderen Jungs die Details für heute Abend durch. Solange ich weiss, wo ich wann sein muss, überlasse ich den Rest Justin. Er ist das Genie in der Theorie, ich gehöre eher zum praktischen Typ. Ich mache lieber, statt zu quatschen.

Nach zwei sehr intensiven Stunden im Fitness verlassen wir beide schweissgebadet das Kellergeschoss. Zwar gibt es auch hier Saunen, Duschen und so weiter, aber ich mag meine Privatsphäre. Ich muss nicht, wenn nicht nötig, mit zwanzig anderen Männern eine Gemeinschaftsdusche teilen. Die paar Meter bis zu meiner Wohnung, kann ich auch mit Schweiss an meinem Körper hinter mich bringen.

Im Eingangsbereich verabschiedet Justin sich von mir und zu meiner Verwunderung geht er tatsächlich zu Susi rüber. Diese läuft natürlich auf der Stelle knallrot an. Also entweder hat er doch Gefallen an ihr gefunden oder er muss sich, bevor die Party heute Abend startet, nochmal entladen. Ich hoffe nur für ihn, dass er es nicht so weit treibt, dass wir eine neue Empfangsdame einstellen müssen. Wäre nicht das erste Mal, dass wir jemandem wegen ihm entlassen müssten. Leider ist Justin in dem, was er tut, einfach viel zu gut, als dass wir ihn verlieren könnten. Deshalb drückt der Boss auch regelmässig beide Augen zu. Er flüstert ihr was ins Ohr. Sie kichert laut und muss den Kopf schütteln. Der Kerl weiss genau, was er sagen und tun muss, um jede Muschi rumzukriegen. Wichser!

Okay, ich gebe zu, das Vorglühen bei Robin zu Hause hat wohl doch etwas länger gedauert, als wir erwartet haben. Oder besser gesagt, ich bin davon ausgegangen, nicht aber die anderen Jungs. Die waren alle mehr als begeistert, als Robin und Henry, sein Trauzeuge, mehrere Kisten Bier und drei Flaschen Whiskey aus dem Keller geholt haben. Ich habe seit dem College nicht mehr so viel gebechert wie heute Abend. Der Kater morgen wird mörderisch. Aber scheiss drauf, ich will mal wieder sorglos feiern und einfach geniessen. Es ist lange her, als ich das letzte Mal einen solchen Abend verbringen konnte. «Alter, ich bin hackedicht.», flüstert Justin neben mir und lacht sich dabei schlapp. Er ist eigentlich fast immer locker drauf und hat den passenden Spruch auf Lager. In Situationen, wo ich eher ernst bin, entschärft er alles. Ich glaube, deshalb passen wir so gut zusammen.

Nicht nur im Job ist er mein bevorzugter Partner, auch privat sehe ich ihn als meinen besten Freund an. Wir haben schon manchen Scheiss zusammen durchgemacht. Er lehnt seinen blonden Haarschopf gegen meine Schulter. Er ist krass durch. Wenn er nicht aufpasst, dann schläft er gleich ein. «Yo Rob!», rufe ich den zukünftigen Bräutigam.

Er sitzt auf einem der Stühle, die vor der Bühne aufgestellt sind und geniesst gerade einen Lapdance von einer der Stripperinnen des Clubs. Daneben sitzt Henry. Seine Hände wandern über die nackten Oberschenkel der Blondine, die auf seinem Schoss sitzt und sich sexy räkelt. Nachdem wir bei Robin aufgebrochen sind, haben wir uns drei Uber geteilt und sind hierher in die Strip Bar gefahren. Normalerweise besuche ich keine solchen Etablissements, aber heute machen wir ja für fast alles eine Ausnahme. Rob nickt mir zu. Seine Augen sind genauso glasig, wie die von Justin. Wo die restliche Truppe ist, weiss ich nicht. Die haben sich schon vor einer Weile in den hinteren Bereich des Clubs zurückgezogen. «Wir sollten mal an die frische Luft.», rufe ich ihm zu. Mit dem Kinn zeige ich auf Justin, der seinen Kopf immer noch gegen meine Schulter gelehnt hat. Wenn ich nicht aufpasse, dann fängt er bald an zu sabbern. Echt uncool. Rob lacht. «Shit, ja, du hast recht.» Gott sei Dank ist er noch halbwegs nüchtern und stellt das Wohlergehen seiner Leute über seine Bedürfnisse nach nackter Haut. Während er mit Henry spricht, ziehe ich Justin auf die Beine. «Du bist echt süss, weisst du das?», fragt er mich lallend und tätschelt mir die Wange. Gütiger Himmel. Er hat echt zu viel getankt. Hoffen wir mal, dass er mir nicht noch an die Wäsche will. «Los Grosser, wir bringen dich ein bisschen an die frische Luft.» Ich lege mir seinen Arm um die Schulter und bahne uns den Weg durch die vielen Leute nach draussen.

Die frische Abendluft trifft auf mein Gesicht und ich werde automatisch ein bisschen wacher. Es ist viel los auf den Strassen. Es ist Wochenende und die Leute wollen feiern und Party machen. «Uff, warte kurz.» Justin löst sich aus meinem Griff. Nach ein paar wackeligen Schritten lehnt er sich gegen den Mast der Strassenlampe. Tatsächlich hat er wieder ein bisschen mehr Farbe im Gesicht als noch vor ein paar Minuten. Dass wir nach draussen gekommen sind, war wohl die richtige Entscheidung.

«Alles okay?» Ich trete vor ihn und zünde mir eine Kippe an. Den Kragen meines Mantels falte ich nach oben. «Wird schon wieder.» Seine Stimme ist ziemlich kratzig. Gott, hoffentlich fängt er jetzt nicht gleich an zu kotzen. Rob und die anderen Jungs kommen aus der Tür des Clubs auf uns zu. «Hier.» Er hält Justin eine Wasserflasche hin, der sie dankbar entgegennimmt. Sein Hemd und die Hose sehen zwar ein bisschen ramponiert aus, aber die Frisur sitzt immer noch perfekt. Wie zum Teufel macht er das immer? Er trinkt fast die ganze Flasche leer. Den Rest schüttet er sich auf die Handflächen und wischt sich damit das Gesicht ab. Naja, wenn's hilft. «Boah Blake, ich muss echt aufhören so viel zu trinken.» Er ist alt genug, er weiss selbst, was er verträgt und was nicht. Dafür braucht er mich nicht als Babysitter.

Wir geben ihm noch ein paar Minuten, rauchen zusammen und besprechen den restlichen Abend. Justin berichtet von einem Tattoo-Studio, das ganz in der Nähe sein soll. «Wer hat Bock sich eins stechen zu lassen?» Oh nein, das auch noch. Dieser Junggesellenabschied scheint langsam aus dem Ruder zu laufen. Doch all meine Einwände und Alternativen werden einfach ignoriert und kurz darauf machen wir uns tatsächlich auf den Weg zu diesem Studio. Na, wenn das nicht mal nach hinten losgeht?!

Na schön, ich nehme alles zurück, was ich in den letzten zehn Minuten gedacht habe. Dieser Ausflug wird immer besser. Das Tattoo-Studio, das Justin gemeint hat, ist nur zwei Querstrassen weiter und hat auch noch geöffnet. Wir stehen seit ein paar Minuten vor dem Schaufenster und starren wie die letzten Idioten ins Innere. «Wollen wir jetzt reingehen oder wie siehts aus?», fragt Justin und stupst mich an. «Alter, was fragst du mich, ich bin nicht derjenige, der sich Tinte unter die Haut stechen lassen will.», gebe ich zurück. Rob, der sichtlich nervöser wirkt als vorhin, wippt mit den Füssen hin und her. Ob er es schon bereut, dass er mitgekommen ist? Unsere Köpfe wenden sich alle ihm zu, denn auch wenn die Idee von Justin kam, ist das Tattoo für Rob bestimmt. Wie ein Boxer, der kurz davor steht in den Ring zu springen, atmet er zwei Mal tief ein und aus. Wie ein Gorilla trommelt er sich auf der Brust herum. Alter! «Okay, los geht's.», bestimmt er. Bevor er es sich wohl doch nochmal anders überlegen kann, hat er bereits die Tür aufgerissen. Ein Klingeln kündigt unser Eintreten an und ich kann nicht mehr aufhören zu grinsen. Rob ist verrückt, wenn er das jetzt wirklich durchzieht. Es ist eine absolute Schnapsidee und morgen früh wird er wahrscheinlich schon die Zeit zurückdrehen wollen.

Justin, Henry, Clinton und Rob setzen sich in die Besucherlounge und blättern durch die verschiedenen Musterordner, die bereitliegen. «Ich komme gleich!», ruft eine Frauenstimme aus einem Nebenraum. Eine Tätowiererin also. Das wird interessant. Während ich die diversen Piercings in den Schaukästen begutachte, tritt Justin an meine Seite. Die frische Luft, das Wasser und der kurze Spaziergang hierher, haben ihn wieder einigermassen ausgenüchtert. Er wird ganz sicher einen Kater haben, aber mit einer Alka Selzer und genügend Wasser wird der Tag danach doch noch aushaltbar sein. «Meinst du er zieht es durch?», will er wissen und grinst sich genauso einen ab wie ich. Ich ziehe die Schultern nach oben. «Er ist ein Idiot, wenn er das macht, aber es ist seine Entscheidung.» Die Jungs wollen ihm einreden, dass er sich den Namen seiner Verlobten mit einem Herz stechen lassen soll. Die Idee fand ich völlig daneben, aber wie gesagt. Not my business. «Willst du ein Zungenpiercing?», frage ich stattdessen meinen besten Freund und kassiere prompt einen Faustschlag gegen den Oberarm. «Ah, dann bist du eher der Schwanzpiercing-Typ?» Mit dem Finger zeige ich auf die Modelle, die ausgestellt sind. «Soll die Girls ja richtig wild machen, habe ich gehört.», stichle ich weiter und kann nicht aufhören zu lachen. Justins Gesichtsausdruck ist unbezahlbar. «Hm, das Piercings ist zwar heiss, wird aber überbewertet. Die Technik macht einen guten Fick aus.» Erschrocken fahren wir herum. Eine Frau, geschätzt Ende zwanzig, Anfang dreissig, steht im Türrahmen zwischen dem Besucherbereich und dem Nebenzimmer. Das muss die Besitzerin sein. Ihre langen schwarzen Haare sind zu einem Knoten nach oben gebunden, ihre braunen Augen sind dunkel geschminkt. Der rote Lippenstift lässt ihren Schmollmund noch geiler wirken, als er ohnehin schon zu sein scheint.

Auf ihrem Hals und ihren nackten Armen prangen diverse Tattoos. Das enge Trägershirt pusht ihre Brüste nach oben und das erste Mal muss ich leer schlucken. Himmel!

Ihre langen Beine stecken in dunklen Jeans, die so verdammt tief sitzen, dass man ihre seitlichen Hüftknochen bewundern kann. Und...sind das Kampfstiefel? Fuck! Die Kleine sieht zum Anbeissen aus. Ihr Anblick lässt sogar meinen Schwanz kurz zucken. «Shit. Die ist ja abartig geil.», flüstert mir Justin zu und ich kann ihm nur nickend zustimmen. Sie hat echt alles, was ein Männerherz, vor allem meines, gerade begehrt.

Während alle Augen auf sie gerichtet sind, gehen mir nochmals ihre Worte durch den Kopf. Die Technik macht es also aus, nicht das Zubehör. «Soll das heissen, dass du meinem Freund hier kein Piercings verpassen willst?» Ich lege meinen Arm um Justins Schulter. Ihre Augenbrauen wandern nach oben. «Wenn dein Lover das gerne möchte, dann steche ich ihm gerne eins. Obwohl ich mir durchaus vorstellen kann, dass er die genau richtige Technik beherrscht.» Ihr Blick wandert über Justins Körper und inspiziert ihn genauestes. Und irgendwie passt mir das gerade gar nicht. «Soll ich dir zeigen, welche Technik ich draufhabe?», fragt jetzt Justin. Er ist voll im Flirtmodus. Mit seinem spitzbübischen Grinsen löst er sich von meinem Arm und geht zu der Kleinen rüber. Warum muss er das tun? Kann er seine Show nicht irgendwo anders abziehen? Und warum zum Teufel nochmal denke ich jetzt so? Ich kenne sie ja überhaupt nicht! Nicht mal ihren Namen weiss ich. Oh Mann! Vor ihr bleibt er stehen. Sein breiter Rücken verdeckt mir die Sicht auf ihren mehr als perfekten Körper. Genervt rolle ich mit den Augen. Mit geneigtem Kopf flüstert er ihr was ins Ohr. Zu meiner Verwunderung wird sie kein einziges Mal rot. Im Gegenteil. Während er ihr Süssholz zuflüstert, lässt sie mich keine Sekunde aus den Augen. Ihre Aufmerksamkeit ist auf mich gerichtet. In meinem Bauch wird es warm. Zwischen uns scheint einer Art Verbindung stattzufinden, der ich nicht aus dem Weg gehen kann. Gerne würde ich sie zu mir locken.

Ihren Duft riechen, sie schmecken. Holy Shit! Wenn ich so weiter fantasiere, dann ist der Ständer garantiert. Aber sie fasziniert mich. Ihre dunklen Augen, die meine nicht loslassen, ihre Zunge, die kurz über ihre Unterlippe gleitet und der Mundwinkel, der kokett nach oben wandert. Baby, du machst Dinge mit mir, die ich nicht erklären kann. Wahnsinn. Es ist verrückt.

Sie sagt etwas zu Justin, dass ich von hier aus nicht verstehen kann und wendet dann ihren Blick zu meinen Freunden, die immer noch auf der Besucherlounge sitzen und sie offen anstarren. Wenn wir hier fertig sind, muss sie wohl den Boden mit einem Tuch trocken wischen. Der Sabber von uns allen sammelt sich bereits zu einer grossen Pfütze. Wie peinlich.

Ohne nochmal zurückzuschauen, geht sie an Justin vorbei und setzt sich zu den anderen. «Ich bin Nikki.» Jedem schüttelt sie kurz die Hand und lässt sich von Rob erklären, warum wir hier sind und was er sich gerne tätowieren lassen möchte. Nikki macht grosse Augen. «Bist du sicher? Dir ist schon klar, dass du ein Tattoo nicht einfach so rückgängig machen kannst?», gibt sie zu bedenken. Sie zählt ihm alle Vor- und Nachteile auf, blättert dabei durch ihre Musterordner und zeigt ihm diverse Motive und mögliche Alternativen. Sie ist von seinem Vorhaben wenig begeistert. Genau meine Rede Süsse. Um mehr von ihr zu sehen, trete ich ein paar Schritte näher und lehne mich mit den Ellbogen über den Empfangstresen, der neben der Besucherlounge aufgestellt wurde. Mir gefällt ihr Studio und wie sie es eingerichtet hat sehr. Die Lounge besteht aus zwei schwarzen Ledersofas, die Beistelltische, wo die Ordner drauf liegen, sind aus schwarzem Glas. Der Tresen ist dunkelrot und ist übersät mit diversen Stickern von Totenköpfen, Brands und Tribals. So wie man sich nun mal ein Tattoo-Studio vorstellt.

«Hast du schon mal so eine heisse Schnitte gesehen?», fragt Justin, der jetzt hinter mir auftaucht und sie anstarrt. Okay, er hat wohl das gleiche Interesse an ihr wie ich. Normalerweise bin ich nicht abgeneigt, dass wir uns eine Frau oder mehrere teilen, aber irgendwas sagt mir, dass ich es bei ihr nicht kann. Ich muss sie für mich allein haben. Und woher kommt denn jetzt bitte dieser Gedanke? Wahrscheinlich werde ich krank, oder bin es schon. Es muss der Jetlag sein. Der Job in Russland hat mir wohl zu viel abverlangt. Ja, das muss es sein. Die Überarbeitung. Lieber leide ich an einem Burnout, als dass ich jetzt hier Besitzansprüche an eine Frau stelle, die ich gerade mal zwei Minuten kenne. Aber fuck! Sie ist echt krass beeindruckend.

Ihr gesamtes Äusseres schreit danach, dass sie gebändigt werden will. Na toll, jetzt habe ich einen halb Harten. Wunderbar. Ich rucke mein Becken hinter dem Tresen zurecht. Wäre ja noch schöner, wenn die Jungs das mitkriegen.

Nikki wischt sich ein paar verirrte Strähnen hinters Ohr. Ihre Fingernägel sind schwarz lackiert. Bilder, wie sie damit über meine Haut fährt, bescheren mir eine krasse Gänsehaut. Ich hatte viele Frauen in meinem Leben. Ich will nicht lügen. Es gab die ein oder andere, die mich für mehr als eine Nacht begeistern konnte, aber für mehr hat es nie gereicht. Nie hatte ich irgendwelche Ansprüche an meine Partnerinnen. Wenn wir gegenseitig genug hatten, dann haben sich unsere Wege einfach wieder getrennt.

Und bisher bin ich so auch gut gefahren. Ändern werde ich ganz sicher nichts. «Okay, dann legen wir los.» Nikki schliesst den Ordner, stellt ihn zurück auf seinen Platz und erhebt sich. Die Jungs tun es ihr gleich. Als sie an mir vorbei geht, um zum Nebenzimmer zu kommen, bleibt sie stehen und überlässt meinen Freunden den Vortritt. Ihre Augen glänzen. Ihre roten Lippen formen sich zu einem kleinen Kussmund. Wie verführerisch. Gerne würde ich mir eine Kostprobe genehmigen, aber ich reisse mich noch gerade so zusammen. Wie sie sich wohl nackt auf diesem Tresen machen würde? Das Bild wäre himmlisch.

«Und du mein Grosser?», herausfordernd hebt sie ihre Brauen. «Immer noch Interesse an einem Piercing?» Ihre Augen wandern über meinen Brustkorb, der sich automatisch aufpumpt. Dann weiter nach unten zu meinem Schwanz, den ich immer noch hinter dem Tresen zu verstecken versuche. So wie sie jetzt lächelt, scheint ihr klar zu sein, was dort gerade abgeht. Oh Baby, was tust du mir an? Damit sie meine Nervosität nicht bemerkt, lehne ich mich noch ein Stück weiter nach vorne. Ihr Duft kommt mir entgegen und er ist genauso berauschend wie die Trägerin selbst. «Ich dachte, du stehst eher auf die Technik?», frage ich sie herausfordernd. Mir gefällt der Austausch zwischen uns. Es scheint zu knistern. Ihre Wimpern gleiten nach oben, der laszive Blick, den ich jetzt bekomme, verfehlt sein Ziel nicht. Ich bin hart wie Stein. «Grosse Worte Bad Boy.» Damit lässt sie mich einfach stehen und geht mit schwingenden Hüften ins Nebenzimmer. Herr im Himmel! Diese Frau ist nicht von dieser Welt. Sie macht mich unglaublich scharf und hat mich dabei noch kein einziges Mal berührt. Wie crazy ist das denn?