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Wie soll ich mir Respekt verschaffen, wenn meine Mutter mit einem Indianer daherkommt? Eine Geschichte um Respekt und das Erwachsenwerden. Felix gilt als der geborene Unruhestifter. Wegen aggressiven Verhaltens aus dem Gymnasium geflogen, wird er nun in der Mittelschule mit Argusaugen beobachtet. Zu allem Überfluss zieht seine Mutter in ein kleines Dorf in Bayern und nur ungern arrangiert sich Felix mit der neuen Situation. Er spielt den coolen Gangster und eckt sofort bei den Lehrern an. Auch, dass viele Schüler sich als offen ausländerfeindlich erweisen, bringt Felix in Konflikte mit der Schule, aber auch mit seiner Mutter. Als plötzlich der neue Freund seiner Mutter auftaucht, der tatsächlich ein waschechter Indianer ist, unternimmt Felix alles, um den unliebsamen Gast aus seinem Haus zu vertreiben. Er fürchtet den Spott seiner Freunde und hetzt sie gegen den "Kanaken" auf.
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Seitenzahl: 247
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Für Jonas, der dieses Buch liebte und sogar immer ins Krankenhaus mitnahm. Ich denke an ihn!
Jugendroman von Kerstin Groeper
Impressum
Meine Mutter, der Indianer und ich, Kerstin Groeper
TraumFänger Verlag Hohenthann, 2019
1. Auflage eBook Oktober 2021
eBook ISBN 978-3-948878-06-1
Lektorat: Michael Krämer
Satz/Bildbearbeitung: Janis Sonnberger, merkMal Verlag
Datenkonvertierung: Bookwire
Titelbild: Bruno Schmäling
Copyright by TraumFänger Verlag GmbH & Co. Buchhandels KG, Hohenthann
Printed in Germany
Cooler Mann
Von Traktoren und musikalischen Kühen
Passwörter und Zugangscodes
Ein Fremder im Haus
Kriegsponys und Polizisten
Eine kleine Pocahontas
Drogenhandel
Kanakenklopfen
Döner und Ketchup
Familie Schickes-Kostüm
Leistungsfeststellung
Entscheidungen
Felix hasste seinen Namen. Felix! Felix war einfach nicht cool! Manchmal durchblätterte er das Namensbuch, in dem seine Mutter vor fünfzehn Jahren diesen grässlichen Namen herausgesucht hatte. Verblichene Kreuze zeugten davon, dass ihr auch noch andere Namen gefallen hätten. Zum Beispiel Linus, Marcel oder Jonas! Linus wäre cool gewesen! So wie aus der Comicserie „Die Peanuts“. Felix klang irgendwie gay!
Manchmal riefen sie ihn „Fee“, nur um ihn zu ärgern, aber seine fliegenden Fäuste verschafften ihm Respekt, zumindest bei den Schülern. Die Lehrer zeigten dafür weniger Verständnis, und so hatte es Verweise gehagelt, bis er letztendlich aus dem Gymnasium geflogen war. „Gewalttätig gegenüber seinen Mitschülern“, hieß es in seinem Zeugnis.
Mann! Wie sollte er sich sonst Respekt verschaffen, wenn er schon mit diesem Namen geschlagen war?
Missmutig warf er sich auf sein Bett und übersah das Chaos in seinem Zimmer. Überall standen Umzugskartons herum, zum Teil geöffnet, zum Teil noch geschlossen. Er hatte seine Klamotten in den Schrank geworfen, natürlich unordentlich, so dass seine Mutter bestimmt wieder einen Tobsuchtsanfall bekommen würde. Aber das war ihm gleichgültig.
Sollte sie nur toben! Es war ja nicht seine Idee gewesen, hierher zu ziehen. Mitten ins Outback!
Er hatte keine Lust, sein Zimmer gemütlich einzurichten, abgesehen davon, dass seine Definition von „gemütlich“ sich ziemlich von der Vorstellung seiner Mutter unterschied. Gemütlich hieß für ihn, dass die Pappschachtel von der Pizza vor drei Tagen noch unter seinem Sofa lag, dass halb angetrunkene Apfelsaftflaschen im ganzen Zimmer in greifbarer Nähe standen oder der Kaugummi an dem Rahmen seines Bettes klebte. Seine Mutter dagegen sah nur den Schimmel in den Flaschen, wenn er doch die eine oder andere übersehen hatte auszutrinken. „Weißt du, was das kostet?“, schrie sie dann wutentbrannt.
Gelangweilt zuckte er provozierend die Schultern, obwohl es ihm eigentlich leid tat. Aber Ordnung halten war halt nicht sein Ding! Jetzt stand nur eine angebrochene Colaflasche in seinem Zimmer. Er nahm einen tiefen Schluck und spuckte die Hälfte wieder aus, als die warme Kohlensäure in seinem Mund überschäumte. Verflixt!
Betroffen blickte er auf die Sauerei und seufzte tief. Wo fand er jetzt einen Lappen, ohne dass seine Mutter davon erfuhr? Auf Socken tappte er leise die Treppe hinunter in den ersten Stock, in dem sich das gemeinsame Badezimmer befand.
Seine Mutter rumorte im Erdgeschoss und schien mit dem Auspacken beschäftigt zu sein. Er schnappte sich eine Rolle Klopapier, befeuchtete einige Tücher, dann schlich er wieder nach oben.
Im Nu hatte er die klebrige Flüssigkeit entfernt, und sinnend blickte er auf die Klorolle. Eigentlich war sie für weitere Notfälle durchaus geeignet, und so stopfte er sie in die Schublade mit den Socken.
Prüfend musterte er sein Aussehen in der Spiegeltür des Schrankes und strich einige Strähnen seines gefärbten Haars in die richtige Richtung. Cool! Ein perfekter Schnitt, dazu schwarze Haare mit hellen Strähnen. Nicht das Straßenköterblond, das ihm sonst entgegengeblickt hatte. Seine Jeans rutschte lässig bis knapp unter seinen Hintern, etwas, was seine Mutter zur Raserei brachte. Das um mehrere Nummern zu große Basketballhemd hing über eine Schulter nach unten. Fehlte nur noch das Käppi auf drei Uhr, möglichst mit einem Kopftuch darunter. Schließlich musste er den Bauerntrampeln in diesem Kaff zeigen, was in der Stadt alles „in“ war! Er hatte sich einen breitbeinigen Gang angewöhnt, damit seine Hose nicht endgültig die Beine hinunterrutschte; zudem fand er ihn männlich.
Er stellte sich an das Fenster und blickte auf das weite Land. Nichts als Felder und Wälder so weit das Auge reichte. Ortsrandlage, hatte seine Mutter voller Stolz erzählt. Outback, hatte er sie verbessert. „Aber hier kann ich schreiben!“, hatte seine Mutter geschwärmt.
Alles drehte sich immer nur um diese dämlichen Bücher! Letztendlich waren die Bücher sogar schuld daran, dass sein Vater sie verlassen hatte. Er hatte ihre an Autismus grenzende Selbstvergessenheit einfach nicht mehr ertragen, wenn sie mit glühenden Wangen in ihrer Scheinwelt versank. Indianerromane! Etwas Blöderes gab es einfach nicht!
Dabei verdiente seine Mutter damit ganz gut und konnte sich immerhin die Miete für dieses Haus leisten. Aber Indianer! Überall hingen diese dämlichen Traumfänger oder anderer Kitsch herum, und leise Flötenmusik lief im Hintergrund. Scheinbar immer die gleiche Melodie, zumindest hörte er keinen Unterschied. Als kleiner Junge hatte ihm das gefallen. Er hatte sogar einige Wörter dieser Indianersprache aufgeschnappt, die seine Mutter mit Feuereifer lernte und inzwischen wahrscheinlich besser sprach als die verdammten Rothäute, aber jetzt nervte ihn dieses ganze Theater nur noch. Konnte seine Mutter nicht endlich erwachsen werden? Indianer spielen war etwas für kleine Kinder!
Regelmäßig flog sie zu Recherchen nach Amerika, natürlich allein, ohne ihn. „Du würdest dich nur langweilen!“, wehrte sie seinen Wunsch mit einem flüchtigen Lächeln ab. „Außerdem bist du doch in den Ferien bei deinem Vater!“
Schon! Trotzdem hätte er ganz gern mal richtig echte Indianer gesehen!
Seine Mutter unterstützte mehrere Projekte auf irgendwelchen Reservationen, hängte sich voller Enthusiasmus hinein, wie in alles, was sie anfing. Wie ein begeistertes Kind. Er wartete auf den Tag, an dem sie sich die Haare schwarz färbte und selbst wie eine Indianerin herumlief! Er war verbittert, wenn er an ihren Enthusiasmus dachte. Letztendlich störte ihn nur, dass sie nie Zeit für ihn hatte!
So drehte er seine Hip-Hop-Musik auf volle Lautstärke und freute sich diebisch, weil sie an seine Tür klopfen musste, wenn sie etwas von ihm wollte. Aufmerksamkeit erregen, ja, das konnte er. Provozieren, bis ihr der Kragen platzte.
Er drückte seine Nase gegen die Scheibe und zog ein schiefes Gesicht. Wahrscheinlich würde es stinken, wenn im Herbst die Bauern die Felder düngten. Ha, dachte er hämisch. Mal schauen, ob es Mama dann immer noch gefällt. Zu viel Realität konnte dämpfend wirken!
Mit Unbehagen dachte er an die neue Schule, in die er ab nächste Woche gehen musste. Es hatte ihn tief getroffen, dass er aus der Schule geflogen war, aber er war in einer Spirale der Gewalt gefangen gewesen, die er nicht mehr hatte stoppen können. Einmal Schläger, immer Schläger! Selbst wenn er überhaupt nicht schuld war. Die Ungerechtigkeit, mit der er behandelt wurde, hatte ihn wütend gemacht, noch patziger und noch unhöflicher. Nichts hatte er in den Augen der Lehrer richtig machen können, bis vor lauter Trotz auch seine Noten in den Keller gefallen waren. Er war nicht dumm, nicht einmal faul, aber die Lehrer hatten ihn längst abgestempelt. „Verhaltensauffällig“, so hatten sie ihn genannt. Ein Gangster!
Jetzt wartete die Mittelschule in der nächstgrößeren Ortschaft auf ihn. Was für ein Abstieg! Vom Gymnasium in die Hauptschule! „Warum kann ich nicht in die Realschule gehen?“, hatte er gefragt.
„Weil dich keine nimmt!“, hatte seine Mutter gebrüllt. Warum konnte sie nicht in normaler Lautstärke mit ihm sprechen?
„Die Hauptschule ist deine letzte Chance! Schau, dass du die neunte Klasse schaffst! Dann sehen wir weiter! Du brauchst zur Abwechslung mal ein gutes Zeugnis, dann kannst du sogar in die zehnte und deine Mittlere Reife machen!“
„Und dann?“
„Keine Ahnung! Du hast dir doch diesen Mist eingebrockt!“
„Ich habe mir überhaupt nichts eingebrockt!“, fauchte er wütend zurück.
„Ach!“, flötete seine Mutter. „Und die Verweise hast du für umwerfenden Umgang mit deinen Mitschülern bekommen – oder was?“
Wow! Er konnte ihr für diese Bemerkung nicht einmal böse sein! Umwerfender Umgang! Was für eine Formulierung! Er grinste schief und versuchte es mit umwerfendem Charme: „So ungefähr! Du weißt doch, wie sie alle meinem Charme erlegen sind!“ Jetzt musste seine Mutter kichern. „Charme! Das ändert nichts an deinen Noten, mein Schatz!“
„Ach, in Deutsch! Kannst du mir erklären, warum ich bei diesem Depp immer Fünfer kassiere? Das ist doch total ungerecht!“
„Und Englisch?“, schoss seine Mutter zurück.
„Du hättest mich ja mal nach Amerika mitnehmen können!“
„Ja, ja, immer sind die anderen schuld! Es ist deine Sache zu lernen!“
„Sie wollten mich einfach loswerden!“, meinte Felix bitter. „Das ist alles!“
„Allerdings!“
War er wirklich so schlimm? Noch bestand für ihn Schulpflicht, sonst hätte ihn vermutlich keine Schule mehr genommen. Auch die Mittelschule schien nicht sonderlich begeistert zu sein, einen Problemschüler zu bekommen.
Der Rektor hatte ziemlich deutlich durchblicken lassen, dass er diesen Unsinn in seiner Schule keinesfalls dulden würde. „Hier führen wir uns anständig auf!“
Felix war errötet und hatte sich in dem gelblichen Sessel im Zimmer des Rektors ein wenig aufgerichtet. Lümmeln schien hier nicht erwünscht zu sein. Trotzdem hatte er einen guten Eindruck von dem Rektor. Nett! Höflich hatte er ihm zum Abschied die Hand gereicht und ein verschmitztes Lächeln erhalten. „Du schaffst das schon!“
Mann! Das war das erste Mal seit langem gewesen, dass ihm jemand wieder etwas zutraute!
Er steckte seine Hände in den viel zu weiten Bund seiner Hose und drehte sich wieder zu dem Chaos seines Zimmers um. Die Dachschrägen ließen nicht viel Platz für irgendwelche Möbel, aber hier oben hatte er wenigstens seine Ruhe. An der einzigen Wand stand sein blauer Kleiderschrank, ansonsten hatte er sein Sofa, sein Bett und einige niedrige Regale stilvoll im Raum verteilt. Prachtstück seiner Ausstattung war sein Hifi-Regal mit beeindruckender Stereoanlage, Fernseher, DVD-Player und neuester Xbox-Konsole. Vor dem Fenster stand ein moderner Schreibtisch mit Laptop, auf dem er alle seine Lieblingslieder abgespeichert hatte.
Der einzige Nachteil an diesem Zimmer war, dass er zum Duschen ein Stockwerk tiefer musste. Er teilte sich das Bad mit seiner Mutter, und das konnte ganz schön nerven!
Ewig nörgelte sie an seiner Unordnung herum, beschwerte sich über abgeschnittene Haarsträhnen im Waschbecken oder den Gestank des Haarsprays. Sie, als Naturmensch, benutzte selbstverständlich keine Sprays oder dergleichen! Er dagegen schmierte so viel Gel in seine Haare, dass er es anschließend mit einem Handtuch wieder trocken rubbeln musste. Lieblos stellte er ein paar DVDs ins Regal, dann hatte er schon wieder genug vom Aufräumen. Vielleicht sollte er eine Runde mit dem Mountainbike drehen und die neue Gegend „abchecken“?
Wieder warf er einen prüfenden Blick in den Spiegel und suchte sich ein anderes T-Shirt heraus. Lila-schwarz von den Kings war nicht mehr angesagt, stylischer war auf jeden Fall das blau-weiße T-Shirt von Dallas. Er musste bei diesen Bauern in dem Kaff gleich den richtigen Eindruck hinterlassen. Dazu gehörten natürlich auch die neuen Sneaker. Das Neueste vom Neuesten! Er galoppierte die Holztreppe hinunter und murmelte ein „Bin gleich wieder da“.
„Bist du schon fertig?“, rief seine Mutter erstaunt. Sie tauchte zwischen einigen Kisten auf, strich sich ihr verschwitztes Haar zurück und musterte ihn scharf.
„Ja!“, log er selbstbewusst. Dann grinste er frech. In den Augen seiner Mutter wäre er ohnehin nie fertig!
Sie schüttelte entrüstet den Kopf, dann winkte sie nachlässig mit der Hand. „Ach, geh schon! Du kannst mir ja später helfen!“ Sie bückte sich nach einigen Vasen und stellte sie auf die Fensterbank. In ihren engen Jeans und lässigen T-Shirt würde wahrscheinlich niemand auf die Idee kommen, dass es sich um seine Mutter handelte.
Ihr blondes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der temperamentvoll auf und nieder hüpfte, wenn sie sich bewegte. Eigentlich ähnelte sie eher einem Popstar aus dem Fernsehen als einer treu sorgenden Mutter.
Die Haustür fiel krachend ins Schloss, weil er noch nie gelernt hatte, eine Tür leise zu schließen, dann schnappte er sich sein Mountainbike. Wohlweislich hatte er es an die Garagenwand gelehnt, damit er zur Not schnell genug verschwinden konnte. Mit Unbehagen dachte er an den letzten Umzug, bei dem er stundenlang mit seiner Mutter Schränke und Regale aufgebaut hatte. Dieses Mal hatte das zum Glück die Umzugsfirma erledigt. Er rollte die ungeteerte Straße entlang und hörte einige Kinder in den angrenzenden Gärten kreischen. Diese kleinen Maden, dachte er abfällig. Gab es hier überhaupt Jugendliche in seinem Alter? Von der ersten Besichtigung des Hauses konnte er sich dunkel an einen Weiher erinnern, und er folgte einer weiteren, diesmal geteerten Straße ins Dorf. Ein Traktor tuckerte ihm entgegen, am Steuer ein Junge in seinem Alter, der ihm einen abschätzenden Blick zuwarf. Mann! Das konnte ja gut werden. Wahrscheinlich lebten hier nur Bauern, die knietief im Mist standen und nach Kuhstall rochen. Armes Deutschland!
Sein Fahrrad rollte die Straße bergab, und er folgte dem Lärm, der deutlich in der Nähe zu hören war. Tatsächlich! Hinter einem Zaun tauchte ein kleiner Weiher auf, in dem sich Dutzende von Kindern tummelten. Selbst eine kleine Liegewiese grenzte an das Becken mit einigen Bäumen, unter denen einige Jugendliche lauthals diskutierten. Also doch! Diese Spezies schien nicht ganz ausgestorben oder zum Frondienst eingeteilt zu sein! Er lehnte sein Fahrrad an den Zaun und sah sich nach dem Eingang um. Er fand nur eine kleine Tür, aber weder eine Kasse noch einen Bademeister. Sollte er es wagen, einfach hineinzugehen?
„Wer bist denn du?“, fragte ein kleiner Dreikäsehoch.
„Geht dich das was an?“, knurrte Felix zurück. Sein ganzes Ansehen würde darunter leiden, wenn er sich mit Kindern einließ! Der Kleine zuckte mit keiner Wimper: „Ich habe dich hier noch nie gesehen!“
„Ist das deine Badewanne – oder was?“, schoss Felix zurück.
Der Junge grinste frech: „Nö, der Weiher ist für alle da! Ich frag ja nur!“
Ein Weiher, der fast wie ein Schwimmbad angelegt war, anscheinend ohne Eintrittsgeld! Cool!
„Ich bin neu hier! Muss ich dich kennen?!“
„Nö, aber ich habe einen großen Bruder!“, erklärte das Kind stolz.
Schon näherte sich ein älterer Junge dem Zaun und baute sich demonstrativ neben dem Kind auf. „Was willst‘n du hier!“
„Nichts! Bist du der Babysitter – oder was?“
Verlegen trat der Jugendliche von einem Bein auf das andere. „Nee! Aber wir wollen hier keine Fremden!“
Das war deutlich! Felix spürte, wie die Hitze in ihm hochstieg. Was für ein freundlicher Empfang! „Ich dachte, dass der Weiher für alle da ist!“, provozierte er.
„Nicht für dich!“
Felix baute sich auf, blickte seinem Gegenüber fest in die braunen Augen. „Wer sagt das?“
„Ich!“, entgegnete der andere selbstbewusst. Hinter ihm standen plötzlich zwei weitere Jugendliche, die herausfordernd grinsten. Verdammt, dachte Felix. Soll ich mich gleich bei meiner ersten Begegnung prügeln? Andererseits würde er den Respekt verlieren, wenn er jetzt klein beigab.
„Na, dann ist ja gut!“, murmelte er leise und ging ein paar Schritte am Zaun entlang, als wollte er mit seinem Fahrrad wieder wegfahren. Mit einem sportlichen Satz hechtete er plötzlich über den Zaun und stellte sich auf den Steg, der ins Wasser führte. „Was dagegen?“, meinte er frech.
Etwas überrascht wandten sich die drei ihm zu, dann versuchte einer ihn an der Schulter zu schubsen. Felix sah die Faust auf sich zukommen, wich ein winziges Stück zur Seite, griff nach dem Handgelenk des Angreifers, wirbelte ihn um sich herum und warf ihn mit einer schnellen Drehung ins Wasser. Einige Kinder grölten begeistert, empfanden es wohl als gerechte Strafe für die vielen Schikanen, die sie sonst immer von den Großen ertragen mussten. Die beiden anderen Jugendlichen dagegen fanden die Aktion weniger witzig. Ehe Felix reagieren konnte, drosch der Kräftigere ihm mit seiner Faust ins Gesicht, während der andere versuchte, ihn in den Schwitzkasten zu nehmen. Felix tauchte unter dem Griff weg, packte den Jungen um die Hüften und warf ihn ebenfalls ins Wasser, bevor ihn der nächste Schlag auf die Nase traf. Blut spritzte und verschmierte sein T-Shirt.
Abwartend stand der kräftige Junge vor ihm, seine Faust drohend erhoben, während die anderen beiden bereits aus dem Becken kletterten.
Uh! Gleich hatte er hier ein Problem! Noch einmal würden sie sich nicht überraschen lassen!
Eine kräftige Stimme dröhnte plötzlich hinter ihm, und eine feste Hand legte sich auf seine Schulter: „Was soll das hier?“
Überrascht drehte Felix sich um und erblickte einen ziemlich kräftig gebauten Erwachsenen, der ihn unwillig musterte.
Felix zuckte nur die Schultern und deutete mit einem nachlässigen Kopfnicken auf die drei Angreifer: „Die meinen wohl, dass der Weiher ihnen gehört!“
„So? Und wer bist du?“
Felix wischte sich über die blutende Nase und unterdrückte eine patzige Antwort. „Wir sind hierher gezogen!“
Die Miene des Erwachsenen wurde um einiges freundlicher: „Ah, willkommen! Ich bin Georg, der Vorstand vom Dorfverein! Wenn du ein Problem hast, dann komm zu mir!“
Höflich streckte ihm Felix die Hand zu und lächelte leicht. „Ich bin Felix, und habe hier gerade ein kleines Problem!“
„So?“, die buschigen Augenbrauen des Ortssprechers zogen sich zusammen, und er stemmte demonstrativ seine fleischigen Hände in die Hüften. „Seppi! Komm her!“
Der Angreifer zog unwillkürlich den Kopf ein und näherte sich missmutig. „Was?“
„Kennst du den Felix schon?“
„Nö!“ Seppi zuckte nichtssagend die Schultern und zeigte mit seiner ganzen Körperhaltung, dass er auch keinerlei Interesse hatte, irgendeinen Felix kennen zu lernen.
„Nun, dann kennst du ihn jetzt! Er wohnt hier, und ich will, dass ihr ihn in Ruhe lasst!“
Felix konnte an Seppis Gesichtsausdruck erkennen, dass er bereits jetzt bei den Jungen hier im Dorf untendurch war. Ein Erwachsener hatte sich eingemischt. Was für ein Mist!
„Danke, ich komme schon klar!“, murmelte er missmutig und zeigte den drei Jugendlichen hinter seinem Rücken unmissverständlich einen Stinkefinger.
Georg drückte ihm ein Taschentuch in die Hand, das er aus den Tiefen seiner Arbeitshose gefischt hatte. Felix legte seinen Kopf ein wenig in den Nacken, drückte das Taschentuch gegen seine Nase und wartete, dass es aufhörte zu bluten. Gereizt dachte er an die Flecken in seinem T-Shirt und die unvermeidliche Standpauke seiner Mutter. Was für ein Anfang!
Als das Bluten endlich aufgehört hatte, unterdrückte er den Impuls, das blutige Taschentuch einfach auf den Boden fallen zu lassen, und warf es stattdessen in einen Mülleimer. Mit einem Satz war er wieder über den Zaun verschwunden und schnappte sich sein Fahrrad.
Der erste Eindruck war mehr als schlecht gewesen, und er überlegte, ob er nicht lieber seine Xbox-Konsole anstöpseln und einige Freunde im Internet treffen sollte. Dort war er der King! Sein Clan spielte unter den Besten und eigentlich war immer jemand online, wenn er das Bedürfnis hatte zu quatschen. Seine Mutter war regelrecht begeistert, als er so schnell wieder auftauchte. „He, kannst du mir schnell helfen, die Kisten nach oben zu schleppen?“
„Klar!“, brummte Felix hilfsbereit. Schnaufend trug er die zwei gewünschten Kisten in das Schlafzimmer seiner Mutter und verdrückte sich dann schnellstens in sein Zimmer. Mit einem tiefen Seufzer räumte er nun doch ein paar Kisten leer, stopfte die Kleidung halbwegs ordentlich in seinen Schrank und stellte seine DVD‘s und Xbox-Spiele dekorativ ins Regal. Schon besser! Noch ein paar aussagekräftige Poster an die Wand, und seine Bude war vorzeigbar. Nur für wen?
Die Dorfdeppen wollte er hier eigentlich nicht sehen. Mit finsterer Miene klebte er ein Generation-X-Poster über sein Bett, gegenüber bleckte eine riesige Dogge mit einem Halsband aus langen Stacheln realistisch die Zähne und drohte fast, aus dem Bild heraus jeden unwillkommenen Gast anzugreifen. Ja, so ein Hund wäre toll!
Er faltete die leeren Umzugskartons zusammen und brachte sie in der Garage unter. Dort stapelten sich bereits die aussortierten Gegenstände und die Dinge, die seine Mutter erst später auspacken wollte.
Sein Magen knurrte unüberhörbar, und so startete er einen kleinen Raubzug in die Küche. Sie war der einzige Ort im Haus, der bereits vollständig eingerichtet war, nur der Kühlschrank war gähnend leer. „Mama!“, brüllte er durch das Haus. „Wir haben nichts zu essen!“
„Weiß ich!“, rief seine Mutter fröhlich zurück. „Wir gehen nachher essen!“
„Wann? Ich habe jetzt Hunger!“
„Mein Schatz! Du wirst doch wohl noch einen Augenblick aushalten. Wir gehen schon noch essen.“
Schatz! Immer wenn seine Mutter etwas von ihm wollte, nannte sie ihn Schatz! Er wollte kein Schatz sein! Er wollte etwas zu essen, und zwar jetzt! „Wie lange ist bei dir ein Augenblick?“, fragte er misstrauisch.
Seine Mutter kicherte und wirkte nun eher wie eine ältere Schwester – und nicht wie eine reife Frau und Mutter.
„Ein Augenblick ist so lange, wie ich brauche, um noch zwei Kisten auszupacken!“
„Aha! Und wann gehst du dann einkaufen?“
Wenn erst wieder der Kühlschrank und die Tiefkühltruhe gut gefüllt waren, dann konnte er solche Aussetzer bei seiner Mutter besser überbrücken.
„Morgen!“, kam es fröhlich zurück.
Kurz überflog Felix in Gedanken die Umgebung und versuchte sich zu erinnern, ob es in diesem Kaff irgendein Geschäft gab. „Soll ich mit dem Fahrrad etwas holen?“, bot er nicht ohne Hintergedanken an.
„Gute Idee!“, flötete seine Mutter. „Dann machen wir eine kleine Brotzeit und gehen erst später etwas essen! Ich möchte wenigstens mein Schlafzimmer heute noch fertigbekommen. Was meinst du?“
„Von mir aus“, brummte Felix. „Gibt es hier denn ein Geschäft?“
„Aber ja, einen Bäcker und einen Metzger! Unten an der Hauptstraße. Du musst mal schauen, wer offen hat! Warte, ich gebe dir etwas Geld! Wir brauchen Kuchen oder Brot. Vielleicht bekommst du ja auch Wurst, Butter und Milch. Du weißt ja, was wir so brauchen!“
Seine Mutter drückte ihm fünfzig Euro in die Hand und lachte fröhlich. „Bis gleich!“
„Bis gleich!“, murmelte Felix, dann schwang er sich wieder auf sein Mountainbike.
Einkaufen für Mami! Hoffentlich sah ihn niemand von den anderen Jugendlichen. Aber bei der Hitze waren vermutlich alle beim Weiher.
Er sauste den Weg zur Hauptstraße hinunter und erblickte sofort die Bäckerei auf der anderen Straßenseite. Die Tür stand offen und so radelte er erst einmal weiter, um den Metzger zu finden. Er hatte Glück. Instinktiv fuhr er in die richtige Richtung und fand die Metzgerei eine Kurve weiter. Auch dieser Laden hatte geöffnet. Ruhetag war nur am Montagnachmittag. Damit konnte man irgendwie leben.
Enthusiastisch öffnete er die Tür und trat ins Innere. In einigen Regalen standen die üblichen Lebensmittel für die vergessliche Hausfrau, außerdem gab es ein Kühlregal mit Milchprodukten und eine kleine Tiefkühltruhe, allerdings ohne Pizzas. Nur Gemüse und Spinat, den er sowieso nicht mochte.
Die Wursttheke zeigte die gewohnte Vielfalt, außerdem gab es Gyrosspieße und verschiedene Fleisch- und Würstchensorten. Er war gerettet! Die rundliche Frau hinter der Theke taxierte ihn abschätzend, wunderte sich wohl, wie ein fremder Jugendlicher hier in ihren Laden schneite. Ihr Verhalten zeigte deutlich, dass hier selten ein Fremder hereinkam, höchstens Handwerker auf der Durchreise. Sie werkelte weiter an einem Grill, in dem ein Leberkäse zu dieser späten Stunde schon reichlich spärlich und gebräunt aussah. „Was darf‘s sein?“, fragte sie neutral.
Felix wandte den Blick von dem Leberkäse ab und ließ ihn stattdessen über die Auswahl schweifen. Weltmännisch bestellte er Aufschnitt und Käse, packte Milch und Butter ein, fand einige gefärbte Eier und nahm das letzte Brot, das in einem großen geflochtenen Korb lag.
„Kannst du das alles auf deinem Radl transportieren?“, fragte die Verkäuferin freundlich.
„Freilich! Ich wohne hier in der Nähe.“
„Ah na…?!“ Sofort flammte das Interesse in dem Gesicht der Frau auf. „Wo denn?“
„Am Oberrain! Absolut freie Sicht ins Outback!“, antwortete Felix lakonisch.
Ein gutmütiges Glucksen entfuhr der Frau, dann meinte sie neugierig: „Du kommst wohl aus der Stadt?“
Felix nickte nur, hatte das Gefühl, dass dies ein längeres Gespräch werden würde, wenn er der Frau noch mehr Informationen gab. „Ich muss jetzt…!“, beeilte er sich zu sagen, „meine Mutter wartet!“
„Und dein Vater?“
Volltreffer! Drei Wörter, und diese Person hatte einen schmerzenden, tief sitzenden Volltreffer gelandet. Wenn er jetzt die falsche Antwort gab, würde das ganze Dorf in dreieinhalb Sekunden wissen, dass seine Mutter geschieden war.
„Im Ausland!“, log er ohne zu zögern. „Das macht er immer so! Kaum gibt es Arbeit, dann setzt sich mein Vater ins Ausland ab!“ Wieder kicherte die Verkäuferin und zwinkerte ihm vertraulich zu: „Gut, dass deine Mama wenigstens dich hat!“
Er lachte wie befreit und kam sich plötzlich ganz groß vor. „Stimmt!“, brummte er verlegen. Vielleicht war das ja nun seine neue Aufgabe! Auf seine Mama achten, damit sie keinen Unsinn mehr machte!
„Hat sie schon die Flecken auf deinem T-Shirt gesehen?“ Die Verkäuferin lächelte scheinheilig.
Autsch! Der zweite Volltreffer! Wie machte sie das nur? Instinktiv wusste Felix, dass hier Vorsicht geboten war!
„Nur ein bisschen Nasenbluten!“, log er weltmännisch. Dann verabschiedete er sich im tiefsten Bairisch mit „Pfiat di“, versuchte wenigstens hier den Eindruck zu vermitteln, dass er dazugehörte.
Die Einkäufe an seinem Lenkrad balancierend, radelte er wieder nach Hause. Dabei musste er sich ganz schön ins Zeug legen, weil die Straße nun bergauf ging. Die Plastiktüten schlenkerten gegen den Reifen, und er stieg lieber ab, um seine essbaren Schätze zu schützen.
Wieder kam ihm der Traktor mit dem Jugendlichen entgegen, und dieser streckte ihm drohend seinen Mittelfinger entgegen. Trotz des Lärms konnte er an den Lippen ablesen, was der Junge ihm zuschrie: „Wir kriegen dich schon!“
„Versucht es doch!“, brüllte Felix zurück, dann spuckte er herausfordernd auf den staubigen Teer.
Der Traktor buckelte wie ein kleines Pony, als der Junge die Bremse zog und die Landmaschine zum Stehen brachte. Mit einem Satz sprang er auf die Straße und baute sich drohend vor ihm auf. „Du kleiner Penner, was willst‘n du hier überhaupt?“
„Ich wohne hier!“, erklärte Felix ruhig. „Aber warum du hier als rollendes Hindernis durch die Gegend kurvst, ist mir ein Rätsel!“ Kurz flammte Bewunderung in den Augen des anderen auf, dann grinste er frech. „Willst du auch mal mit?“
Kurz versuchte Felix dieses Angebot einzuschätzen. Wollte dieser fremde Junge ihm wirklich ein nettes Angebot machen, oder wollte er ihn verarschen? Hier war Vorsicht geboten! „Nö! Ich hab Milch dabei! Die gerinnt sonst bei der Hitze. Vielleicht ein anderes Mal! Du kannst mich ja mit deinem Trecker abholen!“
„Jo, mach ich!“, erklärte der andere versöhnlich, vielleicht war er auch als Späher ausgesandt worden, um ihn abzuchecken.
Mit einem schiefen Grinsen kletterte der Junge wieder auf seinen Traktor und schlug die Tür zu. „Ich bin der Siggi!“, rief er durch das geöffnete Fenster.
„Ich heiße Felix! Ich wohne am Oberrain!“
„Woaß i!“, brüllte der andere zurück.
Felix schmierte sich in der angenehm kühlen Küche ein Brot und biss schon mal ab, während er gleichzeitig für seine Mutter eine Scheibe herrichtete. „Mama!“, brüllte er durch das Haus. „Essen ist fertig!“
Summend trabte seine Mutter die Treppe herunter und strahlte zufrieden. „Hey, super! Sieht lecker aus! Wie findest du dein Zimmer?“
„Es geht so!“, brummte er mit vollem Mund. „Und bei dir?“
„Das Schlafzimmer ist fast fertig. Dann richte ich mein Büro ein. Du weißt schon, das Zimmer mit dem Blick auf den Wald. Es ist geradezu perfekt!“
„Genau! Mit ein bisschen Einbildung siehst du dann, wie sich die Indianer ans Haus heranschleichen“, feixte Felix.
„So ist es! Sei froh! Mit meiner Fantasie verdiene ich doch ganz gut!“, schoss seine Mutter zurück.
Felix seufzte tief. „Ja, aber kannst du nicht was Cooles schreiben? Über Ritter oder Templer? Stell dir vor – Indiana Jones, der von Außerirdischen entführt wird. Das wäre echt geil!“
„So einen Blödsinn kannst du dir ja im Kino anschauen! Mein Thema sind eben die Indianer! Da bin ich drin und authentisch!“ „Darauf pfeif ich! Bitte, Mama, versprich mir, dass du hier niemandem etwas davon erzählst, sonst bin ich sofort untendurch. Indianer! Die sind mega-out!“ Seine Mutter machte irgendwie ein trauriges Gesicht, und fast tat es ihm leid, dass er so unsensibel gewesen war. „Früher haben dir meine Geschichten gefallen“, verteidigte sie sich mit leiser Stimme.
Er schluckte schwer und schlug einen versöhnlicheren Tonfall an. „Früher war ich ein Kind! Jetzt bin ich erwachsen, und da sind Indianer eben nicht gefragt. Ich habe ja nicht gesagt, dass mir deine Bücher überhaupt nicht gefallen.“
„Meinen Lesern gefallen sie aber!“
„Mama! Deine Leser sind weltvergessene Spinner, die am liebsten selbst mit Indianerklamotten herumlaufen würden. Hier sind Indianer out. Verstehst du? Vergessen, gestorben, ausgerottet – eben out!“
Seine Mutter biss beleidigt die Lippen zusammen und schüttelte stur den Kopf. „Im Moment lebst du von meinen Spinnereien nicht schlecht. Vielleicht sollte ich dir wegen erwiesener Undankbarkeit das Taschengeld kürzen?“
„Mama! Ich bin nicht undankbar! Ich habe einfach nur Angst, dass ich bei diesen Hinterwäldlern erledigt bin, wenn sie erfahren, dass du Indianerbücher schreibst. Das ist alles!“
„Na schön!“, willigte seine Mutter widerstrebend ein. „Ich erzähle kein Wort. Vorerst!“
Sein Seufzen kam aus tiefster Dankbarkeit. „Lass mich erst ein paar Kontakte knüpfen – erst mal die Leute abchecken! Irgendwann erfahren sie es ja doch, aber bis dahin habe ich vielleicht schon ein paar Freunde.“
„Hast du schon jemanden getroffen?“, wechselte seine Mutter das Thema.
„Nee, nur so ein paar freche Mistmaden, die meinen, dass der Weiher ihnen gehört!“
„Aha, daher also die Blutstropfen auf deinem T-Shirt!“, stellte seine Mutter messerscharf fest.
Er fühlte, wie er rot wurde, und allein dafür hasste er sich. Warum konnte er sich schon bei so kleinen Lappalien nicht besser-trollieren? In ihm konnte man lesen wie in einem offenen Buch. „‘ne kleine Auseinandersetzung mit drei Deppen, aber Georg hat mir geholfen!“, erklärte er lahm.
„Wer ist Georg?“
„Der Dorfvorstand!“
„Was?“
„Der Dorfvorstand! So ein Vereinsfuzzi, verstehst du! Hier haben sie noch so was wie einen Blockwart!“, lästerte er.
„Werde nicht frech!“, schimpfte seine Mutter etwas entsetzt.
„Mit so etwas macht man keine Späße!“
„So sind die Jugendlichen aber drauf! Wir wollen hier keine Fremden!“, äffte er mit der Stimme von Seppi nach. „Ausländer raus!“
„Wie redest du denn über die Kinder hier?!“, schimpfte seine Mutter aufgebracht. „Schaffst du dir bereits am ersten Tag Feinde?“
„Ach wo!“, versuchte er sie wieder zu beruhigen. „Ganz im Gegenteil! Nachher holt mich der Siggi mit dem Traktor ab.“
Ihr verblüfftes Gesicht entschädigte ihn für diese kleine Auseinandersetzung. Er nahm einen weiteren Bissen und machte eine lässige Handbewegung. „Wahrscheinlich sucht er jemanden, der ihm hilft den Kuhstall auszumisten. Ich übernehme keine Garantie für den anschließenden Gestank. Du wolltest ja unbedingt hierher!“