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Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Robert Seidel stieg vor dem Hotel ›Zum Löwen‹ aus dem BMW mit der Dresdener Zulassungsnummer, schaute sich um und war angetan von dem, was er sah. Entlang der Hauptstraße gab es vereinzelt einige Lokale und Geschäfte, die Häuser waren allesamt im alpenländischen Stil erbaut. An den Balkonen und auf den Fensterbänken blühten prächtige Geranien, Begonien, Petunien und Weihrauch. Auch seine Schwester Miriam und deren Mann Karl stiegen aus dem Auto. Miriam schaute lächelnd ihren Bruder an. »Na, mein lieber Robert, habe ich dir zu viel versprochen?« »Nein«, antwortete Robert, »hier ist es wirklich wunderschön.« Er nickte und ließ den Blick schweifen. In einem weiten Rund wurde das Tal von bewaldeten Bergen begrenzt, die von den Felsketten des Hochgebirges im Hintergrund überragt wurden. Die Sonne stand hoch im Zenit und über dem Wachnertal spannte sich ein ungetrübt blauer Himmel. »Wunderschön ist untertrieben«, sagte er dann. »Hier ist es paradiesisch.« »Dann haben wir uns ja richtig entschieden«, freute sich die einunddreißigjährige Miriam, eine dunkelhaarige, hübsche Frau, mittelgroß und schlank. Sie strahlte ihren Bruder an, der jedoch auch jetzt ernst blieb, sodass auch Miriams Lächeln erstarb. »So ganz scheint St. Johann dennoch nicht deinen Erwartungen zu entsprechen«, sagte sie.
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Seitenzahl: 123
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Robert Seidel stieg vor dem Hotel ›Zum Löwen‹ aus dem BMW mit der Dresdener Zulassungsnummer, schaute sich um und war angetan von dem, was er sah. Entlang der Hauptstraße gab es vereinzelt einige Lokale und Geschäfte, die Häuser waren allesamt im alpenländischen Stil erbaut. An den Balkonen und auf den Fensterbänken blühten prächtige Geranien, Begonien, Petunien und Weihrauch.
Auch seine Schwester Miriam und deren Mann Karl stiegen aus dem Auto. Miriam schaute lächelnd ihren Bruder an. »Na, mein lieber Robert, habe ich dir zu viel versprochen?«
»Nein«, antwortete Robert, »hier ist es wirklich wunderschön.« Er nickte und ließ den Blick schweifen. In einem weiten Rund wurde das Tal von bewaldeten Bergen begrenzt, die von den Felsketten des Hochgebirges im Hintergrund überragt wurden. Die Sonne stand hoch im Zenit und über dem Wachnertal spannte sich ein ungetrübt blauer Himmel. »Wunderschön ist untertrieben«, sagte er dann. »Hier ist es paradiesisch.«
»Dann haben wir uns ja richtig entschieden«, freute sich die einunddreißigjährige Miriam, eine dunkelhaarige, hübsche Frau, mittelgroß und schlank. Sie strahlte ihren Bruder an, der jedoch auch jetzt ernst blieb, sodass auch Miriams Lächeln erstarb. »So ganz scheint St. Johann dennoch nicht deinen Erwartungen zu entsprechen«, sagte sie.
»Nein, nein, der Ort und das Tal sind wirklich paradiesisch. Verzeih’, Miri. Aber ich musste eben an Vanessa denken. Ihr hätte es hier sicherlich auch gefallen.«
Miriam wechselte mit ihrem Mann einen schnellen, vielsagenden Blick, dann erwiderte sie: »Wir haben dich zu diesem Urlaub überredet, Bruder, damit du auf andere Gedanken kommst. Du musst dich langsam lösen, Vanessa ist seit drei Jahren tot. Für dich geht das Leben weiter. Du bist vierunddreißig, Robert, zu jung, um den Kopf in den Sand zu stecken und einer Zeit nachzutrauern, die niemals mehr wiederkehrt.«
Karl Brunner schoss seiner Frau einen warnenden Blick zu.
Es entging Robert nicht. »Es ist schon gut, Karl«, murmelte er. »Miri hat ja recht. Ich sollte wohl in der Tat loslassen. Aber es ist schwer, Vanessa zu vergessen.«
»Du musst sie nicht vergessen«, versetzte Karl, indes er den Kofferraum öffnete und eine prallgepackte Reisetasche heraushob. »Aber du musst auch dem Leben nicht Lebewohl sagen und dich in deinem Schneckenhaus verkriechen. Das würde Vanessa ganz sicher nicht wollen.« Er holte eine zweite Reisetasche, die etwas kleiner war als die andere, aus dem Kofferraum.
»Ich weiß, ich weiß«, murmelte Robert, trat ebenfalls an den Kofferraum heran und hob seinen alten, ziemlich ramponierten Koffer heraus. Er wollte sich von dem alten Teil nicht trennen, denn er verband damit Erinnerungen an Urlaube mit seiner viel zu früh verstorbenen und innig geliebten Frau. »Ich werde mir Mühe geben, abzuschalten.«
Karl warf den Kofferraumdeckel zu, schloss das Auto ab, nahm die beiden Reisetaschen und nickte Miriam zu. »Gehen wir hinein. Hoffentlich sind die Zimmer fertig, sodass wir sie gleich beziehen können.«
In der Rezeption saß Susanne Reisinger, die älteste Tochter des Hoteliers. Sie riss den Blick vom Monitor ihres Computers los und richtete ihn auf die drei neuen Gäste, erwiderte deren Gruß und lächelte: »Ihrem Tonfall nach zu schließen sind Sie die drei Gäste aus Dresden, und zwar das Ehepaar Brunner und Herr Seidel.«
»Wir können uns noch so viel Mühe geben, hochdeutsch zu sprechen«, sagte Karl Brunner grinsend, »es ist vergeblich. Allein wenn wir jemand einen guten Tag wünschen, kann er hören, dass wir aus Sachsen kommen. Ja, wir sind Miriam und Karl Brunner, das ist mein Schwager Robert Seidel.«
»Ich hoff’, Sie hatten eine gute Anreise«, sagte Susi. »Meinerseits darf ich Sie im Hotel ›Zum Löwen‹, herzlich willkommen heißen. Wir werden alles tun, um Ihnen den Aufenthalt so angenehm wie nur möglich zu gestalten.«
»Davon sind wir überzeugt«, erwiderte Karl lächelnd. »Können wir die Zimmer schon beziehen?«
»Natürlich.« Susi ließ die Gäste ein Anmeldeformular ausfüllen, und als das erledigt war, legte sie ihnen zwei Zimmerschlüssel hin. »Sie finden ihre Zimmer in der ersten Etage. Sollten S’ Fragen haben, oder sollten sich Probleme ergeben, können S’ sich an mich wenden. Frühstücken können S’ von sieben bis zehn Uhr.«
»Welches ist das Einzelzimmer?«, fragte Karl.
»Nummer neun«, antwortete Susi.
Miriam stand an dem Ständer mit den bunten Prospekten, der neben der Rezeption stand. Einige hatte sie schon herausgenommen. Nun wandte sie sich an Susi und sagte: »Mein Mann und ich waren vor einigen Jahren schon einmal hier. Damals haben wir es versäumt, uns die Kachlachklamm anzuschauen. Das werden wir dieses Mal auf jeden Fall nachholen.«
»Ja, die Klamm muss man gesehen haben«, erklärte Susi. »Ein beeindruckendes Naturschauspiel, das seinesgleichen sucht.«
Karl gab Robert den Schlüssel für das Einzelzimmer. »Machen wir uns ein wenig frisch«, sagte er, »und treffen wir uns in einer halben Stunde hier an der Rezeption. In meinem Magen knurrt ein ausgehungerter Wolf.«
Robert nickte. »Geht mir genauso.«
Auf dem Zimmer angelangt sagte Miriam zu ihrem Mann: »Es wird sich kaum noch lohnen, nach dem Essen etwas Größeres in Angriff zu nehmen. Darum würde ich vorschlagen, wir sehen uns den Ort ein wenig an. Viel scheint sich ja nicht verändert zu haben seit unserem letzten Aufenthalt hier, aber wir können Robert alles zeigen.«
»Und deinen Bruder damit hoffentlich auf etwas erfreulichere Gedanken bringen«, fügte Karl hinzu.
»Wir haben ja schon viel erreicht, als es uns gelungen ist, ihn zu überreden, mit uns diesen Urlaub zu machen«, erklärte Miriam. »Wir werden ja sehen, wie er in zwei Wochen tickt, wenn der Urlaub zu Ende ist und wir heimfahren. Er muss wieder lernen, am Leben teilzunehmen. Die vergangenen drei Jahre hat er nur in Erinnerung und Gedenken an seine geliebte Vanessa verbracht. Sie würde sicher nicht wollen, dass er seine Trauer um sie über alles andere stellt.«
»Die nächsten zwei Wochen werden zeigen, ob er bereit ist, einen Schlussstrich zu ziehen und wieder an sich selber zu denken. Können die zwei Urlaubswochen keinen Wechsel bei ihm herbeiführen, können wir unsere Bemühungen wohl aufgeben. Dann wird er sich nie von der Vergangenheit lösen und an die Zukunft denken.« Besonders groß schien Karls Zuversicht nicht zu sein. Aber er wollte sich gern eines Besseren belehren lassen.
*
Eine halbe Stunde später trafen sie sich an der Rezeption.
Sie begaben sich in den Biergarten, wo sie sich an einen Tisch im Schatten eines uralten Kastanienbaums setzten.
Gitti Reisinger, die jüngste Haustochter, die an diesem Tag den Biergarten betreute, kam zu ihrem Tisch. »Grüß Gott. Sie sind gewiss die neuen Gäste aus Dresden. Willkommen bei uns. Was darf ich Ihnen denn bringen?«
»Wir haben Hunger und Durst«, erklärte Karl Brunner.
»Was das betrifft, kann ich Abhilfe schaffen«, versetzte Gitti lächelnd. »Was möchten S’ denn trinken? Die Speisekarten bring’ ich gleich.«
Die beiden Männer bestellten sich Bier, Miriam hatte Appetit auf eine Weinschorle.
Gitti brachte ihnen drei in Kunstleder gebundene Speisekarten und entfernte sich sogleich wieder, um die Getränke zu holen.
»Du warst doch schon immer ein Fan alter Schlösser und Kirchen«, wandte sich Miriam an ihren Bruder, der etwas gedankenverloren am Tisch saß und scheinbar einen Punkt irgendwo im Garten anvisierte.
»Was?« Robert blinzelte und schaute seine Schwester an. »Entschuldige, ich war in Gedanken … Was ist mit alten Schlössern und Kirchen?«
»Du schaust sie dir gern an.«
»Das ist richtig. Ihr werdet es nicht glauben, aber die künstlerische Gestaltung alter Gebäude inspiriert mich bei meiner Arbeit als Landschaftsgärtner.«
»Dann dürfte die Kirche von St. Johann ganz besonders inspirierend auf dich wirken«, erklärte Miriam lächelnd. »Ich habe sie als wahres Schmuckkästchen kirchlicher Handwerkskunst in Erinnerung. Wenn du Interesse hast, können wir sie uns nach dem Essen ansehen.«
»Gern«, erwiderte Robert.
Gitti brachte die bestellten Getränke. Robert, seine Schwester und sein Schwager hatten sich die Speisekarte angesehen und gewählt. Die beiden Männer hatten sich für Hirschbraten mit Kartoffelknödel und Salat entschieden, Miriam nahm den großen Salat des Hauses, mit gebratenem Hähnchenfleisch.
Gitti bedankte sich für die Bestellung, gab sie an die Küche weiter, und begab sich zu einem der nächsten Tische, an dem sich soeben einige Neuankömmlinge niedergelassen hatten.
Einige Tische weiter saß an einem kleinen Tisch eine einzelne Frau mit blonden, schulterlangen Haaren vor einem Glas Mineralwasser und einem leeren Teller.
Miriam schenkte ihr kurz ihre Aufmerksamkeit und schätzte, dass sie in ihrem Alter war. ›Sehr hübsch‹, dachte sie neidlos. ›Wirklich ein besonderer Typ.‹
Miriam nahm ihr Glas prostete den anderen zu und trank einen Schluck. »Okay, abgemacht«, sagte sie. »Wir statten nach dem Essen der Kirche einen Besuch ab.«
»Als wir vor einigen Jahren hier waren, haben wir auch des Öfteren hier im Biergarten gesessen«, sagte Karl, um das Gespräch nicht einschlafen zu lassen. »Erinnerst du dich, Miri, als wir den Klettersteig auf dem Himmelsspitz gegangen sind?«
»Natürlich«, antwortete seine Frau. »Den vergesse ich nie. Ich habe nämlich Blut und Wasser geschwitzt damals.« Ein Blick auf ihren Bruder verriet ihr, dass der mit seinen Gedanken schon wieder weit, weit weg war. Er schien gar nicht zu hören, worüber sie sich gerade unterhielten. Ihr hilfloser Blick begegnete dem ihres Mannes und sie zuckte resigniert mit den Schultern.
Von jetzt an schwiegen auch Miriam und Karl. Schließlich kam das Essen. Die Brunners probierten und lobten die gute Küche des ›Löwen‹, Robert aß es kommentarlos auf.
Bald darauf bezahlten sie und verließen den Biergarten.
Gemächlich schlenderte sie durch den Ort. Alles war gepflegt und sauber, die kunstvollen Lüftlmalereien an den Häusern erregten sogar Roberts Aufmerksamkeit.
Sie erreichten den Kirchplatz mit den alten Linden und Kastanien. Das Gotteshaus war in den Farben Gelb und Weiß gehalten. Rechterhand konnte man das Pfarrhaus sehen. Es wurde von den hohen Obstbäumen des dahinterliegenden Pfarrgartens umrahmt.
Die Kirchentür war groß und schwer, der Vorraum mit Plakaten an den Wänden und einem Ständer mit Postkarten nahm die drei Besucher auf. Er war mit einer Glaswand vom Kirchenschiff abgegrenzt.
Karl drückte die Glastür auf und ließ seine Frau und den Schwager an sich vorbei ins Kirchenschiff, in das er ihnen schließlich folgte. Lautlos fiel hinter ihm die Tür zu.
Hier tummelten sich viele Besucher. Gruppenweise schlenderten sie auf dem Mittelgang oder den beiden Seitengängen dahin, einige saßen in den Bankreihen, andere hatten den Kopf in den Nacken gelegt und bewunderten die Fresken an den Wänden und der Decke. Flüstern und Raunen erfüllte die Kirche, manchmal hüstelte jemand, die Blitzlichter der Fotoapparate flackerten auf.
Miriam und ihre beiden Begleiter waren gleich hinter der Tür stehengeblieben. Die Einunddreißigjährige warf ihrem Bruder einen prüfenden Blick zu, denn sie kannte ihn nur zu gut und wusste, dass ihm derartige Menschenaufläufe nicht behagten.
Tatsächlich schaute Robert alles andere als begeistert drein.
Plötzlich sah Miriam vorne beim Altar die blonde Frau, die ihr schon beim Mittagessen im Biergarten aufgefallen war. Sie war auch jetzt allein, stand etwas abseits und schaute sich interessiert um. Sie wirkte unter den ganzen Gruppen und Paaren fast ein wenig verloren. Miriam hatte zumindest den Eindruck.
Die Frau, die Miriams Aufmerksamkeit erregte, setzte sich in Bewegung und kam auf dem Mittelgang langsam näher. Sie schien den Trubel auch nicht zu mögen, nach einem letzten Blick auf die bunten Glasfenster, machte sie Anstalten die Kirche zu verlassen.
In diesem Moment flüsterte Robert seinem Schwager zu: »Ich glaube, ich schaue mir die Kirche ein anderes Mal an, wenn sie nicht so viele Touristen bevölkern.«
Karl Brunner nickte, zupfte seine Frau am Ärmel ihrer Bluse und murmelte: »Für Robert und mich herrscht hier im Moment viel zu viel Andrang. Wir schauen uns die Kirche mal in einer ruhigeren Stunde an.«
Miriam nickte. Also verließen sie die Kirche und atmeten draußen tief durch.
»Das ist ja Wahnsinn«, stieß Robert hervor. »Wo kommen denn all diese Menschen her?«
»Es handelt sich meist um Tagesausflügler«, sagte jemand hinter ihnen. »Wenn S’ unser Kircherl in aller Ruhe genießen möchten, dann müssen S’ es sich zwischen acht und zehn Uhr morgens anschauen.«
Überrascht wandten die drei sich um. Vor ihnen stand ein großer, schlanker Mann mit dunklen Haaren und gebräuntem Gesicht, Zeichen dafür, dass er sich viel im Freien bewegte. Bekleidet war er mit einem schwarzen Anzug, um seinen Hals lag ein weißer Priesterkragen, am Revers seiner Jacke war ein kleines goldenes Kruzifix befestigt.
Es war Pfarrer Trenker. Er lächelte und seine Lippen gaben eine Reihe weißer, ebenmäßiger Zähne frei. »Entschuldigen S’, wenn ich Sie einfach so von der Seite anred’. Ich hab’ zufällig Ihre Frage mitbekommen. Ja, an den Wochenenden ist es recht voll. Während der Woche kommen zwar auch viele Besucher, um unsere Kirche zu bewundern, aber die Busse mit den Tagesausflüglern kommen hauptsächlich an den Samstagen und Sonntagen. Darf ich mich Ihnen vorstellen? Ich bin der Pfarrer von St. Johann. Mein Name ist Trenker.«
Miriam übernahm es, sich und ihren Mann sowie ihren Bruder vorzustellen. In dem Moment verließ auch die blonde Frau die Kirche. Ihr Blick begegnete dem Miriams, die Fremde zeigte ein angedeutetes Lächeln, neigte ein wenig den Kopf und ging weiter.
Miriam sagte an den Pfarrer gewandt: »Wir sind heute Mittag erst hier angekommen. Mein Mann und ich haben aber vor einigen Jahren schon einmal unseren Urlaub hier verbracht. Da es sich heute nicht mehr rentiert hat, irgendeine Tour zu machen, haben wir uns entschlossen, die im Reiseführer so sehr angepriesene Kirche anzuschauen. Mein Bruder interessiert sich für Kirchen und Schlösser. Er meint, es inspiriert ihn bei seiner Arbeit. Aber bei den vielen Leuten …« Sie winkte ab. »Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir werden irgendwann einmal vormittags wiederkommen, dann sind wir hoffentlich ungestört.«
»Das sind S’ ganz gewiss. Während der Woche kommen net gar so viele Tagesausflügler, und wenn’s Wetter so gut ist wie heut’, dann gehen die Touristen auch lieber zum Achsteinsee, als in die Kirche, um sich bei einem Bad zu erfrischen.«
»Ja, den schönen See kennen mein Mann und ich«, erklärte Miriam. »Ganz gewiss werden wir uns ein paar Tage am See entspannen. Dafür ist der Urlaub ja da.« Miriam lachte und schaute der blonden Frau hinterher, die soeben vom Pfarrplatz auf die Straße einbog und aus ihrem Blickfeld verschwand.
»Dann bleibt es mir nur, Ihnen einen angenehmen Aufenthalt zu wünschen«, gab Sebastian zu verstehen. »Vielleicht begegnet man sich, wenn S’ irgendwann in den nächsten Tagen mal unser Kircherl besuchen.«
»Auf Wiedersehen«, verabschiedete sich Miriam und ihre beiden Begleiter murmelten ebenfalls einen Gruß.
»Servus«, grüßte Sebastian und wandte sich der Kirche zu.
*
Beim Abendessen sah Miriam die blonde Frau mit dem attraktiven Äußeren wieder. Sie saß wieder an dem kleinen Tisch, der nur für zwei Personen gedeckt war, und – sie war wieder alleine. Wie magisch zog die Fremde immer wieder Miriams Blicke an. Manchmal schaute sie her, dann irrte Miriams Blick schnell ab, als fühlte sie sich bei etwas Unrechtem ertappt.
Ihrem Mann blieb es nicht verborgen und er sagte: »Du scheinst dich für diese Frau ja sehr zu interessieren, Schatz. Was hat sie an sich, dass sie dich so fasziniert?«