Niemand kannte seinen Traum - Toni Waidacher - E-Book

Niemand kannte seinen Traum E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Über der ›Nonnenhöhe‹ ging gerade die Sonne auf. Die meisten Fenster im Personaltrakt der Klinik waren noch dunkel, nur die Ärzte, Schwestern und Pfleger, die zur Frühschicht mussten, waren schon aufgestanden. Zu ihnen gehörte auch Thomas Frankenberg. Der junge Mediziner war erst gestern als sogenannter ›AiPler‹ in das renommierte Krankenhaus in den Wachnertaler Alpen gekommen und hatte heute seinen ersten Arbeitstag. Der Arzt im Praktikum würde für ein ganzes Jahr hierbleiben, um dann nach Würzburg zurückzukehren, woher er stammte. Ein ganzes Jahr! Thomas stand am Fenster und schaute hinaus, aus den Lautsprechern einer kleinen Musikanlage erklang eine Melodie. Ein Klavierstück von Chopin. Draußen lösten sich langsam die Morgennebel auf, nur hoch über den Gipfeln hielten sie sich noch. Das überstehe ich nie, dachte er und holte tief Luft, die er wieder ausstieß. Gleichzeitig kam ein gequältes Stöhnen über seine Lippen. Sein Blick glitt über den Parkplatz, da unten stand irgendwo sein Auto. Am liebsten hätte er sich hineingesetzt und wäre losgefahren. Irgendwohin, egal, nur fort. Aber das ging ja nicht, er war an diesen Ort gebunden, wie ein Gefangener in einem Kerker, und genauso fühlte er sich auch. Der Wecker, den er sich am Abend vorsichtshalber gestellt hatte, klingelte. Thomas ging zum Bett und schaltete ihn aus. Er war schon seit einer Stunde auf den Beinen, nachdem er die halbe Nacht ohnehin nicht geschlafen hatte. Thomas überprüfte noch einmal den Sitz seines Kittels, den er übergestreift hatte. Darunter trug er weiße Arzthosen, ein weißes Hemd, ohne Krawatte.

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Der Bergpfarrer – 303 –

Niemand kannte seinen Traum

Findet Thomas zum wahren Glück?

Toni Waidacher

Über der ›Nonnenhöhe‹ ging gerade die Sonne auf. Die meisten Fenster im Personaltrakt der Klinik waren noch dunkel, nur die Ärzte, Schwestern und Pfleger, die zur Frühschicht mussten, waren schon aufgestanden.

Zu ihnen gehörte auch Thomas Frankenberg. Der junge Mediziner war erst gestern als sogenannter ›AiPler‹ in das renommierte Krankenhaus in den Wachnertaler Alpen gekommen und hatte heute seinen ersten Arbeitstag. Der Arzt im Praktikum würde für ein ganzes Jahr hierbleiben, um dann nach Würzburg zurückzukehren, woher er stammte.

Ein ganzes Jahr!

Thomas stand am Fenster und schaute hinaus, aus den Lautsprechern einer kleinen Musikanlage erklang eine Melodie. Ein Klavierstück von Chopin. Draußen lösten sich langsam die Morgennebel auf, nur hoch über den Gipfeln hielten sie sich noch.

Das überstehe ich nie, dachte er und holte tief Luft, die er wieder ausstieß. Gleichzeitig kam ein gequältes Stöhnen über seine Lippen.

Sein Blick glitt über den Parkplatz, da unten stand irgendwo sein Auto. Am liebsten hätte er sich hineingesetzt und wäre losgefahren. Irgendwohin, egal, nur fort. Aber das ging ja nicht, er war an diesen Ort gebunden, wie ein Gefangener in einem Kerker, und genauso fühlte er sich auch.

Der Wecker, den er sich am Abend vorsichtshalber gestellt hatte, klingelte. Thomas ging zum Bett und schaltete ihn aus. Er war schon seit einer Stunde auf den Beinen, nachdem er die halbe Nacht ohnehin nicht geschlafen hatte. Thomas überprüfte noch einmal den Sitz seines Kittels, den er übergestreift hatte. Darunter trug er weiße Arzthosen, ein weißes Hemd, ohne Krawatte. Weiße Socken und bequeme ›Latschen‹ vervollständigten das Bild eines Arztes. Er betrachtete sein Gesicht im Spiegel und bemühte sich, den gequälten Ausdruck darin verschwinden zu lassen. Doch das war leichter gesagt, als getan, wenn man gezwungen war, einer ungeliebten Tätigkeit nachzugehen.

Fünfundzwanzig Jahre war er jetzt alt, groß und schlank, ein ovales Gesicht, die Haut leicht gebräunt. Ein Erbe der Vorfahren seiner Mutter, die vor über fünfzig Jahren aus Italien eingewandert waren. Genauso, wie das dunkle, fast schwarze Haar und die braunen Augen.

Endlich gab sich Thomas einen Ruck. Er nahm den Zimmerschlüssel vom Sideboard, das in dem kleinen Flur stand, und öffnete die Tür. Ein langer Gang erwartete ihn, der von vereinzelt brennenden Lampen schwach beleuchtet wurde. Der Boden war mit einem gemusterten Teppich ausgelegt, an den Wänden hingen Bilder mit den unterschiedlichsten Motiven; Kunstdrucke bekannter Künstler zumeist, aber immerhin hübsch gerahmt. Vereinzelt standen Blumenkübel auf dem Gang, und man hatte eigentlich nicht den Eindruck, sich im Personaltrakt einer Klinik zu befinden.

Indes hatte es mit der Klinik ›Nonnenhöhe‹ auch seine eigene Bewandtnis. Ursprünglich als luxuriöse Schönheitsklinik gebaut, hatte sie dieser Bestimmung nur kurze Zeit gedient. Patricia Vangaalen, die ebenso reiche und schöne, wie skrupellose und machtgierige Unternehmerin, hatte das riesige Gebäude in den Wachnertaler Alpen errichten lassen, einzig zu dem Zweck, ihrem Erzfeind eins auszuwischen. Tatsächlich hatte Sebastian Trenker, der gute Hirte von St. Johann, den Bau nicht verhindern können, da Patricia sich die benötigten Genehmigungen durch Bestechung, Drohung und Erpressung besorgt hatte. Allerdings bekam der Bergpfarrer unerwartet Hilfe durch einen Berliner Journalisten, dem die Unternehmerin einmal übel mitgespielt hatte. Dennoch hatte der Mann es nicht unterlassen, weiterhin über Patricia zu recherchieren. Er gab sein Wissen über ihre Machenschaften an Sebastian weiter, der die Unterlagen der Staatsanwaltschaft zuspielte. Indes konnte die Vangaalen sich der Festnahme in letzter Sekunde durch Flucht entziehen. Sie verschwand für lange Zeit nach Südostasien, wohin sie geschäftliche Kontakte pflegte.

Die Klinik ›Nonnenhöhe‹ drohte daraufhin zu verwaisen, Hunderte Mitarbeiter standen von heute auf morgen auf der Straße. Sebastian Trenker grübelte darüber nach, wie zum Einen diesen Menschen geholfen werden konnte, und wie man zum anderen verhinderte, dass die verlassene Klinik eines Tages zur monströsen Ruine verkam. Auf sein Bitten hin übernahm der bekannte Internist Professor Ulrich Bernhard die ›Nonnenhöhe‹, zusammen mit anderen Ärzten. Aus der ehemaligen Schönheitsklinik wurde ein allgemeines Krankenhaus, das hervorragend mit den Häusern in der Kreisstadt und Garmisch Partenkirchen zusammen arbeitete. Darüber hinaus wurde die Klinik zur Ausbildungsstätte für junge Mediziner, die zwar ihr Studium beendet hatten, denen aber praktische Erfahrung fehlte. Die bekamen sie hier in reichlichem Maße, denn jeder Chefarzt der einzelnen Stationen war ein anerkannter Fachmann auf seinem Gebiet. Inzwischen hatten bereits die ersten Jahrgänge ihre Ausbildung hier abgeschlossen, und die Krankenhäuser in ganz Europa rissen sich darum, diese Ärzte einstellen zu können.

An das alles dachte Thomas Frankenberg nur kurz, als er über den Flur schritt und vor dem Fahrstuhl wartete. Die Geschichte der Klinik war ihm, gemeinsam mit den anderen Neuen, gestern während einer kleinen Begrüßungszeremonie erzählt worden. Er hatte nur mit halbem Ohr hingehört, während er in Gedanken den Klängen des Klavierkonzerts Nr. 3 von Sergej Rachmaninow lauschte. Die ›Prinz Rostislav Ouvertüre‹, die in seinem Gehirn, wie von einem CD-Player abgespielt, erklang.

»Guten Morgen.«

Die Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Thomas wendete den Kopf und sah in das lächelnde Gesicht einer jungen Frau. Sie war ähnlich gekleidet wie er, trug einen Arztkittel, anstelle des Hemds darunter aber ein weißes T-Shirt. »Guten Morgen«, grüßte er zurück und lächelte.

Jennifer Winter, fiel ihm wieder ein, war ihr Name.

»Sag einfach Jenny«, hatte sie gestern gesagt, als sie sich gegenseitig vorgestellt hatten. Acht neue AiPler waren sie insgesamt, Jenny und er arbeiteten auf der internistischen Station. Diese Fachrichtung hatten beide eingeschlagen.

»Na, wie war die erste Nacht?«, fragte sie. »Du weißt doch, was man in der ersten Nach in einer neuen Umgebung träumt, das geht in Erfüllung.«

Thomas nagte an der Unterlippe. Dann müsste ich gar nicht mehr hier sein, dachte er, zuckte aber nur die Schultern.

»Ich kann mich gar nicht erinnern, geträumt zu haben. Eigentlich habe ich kaum geschlafen.«

Jenny nickte verstehend.

»Vermutlich liegt’s daran, dass alles so neu ist«, meinte sie. »Ich bin erst ganz spät eingeschlafen.«

Der Fahrstuhl kam, die Tür glitt auf, und sie stiegen ein. Zwar war die Kabine recht groß, dennoch standen sie so dicht zusammen, dass sich ihre Arme berührten. Thomas spürte, wie ihn ein leichter Schauer durchfuhr. Wenn er seinem Aufenthalt hier überhaupt etwas Gutes abgewinnen konnte, dann war es Jenny Winter. Sie war ihm gleich gestern aufgefallen. Sie war ungefähr in seinem Alter, hatte blondes schulterlanges Haar, das sie zu einem Zopf im Nacken gebunden trug, und eine attraktive Figur. Zwei kleine Grübchen zeigten sich auf ihren Wangen, wenn sie lächelte, und ihre blauen Augen schienen in einem fort zu strahlen.

»So, dann wollen wir mal schau’n, was es Leckeres zum Frühstück gibt«, sagte sie, als der Fahrstuhl im Keller gehalten hatte, und sie zur Kantine gingen, die im Keller der Klinik eingerichtet war.

*

»Na, Herr Kollege, haben S’ sich inzwischen gut eingelebt?«

Thomas Frankenberg sah den Chefarzt an und nickte.

»Danke, ja. Man soll gar nicht glauben, wie schnell vierzehn Tage um sind.«

Dr. Germair lächelte.

»Das stimmt. Seit ich auf der ›Nonnenhöhe‹ arbeite, kommt’s mir vor, als flöge die Zeit nur so dahin.«

Die Unterhaltung fand in dem Ärztezimmer auf der Station statt. Es war kurz vor Feierabend. Richard Germair und Thomas saßen an dem kleinen Tisch, jeder hatte einen Kaffeebecher vor sich stehen.

»Ja, bevor ich’s vergess«, fuhr der Arzt fort, »der Professor bittet Sie, nachher noch mal zu ihm hereinzuschauen. Er möchte etwas mit Ihnen besprechen.«

Der junge Arzt spürte, wie es ihm die Kehle zuschnürte.

Hatte er etwas falsch gemacht? War ihm ein Fehler bei der Behandlung eines Patienten unterlaufen?

»Zu Professor Bernhard?«, fragte er nach. »Was will er denn von mir?«

Germair grinste.

»Keine Angst. Auf keinen Fall will er Ihnen den Kopf abreißen«, beruhigte er den AiPler.

Dennoch ging Thomas in Gedanken noch einmal die vergangenen zwei Wochen durch, die er nun schon hier in der Klinik war. Sie hatten keine ungewöhnlich schweren Fälle auf der Station. Zwei Patienten mit Herzkreislaufproblemen, ein Magengeschwür, eine Frau, die vorgestern einen Herzschrittmacher bekommen hatte, heute früh aber schon wieder entlassen werden konnte.

Nichts Beunruhigendes dabei. Trotzdem ging Thomas mit einem unguten Gefühl zum Büro des Klinikleiters. Die Sekretärin begrüßte ihn lächelnd.

»Gehen S’ nur gleich hinein«, deutete sie auf die andere Tür, die zum ›Allerheiligsten‹ führte.

Er klopfte an und drückte die Klinke herunter. Zu seiner Überraschung war Professor Bernhard nicht alleine in seinem Büro. In der Besucherecke, mit den bequemen Ledermöbeln, saß ein Mann, der dem Eintretenden den Rücken zuwandte, ihm gegenüber – Jenny Winter.

Ulrich Bernhard erhob sich und machte eine einladende Handbewegung. »Da sind Sie ja, Thomas«, begrüßte er den jungen Arzt. »Kommen Sie zu uns.«

Früher hatte er ihn sogar geduzt. Aber da war Thomas Frankenberg auch noch ein Bub gewesen. Der Professor siezte ihn erst seit dem Abitur; er und Thomas’ Vater waren nämlich alte Freunde, hatten zusammen studiert und einige Jahre im selben Krankenhaus gearbeitet.

»Schöne Grüße soll ich Ihnen ausrichten«, sagte Ulrich Bernhard. »Von Ihrem Vater. Albert und ich, wir haben gestern miteinander telefoniert.«

Thomas nickte nur.

Also ein Kontrollanruf, dachte er dabei. Wie macht er sich denn so, mein Sohn? Nimm bloß keine Rücksicht auf unsere Freundschaft und zieh kräftig an der Kandare, wenn es sein muss.

Er konnte sich so richtig vorstellen, wie das Gespräch verlaufen war …

Thomas Frankenberg nickte Jenny und dem Mann zu und setzte sich. Dabei bemerkte er, dass der Fremde einen Priesterkragen trug, und am Revers seines Sakkos steckte ein kleines goldenes Kreuz. Der junge Arzt schaute ein wenig verwundert, wie ein Geistlicher sah der Mann nun wahrlich nicht aus. Er war schlank, so weit Thomas es sehen konnte, weil der andere ja saß, und hatte eine vermutlich durchtrainierte Figur. Mit dem markanten Gesicht, das von vielen Aufenthalten im Freien leicht gebräunt war, und dem sympathischen Lächeln das seine Lippen umspielte, wirkte der Priester eher wie ein prominenter Sportler, wenn nicht gar Schauspieler, aber ganz sicher nicht wie ein Mann Gottes.

»Dann darf ich Sie gleich mal vorstellen«, sagte der Professor, als er auch wieder saß, und deutete auf die junge Ärztin. »Jenny kennen Sie ja freilich, und das hier ist Pfarrer Trenker, ein guter Freund von mir und Hirte der Pfarre von St. Johann.«

Thomas deutete eine Verbeugung an.

»Freut mich«, sagte er.

Sebastian Trenker nickte.

»Ganz meinerseits. Hatten S’ einen anstrengenden Tag?«

»Ach, na ja, es geht so. Der Dienst ist immer nicht leicht, aber glücklicherweise haben wir nicht so viele Patienten auf der Station.«

»Na, das ›Glücklicherweise‹ lassen Sie mal nicht den Verwaltungschef hören«, lachte Ulrich Bernhard. »Schließlich lebt der Klinikbetrieb davon, dass möglichst alle Betten belegt sind.«

»Dann liegt die Schuld wohl bei mir«, bemerkte der Bergpfarrer schmunzelnd, »ich bete ja jeden Tag für die Gesundheit meiner Schäfchen.«

»Wie es ein guter Hirte eben tun sollte«, nickte der Klinikleiter und klatschte in die Hände. »So, jetzt will ich Sie, Jenny und Thomas, aber nicht mehr länger auf die Folter spannen. Bestimmt haben Sie sich schon gefragt, warum ich Sie hergebeten habe, anstatt Sie in den wohlverdienten Feierabend zu entlassen.«

Er deutete grinsend auf Sebastian.

»Der da ist schuld.«

Verwirrt blickten die beiden jungen Ärzte erst den Professor, dann den Bergpfarrer an.

Sebastian lächelte und beugte sich vor.

»Das ist nur die halbe Wahrheit«, erklärte er. »Der gute Ulrich hat mich nämlich schon vor langer Zeit gebeten, hin und wieder mit den Neuen an der Klinik, also ganz egal ob Ärzte oder jemand vom Pflegepersonal, eine Bergtour zu unternehmen und ihnen die Schönheiten der Wachnertaler Alpen zu zeigen.«

»Vierzehn Tage sind Sie ja nun hier und haben sich hoffentlich eingelebt, und in der kommenden Woche haben Sie beide ein paar Tage frei«, ergänzte der Chef der Klinik.

»Also, wenn S’ Lust dazu haben, sind S’ herzlich eingeladen«, bekräftigte Sebastian.

Jenny Winter nickte sofort.

»Da bin ich auf jeden Fall dabei«, sagte sie. »Allerdings gibt es da ein kleines Problem – ich fürchte, was ich zum Anziehen hier habe, taugt nicht für eine Bergtour.«

»Geht mir genauso«, warf Thomas Frankenberg ein.

Sebastian hob beruhigend die Hand. »Also, das sollte das geringste Problem sein«, sagte er. »Heut ist Donnerstag, ich hab die Tour für den nächsten Montag geplant. Im Pfarrhaus gibt es einen großen Fundus an Wanderkleidung, samt Hüten und Stiefeln. Ich würde vorschlagen, dass Sie beide am Sonntag nach St. Johann kommen und sich das Passende heraussuchen. Bei der Gelegenheit besprechen wir dann auch gleich, welche Tour wir gehen.«

Die beiden jungen Ärzte freuten sich.

»Das Angebot nehmen wir gerne an, was, Thomas?«, sagte Jenny.

»Klar!«, nickte er.

Mit ihr wäre er auch auf den Mount Everest gestiegen!

Am ersten Tag schon hatte Thomas sich in die hübsche Kollegin verliebt. Jenny Winter war für ihn der einzige Lichtblick hier in der Klinik, die für ihn immer mehr zum Gefängnis wurde. Gäbe es Jenny nicht, wäre er schon längst fortgelaufen.

Hundertmal, tausendmal hatte er es ja schon getan – allerdings nur in seinen Träumen. Denn, wohin hätte er können? Etwa heim, nach Würzburg, wo sein Vater ihn auf der Stelle zurückschicken würde? Oder sollte er versuchen, ganz zu verschwinden und sich irgendwo durchzuschlagen?

Als Barpianist vielleicht …

»Schön, dann freue ich mich auf Ihren Besuch am Sonntag im Pfarrhaus«, hörte Thomas den Geistlichen sagen.

Die Ärzte standen auf und bedankten sich noch einmal für die Einladung. Dann gingen sie hinaus.

Pfarrer Trenker wollte sich ebenfalls verabschieden, doch Ulrich Bernhard bat ihn, noch zu bleiben.

»Einen Moment bitte«, sagte der Professor. »Ich hätt da noch was mit dir zu bereden …«

*

»Du hast Thomas Frankenberg ja gerade kennengelernt. Was hältst du von ihm?«

Sebastian zuckte die Schultern.

»Was soll ich darauf antworten? Du hast es ja ganz richtig gesagt, ich hab ihn gerad kennengelernt. Auf den ersten Blick scheint er ein netter junger Mann zu sein. Sympathisch – vielleicht ein bissel zu still.«

Ulrich Bernhard nickte.

»Eine sehr gute Einschätzung.«

Der Bergpfarrer sah den Freund forschend an.

»Aber wegen dieser Einschätzung hast mich wohl net gebeten, noch zu bleiben …«

Der Klinikchef schüttelte den Kopf.

»Nein, freilich ist das nicht der Grund.«

Er richtete sich auf und griff nach der Kaffeekanne, die auf dem Tisch stand.

»Darf ich?«

Sebastian legte die Hand über seine leere Tasse.