Nierstaler Mordbote - Thomas Berscheid - E-Book

Nierstaler Mordbote E-Book

Thomas Berscheid

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Beschreibung

Bauer Joseph Jansen steht vor einem großen Deal: Ein großes Unternehmen der Baubranche will auf seinem Acker eine Siedlung bauen. Er feiert das Geschäft seines Lebens ausgiebig in einer Kneipe. Aber kommt nie mehr zu Hause an. Denn kurz vor seinem Hof hat sein Hollandrad einen Platten. Es ist bitterkalt. Und dann ist da dieser Mann, der Jansen auf den Boden drückt, bis ihm richtig kalt wird. Kommissar Alexander Hoppe wird am nächsten Morgen zu dem steinhart gefrorenen Bauern gerufen. Am Tatort muss er sich nicht nur mit einer neugierigen Journalistin herumschlagen. Auch der neue Staatsanwalt macht ihm das Leben schwer. Als zudem zwei Umweltschützer verbrennen, die einen seltenen Frosch auf dem neuen Baugelände bewacht hatten, entgleitet ihm der Fall. Er merkt, dass da jemand stärker ist als er. Die neugierige Journalistin erweist sich nun als die perfekte Ermittlerin. Nierstaler Mordbote: Eine eiskalte Mordgeschichte von Thomas Berscheid.

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Inhaltsverzeichnis

Thomas Berscheid

Thomas Berscheid

Nierstaler Mordbote

Impressum

Thomas Berscheid

Nierstaler Mordbote

Thomas Berscheid

Krimi am Niederrhein

Thomas Berscheid

Nierstaler Mordbote

Krimi am Niederrhein

Kriminalroman

Berscheid Verlag

Impressum

Texte: © 2024 Copyright by Thomas Berscheid

Umschlag: © 2024 Copyright by Irma Berscheid-Kimeridze unter Verwendung von Design und KI-Bild von ki-bild-erstellen.de

Verantwortlich

für den Inhalt: Thomas Berscheid

Johannes-Albers-Str. 10

50767 Köln

[email protected]

www.berscheid-verlag.de

Druck: Veröffentlicht über tolino media

Nierstaler Mordbote

Prolog

22. November 1944

Der Morgen über dem Niederrhein dämmerte sanft herauf. Die Röte über dem Horizont ließ erahnen, dass der Winter nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Die Bäume standen in allen Farbtönen aus gelb, braun und rot an den saftigen Wiesen herum. Das Laub war der Schwerkraft gefolgt und hatte sich auf die Wiesen gelegt. Sanft wehte eine Brise über die schwarzbunten Kühe hinweg, die in aller Ruhe frisches Gras abweideten.

Wilhelm Maurers hatte dafür keinen Blick. Seine Messerschmitt wollte ihn im Stich lassen.

Sein Einsatzbefehl lautete, vom Flughafen in der Bönninghardt aufzusteigen, nach Belgien zu fliegen und dort einen Flussübergang mit Bomben zu belegen, über den sich die Amerikaner näherten. Er kam nicht soweit. Hinter Eindhoven erwischte ihn eine Mustang der Air Force. Feuerte eine Garbe ihrer 20mm-Kanonen auf ihn ab. Der rechte Flügel hatte plötzlich Löcher. Er griff zu den beiden Schubhebeln an der linken Seite und zog nach oben, der einzigen Möglichkeit, sich aus dem Schussfeld des wendigen Jägers aus den USA heraus zu winden.

„Harmsen, bist du in Ordnung?“ rief Maurers ins Mikrofon. Ein Stöhnen kam als Antwort. „Das Schwein hat mich erwischt.“

Maurers riss den Steuerknüppel nach links. Die Mustang war nicht mehr zu sehen. Er blickte nach rechts. Den Motor musste es erwischt haben, eine dunkle Rauchfahne strömte aus der Gondel. Maurers warf einen Blick auf den Drehzahlmesser auf der rechten Seite. Der Zeiger drehte langsam gegen den Uhrzeigersinn.

„Das war's dann wohl“, sagte er zu sich. Er drehte nach Westen ab. Drückte den Schubhebel des rechten Motors ganz nach oben. Der Propeller stoppte. Die ME 110 zog nach rechts. Er rollte am Trimmrad und hielt mit Druck auf das Pedal dagegen.

Der Blick auf die Tankanzeige flößte ihm wenig Vertrauen ein. Einer der Flügeltanks musste ein Loch haben. Er nahm Kurs auf Wesel. Rechnete. Es würde nicht reichen. Er kippte den rechten Flügel nach unten. Der nächste Landeplatz war in Venlo. Zwei Monate zuvor hatten die Amerikaner den Fliegerhorst umgepflügt, die Landung würde kein Zuckerschlecken. Aber Maurers hatte keine Wahl mehr. Er hielt nach Süden. Die Niers schimmerte in der Morgendämmerung rechts unter ihm.

„Harmsen?“ rief er wieder nach hinten. Keine Antwort.

„Mach jetzt nicht schlapp“, sagte er zu dem Mercedes V12 auf der linken Seite. Es half nichts. Die Schwerkraft zog ihn nach unten. Der stehende Motor und die Fetzen im rechten Flügel bremsten zusätzlich.

Maurers suchte nach einer Stelle, um die beiden Fünf-Zentner-Bomben loszuwerden. Er visierte den Fluss an, den Platz zwischen zwei Bauernhöfen. Sonst würde er unten im Dorf enden. Die beiden ovalen Röhren lösten sich.

Die Niers stieb auf, als die Bombe die Wasseroberfläche durchschlug. Für die zweite Bombe war es ein weiterer Weg. Sie bohrte sich in den niederrheinischen Ackerboden. Mit einem ohrenbetäubendem Knall schaufelte sie mehrere Tonnen Erde in die Luft.

Waltraud Jansen schreckte hoch. Grefrath war bislang vom Krieg verschont geblieben, wenn man von den Söhnen des Dorfes absah, die irgendwo in der Welt für den Führer den Kopf hinhielten. Jetzt wackelte der gesamte Hof. Unten in der Küche öffnete sich der große Schrank mit den Tellern, die sie zu als Mitgift in die Ehe gebracht hatte. Das Kapital ihrer Hochzeit zersprang auf dem Steinboden in Tausend Stücke.

Die Rinder in der Scheune blökten laut auf. Heidi brüllte sich die Hundeseele aus dem Leib. Aber das war weit weg. Der kleine Joseph war durch den Knall aufgewacht und brüllte wie am Spieß. Waltraud sprang zur Wiege, nahm ihn in den Arm.

„Wird ja alles wieder gut“, redete sie beruhigend auf ihren Sohn ein, der im Sommer das Licht der Welt erblickt hatte.

Harmsen war schon tot, als Maurers die Messerschmitt in der Venloer Heide aufsetzte. Sein Herz hatte das letzte Mal geschlagen, als die beiden Bomben einschlugen.

1.

Sonntag, 7. Januar 2007

Ächzend schloss Joseph Jansen seine halbzentnerschwere Gazelle auf. Das Atmen fiel ihm nicht leicht. Schuld daran waren weniger die 63 Jahre seines bäuerlichen Lebens in Grefrath, sondern vielmehr die 4 Liter freundliches Alt aus Issum. Auch die Kurzen, die er dazwischen geschoben hatte, halfen ihm nicht gerade dabei, im Hinterhof des Alt Grefrath den kleinen Schlüssel in das winzige Loch des Schlosses seines Hollandrads zu bugsieren. Er hüllte den Sattel seiner Gazelle in eine Wolke aus eisigem Atem.

Was war das für ein mieser Tag! Da kam Johann mit seinem alten Panda auf den Hof gefahren. Hatte sich nicht mal zu Weihnachten blicken lassen. Aber jetzt wollte er seinen Vater anpumpen. Todsichere Sache, meinte Johann. Hirngespinste, dachte Joseph. „Nicht mit meinem Geld“, hatte Joseph ihm auf den Kopf zugesagt. Der Panda heulte laut auf, als Johann vom Hof fuhr und dabei einen Dackel ins Paradies schickte.

Johann. Mehr als ein Grund, sich abends die Kante zu geben.

Endlich kam ihm die Gazelle aus dem Ständer entgegen gerollt. Joseph schwang sein Bein über das Tretlager, setzte seinen vom Rindfleisch geformten Hintern auf den Sattel und zwang die vier Schraubenfedern dazu, sich unbequem zusammen zu ziehen. Er trat an, pendelte von links nach rechts, fuhr in Schlangenlinien an der Apotheke vorbei auf den Marktplatz, auf die Hohe Straße. Das kurze Glitzern in der Lauffläche seines Vorderrads fiel ihm nicht auf. Ein Taxi fuhr laut hupend vorbei, in einem weiten Kreis am Berger Platz um den Bauern herum. Joseph fuhr an der Tankstelle vorbei, warf einen kurzen Blick auf die Abfüllanlage für Coca Cola und pendelte weiter Richtung Schanzenstraße.

Die letzten fünf Bierchen waren wohl doch nicht mehr so gut gewesen. Egal, er hatte es nicht weit bis zum Hof. Er nahm Tempo auf, fuhr mitten auf der ausgestorbenen Straße, auf der das Glatteis in vereinzelten Kristallen auf dem Asphalt glitzerte und an der Ruine des chinesischen Restaurants vorbei. Die eiskalte Luft trieb ihm die Tränen in die Augen. Leise und unaufhaltsam kroch die Kälte durch das dünne Leder seiner Handschuhe und ließ die ersten Finger steif werden.

Was war das für ein Klasse Tag! Die Gerüchteküche der Bauernschaft hatte schon lange vor sich hin gebrütet. Kam doch dieser Brief mit dem Hochglanzprospekt und dann dieser Anruf vom Anwalt. Jansens Acker war mit einem Schlag Gold wert. Machte dieser Anwalt Joseph am Telefon ein Angebot, aber keins, dass er nicht abschlagen konnte. Joseph wusste, wie man handelte, hatte 40 Jahre lang Rinder unter die Leute gebracht. Die Zeit war auf seiner Seite.

Langsam lenkte Joseph die Gazelle nach rechts über die Bordsteinkante von der Grunewaldstraße auf den Feldweg, der leicht anstieg und zu seinem Hof führte. Links und rechts verschwanden die schmucken Neubauvillen. Und das Licht der Laternen.

Auch die Zehen bekamen nun mit, dass die Temperatur da draußen auf den Pedalen weit unter dem Gefrierpunkt lag. Die großen Zehen begannen zu klopfen. Joseph war es gleichgültig. Er hatte es jetzt nicht mehr weit bis zum Hof. Er gab mehr Druck auf die Pedale, drückte mehr weiße Wolken in den schwarzen Nachthimmel, an dem heute keine Säufersonne den Weg nach Hause wies. Links von ihm zeichnete sich dunkel vor der Schwärze die Baumgruppe mit den berühmten Fröschen ab.

Seine Äcker! Sie würden gesegnet sein mit Gold und Silber! Joseph malte sich aus, welche Massen von Euros dieser Anwalt über ihn ausschütten müsste, damit die Firma ihre Produktionshallen hier aufbauen dürfte! Seit langer Zeit in seinem Leben war er wieder glücklich! In die Tränen der Kälte mischten sich Tränen der Freude.

Die Gazelle lief nicht so, wie sie sollte. So stark war die Steigung nicht, und Gegenwind war auch nicht in Sicht. Außerdem spürte Joseph durch den Nebel seiner Biere hindurch, dass das schwere Hollandrad schwamm. Das Vorderrad wollte in eine andere Richtung als das Hinterrad. Beide konnten sich nicht einigen. Joseph küsste unsanft seinen Acker. Er rappelte sich auf, klopfte den gefrorenen Tau von seiner derben Cordhose, beugte sich zu seiner verletzten Gazelle herunter. Der Reifen vorne war platt. Und die Luftpumpe war irgendwo auf dem Acker, aber nicht an ihrem Platz. Er half der Gazelle auf und schob sein Rad den Weg hinunter.

Mit dem Weg stimmte etwas nicht. Vor ihm musste jetzt das Licht an der Einfahrt zu seinem Hof auftauchen. Nero sollte bellen. Aber je weiter er in den Nebel vordrang, der von der Niers aufstieg, desto dunkler wurde es vor ihm. Nicht einmal das Geräusch eines Autos von der nahen Umgehungsstraße zum Eisstadion fand den Weg zu seinen Ohren. Und die Frösche waren jetzt auch still. War er schon an der Kreuzung der beiden Feldwege vorbei? Er wusste es nicht. Blieb stehen. Lauschte. Nichts außer seinem Atem. Er ging weiter.

Der rechte Fuss landete in einem Schlagloch. Joseph fiel erneut auf den Acker, der vielleicht ihm gehörte, vielleicht auch dem Müllerbauer, der aber vor allem steinhart gefroren war. Die Gazelle deckte Joseph zu. Er schob das schwere Rad beiseite. Auf allen Vieren kroch er weiter. Der asphaltierte Weg hatte sich einen anderen Verlauf gesucht. Joseph setzte sich hin. Nur ein paar Sekunden nachdenken, einen klaren Kopf bekommen.

Der Wagen fuhr ohne Licht langsam durch den Nebel, den Feldweg entlang. Auf der rechten Seite glitzerte etwas. Das Rücklicht eines Fahrrads. Und das Fahrrad war alleine. Der Mann stieg aus, leise, vorsichtig, damit ihn keiner hörte. Ganz flach atmend blickte er sich um. Nur ein leises Klacken aus dem Motorraum war zu hören. Er kniff die Augen zusammen, und dann sah er diesen schwarzen Schatten.

„Helfen Sie mir!“ bibberte Joseph den Mann über ihm an.

Dann erkannte er das Gesicht.

„Du!“ stieß Joseph mit kalter Stimme hervor, „keinen Cent bekommst du von mir.“

Der Mann fasste Josephs Jacke links und rechts von der Knopfleiste und riss sie mit einer kräftigen Handbewegung auf.

Joseph wollte dem Mann an die Schulter greifen, aber die Hand gehorchte nicht mehr. Seine Finger krallten sich um den Arm, vergruben sich im derben Stoff des Mantels, rutschten ab. Er ahnte, dass er Finger hatte, aber er konnte sie nicht mehr fühlen, nicht mehr bewegen. Der Acker, sein Acker, der ihn so lange Jahre ernährt hatte, war nun hart und kalt und sog sein Leben in sich auf wie ein Schwamm das Wasser.

Eine Fussspitze drückte Jansen unbarmherzig auf sein Feld. Er versuchte ein letztes Mal, sich aufzurichten.

Bald war er sehr glücklich.

2.

Das Handy brüllte genau in dem Moment, als Hoppe sich die Zähne putzte. Er spie aus, gurgelte kurz den nach Pfefferminz schmeckenden Schaum in das Waschbecken und rannte zum Schlafsofa.

Er meldete sich mit undeutlicher Aussprache.

„Leitstelle Viersen“, kam die Antwort. „Eine Leichensache in Grefrath.“

„Moment.“ Hoppe klemmte sich das Siemens zwischen Schulter und Ohr, nahm sich einen Kuli und schrieb sich den Fundort auf.

Dann wischte er sein Handy ab.

Er warf einen Blick aus dem Fenster seiner 2ZKDB-Wohnung. Draußen senkte sich der Nebel, den die Niers die Nacht über in die Luft gelassen hatte. Auf dem Fenster im Bad hatten sich auf der Außenseite Eisblumen gebildet. Es war kalt. Zwei Wochen vor Weihnachten hatte das Thermometer am Niederrhein das letzte Mal Werte über Null Grad angezeigt. Jetzt waren die heiligen Drei Könige gerade vorbei und der Boden fast soweit durchgefroren wie in der Antarktis.

Der Kommissar kratzte die Frontscheibe seines Golf frei, klemmte sich zwischen Beifahrertür und Hecke, um die Seitenscheiben von der Eisschicht zu befreien. Er zog an der Tür. Keine Reaktion. Er zog mit aller Kraft, mit seinem gesamten Körpergewicht. Mit einem Geräusch wie von einem kalbenden Gletscher riss die Tür auf. Hoppe landete in der Hecke. Fluchte. Rieb sich den Raureif von den Ärmeln. Er setzte die vier Zylinder in Bewegung. Die Anzeige im Armaturenbrett zeigte 15 Grad unter Null. Sein Atem schlug sich als dünner Eisfilm sofort auf der Innenseite der Frontscheibe nieder. Hoppe fluchte und versuchte sich mit dem Leder Durchblick zu verschaffen. Es würde sich nicht gut in seiner Dienstakte machen, wenn er jetzt einen der Schüler über den Haufen fahren sollte, die gerade mit dem Rad ins Schulzentrum fuhren.

Von Wachtendonk nach Grefrath waren es nur wenige Minuten mit dem Auto. Nicht lange genug, damit der Motor die Heizung im Wagen zur Arbeit bewegen konnte. Die Bäume entlang der Straße in Höhe der Neuen Stadt in Kempen waren mit einer Eisschicht überzogen, die wie Zuckerguss aussah.

Am Beginn des Feldweges von der Grunewaldstraße zum Jansenhof ging es für die Menschen, die sonst jeden Morgen den Feldweg nutzten, nicht weiter. Ein Streifenwagen sperrte sie aus. Hoppe verschaffte sich mit dem Dienstausweis freie Fahrt.

Ein anderer Passat mit grünen und grauen Lackschichten stand im Feld. Hoppe besah sich die Lage. Drei Polizisten, ein junger Mann, der sein Trekking Rad in der Hand hielt und mit einem der Uniformträger sprach. Ein Hollandrad lag im Feld, und daneben ein Etwas, das durch ein Tuch abgedeckt war. Hoppe steuerte seinen Golf ins Feld, nahm eine Daunenjacke vom Rücksitz und zog sie über seine Jeansjacke.

„Morgen, Kollegen“, sagte Hoppe zu dem Mann mit drei Sternen auf der Schulter. „Bringen Sie mich auf den Stand der Dinge. Wer sind die Leute hier, die keine Uniform tragen?“

„Der Tote ist Joseph Jansen, Bauer vom Hof nebenan“, sagte HK Schmeiske und zeigte mit einer Hand auf den Erbhof der Familie. „Gefunden hat ihn der junge Mann dort.“ Er wies auf den Radfahrer, der sich durch Hopsen warm zu halten versuchte. „Tatort ist abgesperrt, die Spurensicherung ist auf dem Weg hierher.“

„Alle Personalien aufgenommen?“, fragte Hoppe.

„Von allen mit und ohne Atmung“, antwortete Schmeiske, „die nicht zur Polizei gehören. Ich habe den Notarzt angefordert. Will mir hinterher nicht vorwerfen lassen, dass der Mann noch gelebt hat.“

Er zeigte Hoppe seine Notizen. Der bedankte sich mit einem kurzen Nicken. Hoppe ging zur Leiche, nahm eine Ecke des Tuchs hoch und warf einen Blick auf den Mann. Das Erstaunen über sein Ableben stand Bauer Jansen ins gefrorene Gesicht geschrieben.

Der Schüler bibberte. Viel zu erzählen hatte er nicht. Er hatte sich gerade warm gefahren, als er etwas im Feld gesehen hatte. Hoppe notierte die dünnen Fakten. Der Schüler stieg auf sein Mountain Bike und gab seinem Trek ordentlich die Sporen, um wieder warm zu werden.

Von der Umgehungsstraße her näherten sich zwei Fahrzeuge in weiß und rot mit Blaulicht. Die Notärztin sprang vom Beifahrersitz des Volvo und griff sich den Koffer aus der Heckklappe. Der Zivi aus dem Rettungswagen nahm die Decke weg. Sie griff ans Handgelenk, kurzes Leuchten in die Pupillen. Keine Reaktion. Keine Atmung im Stethoskop.

„Und?“ fragte Hoppe.

„Erfroren“, antwortete Dr. Nolte. „Das ist aber nur mein erster Eindruck. Hat jemand von Ihnen die Jacke geöffnet?“

„Nein“, sagte Hoppe. „Am Tatort ist nichts verändert worden.“

„Kein Mensch legt sich bei der Scheißkälte freiwillig hin und zieht sich dann halbnackt aus“, dachte Dr. Nolte laut nach. Sie sah dem Bauern ins Gesicht. „Er hat Abschürfungen an der Wange.“

Dr. Nolte packte ihren Koffer zusammen.

„Dann geh ich jetzt wieder ins Warme“, sagte die Ärztin und verschwand im Volvo, der sich als einziger bei den Temperaturen hier wohl fühlte. Hoppe deckte den Bauern wieder zu und ging zu Schmeiske.

„Lassen Sie Ihre Leute die Feldwege absuchen“, gab er in Auftrag. „Der Mann ist wahrscheinlich gestürzt. Hat vielleicht Blutflecken hinterlassen. Außerdem wird den Jungs dann warm.“

Hoppe warf einen Blick auf den Feldweg. Die Sonne stieg langsam über den Horizont und versuchte ihre Strahlen durch den Nebel der Niers zu schicken.

„Von wem ist das Blut?“ fragte Hoppe und wies auf einen braunen Fleck auf dem Feldweg.

„Der ist von einem Dackel“, antwortete Schmeiske. „Ist gestern Opfer eines Kleinwagens geworden. Die Halterin hat uns am Nachmittag informiert.“

Schmeiske winkte seinen Schupos und schickte sie auf den Asphalt. Hoppe ging zu seinem Golf, zog sich ein Paar Latexhandschuhe über und nahm eine Doppelseite des Nierstaler Boten heraus. Die Proben zur großen Gala der Grefrather Bürgerwehr 1820 e. V. und das Programm der Prunksitzung. Er legte das Blatt neben der Leiche aus, durchsuchte die Taschen von Jansen. Eine Brieftasche mit Ausweis, ein paar Euro und eine EC-Karte. Ein Schlüsselbund. Beraubt hatte den keiner.

Ein Mann räusperte sich neben Hoppe. „Chef?“

Hoppe drehte sich um. Der Fahrer des Rettungswagens. „Ja?“ fragte Hoppe.

„Können wir fahren?“ fragte der Fahrer in Rot.

„Haben Sie einen Einsatz?“ fragte Hoppe zurück.

„Nein“, antwortete der Fahrer. „Aber bei der sibirischen Kälte hier dachte ich mir...“

„Sie sind die Einzigen hier, die im Warmen sitzen“, entgegnete Hoppe leicht gereizt. „Sie bleiben solange hier, bis Sie entweder gebraucht werden oder ich Ihnen sage, dass Sie fahren können. Vielleicht kippt hier ja noch einer um.“

Der Fahrer zuckte wortlos mit den Schultern und ging zum Wagen zurück, blies seufzend eine Wolke in den inzwischen wieder klaren Morgen.

Der Polizist, der die Straße für den Verkehr sperren sollte, war gerade in einer angeregten Diskussion mit einer grellbunten Wollmütze, wie Hoppe registrierte. Wahrscheinlich die Putzfrau des Hofs, dachte er.

Hoppe faltete die Zeitung zusammen, stand auf. Das Feld war Ende des Herbstes abgeerntet worden, danach gepflügt und mit der Egge eingeebnet. Seit Wochen hart gefroren. Selbst wenn hier einer mit dem Panzer drüber führe, würde er keine Spuren hinterlassen.

Hoppe warf einen Blick auf die Gazelle. Der Lenker hatte Plastikgriffe, und der auf der rechten Seite hatte Schleifspuren. Unklar, ob sie von diesem Sturz oder von einem nach der Feier der St. Sebastianus Schützenbruderschaft vor zehn Jahren stammten. Das Vorderrad hatte soviel Luft wie Helmut Kohl auf dem Mount Everest. Hoppe hob das Rad an, drehte es und lies seinen Blick über die Lauffläche gleiten.

„Na, das ist ja mal interessant“, dachte er laut nach. Ein metallischer Gegenstand blickte ihn an.

Das Aufheulen eines VW Diesel weckte ihn aus den Betrachtungen. Hoppe sagte dem Kollegen Stoffels von der Spurensicherung, was er auf digitalem Datenträger für die Nachwelt aufheben sollte. Stoffels riss einen Beutel auf und schlängelte sich mit den Schuhen voran in einen weißen Einmaloverall. Ein Schrei unterbrach die Kollegen. Der jüngste der Schupos hatte die Schleifspur des Lenkers gefunden. Und einen Fetzen Leder vom Handschuh.

Hoppe sah zu, wie der Kollege im weißen Overall den Ausschnitt des Feldweges ins Bild setzte. Er suchte in seiner Tasche nach einem Kaugummi. Wieder vergessen, aufzufüllen. Seit er nicht mehr rauchte, war der gemeinsame Kauf von Tabak und Kaugummi hinfällig.

„Ist das da eine Leiche?“ fragte plötzlich eine weibliche Stimme von hinten. Hoppe drehte sich um. Eine Wollmütze mit allen Farben des Regenbogens. Die Frau darunter war dick in Daunen gekleidet und sah aus der Nähe weniger nach Putze aus.

„Wer will das wissen?“ fragte Hoppe barsch zurück.

„Janette Fischer, Nierstaler Bote“, antwortete die Wollmütze prompt und hielt ihm den Presseausweis unter die Nase. „Was gibt es für die Presse?“ Ihre dunkelbraunen Augen funkelten interessiert.

„Das ist Sache des Pressesprechers der Kreispolizeibehörde Viersen“, antwortete Hoppe förmlich. „Und jetzt verlassen Sie bitte den Tatort. Sie stören die Ermittlungen. Guten Tag.“

Hoppe drehte sich auf dem Absatz um und ging wortlos.

„Mistkerl!“ giftete die Journalistin in sich hinein und ging quer über das Feld zu ihrem Wagen zurück, den sie auf dem Parkplatz der Angler auf der anderen Seite der Umgehungsstraße gestellt hatte.

„Noch was gefunden?“ fragte Hoppe Stoffels.

„Die beiden abgerissenen Knöpfe und das abgerissene Stück vom Handschuh“, antwortete Stoffels. „Das Vorderrad sehe ich mir gleich im Labor an. Interessante Konstruktion.“

„Nur eine einzige Schraube?“ fragte Hoppe ungläubig nach.

„Nur eine, und die steckt im Reifen“, gab Stoffels zurück. „Wir haben den gesamten Feldweg abgesucht. Jede Menge Kisten von McDonalds, Papier vom Blumenladen, ein benutztes Kondom und eine halbe Lastwagenladung Underberg, aber keine Schraube.“

Jotteff, wie Janette alle nach dem Kürzel in ihren Artikeln nannten, hatte klamme Finger, als sie in ihren Peugeot stieg. Im Handschuhfach griff sie nach der Digitalkamera. Wenn jetzt nur der Akku nicht schlappmachte! Sie lief über die Straße, die hier einen leichten Bogen machte, hin zu den Bäumen, die das Feld vom Regenrückhaltebecken trennten, lehnte sich an einen Baum.

„Boah, jetzt mach' ma' hinne!“ sagte sie zu ihren Fingern, damit diese aufhörten zu zittern. Sie kniff ein Auge zu und drehte das Objektiv, bis sie die Pickel des Zivildienstleistenden im Rettungswagen erkennen konnte. Legte die Hand an den Baum, um nicht zu verwackeln. Dann fand sie Bauer Jansen.

Der Akku hielt.

Das Tor des Jansenhofs hatte die beiden Weltkriege überstanden. Das Knarzen in den Scharnieren kündete von weit zurückliegenden Zeiten, als eine ME 110 kurz vor der Landung in Venlo diese Fünfzentnerbombe abwarf, die das große Loch am Feldrand von Bauer Jansen aus der Krume sprengte. Hoppe atmete tief durch. Dies war der Teil des Jobs, den er am wenigsten mochte. „Sitz!“ brüllte er den Hund an, der sein Kommen aus dem Zwinger akustisch anzeigte. Er klopfte laut an die Tür und trat dann ein, ohne eine Einladung abzuwarten.

Die Tür führte in einen kleinen Flur, der bis zu den Hüften in dunkler Eiche getäfelt war und oberhalb weiß-blaue Kacheln zeigte, mit röhrenden Hirschen und dem Gemälde einer strickenden Bauersfrau. Hoppe trat in die Küche, die in den 1970er Jahren in Mode war, nun aber war das apfelgrün nur noch beliebt bei Ausstattern von Fernsehsendern, die an ihre Kindheit dachten.

„Hoppe, Kriminalpolizei Viersen“, stellte der Kommissar sich vor. Er ging zu dem Kamin, in dem brennende Holzscheite versuchten, die durch die miserabel isolierten Wände dringende Kälte zu vertreiben. An der inzwischen wieder in Mode gekommenen Eckbank saß Frau Jansen. Sie hatte eine Hand in die Schürze vergraben, die andere lag auf dem Tisch. Ein halbes Dutzend zerknüllter und aufgeweichter Taschentücher zeigte, dass sie nicht halbwegs so cool war, wie ihre Haltung anzeigen sollte.

„Das ist immer soweit weg“, sagte sie mit brüchiger Stimme, ohne Hoppe anzusehen. „In New York. In Hamburg. Aber doch nicht hier.“

„Wir können uns das leider nicht aussuchen“, versuchte Hoppe die Bäuerin zu beschwichtigen. „Frau Jansen, ich möchte Ihnen jetzt ein paar Fragen stellen. Sie brauchen mir nicht zu antworten. Aber je mehr Informationen ich von Ihnen erfahre, desto schneller können wir den Tod Ihres Mannes aufklären.“

„War es denn“, die Bäuerin wurde noch weißer auf ihren sonst geröteten Wangen, „kein Unfall?“

Hoppe schluckte den Kloß herunter, der sich in seinem Hals verkeilt hatte.

„Wir ermitteln in alle Richtungen“, antwortete er dann und setzte sich auf einen Rattanstuhl, packte Notizbuch und Kuli auf die weiß-rot karierte Wachsdecke des Tischs der Eckbank, schob einen Steinmann beiseite. „Der Kollege von der Streife sagte mir, dass Sie die Leiche bereits gesehen haben. Können Sie den Toten als Ihren Mann identifizieren?“

„Ja“, antwortete die Bäuerin.

„Kam es öfter vor“, fragte Hoppe nach, „dass Ihr Mann nachts länger wegblieb?“

„Nein“, antwortete Renate Jansen. „Er ist immer nach Hause gekommen. Auch beim Schützenfest. Er hat sich dann im Wohnzimmer hingelegt, wenn ich schon ins Bett gegangen war. Früher, als wir noch die Rinder hatten, da habe ich ihn dann vom Sofa geholt. Er wollte einen Trinken gehen und ich dachte mir, er wäre wieder im Wohnzimmer. Aber da war er nicht.“

„Und dann?“ fragte Hoppe weiter.

„Ich hab' ihn gesucht“, fuhr Renate Jansen fort. „In der Küche war er nicht. In Johanns Zimmer auch nicht. Hab' dann...“

Hoppe hob seine linke Hand.

„Wer ist Johann?“ fuhr er dazwischen.

„Unser Sohn“, antwortete Renate und sah Hoppe kurz in die Augen. „Seit der ausgezogen ist, steht das Zimmer leer.“

„Da haben Sie also nachgesehen“, sagte Hoppe. „Und dann?“

Der Kamin knackte. Die Bäuerin stand auf, nahm das schwere Eisen vom Haken neben dem Kamin und stocherte in der Glut. Ein Scheit platzte auseinander, Funken stoben durch den Kamin. Hoppe spürte eine angenehme Hitzewelle auf seiner Wange.

„Vom Fenster oben kann man auf das Feld sehen“, erzählte die Bäuerin weiter. „Im Fenster blitzte etwas Blaues. Ich habe rausgesehen. Da war Blaulicht. Da waren Polizisten. Und da lag das Rad. Ein Polizist war gerade dabei, die Leiche... Also Joseph abzudecken.“

Sie setzte sich an den Tisch.

„Wie damals“, fuhr sie fort, „als diese Umweltschützer das Plakat hier aufgehängt haben.“

„Äh...“ stotterte Hoppe. „Erzählen Sie mir bitte mehr davon.“

„Ach“, sagte Renate Jansen, „auf unserem Land ist so ein Tümpel, und da lebt seit letztem Jahr so ein seltener Frosch drin. Da sind drei Umweltschützer, die wollten im Sommer neben dem Teich zelten. Joseph ist mit dem Trecker hin. Einer von denen hat ihm den Reifen zerstochen. So ein komischer mit blauen Haaren. Am Tag danach haben sie ein Plakat über unserem Eingang aufgehangen. Den Rest hat die Polizei aufgenommen.“

„Wann war das?“, fragte Hoppe.

„Kurz vor Sommeranfang“, sagte Renate Jansen.

„Leben noch andere Personen in diesem Haushalt?“ fragte er nach und schlug ein neues Blatt in seinem schwarzen Notizbuch aus dem Kaufhof in Mönchengladbach auf.

„Wir sind...“, sie stockte, „wir waren alleine hier. Johann ist vor vier Jahren ausgezogen, als er zu seinem Freund...“

Sie stockte, warf einen Blick auf Hoppe und hing den Haken auf.

„Zu seiner Freundin?“ fragte Hoppe nach.

„Freundin“, stieß die Bäuerin hervor. „Wissen Sie, wie das ist, wenn man auf dem Dorf lebt? Da kommen dann die Fragen nach dem Erben, und dann schleppt dieser keine Frau auf den Hof.“

„Ihr Sohn steht auf Männer?“ hakte Hoppe nach.

„Das ist meine Strafe“, sagte Renate Jansen und setzte sich wieder auf den Rattanstuhl. „Für was auch immer.“

Hoppe warf einen Blick auf den Kamin. Ein Bild zeigte einen Jugendlichen, der mit etwas männlicherem Gesichtsausdruck auch gut als Model durchgegangen wäre.

„Ist das Ihr Sohn?“ fragte Hoppe und zeigte mit dem Kugelschreiber auf das Bild.

„Das war Johann, als er mit der Schule fertig war“, antwortete Renate Jansen. „Er war ein schöner Junge.“

„Was haben Sie...“ Hoppe dachte nach. „Was hatten Ihr Mann und Sie für ein Verhältnis zu ihrem Sohn?“

„Verhältnis?“ fragte Renate Jansen konsterniert zurück. „Er hat sich seit Jahren nicht mehr gemeldet. Bis gestern. Da kam er dann an, wollte Geld, und dann hat Jupp...“ Sie stockte.

„Bitte, Frau Jansen“, sagte Hoppe, schlug die Beine übereinander und sah ihr in die Augen, ganz ruhig, ganz Ohr, ganz hinter dem Gedanken her, den sie gerade aufgefasst hatte und von dem sie sich gerade wünschte, dass sie ihn niemals gesagt hätte.

Die Finger wurden kalt. Mit dem rechten Zeigefinger konnte Jotteff den Auslöser der Kamera nicht mehr richtig bedienen. Die Sonne im Rücken, konnte sie den Kommissar gut sehen, als er den Bauernhof verließ. Der Kriminaltechniker im schneetauglichen Overall packte ein. Jotteff brach die Observation des Tatorts ab und setzte die Eisklumpen, die einmal Füße waren, vorsichtig voreinander, um nicht umzufallen.

„Was machen Sie denn hier?“ hörte Jotteff eine Stimme von hinten. Sie drehte sich um. Eine junge Frau im Norwegerpulli stand zwei Schritte von ihr entfernt, einen Baumwollrucksack mit Lederriemen in der einen Hand, ein Hollandrad mit Aufklebern von Greenpeace, der Biologischen Station Krickenbeck und dem NaBu in der anderen.

„Bilder von der aufgehenden Sonne über Grefrath“, log Jotteff. „Warum fragen Sie?“

„Ich dachte, Sie kommen wegen Kermit“, antwortete die junge Frau.

„Kermit?“ fragte Jotteff ratlos. „Ne, von der Sesamstraße bin ich nicht. Und wer ist Kermit?“

„Der kaukasische Ochsenfrosch, der hier überwintert“, sagte die junge Frau.

„Der...“ Jotteff stockte. „Der was?“

„Der kaukasische Ochsenfrosch“, wiederholte die junge Frau. „Unser Kermit ist der einzige, der das Massaker in Krickenbeck überlebt hat.“

Jotteff überlegte fieberhaft, ob sie nicht gleich im LKH Süchteln anrufen sollte. Die junge Frau trug jedoch weder eine Waffe noch schien sie dem Wahnsinn nahe.

„Jetzt mal langsam“, sagte Jotteff und griff in ihre Kameratasche. „Erstmal hier meine Karte. Janette Fischer, Nierstaler Bote. Was ist mit Kermit?“

Hoppe kratzte sich am Kopf, als er Schmeiske ansprach. Das Bild von Johann Jansen verstaute er in der Innentasche seiner Jeansjacke, auf der rechten Seite, damit es vom Halfter seiner Walther P99 nicht zerdrückt wurde.

„Herr Kollege“, fragte Hoppe, „der Hund, der hier gestern platt gefahren worden ist... Was war das für ein Auto?“

„FIAT Panda“, gab Schmeiske zurück. „Kölner Kennzeichen. Mehr konnte sich die Frau nicht merken.“

„Und der Fahrer?“

„Wissen wir noch nicht“, sagte Schmeiske und zuckte mit den Schultern.

„Lassen Sie mal 'ne Abfrage mit dem Namen durchlaufen“, sagte Hoppe und zeigte Schmeiske seine Notizen. Der nahm sein Sprechfunkgerät, das nur unwesentlich jünger war als Hoppe, vor den Mund und hauchte mit einer Dampfblase Johanns Daten in das Mikrofon.

„Ist noch jemand vorbei gekommen?“, fragte Hoppe zurück.

Schmeiske schüttelte den Kopf. Ein Knacken zeigte an, dass jemand in der Innenstadt in Viersen ihn sprechen wollte.

„Treffer“, sagte er dann. „Der Panda gehört seinem Sohn.“

„Dann sollte ich mir den mal klemmen“, sagte Hoppe. „Noch eine Sache. Hier sollen ein paar Jugendliche ein Plakat an der Einfahrt des Hofs aufgehängt haben. Wissen Sie vielleicht...“

„Der Ochsenfrosch“, unterbrach Schmeiske ihn. „Ich habe schöne Bilder gemacht. Kann ich Ihnen bis morgen heraussuchen.“

„Äh, Chef“, sprach der Fahrer des Rettungswagens Hoppe wieder an. „Der Kollege von der Spurensicherung sagte, der Tote kann jetzt in die Pathologie.“

„Ja und“, funkelte Hoppe ihn an. „Dann machen Sie Ihren Job.“

„Ich würde den Mann lieber noch bis zum Abend liegen lassen“, warf der Fahrer ein. „Dann ist er richtig steif gefroren und lässt sich besser heben. Wird ja nicht schlecht bei der Kälte.“

Hoppe wurde jetzt richtig warm.

„Sie werden“, sagte er zu dem Fahrer des Rettungswagens und tippte bei jeder Silbe mit dem Zeigefinger auf dessen Brustbein, „den Mann auf die Bahre legen und in die Pathologie vom St. Irmgardis bringen. Sonst muss ich ein ernstes Wort mit Ihrem Dienstherrn reden.“

„Mein Zivi hat einen Hexenschuss“, warf der Fahrer ein.

„Okay“, Hoppe hob beide Hände Richtung Himmel, „ich packe mit an.“

Jotteff machte Bilder von Julia, neben dem Rad, eine ganze Serie kniend neben dem Tümpel, in dem Kermit jetzt schlief, unten am Boden bei 4 Grad Celsius.

Sie spürte ihre Füße nicht mehr. Sie würde bald nach Kempen fahren, ins Sanitätshaus an der Burgstraße humpeln und dort nach Prothesen verlangen, um die amputierten schwarzen abgefaulten Fleischbrocken am Ende ihrer Beine zu ersetzen. Aber sie hatte eine Story, eine von diesem, die einem Lokalreporter ungefähr zweimal zwischen Volontariat und Rente über den Weg laufen. Das tragische Schicksal von Kermit war so eine Geschichte. Wenn sie schnell genug machte, könnte das heute noch der Aufmacher auf dem Blog des Nierstaler Boten werden. Diese Webseite, mit der sie den verknöcherten Laden des Käseblättchens schon ein Stück auf Vordermann gebracht hatte.

Hoppe nahm die Kurve bei der Schanzenstraße langsam, denn die Reifen seines betagten Golf schienen keinen Kontakt mit dem Asphalt der Straße zu wollen. Er fuhr an der langen Reihe der parkenden Autos vorbei, setzte den Blinker links und fuhr am Pennymarkt vorbei. Sein Golf fand einen Platz in den schrägen Parklücken, neben einem ebenso betagten Mercedes, für den zwei Parklücken herhalten mussten. Er ging auf den Hinterhof des Alt Grefrath. In den Unterständen auf der rechten Seite standen ein Personenwagen und ein Kleinbus. Links war ein Fahrradständer. Hoppe bückte sich. Sauber. Keine Schraube. Er seufzte und drückte gegen die Stahltür, die zur Kegelbahn führte, sie war offen.

„Kann ich mir bei Ihnen die Hände waschen?“ fragte Hoppe, nachdem er ins Alt Grefrath gekommen war.

„Wir haben noch nicht geöffnet“, gab ihm der hagere junge Mann hinter der Theke zu verstehen, während er Altgläser polierte.

---ENDE DER LESEPROBE---