Nur mit dir kann ich leben - Patricia Vandenberg - E-Book

Nur mit dir kann ich leben E-Book

Patricia Vandenberg

0,0

Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Dr. Leitner war maßlos überrascht, als er ans Telefon gerufen wurde und seine Sekretärin sagte, daß eine Frau Lennart ihn dringend zu sprechen wünsche. »Ulrike, du?« fragte er staunend, nachdem ihre leise Stimme an sein Ohr tönte. »Ja, ich, Schorsch, wann kann ich dich sprechen?« Ihre Stimme klang gehetzt. »Worum geht es?« fragte er. »Ich fühle mich nicht wohl, aber mein Mann soll nichts merken. Wir feiern doch nächste Woche Silberhochzeit.« »Liebe Güte, so lange bist du schon verheiratet«, sagte er. »Was hast du denn für Sorgen, Ulrike?« »Das kann ich nicht mit ein paar Worten erklären. Ich möchte auch nicht zu irgendeinem Arzt gehen.« »Wann bist du denn in der Stadt?« fragte er. »Ich kann es schon einrichten, wie du Zeit hast.« »Dann komm doch gleich morgen gegen elf Uhr, geht das?« »Ja, es geht. Mein Mann kommt, tschüs.« Dr. Hans Georg Leitner, von seinen Freunden Schorsch genannt, betrachtete das Telefon nachdenklich. Er kannte Ulrike Lennart seit der Schulzeit. Damals hieß sie noch Hanold und war neben ihm die Klassenbeste gewesen, immer darauf bedacht, mit ihm Schritt zu halten. Ein zielstrebiges, energisches und sehr sportliches Mädchen. Sie hatten sich auch später noch von Zeit zu Zeit getroffen, und er war auch zu ihrer Hochzeit eingeladen worden. Sie war grad zwanzig gewesen, als der Fabrikantensohn Wolfgang Lennart sie zum Traualtar geführt hatte. Eine Traumhochzeit war es gewesen, und niemand hatte daran gezweifelt, daß es auch die große Liebe war, die beide verband. Und nun waren sie fünfundzwanzig Jahre verheiratet, und für Dr. Leitner gab es keinen Zweifel, daß Ulrikes Sorgen nicht ihre

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 135

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dr. Norden Bestseller – 256–

Nur mit dir kann ich leben

Patricia Vandenberg

Dr. Leitner war maßlos überrascht, als er ans Telefon gerufen wurde und seine Sekretärin sagte, daß eine Frau Lennart ihn dringend zu sprechen wünsche.

»Ulrike, du?« fragte er staunend, nachdem ihre leise Stimme an sein Ohr tönte.

»Ja, ich, Schorsch, wann kann ich dich sprechen?« Ihre Stimme klang gehetzt.

»Worum geht es?« fragte er.

»Ich fühle mich nicht wohl, aber mein Mann soll nichts merken. Wir feiern doch nächste Woche Silberhochzeit.«

»Liebe Güte, so lange bist du schon verheiratet«, sagte er. »Was hast du denn für Sorgen, Ulrike?«

»Das kann ich nicht mit ein paar Worten erklären. Ich möchte auch nicht zu irgendeinem Arzt gehen.«

»Wann bist du denn in der Stadt?« fragte er.

»Ich kann es schon einrichten, wie du Zeit hast.«

»Dann komm doch gleich morgen gegen elf Uhr, geht das?«

»Ja, es geht. Mein Mann kommt, tschüs.«

Dr. Hans Georg Leitner, von seinen Freunden Schorsch genannt, betrachtete das Telefon nachdenklich. Er kannte Ulrike Lennart seit der Schulzeit. Damals hieß sie noch Hanold und war neben ihm die Klassenbeste gewesen, immer darauf bedacht, mit ihm Schritt zu halten. Ein zielstrebiges, energisches und sehr sportliches Mädchen. Sie hatten sich auch später noch von Zeit zu Zeit getroffen, und er war auch zu ihrer Hochzeit eingeladen worden. Sie war grad zwanzig gewesen, als der Fabrikantensohn Wolfgang Lennart sie zum Traualtar geführt hatte. Eine Traumhochzeit war es gewesen, und niemand hatte daran gezweifelt, daß es auch die große Liebe war, die beide verband.

Und nun waren sie fünfundzwanzig Jahre verheiratet, und für Dr. Leitner gab es keinen Zweifel, daß Ulrikes Sorgen nicht ihre Ehe betrafen. Daran hätte niemand gezweifelt, der nun hätte sehen können, wie zärtlich Wolfgang Lennart seine Frau zur Begrüßung küßte.

»Na, mit welchen Lieferanten hast du denn jetzt wieder telefoniert, mein Schatz?« fragte er verschmitzt. »Mach dir doch nicht zuviel Gedanken, es wird schon alles klappen. Nur der Wettergott sollte mitspielen, damit das junge Volk sich im Garten austoben kann.«

Wolfgang wäre gar nicht auf den Gedanken gekommen, daß Ulrikes sorgenvoller Gesichtsausdruck einen anderen Grund hatte als das große Fest, das sie zu ihrer Silberhochzeit planten.

»Ich fahre morgen in die Stadt und besorge noch einiges für die Dekoration. Hier hat man ja keine Auswahl«, sagte sie.

»Das könnte doch auch Jessi machen«, meinte Wolfgang. »Wo steckt sie überhaupt schon wieder?«

»Beim Zahnarzt.«

»Sie ist aber oft beim Zahnarzt«, sagte Wolfgang.

»Dr. Herzog ist eben ein ganz besonders netter Zahnarzt«, sagte Ulrike.

»Aber große Erfahrung kann er doch bei seiner Jugend noch nicht haben«, meinte Wolfgang skeptisch. »Grad erst ein halbes Jahr hat er die Praxis, und früher hat Jessica nie was mit den Zähnen gehabt.«

»Dann könnte es ja vielleicht einen anderen Grund haben, daß ihr jetzt dauernd was fehlt«, meinte Ulrike lächelnd, und da hatte sie tatsächlich ihre Sorgen vergessen. »Immerhin haben wir eine sehr hübsche Tochter, und sie ist auch schon zwanzig.«

»Noch mächtig jung«, brummte er.

»Mein Schatz, vergiß nicht, daß ich zwanzig war und du fünfundzwanzig, als wir geheiratet haben. Dr. Herzog ist neunundzwanzig, und sag bitte nicht, daß er zu alt für Jessica sei.«

»Das scheint ja schon ernste Formen anzunehmen, und der Vater wird nicht eingeweiht«, tat er empört.

»Genaues weiß ich auch nicht, aber da sie seit zwei Wochen mit verklärtem Gesicht einherwandelt, mache ich mir meine Gedanken. Er ist wirklich ein sehr netter Mensch. Und an seinen Eltern gibt es auch nichts auszusetzen.«

»Kennst du die auch schon?« fragte er.

»Vom Sehen. Sie wohnen ja gleich um die Ecke.«

»Was du nicht sagst!«

»In dem Haus, das der Redern verkauft hat.«

»Das war doch wahnsinnig teuer«, sagte Wolfgang Lennart.

»Weil die Grundstückspreise so gestiegen sind. Also haben die Herzogs auch Geld. Und nun mach dir um Jessi keine Gedanken. Die weiß, was sie will. Drück lieber Ulli die Daumen daß er das Physikum geschafft hat.«

»Zum Daumendrücken wäre es zu spät«, meinte Wolfgang, »aber der schafft schon, was er sich vornimmt. Aus Kindern werden Leute«, seufzte er.

»Aus Mädchen werden Bräute«, fügte Ulrike hinzu.

Er nahm sie in die Arme. »Und du bist schön und lieb wie eh und je«, sagte er zärtlich.

Sie hatte sich heute schon lange im Spiegel betrachtet, und sie hatte manches an sich auszusetzen gehabt. Sah er nicht die Falten, die Blässe? Sah er immer noch die junge, heitere, wahrhaft bildhübsche Ulrike von damals?

Wolfgang sah blendend aus. Ihm glaubte man nicht die fünfzig Jahre. Groß und drahtig war er, sein Haar war voll und nur an den Schläfen leicht ergraut. Immer sah er frisch aus, obgleich er meist den ganzen Tag in der Fabrik war und es gar nicht so einfach war, diese über die Flauten, die es überall gab, hinwegzubringen. Es hatte ihn anfangs schon ein bißchen geschmerzt, daß Ulrich sich für das Medizinstudium entschieden hatte, aber dann hatte er gemeint, daß sie mit dem technischen Fortschritt auf die Dauer als Mittelstandsbetrieb doch nicht Schritt halten könnten und wahrscheinlich von einem Konzern geschluckt werden würden. Also, was sollte man sich darum groß Gedanken machen. Sie hatten nie über ihre Verhältnisse gelebt, und er hatte vorgesorgt, daß sie auch ihren Lebensabend sorglos verbringen konnten, wenn dann auch die Kinder versorgt waren und auf eigenen Füßen stehen konnten. Und außerdem vertrat Wolfgang Lennart auch den vernünftigen Standpunkt, daß man es in einem Beruf nur dann zu etwas brachte, wenn man mit innerer Überzeugung bei der Sache war. Für Ulrich war der Arztberuf keine Prestigeangelegenheit, sondern ein schon früh erwachter Wunschtraum, und er hatte auch bewiesen, wie ernst es ihm mit dem Studium war.

Jessica hatte zwar auch ein gutes Abitur gemacht, aber sie hatte nicht studieren wollen. Sie besuchte einen Handelskursus, lernte Maschineschreiben und Buchführung, und einen Kochkursus besuchte sie auch. Sie würde ohnehin mal heiraten, hatte sie gesagt, und wenn es nicht klappen sollte, könnte sie mit einer Bürotätigkeit am ehesten Geld verdienen, da wäre vielleicht sogar ein Posten bei ihrem Papi frei.

Jessica war zudem ein romantisches Mädchen. Eine gute Ehe und liebe Kinder gehörten für sie zum Leben. Die Ehe ihrer Eltern war dabei freilich ein glänzendes Vorbild. Und eine solche hatte Jessica jetzt auch im Visier, denn der nette Dr. Herzog hatte ihr schnell zu verstehen gegeben, daß er sein Herz an sie verloren hatte. Bis dahin war Jessica noch ganz wohlerzogene Tochter und dementsprechend zurückhaltend gewesen, aber immerhin hatte sie ihre eigenen Gefühle auch nicht so verbergen können, daß Fabian Herzog es nicht bemerkt hätte.

An diesem Tag sagte er, daß es wohl an der Zeit wäre, ihren Eltern einen Besuch zu machen und offiziell um ihre Hand zu bitten.

»Ist das heute noch üblich?« fragte Jessica neckend.

»Jedenfalls bin ich so erzogen«, erwiderte er.

»Das wird meinen Eltern bestimmt gefallen, Fabian. Mami ahnt ja sicher schon was, denn so schlecht sind meine Zähne ja nicht.«

»Bildschön, wie das ganze Mädchen«, erklärte er begeistert, »aber wenn man auch jeden zweiten Tag zur Kontrolluntersuchung kommt, kann ja kein Schaden auftreten.« Und schon bekam sie einen langen Kuß.

»Aber gelernt habe ich sonst auch viel bei dir«, sagte sie schelmisch. »Du wirst eine perfekte Helferin haben, und die wird dich nicht mal was kosten.«

»Und wie anspruchsvoll wird meine Frau sein?« fragte er.

»Mach dir darüber keine Gedanken. Ich habe ein hübsches Bankkonto.«

Sie bekam wieder einen zärtlichen Kuß. »Aber ich bin durchaus in der Lage, mir eine Frau leisten zu können.«

»Aber nur eine, das mache ich zur Bedingung.«

»Was denkst du«, lachte er.

»Ich weiß doch mittlerweile, wie deine Patientinnen dich anhimmeln, Fabian.«

»Aber du wirst ja immer als Aufpasser neben mir stehen. Wie wäre es, wenn wir Verlobung feiern, Jessica?«

Sie strahlte. »Eine gute Idee. Am Silberhochzeitsfest, das wird die Krönung.«

»Na, hör mal, die Hauptpersonen sind aber deine Eltern.«

»Die sich aber freuen, wenn ihre Kinder glücklich sind, und ich bin ja so glücklich, Fabian. Ich wäre wirklich todunglücklich gewesen, wenn du mich nicht angeschaut hättest.«

»Wer könnte an dir vorbeischauen, Jessi? Als wir uns damals vor dem Geschäft trafen, wünschte ich gleich, daß du zu mir kommst.«

»Und als mir die Lilly von der Drogerie sagte, daß dieser flotte junge Mann der neue Zahnarzt sei, war mein Entschluß auch gleich gefaßt«, lachte Jessica. »Aber du hast mir geglaubt, daß ich Zahnschmerzen hätte.«

»Ich habe es nicht geglaubt, aber ich wäre ja blöd gewesen, dich wegzuschicken.«

Sie waren jung und paßten großartig zueinander. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, und sie waren sich einig, daß es die große Liebe war, wie bei ihren Eltern, denn auch Fabian war überzeugt, daß seine Eltern das ideale Ehepaar waren.

»Dann bereite deine Eltern mal vor, daß ich morgen meinen Antrittsbesuch machen werde, Jessi«, sagte Fabian. »Es ist Samstag, da habe ich keine Sprechstunde. Und am Nachmittag kommst du zum Kaffee zu uns. Meine Eltern sind schon informiert, und sie fragen jeden Tag, wann sich denn endlich was tun würde. Aber wir sind ja beide wohlerzogene Kinder und fallen nicht mit der Tür ins Haus.«

Sie lachten wieder im Duett. Wie herzlich sie lachen konnten, frei von allen Sorgen, nicht ahnend, daß auch sie davon nicht verschont werden würden.

*

Jessica kam strahlend nach Hause. »Nach Zahnschmerzen siehst du aber nicht aus«, stellte Wolfgang Lennart anzüglich fest.

»Ich werde bestimmt nie welche haben, Paps«, erwiderte sie lachend.

»Weil du dauernd zum Zahnarzt rennst?«

»Weil ich ihn heiraten werde. Und morgen wird er kommen und um meine Hand anhalten.«

»Du liebe Güte«, staunte Wolfgang, »ist das noch üblich?«

»Er ist genauso wohlerzogen wie ich. Ist doch prima. Da gibt es keine Konflikte. Intakte Familien, ordentliche Verhältnisse, kein Heckmeck.«

»Ich wollte morgen eigentlich in die Stadt fahren«, sagte Ulrike gepreßt.

»Am Samstag? Das muß doch nicht sein, Mami.«

»Wegen so ein paar Dekorationsartikel ist es wirklich nicht nötig«, meinte auch Wolfgang. »Der zukünftige Schwiegersohn ist ja wohl wichtiger.«

Ulrike wagte nichts mehr zu sagen, aber sie wußte auch nicht, wie sie nun Dr. Leitner absagen sollte, da sie von daheim ja nicht anrufen konnte.

Und nun kam Ulrich, ebenfalls mit strahlender Miene.

»Summa cum laude«, rief er aus und schwenkte seine Urkunde.

»Na, wenn das nicht ein Grund zum Feiern ist«, sagte Wolfgang. »Ein bestandenes Physikum und ein honoriger Schwiegersohn.«

»He, was soll das?« fragte Ulrich, »warum hast du es so eilig, Jessi?«

»Bestimmt nicht, was du denkst«, konterte sie lachend. »Aber das wird doch eine tolle Feier zu eurer Silberhochzeit!«

Ulrike mußte sich jetzt sehr zusammennehmen, aber dann gab sie sich einen Ruck. Es kommt ja doch, wie es uns bestimmt ist, ging es ihr durch den Sinn, und Schorsch wird es mir schon nicht übelnehmen, wenn ich den Termin noch hinausschiebe.

»Wieviel Leute kommen eigentlich?« fragte Ulrich in ihre Gedanken hinein.

»Vornehme Einladungen werden nicht verschickt«, erklärte Wolfgang. »Die guten Freunde wissen es genau, und wer kommen will, soll kommen, und ihr könnt euch ja in Anbetracht der dreifachen Anlässe auch noch Freunde einladen, aber die hat Ulrike ja sowieso schon mit einkalkuliert.«

»Und die Dekorationen kann ich besorgen, Mami«, sagte Jessica. »Da brauchst du dich nicht ins Stadtgewühl zu begeben. Das magst du doch sowieso nicht.«

»Ich habe ja auch Zeit«, bot Ulrich sich gleich an, »und mein Schwesterchen muß doch jetzt erst recht vor zudringlichen Mannsbildern beschützt werden.«

»Das wird Fabian dir zu danken wissen«, erwiderte Jessica.

Und dann hatte Ulrike doch noch Gelegenheit, in der Leitner-Klinik anzurufen, denn Wolfgang schlug vor, daß sie zum Abendessen zum Jagdschlössl fahren sollten.

Als die drei schon draußen waren, sagte sie, daß sie doch lieber die Stola mitnehmen wolle und ging nochmals ins Haus zurück. Schnell wählte sie die Nummer. Eine Krankenschwester meldete sich, und Ulrike bat sie, Dr. Leitner auszurichten, daß etwas dazwischengekommen sei. Sie würde sich wieder melden.

Dann griff sie nach ihrer Stola und eilte hinaus. »Das hat aber lange gedauert«, sagte Ulrich.

»Ich habe die Stola nicht gleich gefunden«, sagte Ulrike.

»Wo du doch so ordentlich bist«, scherzte Wolfgang.

»Niemand ist vollkommen«, erklärte sie darauf.

»Doch, du bist vollkommen«, sagte Wolfgang liebevoll. »Hat jemand was einzuwenden?«

»Nein«, erwiderten Jessica und Ulrich wie aus einem Munde. »Wir haben die besten Eltern«, fügte Ulrich dann noch hinzu.

»Das sagt Fabian auch von seinen Eltern«, sagte Jessica.

»Nun, das werden wir ja bald feststellen können«, meinte Wolfgang gelassen.

Sie waren schnell beim Jagdschlössl, und dort waren sie auch bekannt. Als sie die Treppe emporstiegen, knickte Ulrike leicht zusammen.

»Hoppla, was ist, mein Schatz?« fragte Wolfgang sofort besorgt.

»Nur so ein leichter Krampf im Bein. Das habe ich öfter mal«, erwiderte sie.

»Da solltest du aber doch lieber mal zum Arzt gehen«, sagte er besorgt.

»Mami geht doch nicht zum Arzt, nicht mal zum Zahnarzt«, sagte Jessica.

»Dafür wirst du schon sorgen, auch wenn meinen Zähnen nichts fehlt«, meinte Ulrike, sich zu einem Lächeln zwingend.

»Vorbeugen ist besser als heilen. In jeder Beziehung«, erklärte nun Ulrich. »Ich bestehe darauf, daß meine Eltern sich einer Generaluntersuchung unterziehen.«

»Das könnte dir so passen«, widersprach Wolfgang. »Wir warten, bis wir umsonst bedient werden.«

»Und wozu seid ihr versichert?« fragte der angehende Arzt.

»Für den Notfall, aber in der Hoffnung, daß der nicht eintritt. Dann tun mir auch die Beiträge nicht leid, die ich gezahlt habe«, sagte Wolfgang.

»Darüber werden wir uns noch mal ausführlich unterhalten, Paps«, bemerkte Ulrich ganz ernst. »Gesundheit ist nicht mit Geld zu bezahlen. Und warum werden manche Leute so alt? Weil sie nämlich dauernd zum Arzt laufen.«

»Die müssen viel Zeit haben«, sagte Wolfgang leichthin.

»Und warum sterben so viele Manager am Herzinfarkt? Weil sie nie Zeit haben, zum Arzt zu gehen«, bekamen sie von Ulrich zu hören.

»Du brauchst doch nicht jetzt schon Werbung zu betreiben, Bruderherz«, meinte Jessica neckend. »Daß du mal ein ganz toller Arzt wirst, davon sind wir doch überzeugt. Und dann kannst du mit Fabian eine Gemeinschaftspraxis gründen, weil viele Krankheiten nämlich von schlechten Zähnen kommen.«

»Du hast dich anscheinend schon hinreichend informiert«, wurde sie nun aufgezogen.

»Na, denkt ihr etwa, Fabian hat jeden Tag meine Zähne behandelt?«

Hintergedanken konnten da gar nicht aufkommen, so unbefangen, so unbekümmert war sie, und so bezaubernd. Wolfgang konnte es schon verstehen, daß Fabian Herzog da nicht viel Zeit hatte verstreichen wollen, um ihr Jawort zu bekommen, war es ihm selbst doch bei Ulrike auch nicht anders ergangen.

Ulrike vergaß ihre Kümmernisse an diesem Abend ganz, so fröhlich war die Stimmung.

*

Dagegen dachte Dr. Leitner ganz ernsthaft und besorgt über Ulrike nach, nachdem Schwester Hilde ihm ausgerichtet hatte, daß etwas dazwischengekommen sei.

»Was hast du, Schorschi?« fragte seine reizende Frau Claudia, die ganz schnell die beiden Kinder Stefanie und Claudius ins Bett bugsiert hatte, um mit ihrem Mann mal einen Abend in aller Ruhe verbringen zu können.

»Ich habe dir doch schon mal von Ulrike Lennart erzählt, Claudi.«

»Ja, deine Jugendliebe«, sagte sie neckend.

»So war es nicht. Wir haben zusammen die Schulbank gedrückt und uns eigentlich ein bißchen bekriegt, weil jeder der Klassenbeste sein wollte. Ja, ich habe sie gemocht, weil sie ein so gradliniges Mädchen war, aber du weißt doch, wie meine Mutter war. Ich hätte mir eine Freundin gar nicht leisten dürfen, solange ich noch zur Schule ging.«

»Sie hatte dich wirklich mächtig unter der Fuchtel«, sagte Claudia, »aber dafür hast du ja ein ganz sanftes, nachgiebiges Frauchen bekommen.«

Er lachte leise. »Der Schorschi ist der Herr im Haus, und was die Mami sagt, das wird gemacht, so ist es doch. Aber ich weiß es zu schätzen, mein Liebes.«

»Was ist mit der Ulrike?« fragte Claudia.

»Sie hat mich angerufen, daß sie dringend einen Termin braucht, weil sie nicht zu irgendeinem Arzt gehen möchte, aber ihr Mann soll es nicht wissen. Heute abend hat sie abtelefoniert, weil etwas dazwischengekommen sei.«

Claudia überlegte. Sie war Krankenschwester gewesen in der Leitner-Klinik und hatte kein leichtes Schicksal gehabt, bis Schorsch ihre Sorgen teilte und sie durch ihn nicht nur Liebe und Geborgenheit fand, sondern endlich auch nicht mehr mit finanziellen Sorgen, in die sie ohne Dazutun geraten war, zu kämpfen brauchte.

»Da gibt es verschiedene Erklärungen«, sagte sie nachdenklich. »Es ist Samstag und der Ehemann wollte sie begleiten, oder sie hatte einfach eine depressive Phase und hat sich etwas eingeredet.«

»Sie feiern nächste Woche Silberhochzeit, Claudi, und da war es doch merkwürdig, daß sie vorher ärztlichen Rat haben wollte.«