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Exzellent – das ist er im wahrsten Sinne des Wortes: einzigartig, schlagfertig und natürlich auch unangenehm schlagfähig. Wer ihn unterschätzt, hat schon verloren. Sein Regenschirm ist nicht nur sein Markenzeichen, sondern auch die beste Waffe der Welt. Seinem Charisma, Witz und Charme kann keiner widerstehen. Der exzellente Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! Agatha Simpson gab sich einer Lieblingsbeschäftigung hin: Sie schlenderte durch die Etagen des großen Kaufhauses, prüfte und verglich, mokierte sich über Preise und dachte nicht im Traum daran, auch nur einen einzigen Penny auszugeben. Die große, füllige Dame, schon jenseits der Sechzig, suchte nach Gelegenheiten, kostenlose Warenproben zu ergattern. Ungeniert trug sie bereits eine Plastiktüte, in der sich Werbepackungen einer französischen Luxusseife befanden. Mylady hatte den Stand mehrfach besucht und immer kaltblütig nach neuen Proben gefragt. Ebenfalls hatte sie sich neue Müsli, Zeitschriften und einige Kleinkonserven mit Nudelsauce besorgt. Gerade hielt sich Lady Agatha vor einem Wandregal auf, das mit Parfüm aller Duftnoten gefüllt war. Die majestätisch wirkende Dame suchte nach Probier-Flacons, um sich auch hier ohne Kosten bedienen zu können. Sie schien allerdings ein wenig verärgert zu sein, denn die Sprühfläschchen waren durch dünne, aber reißsichere Kettchen gesichert... Sie waren also nicht mitzunehmen. Um dennoch auf ihre Kosten zu kommen, benutzte sie ein Probierfläschchen nach dem anderen und schuf auf diese Art eine völlig neue Duftmischung. »Übertreiben Sie nicht etwas, Madam?« hörte sie hinter sich eine vorwurfsvolle Stimme. »Stellen Sie sich gefälligst vor, bevor Sie es wagen, mich anzusprechen«, raunzte die ältere Dame und wandte sich halb um. Sie sah sich einem schlanken, etwa vierzigjährigen Mann gegenüber, der einen schlichten grauen Anzug trug. »Ich gehöre zum Haus«, sagte der Mann. »Mein Name tut nichts zur Sache.« »Dann nehme ich Sie nicht zur Kenntnis«, erwiderte Agatha Simpson und...
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Seitenzahl: 124
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Agatha Simpson gab sich einer Lieblingsbeschäftigung hin: Sie schlenderte durch die Etagen des großen Kaufhauses, prüfte und verglich, mokierte sich über Preise und dachte nicht im Traum daran, auch nur einen einzigen Penny auszugeben. Die große, füllige Dame, schon jenseits der Sechzig, suchte nach Gelegenheiten, kostenlose Warenproben zu ergattern. Ungeniert trug sie bereits eine Plastiktüte, in der sich Werbepackungen einer französischen Luxusseife befanden. Mylady hatte den Stand mehrfach besucht und immer kaltblütig nach neuen Proben gefragt. Ebenfalls hatte sie sich neue Müsli, Zeitschriften und einige Kleinkonserven mit Nudelsauce besorgt.
Gerade hielt sich Lady Agatha vor einem Wandregal auf, das mit Parfüm aller Duftnoten gefüllt war. Die majestätisch wirkende Dame suchte nach Probier-Flacons, um sich auch hier ohne Kosten bedienen zu können.
Sie schien allerdings ein wenig verärgert zu sein, denn die Sprühfläschchen waren durch dünne, aber reißsichere Kettchen gesichert...
Sie waren also nicht mitzunehmen. Um dennoch auf ihre Kosten zu kommen, benutzte sie ein Probierfläschchen nach dem anderen und schuf auf diese Art eine völlig neue Duftmischung.
»Übertreiben Sie nicht etwas, Madam?« hörte sie hinter sich eine vorwurfsvolle Stimme.
»Stellen Sie sich gefälligst vor, bevor Sie es wagen, mich anzusprechen«, raunzte die ältere Dame und wandte sich halb um. Sie sah sich einem schlanken, etwa vierzigjährigen Mann gegenüber, der einen schlichten grauen Anzug trug.
»Ich gehöre zum Haus«, sagte der Mann. »Mein Name tut nichts zur Sache.«
»Dann nehme ich Sie nicht zur Kenntnis«, erwiderte Agatha Simpson und... sprühte den Mann ausgiebig ein. Dabei konzentrierte sie sich auf sein Gesicht, was gewisse Auswirkungen auf die Sehfähigkeit hatte. Der Mann, der zum Haus gehörte, jaulte auf und rieb sich ausgiebig die Augen. Als er wieder einigermaßen sehen konnte, war Lady Simpson bereits verschwunden und hatte sich in die Buchhandlung des Warenhauses begeben. Es ging um eine Neuerscheinung, wie große Werbeplakate verhießen. Man stellte ein Handbuch für Astrologie vor und lud potentielle Kunden ein, sich ein Tages-Horoskop stellen zu lassen. Zuständig dafür war ein Computer, in den man nur ein paar persönliche Daten einzugeben hatte. Der Ausdruck sollte kostenlos sein, was Mylady ungemein erfreute.
Bedient wurde die Anlage von einer jungen Angestellten, die sich über mangelndes Interesse nicht zu beklagen hatte. Vor ihrer kleinen Kabine hatte sich bereits eine Schlange von Kunden gebildet, die unbedingt erfahren wollten, was der Rest des Tages für sie noch bringen würde.
»Das nenne ich Höflichkeit«, sagte Lady Agatha mit Stentorstimme, als sie sich an die Spitze der Schlange stellte und nickte den Wartenden huldvoll zu. »Sie nehmen wenigstens noch Rücksicht auf eine hilflose Frau.«
Die ältere Dame überhörte das protestierende Gemurmel der Leute und zwängte sich in die kleine Kabine. Sie nannte der Angestellten einige Daten, die sich auf ihren Geburtstag bezogen und vergewisserte sich anschließend noch mal, daß der Ausdruck auch tatsächlich kostenlos wäre. Dann lehnte sie sich auf dem schmalen Drehsessel zurück, auf dem sie Platz genommen hatte.
»Ich habe nichts dagegen, Kindchen, wenn Sie mir einen Wochenausdruck anfertigen«, sagte sie freundlich. »Für Ihre Maschine dürfte das doch eine Kleinigkeit sein.«
»Der Computer ist nur für diesen Tag gefüttert«, lautete die Antwort.
»Ein schlechter Kundendienst«, mäkelte die ältere Dame an dieser Antwort herum. »Stimmen die Angaben wenigstens?«
»Die Sterne sollen nicht lügen, Madam«, gab die Angestellte freundlich zurück. »Alles hängt davon ab, wie Sie den Ausdruck deuten.«
Der Computer arbeitete bereits. Kleine Kontroll-Lampen blinkten und zwinkerten. Ein Summen und Piepen war zu vernehmen, dann ratterte der Nadeldrucker und spie einen Ausdruck aus, der seiner Länge nach an einen mittelgroßen Teppichläufer erinnerte.
Mylady nickte beeindruckt.
»Nun, das sieht ja zumindest recht gut aus«, sagte sie und nahm ihren Ausdruck in Empfang. »Was bedeuten die fetten Zeilen, meine Liebe?«
»Einen Hinweis auf besonders wichtige Stunden, Madam«, antwortete die Angestellte. »Hier steht, daß Sie für den Rest des Tages mit Überraschungen zu rechnen haben.«
»Sehr gut«, freute sich Lady Agatha. Sie war eine Frau, die Langeweile haßte.
»Sie werden einem Menschen begegnen, Madam, mit dem Sie sich nicht leichtsinnig befassen sollten.« Die Angestellte war eine geübte Verkäuferin und hütete sich, bei dieser allgemeinen Aussage auch nur andeutungsweise zu lächeln.
»Ich bin niemals leichtsinnig, meine Liebe«, machte die ältere Dame deutlich. »Deshalb werde ich das Buch auch erst dann kaufen, wenn sich herausstellt, daß es keinen Humbug enthält.«
Lady Agatha nahm den Ausdruck an sich und machte sich auf den Weg, um früher oder später einem Menschen zu begegnen, mit dem sie sich auf keinen Fall leichtsinnig befassen sollte.
Sie ahnte noch nicht, wie ungemein zutreffend ihr Horoskop war.
*
Josuah Parker war der Butler, wie man ihn nur noch in Filmen zu sehen bekam. Er war etwas über mittelgroß, hatte den kaum wahrnehmbaren Ansatz eines Bauches, wirkte völlig alterslos und trug die ausdruckslose Miene eines professionellen Pokerspielers zur Schau. Zu dem schwarzen Zweireiher paßte ein weißes Hemd mit Eckkragen und schwarzer Krawatte. Auf Parkers Kopf saß ein schwarzer Bowler, im Volksmund auch Melone genannt. Am angewinkelten linken Unterarm hing ein altväterlich gebundener Regenschirm.
Dieser hochherrschaftliche englische Butler stand in Diensten einer gewissen Agatha Simpson und hielt seine stets schützende Hand über sie. Lady Agatha betrachtete sich als Amateur-Detektivin und ließ kein Fettnäpfchen aus, in das sie treten konnte.
Zur Zeit sorgte sich Parker ein wenig um seine Herrin.
Agatha Simpson hatte in der Cafeteria des Warenhauses eine Teepause genommen und dazu ausgiebig Gebäck geknabbert. Danach war sie aufgestanden, um sich die Nase zu pudern, wie sie diskret angedeutet hatte. Das war vor etwa zwanzig Minuten der Fall gewesen.
Parker wunderte sich darüber, daß Mylady noch nicht zurückgekehrt war. Und er machte sich zusätzlich Sorgen. Ihm war nur zu bekannt, daß die ältere Dame ausgesprochen spontan reagierte, was ihre inneren Eingebungen betraf. Sollte sie den Toilettentrakt auf einem anderen Weg verlassen haben? Befand sie sich wieder in den Verkaufsräumen des Hauses?
Er stand auf und schritt gemessen aus der Cafeteria. An einem nahen Verkaufsstand für Porzellane aller Art fragte er eine Verkäuferin nach Lady Simpson. Er nannte natürlich keinen Namen, sondern beschrieb nur das eindrucksvolle Äußere der gesuchten Dame.
Die Verkäuferin hatte Mylady erst vor wenigen Minuten drüben in der Buchabteilung ausgespäht. Parker bedankte sich höflich und begegnete einem Mann, der sich die Augen mit einem Taschentuch ausgiebig wischte. Er schien etwas sehgestört zu sein, denn er wurde von einer Angestellten behutsam geführt.
Parker dachte unwillkürlich an seine Herrin.
Er erkundigte sich bei dem Sehbehinderten nach Lady Agatha und beschrieb sie dazu.
»Guter Gott«, stöhnte der Mann und zuckte zusammen. »Ich ... ich hatte Kontakt mit der Dame. Kennen Sie sie vielleicht?«
»Wer maßt sich schon an, einen Menschen wirklich zu kennen?« antwortete Parker ausweichend. »Warum fragen Sie überhaupt, Sir?«
»Sie hat mir eine Lösung Parfüm in die Augen gesprüht«, beklagte der Angestellte sich, »und zwar absichtlich.«
»Vielleicht und möglicherweise handelt es sich um ein beklagenswertes Mißverständnis«, erwiderte Parker. »Darf man sich erlauben, Ihnen gute Besserung zu wünschen?«
Der Butler wußte nun, daß er auf der richtigen Spur war.
Lady Agatha lustwandelte durch die Verkaufsetagen und hinterließ Spuren. Wo sie sich allerdings momentan befand, konnte er nicht sagen, doch er hielt sicherheitshalber Ausschau nach Menschenansammlungen. Zu seiner Erleichterung konnte er davon nichts sehen, schritt weiter und atmete tief durch, als er Mylady dann doch entdeckte.
Sie unterhielt sich gerade intensiv mit einem rundlichen Herrn, der ihr den Weg zur Rolltreppe abgeschnitten hatte. Sie hatte ihn gezielt in eine Verkaufsgondel gedrückt und bot ihm gerade Ohrfeigen an.
»Wagen Sie es nicht noch mal, eine hilflose Frau zu bedrängen«, erklärte sie gerade. »Ich könnte sonst sehr ärgerlich werden.«
»Mylady haben Schwierigkeiten?« fragte Parker, als er Agatha Simpson erreicht hatte.
»Dieser Lümmel wollte mich die Treppe hinabstoßen«, behauptete die passionierte Detektivin grollend.
Der Mann hatte sich aus der Verkaufsgondel wieder hochgearbeitet, warf einen mehr als scheuen Blick auf die stattliche Frau, schluckte und setzte sich dann schleunigst ab. Er verzichtete auf jede Erklärung.
»Was diese jungen Leute sich herausnehmen«, entrüstete sich Lady Agatha und meinte damit eindeutig den Kunden, der mit Sicherheit fünfundvierzig Jahre zählen mochte. »Man muß den Anfängen wehren, Mister Parker. Man darf sich als Frau nichts gefallen lassen.«
»Mylady wollen zurück nach Shepherd’s Market fahren?«
»Wo haben Sie nur gesteckt, Mister Parker?« fragte sie, während sie nickte.« Sie hätten sich ein kostenloses Tages-Horoskop stellen lassen können.«
»Mylady machten von diesem Angebot bereits Gebrauch?«
»Selbstverständlich«, lautete die Antwort. »Und ich weiß, daß ich für den Rest des Tages mit einer faustdicken Überraschung rechnen muß, Mister Parker.«
Der Butler hoffte inständig, daß das Horoskop nicht zutreffen würde.
*
Älter als fünfundzwanzig Jahre konnte der junge Mann kaum sein, der hinter einem mächtigen Pfeiler der Tiefgarage Stellung bezogen hatte. Er trug einen Jeansanzug, Tennisschuhe und eine enganliegende Wollmütze. Der Wartende rauchte nervös und spähte immer dann zu den Fahrstühlen hinüber, wenn die Türen sich öffneten.
Für Kunden in kleineren oder größeren Gruppen, die aus einem der Fahrstühle traten, zeigte der Mann kein Interesse. Doch das änderte sich, wenn Einzelpersonen die Tiefgarage betraten. Männer übersah er, doch Frauen schienen ihn zu elektrisieren.
Er schätzte sie ab, was ihre Einkaufstüten, betraf, blieb aber stets in Deckung und verfolgte den Weg der Frauen. Einige Male traf er Anstalten, solch eine Frau zu verfolgen, und zwar immer dann, wenn sie auf Wagen der gehobenen Mittelklasse zuhielten. Doch im letzten Augenblick zog er sich wieder in Deckung zurück, wenn einfahrende Wagen auf dem Parkdeck erschienen oder die Türen der Fahrstühle sich wieder öffneten. Der Mann schien viel Zeit zu haben.
Dann interessierte er sich für eine große, majestätisch aussehende Dame, die aus einem der Fahrstühle kam. Sie trug eine Plastiktüte, die einen gut gefüllten Eindruck machte.
Diese Dame, die er auf sechzig schätzte, steuerte einen Bentley an, der nicht weit entfernt parkte. Sie schien für ihn ein durchaus lohnendes Opfer zu sein, wie sich bald darauf zeigte.
Der junge Mann schob sich um den Betonpfeiler herum und pirschte auf leisen Sohlen an die Dame heran. Er übersah leichtsinnigerweise einen perlenbestickten Pompadour am linken Handgelenk seines Opfers. Er konzentrierte sich auf die Plastiktüte, von deren Inhalt er sich offenbar einiges versprach.
»’n Augenblick mal«, sagte er, als er knapp hinter seinem Opfer stand. Er drückte seinen linken Zeigefinger gegen die linke Hüfte der Frau. »Beim ersten Schrei stech’ ich zu, klar?«
Die Dame blieb wie erstarrt stehen.
»Und jetzt raus mit der Tüte«, forderte der Mann sein Opfer mit leiser, eindringlicher Stimme auf. »Un’ keinen Schrei, Mädchen, sonst fließt Blut.«
»Schon gut«, antwortete die Überfallene mit baritonaler Stimme. »Das ist ein Angriff, nicht wahr?«
»Schnell geschaltet, Mädchen«, lobte der Dieb. »Rüber mit der Tüte!«
»Natürlich, natürlich«, erwiderte die Frau und ... trat energisch nach hinten aus. Der Absatz des wirklich nicht kleinen Schuhs traf das Schienbein des jungen Mannes, worauf er gequält stöhnte und nach vorn knickte.
Die ältere Dame drehte sich erstaunlich schnell um und setzte ihren perlenbestickten Handbeutel gezielt auf die Nase des Wegelagerers. Der Getroffene stieß einen dumpfen Laut aus, wurde nach hinten geworfen und krachte gegen die Breitseite eines parkenden Wagens. Anschließend rutschte er zu Boden und blieb benommen liegen. Er hatte das Gefühl, von einem auskeilenden Pferd getroffen worden zu sein. Er wollte sich hochdrücken, rutschte jedoch wieder haltlos in sich zusammen.
»Wenn man Sie braucht, sind Sie natürlich nicht da, Mister Parker«, sagte Lady Agatha und wandte sich ihrem Butler zu, der sich näherte. »Um ein Haar wäre ich beraubt worden. Schauen Sie sich dieses Subjekt an!«
»Meine Wenigkeit sah sich leider gezwungen, einen anderen Fahrstuhl zu nehmen«, antwortete Parker. »Leider paßten nur noch Mylady in die bereits überfüllte Kabine.«
Josuah Parker beugte sich über den stöhnenden Mann, dessen Nase ein wenig windschief aussah. Mit der Fingerfertigkeit eines erfahrenen Taschendiebes durchsuchte er die Taschen des jungen Mannes und brachte einige Gegenstände an sich, die er in seinen Taschen verschwinden ließ.
»Sollte ich nicht besser noch mal zulangen, Mister Parker?« fragte sie besorgt. »Er könnte mich schließlich noch mal anfallen.«
»Mylady leisteten bereits das, was man ganze Arbeit zu nennen pflegt«, gab Josuah Parker zurück. »Der Dieb wird sich auf eine mittelschwere Gehirnerschütterung gefaßt machen müssen.«
»Sehr erstaunlich«, murmelte Agatha Simpson, die plötzlich einen versonnenen Eindruck machte. »Ist Ihnen nicht etwas aufgefallen, Mister Parker?«
»Mylady?« Parker blickte seine Herrin abwartend an.
»Mein Tages-Horoskop«, redete sie weiter. »Es ist genau eingetroffen. Die Sterne lügen also doch nicht.«
»Eine Frage der Anschauung, Mylady, würde meine bescheidene Wenigkeit sagen.«
»Verstauen Sie dieses Subjekt im Wagen, Mister Parker«, verlangte sie. »Ich werde inzwischen noch mal hinauffahren und mir das Handbuch für Astrologie kaufen. Haben Sie ein paar Pfundnoten bei sich? Ich fürchte, mein Kleingeld reicht nicht.«
*
Der junge Mann blickte Mylady scheu an. Dann aber konzentrierte sein Blick sich auf den Pompadour der älteren Dame, von dem er so nachhaltig getroffen worden war.
»Ich erwarte ein rückhaltloses Geständnis, junger Mann«, raunzte Lady Simpson ihn an. »Wie viele Frauen haben Sie bisher angefallen und ausgeraubt?«
Mylady, Parker und der Wegelagerer aus der Tiefgarage standen in einem längst stillgelegten Lagerschuppen der East India Docks. Man war unter sich. Außer einigen neugierigen Ratten war sonst kein Zuschauer zu sehen.
»Ich... hab’s erst heute mal versucht«, beteuerte der Mann, der Lem Stiller hieß, wie Parker bereits wußte.
»Was halte ich von dieser Aussage, Mister Parker?« Die ältere Dame wandte sich an ihren Butler.
»Mylady gehen davon aus, belogen worden zu sein«, gab Parker zurück.
»Das will ich meinen.« Sie nickte nachdrücklich. »Und darauf reagiere ich stets allergisch.«
»Ich hab ja noch nich’ mal ’ne Waffe dabei gehabt«, verteidigte sich Lem Stiller.
»Von einem Messer und einem Stück Kabel abgesehen, Mister Stiller«, stellte der Butler fest. »Aber Mylady hat keineswegs die Absicht, sich noch länger mit Ihnen abzugeben.«
»Sie lassen mich laufen?« Die Stimme des Wegelagerers klang ungläubig.
»Nicht im wahrsten Sinn des Wortes«, entgegnete Parker gemessen. »Mylady wird Ihnen die Möglichkeit nehmen, sich wieder ungesetzlich zu betätigen.«
»Wie war das?« Lem Stiller zwinkerte.
»Mylady denkt in diesem Zusammenhang an Brunnenschächte, die seinerzeit zur eigenen Wasserversorgung angelegt wurden.«
»Und was ist damit?« Die Stimme des jungen Mannes wurde schlagartig heiser.
»Mylady wird Sie einladen, in solch einen Tiefbrunnen zu steigen.«
»Wollen Sie mich... umbringen?« Der Mann atmete hastig durch.
»Sie sehen doch noch recht gesund und kräftig aus«, stellte die ältere Dame fest. »Einige Tage werden Sie bestimmt durchhalten. Oder sehen Sie das anders, Mister Parker?«
»Mylady können davon ausgehen, daß Mister Stiller mit Sicherheit das Wochenende noch erleben wird.«
»Heute is’ doch erst Dienstag«, stöhnte Stiller.
»Sie werden sich allerdings ein wenig langweilen«, vermutete der Butler.
»Und ... und wer holt mich da wieder raus?« wollte Lem Stiller wissen. Seine Stimme war noch heiserer geworden.
»Mylady wird sich rechtzeitig an Sie erinnern«, beruhigte der Butler ihn. »Sie sollten sich also keine unnötigen Sorgen machen.«
Während der Butler sprach, baute er sich vor einem gußeisernen und kreisrunden Kanaldeckel auf, der im Beton des Bodens eingelassen war. Er machte Stiller damit optisch klar, was ihn erwartete.