Parker und der zweite Robin Hood - Günter Dönges - E-Book

Parker und der zweite Robin Hood E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Exzellent – das ist er im wahrsten Sinne des Wortes: einzigartig, schlagfertig und natürlich auch unangenehm schlagfähig. Wer ihn unterschätzt, hat schon verloren. Sein Regenschirm ist nicht nur sein Markenzeichen, sondern auch die beste Waffe der Welt. Seinem Charisma, Witz und Charme kann keiner widerstehen. Der exzellente Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Das war mal wieder ein typischer Verwandtenbesuch, Mister Parker«, klagte Lady Agatha aus dem Fond von Parkers Privatwagen. »Ich habe mich tödlich gelangweilt.« »Sehr bedauerlich, Mylady«, stimmte der Butler höflich zu, »zumal man Mylady unter Vorspiegelung falscher Tatsachen aufs flache Land gebeten hat.« »Richtig, Mister Parker, Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Aber das passiert mir kein zweites Mal, das garantiere ich!« Parker verzichtete darauf, seiner Herrin zu antworten. Außerdem erforderte die schmale Straße seine volle Aufmerksamkeit. Man bewegte sich durch eine landschaftlich reizvolle Gegend für erholungsuchende Großstädter. Entsprechend war der am Sonntagnachmittag zurückflutende Verkehr. »Was soll das, Mister Parker, wollen Sie mich etwa umbringen?!« Lady Agatha schrak jäh aus ihren Gedanken auf, als der Butler plötzlich scharf bremste und sein hochbeiniges Monstrum zum Stehen brachte. Durch dieses Manöver wurde sie nach vorn geschleudert. Die eigenwillige Hutschöpfung machte sich selbständig und rutschte der Trägerin tief ins Gesicht, so daß die ältere Dame einen Augenblick nichts mehr sehen konnte ... »Pardon, Mylady«, entschuldigte sich Parker, »aber aus bislang noch nicht ersichtlichen Gründen kommt es zu einem gewissen Stau, der diesen abrupten Halt notwendig machte.« »Heute läuft aber auch alles schief!« Lady Agatha schüttelte resigniert den Kopf und begriff ihr Pech nicht. »Erst lockt mich die langweilige Sarah hierher und stiehlt meine kostbare Zeit, und jetzt gerate ich in eine Verkehrsmisere und muß womöglich stundenlang herumstehen.«

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Der exzellente Butler Parker – 21 –

Parker und der zweite Robin Hood

Günter Dönges

»Das war mal wieder ein typischer Verwandtenbesuch, Mister Parker«, klagte Lady Agatha aus dem Fond von Parkers Privatwagen. »Ich habe mich tödlich gelangweilt.«

»Sehr bedauerlich, Mylady«, stimmte der Butler höflich zu, »zumal man Mylady unter Vorspiegelung falscher Tatsachen aufs flache Land gebeten hat.«

»Richtig, Mister Parker, Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Aber das passiert mir kein zweites Mal, das garantiere ich!«

Parker verzichtete darauf, seiner Herrin zu antworten. Außerdem erforderte die schmale Straße seine volle Aufmerksamkeit. Man bewegte sich durch eine landschaftlich reizvolle Gegend für erholungsuchende Großstädter. Entsprechend war der am Sonntagnachmittag zurückflutende Verkehr. »Was soll das, Mister Parker, wollen Sie mich etwa umbringen?!« Lady Agatha schrak jäh aus ihren Gedanken auf, als der Butler plötzlich scharf bremste und sein hochbeiniges Monstrum zum Stehen brachte. Durch dieses Manöver wurde sie nach vorn geschleudert. Die eigenwillige Hutschöpfung machte sich selbständig und rutschte der Trägerin tief ins Gesicht, so daß die ältere Dame einen Augenblick nichts mehr sehen konnte ...

»Pardon, Mylady«, entschuldigte sich Parker, »aber aus bislang noch nicht ersichtlichen Gründen kommt es zu einem gewissen Stau, der diesen abrupten Halt notwendig machte.«

»Heute läuft aber auch alles schief!« Lady Agatha schüttelte resigniert den Kopf und begriff ihr Pech nicht. »Erst lockt mich die langweilige Sarah hierher und stiehlt meine kostbare Zeit, und jetzt gerate ich in eine Verkehrsmisere und muß womöglich stundenlang herumstehen.«

»Man wird sich umgehend über die Ursache informieren und Mylady Bericht erstatten«, versprach Parker und drückte die Tür auf. »Bis dahin könnten Mylady vielleicht den möglicherweise angegriffenen Kreislauf stärken.«

Der Butler öffnete den hinteren Wagenschlag und reichte seiner Herrin den silbernen Verschluß seiner Taschenflasche, den sie seufzend entgegennahm. »Ich fühle mich tatsächlich etwas schwach, Mister Parker«, gestand sie, während sie die Verschlußkappe leerte. »Ich fürchte, ich werde mich gleich einer Ohnmacht hingeben müssen.«

Parker verstand und wirkte dem drohenden Ohnmachtsanfall durch einen zweiten Becher Medizin entgegen. »Mylady überstehen jetzt möglicherweise die wenigen Minuten bis zur Rückkehr meiner bescheidenen Wenigkeit?« erkundigte er sich, während er höflich die Melone lüftete.

»Ich bin nicht sicher, Mister Parker, lassen Sie mir vorsichtshalber die Arznei da«, bat sie und strich sich theatralisch über die Stirn. »Ich werde versuchen, solange durchzuhalten.«

»Man wird sich beeilen«, versprach Parker, während er der älteren Dame die lederumhüllte Flasche mit der Medizin reichte. »Möglicherweise ist der Stau nur kurzfristiger Natur, so daß Mylady in wenigen Minuten die Fahrt fortsetzen können.«

Agatha Simpson lehnte mit leidender Miene in der Wagenecke und hob eine Hand zum schwachen Gruß. »Hoffentlich treffen Sie mich bei Ihrer Rückkehr noch lebend an, Mister Parker«, hauchte sie, während sie den Becher an die Lippen führte. »Ich glaube, meine Tage sind gezählt.«

*

Nachdenklich kehrte der Butler zu seinem Wagen zurück. Er hatte an der Einmündung zum Motorway eine Ampel entdeckt, die einen mehr als nur provisorischen Eindruck machte. Diese Signalanlage war auf der Ladefläche eines Kleintransporters installiert und wurde von dessen Fahrer offensichtlich mehr oder weniger willkürlich geschaltet.

Vor der Ampel hatte sich eine Autoschlange gebildet, an der zwei seltsam gekleidete Gestalten entlanggingen und sich hin und wieder zu einem der Wagen herunterbeugten, um durch entsprechende Handzeichen den Fahrer zum Öffnen der Seitenscheiben zu bewegen. Bemerkenswert war, daß es sich ausschließlich um Fahrzeuge sogenannter Nobelmarken handelte.

»Geht es endlich weiter, Mister Parker?« erkundigte sich die Lady seufzend. »Ich habe nicht die Absicht, hier den Rest meines Lebens zu verbringen.«

»Der erzwungene Halt hat möglicherweise eine irreguläre Ursache«, berichtete Parker, während er sich ans Steuer setzte. »Es hat den Anschein, Mylady, als hätte man eine Ampel installiert, um die Insassen sogenannter Luxuskarossen ansprechen zu können.«

»Und welchem Zweck könnte das dienen, Mister Parker?« Die passionierte Detektivin genas von einer Sekunde zur anderen und richtete sich ruckartig auf. »Ich spüre es deutlich, ein neuer Fall lockt!«

»Ein Eindruck, dem sich meine bescheidene Wenigkeit auf keinen Fall verschließen möchte«, stimmte der Butler höflich zu. »Myladys Gespür für das Verbrechen ist allgemein bekannt, wenn man sich diesen Hinweis erlauben darf.«

»Sie dürfen, Mister Parker, Sie dürfen!« Agatha Simpson nickte ihrem Butler via Rückspiegel huldvoll zu, um dann ungeduldig nach vorn zu schauen. »Wann bekomme ich denn endlich etwas zu sehen, Mister Parker?« klagte sie, während sie nach ihrem Pompadour tastete. »Ich hoffe doch sehr, daß mein Eingreifen erforderlich wird.«

In diesem Augenblick traten die beiden seltsam gekleideten Gestalten neben den Wagen vor Parkers hochbeinigem Monstrum. Es handelte sich um einen Rolls-Royce, dem Kennzeichen nach in London zugelassen. Die Gestalt neben der Fahrerseite gestikulierte wild mit den Händen und bedeutete dem Mann am Lenkrad, die Seitenscheibe zu senken.

»Meine Güte, wie sehen die denn aus?« Lady Agatha beugte sich etwas weiter vor, um bessere Sicht zu haben, und starrte verblüfft auf die beiden Männer neben der Luxuskarosse. Sie schienen aus einer längst vergangenen Zeit zu stammen.

Auf der Fahrerseite erkannte man einen mehr oder weniger jungen Mann, der ganz in Grün gekleidet war. Er trug ein kurzes Wams mit pelzverbrämten Ärmellöchern, kurze, sogenannte Pumphosen und dazu lange Strümpfe. Seine Stiefel lagen eng an und reichten ihm bis über die Knie. Auf dem Kopf saß eine Art Jägerkappe mit neckisch wippender Feder. In den Händen hielt der Mann eine bedrohlich wirkende Armbrust, die wie zufällig auf den Fahrer des Rolls-Royce zielte.

Der Begleiter war ein herkulisch gebauter Mann mit spiegelnder Glatze. Er hatte eine lange, bis auf den Boden reichende braune Kutte an, die sehr grob wirkte und in der Mitte von einem dicken Strick zusammengehalten wurde. Dieser Mönch, um den es sich offensichtlich handelte, hatte seine Hände in die weiten Ärmel der Kutte geschoben und blickte lächelnd in den Wagen neben sich.

»Was soll das bedeuten, Mister Parker? Sagen Sie, was mir zu diesen beiden seltsamen Leuten einfällt...«, verlangte die ältere Dame und starrte weiter fasziniert nach vorn durch die Windschutzscheibe.

Der Rolls-Fahrer war inzwischen der Aufforderung des »Grünen« nachgekommen und hatte seine Seitenscheibe herabgleiten lassen. Parker registrierte aufmerksam, daß sich sofort die Armbrust durch das offene Fenster schob und der eingelegte Pfeil fast den Fahrer berührte.

»Man scheint es mit einem gewissen Mister Robin Hood zu tun zu haben«, vermutete Parker, an seine Herrin gewandt. »Bei dem zweiten Herrn dürfte es sich um einen gleichfalls nicht ganz unbekannten ›Bruder‹ handeln, der sich Mister Hood angeschlossen hat, um gegen die ungerechte Obrigkeit zu kämpfen.«

»Mir ist, als hätte ich diesen Namen schon mal gehört«, überlegte Agatha Simpson. »Aber ist das alles nicht schon lange her?«

»In der Tat, Mylady. Aber wie man sieht, wiederholt sich offenbar vieles im Lauf der Zeit.«

Der Fahrer des Rolls-Royce reichte in diesem Augenblick etwas zum Seitenfenster hinaus, das der Mann in Grün entgegennahm. Einen Moment später wandten sich der »Grüne« und sein Begleiter von dem Wagen vor Parkers hochbeinigem Monstrum ab und gingen achtlos weiter. Im Rückspiegel sah Parker, wie sie ein ganzes Stück weiter hinten stehenblieben und sich zu einem silbergrauen Jaguar niederbeugten.

»Die beiden Lümmel haben mich keines Blickes gewürdigt, Mister Parker. Was sage ich dazu?«

»Der Privatwagen meiner bescheidenen Wenigkeit dürfte nicht den Anforderungen der beiden Herren entsprochen haben«, vermutete der Butler. »Wie die Sage zu berichten weiß, raubte Mister Hood ausschließlich die Begüterten aus, um deren Geld unter die Armen zu verteilen.«

»Und Sie meinen, so was passiert jetzt auch wieder?« erkundigte sich Agatha Simpson animiert. »Ich finde, das ist eine recht hübsche Idee, Mister Parker.«

»Wenngleich nicht ganz mit geltendem Recht in Einklang zu bringen, Mylady«, bemerkte Parker gemessen, »zudem könnten auch weniger edle Motive hinter einer solchen Handlungsweise stehen, wie Mylady bereits vermuten.«

»Nun ja, Mister Parker, das ist allerdings richtig.« Die Lady nickte nachdenklich und war felsenfest der Überzeugung, daß Parker genau das in Worte gekleidet hatte, was sie insgeheim vermutete. »Es geschieht immer wieder, Mister Parker, daß man scheinbar edle Motive vorgibt, um verbrecherische Ziele zu tarnen. Trauen Sie nie dem äußeren Schein, er trügt nur allzu oft, beherzigen Sie das für Ihre Zukunft, wenn Sie nicht früher oder später einen Reinfall erleben wollen.«

»Man wird Myladys Ratschlag zu schätzen wissen«, versprach Parker und stieß seine Wagentür auf. »Es hat den Anschein, als käme es hinter Mylady zu einer kleinen Meinungsverschiedenheit.«

»Ach, tatsächlich?« Agatha Simpson öffnete ihrerseits die Tür und stieg überraschend schnell aus. Der mit einem soliden Hufeisen gefüllte Handbeutel baumelte an ihrem Arm und wartete nur darauf, eingesetzt zu werden.

*

»Das ist Wegelagerei!« brüllte der Jaguarfahrer so laut, daß es die Lady und Parker, die gut und gern fünf oder sechs Wagenlängen entfernt waren, mühelos verstanden. »Ich denke nicht daran, auch nur einen Penny zu zahlen!«

Im nächsten Augenblick drückte der Mann die Tür seines Wagens heftig auf, offenbar in der Absicht, den Grüngekleideten zu treffen. Der aber erwies sich als wachsam, sprang reaktionsschnell zur Seite und entging dem Anschlag. Der Jaguarfahrer fiel dabei halb aus seinem Wagen und wurde von einem mächtigen Schlag ins Genick getroffen, den ihm Pseudo-Robin Hood mit dem Kolben seiner Armbrust versetzte.

Auch der Beifahrer versuchte sein Glück und handelte. Er hatte die Seitenscheibe gesenkt und beugte sich aus dem offenen Fenster, um nach dem daneben stehenden »Mönch« zu greifen. Trotz seines Bauches erwies sich dieser jedoch als nicht weniger reaktionsschnell.

Der »fromme Bruder« trat etwas zurück und gelangte aus der Reichweite der zupackenden Hände. Im nächsten Augenblick stand er wieder direkt neben dem offenen Fenster und griff seinerseits zu. Er zerrte den überraschten Beifahrer mit einer Hand aus dem Wagen, ballte die andere Hand zur Faust und ließ sie auf den Hinterkopf des überrumpelten Mannes sausen.

Der Fahrer des Jaguars wollte noch immer nicht aufgeben, sprang auf die Füße und drang ungestüm auf »Robin Hood« ein, der zurückwich und seine Armbrust in Anschlag brachte.

Bevor er jedoch abdrücken konnte, griff Lady Agatha ein. Sie blieb stehen, zielte kurz und schickte dann ihren perlenbestickten Pompadour auf die Reise. Der Handbeutel sauste schwungvoll durch die Luft, beschrieb eine leichte Parabel und senkte sich dann auf den Hut des Grüngekleideten.

Die an sich schon zerbeult wirkende Kopfbedeckung wurde noch mehr außer Form gebracht, die bis dahin lustig vor sich hinwippende Feder geknickt, und der Träger des Jägerhütchens fühlte jähen Kopfschmerz, der ihn zwang, seine kriegerischen Pläne aufzugeben. Er ließ die Armbrust sinken, griff sich an den Kopf und gab sich, zu Boden gesunken, seinem Leid hin.

Auch der »Mönch« machte eine schmerzliche Erfahrung. Zunächst hatte er die Absicht, weiter auf den Beifahrer einzudreschen, um dessen Widerspruchsgeist zu brechen. Bevor er aber zur Tat schreiten konnte, wurde er von einem harten Gegenstand getroffen, der gegen seinen Schädel prallte.

Dieser Gegenstand hatte sich ebenso lautlos wie plötzlich genähert und ihn völlig überraschend aus dem Konzept gebracht. Der Mann in der Kutte schüttelte benommen den Kopf und mußte sich erst mal an der Karosserie des Jaguars stützen, um nicht umzufallen.

»Nicht schlecht, Mister Parker, aber wohl doch etwas zu schwach«, kommentierte Lady Agatha, die Parkers Schuß mit der Gabelschleuder kritisch verfolgt hatte. »Sie sind wieder mal viel zu rücksichtsvoll, aber das bin ich ja gewohnt.«

»Man wird sich um Besserung bemühen«, versprach Parker und legte eine neue, hart gebrannte Tonmurmel in seine Schleuder, die im Grund nichts weiter als die Weiterentwicklung jener sogenannten Zwille war, wie sie Lausbuben seit altersher benutzten, um damit diverse Schäden anzurichten.

Während er die Schleuder erneut aktivierte, um sein Ziel aufzunehmen, stieß der Jaguar-Beifahrer seine Tür auf und stürzte sich auf den »Mönch«, um ihn in ein Handgemenge zu verwickeln. Parker sah sich gezwungen, seine Schleuder zu senken und vorläufig auf einen Schuß zu verzichten, um den Mann aus dem Jaguar nicht zu gefährden.

»Robin Hood«, hatte sich mittlerweile von Myladys Niederschlag via Handbeutel erholt und setzte sich ab. Er verschwand hinter einer Buschreihe, die die Straße säumte, und entschwand damit den Blicken. Einen Moment später schüttelte der »Mönch« seinen Widersacher ab und folgte ihm.

*

»Nicht zu fassen«, staunte Kathy Porter, die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady, und schüttelte den Kopf, als Agatha Simpson ihre farbige Erzählung beendete.

»Und die beiden Banditen sind Ihnen entkommen?« erkundigte sich Mike Rander mit mildem Spott in der Stimme. Rander war Anwalt und Vermögensverwalter der resoluten Dame und sah einem bekannten James-Bond-Darsteller verblüffend ähnlich. Er lehnte lässig am Kamin in der großen Wohnhalle des altehrwürdigen Fachwerkhauses in Shepherd’s Market und blickte die Lady belustigt an.

»Nun ja, mein Junge, Sie kennen doch Mister Parker!« Lady Agatha maß ihren Butler mit strengem Blick und schüttelte entsagungsvoll den Kopf. »Ich allein hätte die beiden Strolche nie und nimmer entkommen lassen, aber dank Mister Parkers bekannter Großzügigkeit konnten sie sich absetzen. Also wirklich, Mister Parker, Sie lernen es nie, obwohl ich sicher eine perfekte Lehrmeisterin bin!«

»Meine bescheidene Wenigkeit bedauert außerordentlich, daß Myladys Bemühungen auf so unfruchtbaren Boden fallen«, entschuldigte sich Parker. »Man wird sich inständig um Besserung bemühen.«

Die Hausherrin zeigte sich nachsichtig und seufzte erneut.

»Das ist ja ’ne völlig neue Masche, sowas war noch nie da«, bemerkte Mike Rander. »Vielleicht meinen es die Leute wirklich ernst und geben wie ihr Vorbild ihre Beute an Bedürftige weiter.«

»Aber mein lieber Junge, wie kann man nur so naiv sein, was hier gespielt wird, sieht doch ein Blinder.« Agatha Simpson sah den Anwalt milde lächelnd an und wußte wieder mal ganz genau, woran sie war.

»Sie gehen also davon aus, daß das nur eine raffinierte Masche ist, um kriminelle Machenschaften zu tarnen, Mylady?« erkundigte sich Kathy Porter lächelnd und zwinkerte Mike Rander unauffällig zu.

»Aber sicher, Kindchen, das ist doch gar keine Frage.« Lady Agatha nickte energisch und wischte eventuelle Zweifel beiseite. »Für solche Dinge habe ich ein untrügliches Gespür, mein Kind, und deshalb bin ich auch so erfolgreich. Habe ich nicht recht, Mister Parker?«

»Myladys Spürsinn für verbrecherische Umtriebe ist anerkannt«, behauptete Parker ungeniert. »Aus diesem Grund werden Mylady auch von den führenden Polizeiorganisationen beneidet und verehrt und von Kriminellen jeglicher Couleur gefürchtet.«

»Wirklich, Mister Parker, das haben Sie schön gesagt. Ich hätte es nicht besser ausdrücken können.« Die ältere Dame nickte ihrem Butler wohlwollend zu und warf sich förmlich in die nicht gerade unterentwickelte Brust. »Manchmal können Sie sich erstaunlich treffsicher ausdrücken.«

»Vielen Dank, Mylady!« Parker war die Würde in Person. »Meine bescheidene Wenigkeit freut sich, Myladys Anerkennung zu finden, wenn Mylady diese Bemerkung gestatten.«

Parker verbeugte sich erneut, während sich Kathy Porter und Mike Rander vorsichtshalber abwandten, um nicht die Beherrschung zu verlieren und laut zu lachen.

*

»Eigentlich komme ich mehr oder weniger zufällig vorbei«, behauptete Chief-Superintendent McWarden, als er am nächsten Morgen von Parker in die Halle geführt wurde.

McWarden, ein untersetzter, etwa fünfundfünfzigjähriger Mann mit leichtem Bauchansatz und Basedowaugen, die ihm einen stets etwas gereizten Gesichtsausdruck verliehen, leitete im Yard ein Sonderdezernat gegen das organisierte Verbrechen und war direkt dem Innenministerium unterstellt. Er galt als guter Freund des Hauses und schätzte ganz besonders den Rat des Butlers. Dafür nahm er gern in Kauf, von der Hausherrin bei seinen häufigen Besuchen lustvoll gestichelt zu werden.

»Leider habe ich mein Frühstück vor wenigen Minuten beendet«, freute sich Lady Agatha, »weshalb ich Ihnen zu meinem Bedauern nichts mehr anbieten kann.«

»Deshalb komme ich auch nicht vorbei«, winkte McWarden ab und nahm mit sorgenvoller Miene Platz.

»Man könnte durchaus ein Sandwich servieren«, schlug Parker vor, der dem Gast bereits eine Tasse mit Tee vorsetzte. »Auch mit etwas Gebäck wäre noch zu dienen.«

»Sie haben doch gehört, daß Mister McWarden ausnahmsweise mal nicht deswegen gekommen ist, Mister Parker«, grollte die Hausherrin und musterte den Butler vorwurfsvoll. »Zwingen Sie ihm nichts gegen seinen Willen auf!«

»Nun ja, gegen ein Schinkensandwich wäre eigentlich nichts einzuwenden«, überlegte McWarden, der die ausgeprägte Sparsamkeit der Lady kannte. »Und ein kleiner Sherry könnte mich tatsächlich wieder aufmöbeln, denke ich.«

»Was habe ich nur getan, daß ich immer den halben Yard durchfüttern muß?« beklagte sich die Hausherrin und stöhnte. »Reicht Ihr Gehalt nicht mal mehr fürs Frühstück, oder werden Sie neuerdings leistungsabhängig bezahlt? In dem Fall müssen Sie allerdings schnorren, weil Sie dann gar kein Einkommen haben, mein Lieber.«

»Ihre Gastfreundschaft ist eben weithin berühmt«, erwiderte McWarden schamlos, »und so komme ich immer wieder gern darauf zurück.«

»Erinnern Sie mich daran, Mister Parker, daß ich den Innenminister das nächste Mal, wenn ich ihn treffe, um einen Essensgeldzuschuß für Mister McWarden bitte, der dann der Einfachheit halber gleich auf mein Konto überwiesen wird.«

»Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Parker war durch nichts zu erschüttern und servierte dem Gast ein Kristallglas mit herrlichem alten Sherry, den McWarden genüßlich schlürfte.

»Allein Ihr Sherry ist es wert, Ihnen täglich einen Besuch abzustatten, Mylady«, verkündete er und hielt Parker sein leeres Glas entgegen. »Alles, was recht ist, auf Essen und Trinken verstehen Sie sich.«

»Dieser Mensch schlägt sich auf meine Kosten durchs Leben, während ich mich kasteie und Diät halte«, seufzte die Dame des Hauses. »Womit habe ich das nur verdient?«

»Sie haben einen Grund für Ihren Besuch, Sir?« erkundigte sich Parker, der inzwischen wieder steif, als habe er einen Ladestock verschluckt, hinter dem Sessel seiner Herrin stand – das Urbild eines hochherrschaftlichen Butlers.

»Ich wollte Ihnen in der Tat eine kleine Geschichte erzählen und hören, ob Sie eventuell etwas Hilfestellung leisten könnten, Mister Parker«, gestand McWarden, um sich sofort zu verbessern. »Ich meine natürlich Sie, Mylady, was die Hilfe betrifft, das dürfte ja wohl klar sein.«