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Wagemutige Menschen und andere Galaktiker reisten mit ihren Virenschiffen in die zwölf Galaxien der Superintelligenz ESTARTU. Sie hofften auf die kosmischen Wunder, die man ihnen versprochen hatte – doch sie fanden nur das gnadenlose Regime der Ewigen Krieger. Die versprengten Galaktiker kämpfen um ihr Überleben, gut 40 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Ihre Chancen stehen schlecht – zu übermächtig sind die Gegner. Zudem strecken die Ewigen Krieger ihre Hand nach der Milchstraße aus. Doch die Menschen geben nicht auf. Während Reginald Bull, Perry Rhodans ältester Freund, den Spuren einer Widerstandsorganisation nachgeht, erreichen Rhodans Sohn Roi Danton und sein Begleiter Ronald Tekener die Welt der ESTARTU – und erfahren das Geheimnis der Superintelligenz ...
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Seitenzahl: 546
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Nr. 158
Im Garten der ESTARTU
Cover
Klappentext
1. Die Lage der Dinge
2. Die Botschaft des Elfahders
3. Desotho
4. Regeneration
5. Ein Wiedersehen
6. Tourist auf Abwegen
7. Enthüllungen
8. Der Gorim von Aquamarin
9. Die Einsamkeit der Kosmokraten-Inkarnation
10. Warten auf Boldar
11. Die Verkündung
12. Der neue Sotho
13. Flucht in die Falle
14. Elf für Terzrock
15. Der Human-Faktor
16. Die sanften Haluter
17. Medizinische Hilfe
18. Schach der ESTARTU
19. Perspektiven
20. Im Garten der ESTARTU
21. Intrigen zwischen den Sternen
22. Spezialaufträge
23. Alle Wege führen nach Terzrock
24. Zweikampf der Sothos
25. ESTARTU lebt hier nicht mehr
26. Die Entscheidung
27. Hoffnung für die Zukunft
Nachwort
Zeittafel
Impressum
Wagemutige Menschen und andere Galaktiker reisten mit ihren Virenschiffen in die zwölf Galaxien der Superintelligenz ESTARTU. Sie hofften auf die kosmischen Wunder, die man ihnen versprochen hatte – doch sie fanden nur das gnadenlose Regime der Ewigen Krieger.
Die versprengten Galaktiker kämpfen um ihr Überleben, gut 40 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Ihre Chancen stehen schlecht – zu übermächtig sind die Gegner. Zudem strecken die Ewigen Krieger ihre Hand nach der Milchstraße aus.
Veth Leburian hatte seine Worte also wahr gemacht. Ich starrte Irmina an, und die Metabio-Gruppiererin gab den Blick ebenso ratlos zurück. Die Nachricht war soeben eingetroffen, und Dagruun, der das Oberhaupt der Vakuumzivilisation von Cursaafhar war, hatte sie uns umgehend übermittelt. Das Verhalten der Ephytraner änderte sich gleichzeitig mit dieser Mitteilung. Waren wir bisher als Gefangene behandelt worden, weil der Desotho uns für Agenten der Kosmokraten hielt, stand nun die Tür unseres Gefängnisses offen, und wir überzeugten uns mit einem Blick in den Korridor, dass die Luft rein war. Es befand sich keine Wache in der Nähe. Dagruun hielt Wort.
Die molluskenhaften Ephytraner gehörten zu einer der seltensten Spezies, denen wir im Lauf unserer Abenteuer im Reich der ESTARTU begegnet waren. Sie hatten sich in der Kalmenzone ohne den Einfluss der Ewigen Krieger entwickelt, worauf sie sehr stolz waren. Sie kamen in Kontakt mit den ebenfalls hier lebenden Weltraumnomaden, waren durch deren Unterstützung selbst zu solchen geworden und hatten die Vorherrschaft in Cursaafhar übernommen. In mühevollem, jahrhundertelangem Studium hatten sie sich das nötige Wissen und Know-how selbst erarbeitet und bauten als einziges Volk in der Kalmenzone eigene Raumschiffe. In einem solchen, der SAPPHAM, beförderte uns Dagruun, und unsere Reise war die hoffentlich letzte Etappe einer längeren Odyssee. Alles hatte damit begonnen, dass ein gewisser Asphahant uns mithilfe seines Raumschiffs SUTAA aus der Kalmenzone in Sicherheit gebracht hatte. Asphahant wiederum wollte mit dem mythischen Anführer der Weltraumnomaden Kontakt aufnehmen, dem Desotho, bei dem es sich nachweislich um dieselbe Gestalt handelte wie die, die die Mlironer auf ihrer Heimatwelt verehrten.
Der Desotho war zurückgekehrt, und er war ein Mlironer namens Veth Leburian.
Die Weltraumnomaden und die Mlironer hielten ihn für einen Helden.
Irmina und ich waren überzeugt, dass er der ausgekochteste und abgefeimteste Schurke der ganzen Mächtigkeitsballung war. Er hatte nicht nur uns hereingelegt, sondern auch Srimavo, die Inkarnation der Kosmokratin Vishna.
Ich musste daran zurückdenken, wie Asphahant alles eingefädelt hatte. Zunächst hatten mir die Nomaden es ermöglicht, auf Mliron zu landen und dabei zu sein, wie die Gorim-Station für einen Flug hinaus aus der Kalmenzone ausgerüstet wurde. Inzwischen mochten die Somer erkannt haben, welche Bedeutung das Heiligtum der Mlironer eigentlich besessen hatte. Sie hatten es nie zu Gesicht bekommen und es dem Spleen dieses Volkes zugerechnet, das seit Jahrtausenden auf die Rückkehr des Desothos wartete.
Es hatte nicht lange gedauert, bis ich auf Mliron mit Vironauten in der Gestalt der beiden Siganesen Luzian Bidpott und Susa Ail zusammengetroffen war. Von ihnen hatte ich erfahren, was sich bisher bei Roi Danton und Ronald Tekener abgespielt hatte. Ich wusste mittlerweile, was man mit den beiden Permitträgern vorhatte und welche Absichten diese damit verbanden. In der Station selbst hatten wir das Hologramm eines Querionen aktiviert, der uns gewarnt und uns mitgeteilt hatte, dass die Querionen die wahren Vertreter des dritten Weges zwischen Kosmokraten und Chaotarchen waren. Es hatte den Mlironern empfohlen, weiter gewaltlos um ihre Freiheit zu kämpfen und sich an die Lehren des Desothos zu halten. Dass dies in der Vergangenheit nicht immer geklappt hatte, hatten wir von den Mlironern selbst erfahren.
Ich hatte mich von den Siganesen trennen müssen. Die Station war startbereit gewesen. Ich kehrte ins All zurück zu den Nomaden.
An Bord eines Transitionsraumschiffs des Nomaden Paddagall war ich mit Irmina zusammengetroffen. Sie hatte ebenso wenig wie ich eine Erklärung dafür, dass sich die Nomaden plötzlich feindselig gegen uns verhielten. Sie hatte indes herausgehört, dass alles auf Befehl des Desothos geschah. Wir waren scharf bewacht zum Weltraumfriedhof Cursaafhar gebracht worden. Es hatte sich herausgestellt, dass die Ephytraner früher eine starke Beziehung zu den Mlironern und den Gorims gehabt hatten, diese jedoch zerrissen war, nachdem der Desotho in die Orphischen Labyrinthe verbannt worden und die Gorims spurlos verschwunden waren.
Und nun hatten die Nomaden verkündet, es würde alles wie früher werden, denn der Desotho sei endlich zurückgekehrt.
Wir hatten ihn kennengelernt. Er hatte uns von seinen Plänen berichtet. Er wollte nichts weniger, als die Macht der Ewigen Krieger brechen und für alle Völker sichtbar aufdecken, dass der Permanente Konflikt eine Philosophie des Todes war. Er wollte bis zum Sitz der ESTARTU vordringen und mit der Superintelligenz verhandeln. Und er wollte dabei auf die Unterstützung der Kosmokraten verzichten. Er bezeichnete uns als Diener und Spione dieser Mächte und führte uns als Beweis Srimavo in einem Gefriertank vor. Sie hatte ihm gegenüber freimütig bekannt, dass sie eine Inkarnation der Kosmokratin Vishna war. Und sie hatte uns als ihre Freunde bezeichnet. Leburian stufte uns folglich als artgleich ein, zumal Sri ein Menschenwesen war.
Der Desotho hatte uns seinen Plan erklärt. Er wollte Srimavo dem Krieger Ijarkor ausliefern, wenn er dafür die Gelegenheit erhielt, den Sitz der ESTARTU aufzusuchen.
Und das war inzwischen geschehen. Über dunkle Kanäle hatte Dagruun erfahren, dass Ijarkor den Desotho geadelt hatte, indem er ihn zum Gefolgsmann ernannte. Leburian hatte Wiedergutmachung an seinem Volk verlangt und das Projekt Phylogen als negatives Beispiel genannt. Und er verlangte von ESTARTU selbst eine Rechtfertigung für ihr Tun an seinem Volk. Ijarkor hatte diese Wünsche gewährt. Veth Leburian hatte seine Ziele erreicht und sah keine Veranlassung, uns weiter gefangen zu halten.
»Und was jetzt?«, fragte Irmina, als ich unschlüssig unter der offenen Tür stehen blieb.
»Komm!« Ich trat hinaus und schritt in die Richtung, in die sich Dagruun entfernt hatte. Der Korridor war leer, und hinter den verschieden hohen Türen war nichts zu hören. Alles in diesem Schiff schien lautlos zu funktionieren.
Im nächsten Augenblick drang ein Singen an der Grenze der Hörschwelle durch alle Wände. Ich spürte einen heftigen Schmerz in mir und taumelte. Neben mir erging es Irmina ebenso. Täuschte ich mich, oder flackerte das Toshin-Mal auf ihrer Stirn? Es musste wohl eine Täuschung sein, hervorgerufen durch die Nebeneffekte, die jedes Mal bei diesem Vorgang auftraten.
Das Schiff war transitiert.
Wir schritten bis ans Ende des Korridors. Ein Sensor in Hüfthöhe wies uns auf den Öffnungsmechanismus hin. Ich betätigte ihn, und das Rundschott glitt auf und gab uns den Blick in die Zentrale frei. Ich erkannte Dagruun an den Abzeichen seiner Kleidung und schritt auf ihn zu.
»Wohin bringt ihr uns?«, fragte ich. Dagruun zischelte etwas Unverständliches, und mein Translator begann zu arbeiten.
»Hinaus aus der Kalmenzone. Asphahant hat eure Virenschiffe ins Vosgorsystem bringen lassen. Dorthin bringen wir euch. Nach einer weiteren Transition sind wir am Ziel. Bis dahin bleibt, wo ihr seid!«
Er meinte wohl, wir sollten in unsere Zelle zurückkehren, doch wir nahmen ihn wörtlich und rührten uns nicht vom Fleck und musterten die Bildschirme der SAPPHAM.
»Auch die Gorim-Station ist dorthin gebracht worden«, fuhr Dagruun fort. Er erhob sich und ging zu einem anderen Sessel, um sich in ihm niederzulassen.
Ich warf Irmina einen bezeichnenden Blick zu. Die Nomaden hatten die Station aus der Kalmenzone gebracht in der Hoffnung, dass sie dann wieder von den Gorims aufgesucht werden würde. Innerhalb der Zone war dies nicht möglich, weil das neu geordnete Psi-Netz irgendetwas störte, was wir noch nicht kannten oder wussten.
Von den Gorims hatten wir bereits viel gehört, aber nichts Konkretes erfahren. Wir wussten nur, dass es Fremde sein mussten, die den Völkern ESTARTUS früher zu Hilfe gekommen waren. Wir selbst wurden in unserer Eigenschaft als Vironauten von den Einheimischen oft als Gorims bezeichnet, und auch wir wollten Hilfe bringen. Allerdings gab einen bisher nicht in Erfahrung zu bringenden Unterschied zwischen uns Vironauten und jenen Gorims. Ich glaubte indes, zumindest einen Unterschied zu kennen. Im Gegensatz zu Roi und Tek waren jene Gorims sicherlich nicht mit Permits unterwegs, um die Ewigen Krieger zu täuschen.
Unbewusst tastete ich zur Stirn, wo das Toshin-Mal eingepflanzt war. Irmina und ich waren Geächtete. Außer bei den Weltraumnomaden konnten wir uns so gut wie nirgends sehen lassen. Ich war überzeugt, dass bereits die ganze Mächtigkeitsballung wusste, dass wir vogelfrei waren. Wir konnten kein Heraldisches Tor benutzen und uns in keiner Kalmenzone bewegen. Unser Status als Freunde der beiden Permitträger nutzte uns so gut wie nichts. Ich fragte mich, wie es Roi Danton und Ronald Tekener inzwischen erging. Was machten ihre beiden Frauen? Und die Siganesen? Und die 12.000 Vironauten, die sich mit ihnen auf dem Weg durch die Heraldischen Tore befanden? Fragen, auf die wir wohl nicht so bald eine Antwort erhalten würden.
Minuten später vollführte die SAPPHAM ihre zweite Transition. Sie kam am Rand des Vosgorsystems heraus. Dagruun deutete auf die Sonne.
»Fasgama«, erklärte er. »Der dritte Planet ist Neu-Mliron. Geht nun hinüber in das rechte Beiboot. Wir bringen euch zu euren Schiffen.«
»Wir danken dir für deine Mühe«, sagte Irmina rasch. »Viel Glück weiterhin in eurem Kampf gegen die Ewigen Krieger. Es ist nur schade, dass der Desotho alle eure Anstrengungen zunichtemacht.«
»Der Desotho ist ein Held«, erwiderte Dagruun. Offensichtlich war sein Vertrauen in den Verräter nicht zu erschüttern. »Und was euch betrifft, werdet auch ihr euren Weg machen. Vielleicht führt er irgendwann mit dem meinen zusammen. Es wäre schön, denn ich habe noch nie so fremdartige und entschlossene Toshins erlebt wie euch.«
»Danke!«
Wir betraten das Beiboot, das kurz danach abdockte und seinem Ziel entgegeneilte. Wir sahen die Lichtreflexe von drei Schiffen.
»Aha«, meinte Irmina. »Vollständig. Das ist gut.«
»Moment mal«, sagte ich. »Ich kann das EXPLORER-Segment 1 erkennen und die ÄSKULAP. Von der LIVINGSTONE fehlt jede Spur. Und das dritte Schiff ist ...«
»Sris KOKON!«, rief Irmina aus.
Das Schiff der kleinen Sri, das Leburian hierhergebracht haben musste.
Wir beachteten den Ephytraner kaum, der uns flog. Er blieb stumm und machte uns lediglich mit einer Geste darauf aufmerksam, dass ein Funkspruch eintraf.
Stronker Keen meldete sich. Er und Lavoree waren die Einzigen, die sich nach wie vor an Bord der stolzen EXPLORER befanden. Alle anderen waren an Bord der LIVINGSTONE gegangen, bevor diese das Vosgorsystem verlassen hatte.
Ein Beiboot brachte uns zur LIVINGSTONE. Die SAPPHAM verschwand kurz darauf, und etwa eine Viertelstunde später tauchte aus der Atmosphäre des dritten Planeten ein somerisches Schiff auf, flog jenen Raumsektor an, in dem sich der Ephytraner aufgehalten hatte, und verschwand ebenfalls, jedoch nicht mithilfe eines Transitionstriebwerks, sondern mit dem Enerpsi-Antrieb. Folglich hatte das Schiff nicht vor, in die Kalmenzone einzufliegen. Wir konnten davon ausgehen, dass Dagruun in Sicherheit war. Eine umfassende Ortung ergab, dass sich keine weiteren Schiffe auf oder über dem Planeten aufhielten.
Bericht Lavoree:
Einem 118 Jahre alten Mann sollte man eigentlich Glauben schenken, selbst wenn er etwas berichten sollte, das verworren klingt. Zudem war es in diesem einen Fall so, dass der dritte Planet des Vosgorsystems (Name aus dem Sothalk-Idiom) in greifbarer Nähe lag und damit die Möglichkeit bestand, wenigstens einen Teil des Berichts zu überprüfen. Und Stronker war sich sicher, dass er den Worten unseres Aras Jas-Tenn glauben durfte.
Wie mir scheint, ist gerade dies einer der Punkte, die bei den Toshins Zweifel an seinem Bericht aufkommen lassen. Ich meine Bully und Irmina. Es ist angebracht, mit den beiden Mitleid zu haben, denn sie sind Gezeichnete. Ijarkor hat sie zu Geächteten gemacht. Man hat ihnen in die Stirn ein münzgroßes, dunkelrotes Metallstück eingepflanzt, eine Art Kainsmal, das zwei Funktionen erfüllt. Jeder Bewohner der Mächtigkeitsballung ESTARTU erkennt sie aufgrund des Toshin-Mals als Aussätzige und behandelt sie entsprechend. Und versuchten sie, die Mächtigkeitsballung zu verlassen, würde das Toshin-Mal explodieren und sie töten. Jeder Versuch, das Mal operativ zu entfernen, würde dieselbe Folge nach sich ziehen. Ein gewisser Graucum, seines Zeichens Panish Panisha von Mardakaan, hatte erklärt, dass Ijarkor die Achtzeit auf umgerechnet rund einhundert Erdenjahre festgelegt hatte.
Was die beiden nicht hinderte, im Sinn der Vironauten und gegen die Ewigen Krieger tätig zu sein. Wobei es aussieht, als würden sie einen Fehler machen, wenn sie Stronker keinen Glauben schenkten.
Ich verstand sie, doch ich kannte Stronker zu gut, um zu wissen, dass er die Wahrheit sprach. Stronker Keen war einst der Chef des neuen Psi-Trusts gewesen mit Sitz im tibetischen Hochland der Erde. Später dann, im Zusammenhang mit der Versklavung der Erde durch die abtrünnige Kosmokratin Vishna, hatte er zu den Sturmreitern gehört, und seit dem Aufbruch der Virenschiffe bildeten er und ich das Mentorenteam des EXPLORER-Pulks. Keen besaß einen einfachen, klaren Charakter. Er sprach sachlich und erregte sich selten. Manchmal wirkte er etwas zu neutral und distanziert einem Problem gegenüber. Er ist zuverlässig und verliert nie den Überblick.
Die Weltraumnomaden hatten die EXPLORER, die ÄSKULAP und die LIVINGSTONE in dieses Sonnensystem außerhalb der Kalmenzone gebracht. Dies war auf Anweisung Veth Leburians geschehen, den sie den Desotho nannten, ohne dass klar war, was dieser Ausdruck bedeutete. Es war auf alle Fälle ein Ehrentitel, denn die Mlironer warteten seit langer Zeit auf einen mythischen Helden namens Desotho. Diese Informationen sind für uns neu, wir haben sie soeben erst von Bully erfahren.
Zurück zu Stronker. Er hatte berichtet, was in der Zwischenzeit außerhalb der 3000 Lichtjahre durchmessenden Kalmenzone im Zentrum von Siom Som geschah. Die vierfingrige Hand, die exakt so aussah wie die Gorim-Station Laymonens, war von den Pailliaren auf dem dritten Planeten des Vosgorsystems gelandet worden. Diese Welt wurde Neu-Mliron genannt, da dort eine Kolonie von Mlironern lebte. Neu-Mliron machte den Eindruck einer Musterwelt, die einem speziellen Zweck diente, und der konnte den bisherigen Auswertungen zufolge kaum darin bestehen, dass hier exotische Pflanzen gezüchtet oder seltene Tiere gehalten wurden.
Nach kurzer Absprache hatte unser Ara Jas-Tenn sich bereit erklärt, Neu-Mliron mit der LIVINGSTONE einen kurzen Besuch abzustatten. Er hatte festgestellt, dass dort zwei verfeindete Populationen von Mlironern lebten, die von Somern betreut wurden. Zumindest sah es so aus. Es wurde nicht klar, ob die Somer Wächter oder Hüter waren oder einfach nur Beobachter. Der Ara war nicht dazu gekommen, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Er hatte eine Entdeckung gemacht, die ihn veranlasste, schleunigst die Planetenoberfläche zu verlassen. Die LIVINGSTONE hatte einen Elfahder an Bord genommen. Wir hatten diesen nur oberflächlich in seinem Igelpanzer zu Gesicht bekommen. Jas-Tenn hatte uns über Bildfunk erklärt, dass er, seine Mannschaft und die drei Cappins Dorschorow, Scharlom und Neiradyr sofort zur Doppelgalaxis Absantha-Gom/Absantha-Shad aufbrechen müssten, weil sie dort auf einer anderen Station ein Rendezvous mit einem Gorim hätten.
Jas-Tenn nannte die Welt Bonfire und gab die Koordinaten durch. Ohne weitere Erklärungen nahm die LIVINGSTONE Fahrt auf und verschwand kurz danach im außerhalb der Kalmenzone voll funktionsfähigen Psi-Netz.
Stronker fragte Bully, ob dieser zusammen mit Irmina diese Koordinaten anfliegen wolle. Bully lehnte ab.
»Etwas stimmt nicht an der Geschichte, Stronker«, erklärte er. »Wir werden zunächst die Station auf Neu-Mliron aufsuchen und herausfinden, was hinter dieser wirren Geschichte steckt. Bei aller Freundschaft, Stronker, entweder hat Jas-Tenn dir Unsinn erzählt, oder du weißt selbst nicht, was du redest. Warum sollte sich ausgerechnet ein Elfahder mit den Sotho-Mördern einlassen, wie die Cappins von den Angehörigen eines jeden Kriegertrosses genannt werden. Ich kann mir nicht helfen, etwas ist da faul.«
Bullys Einwand war berechtigt, aber er tat Stronker unrecht, indem er seine Worte in Zweifel zog.
»Wenn du sagen willst, dass ich einen Riss in der Schüssel habe, dann tu es ruhig, Bully«, erklärte der Mentor der EXPLORER. »Dann hast du mich die längste Zeit einen Freund genannt!«
Bully zuckte zusammen und wirkte indigniert. »Stronker«, sagte er mit vibrierender Stimme, »so war das nicht gemeint. Entschuldige bitte, aber du verstehst mich falsch. Kann es sein, dass du auch Jas-Tenn falsch verstanden hast?«
»Nein!«, erwiderte er knapp. Dabei blieb er ruhig, obwohl andere an seiner Stelle längst aus der Haut gefahren wären.
Es war etwas, was ich in dieser Situation sicher nicht in dem Maß gekonnt hätte. Stronker war der Unmut nicht anzusehen. Irgendwie bewunderte ich das an ihm, und es war nur einer von seinen vielen Vorzügen, die ihn mir so sympathisch machten. Ich bereute es keinen Augenblick, dass ich ihn damals in den Informationsströmen der Mini-Erde kennengelernt und mich mit ihm angefreundet hatte.
Bully deutete auf einen Bildschirm. Er zeigte die ÄSKULAP, in der sich Irmina zurzeit aufhielt. Ein drittes Schiff war angedockt, die KOKON mit Srimavo in ihrem gefrierbiologischen Lebenstank. Veth Leburian hatte das kleine Virenschiff gebracht. Die KOKON war versiegelt und konnte von niemandem betreten werden.
»Stronker, wir landen!«, sagte der Toshin. Ich fand das Wort hässlich, wie ich alles hässlich fand, was mit den Ewigen Kriegern zu tun hatte. Keen nickte langsam, als habe er Mühe, sich mit der Situation zurechtzufinden. Langsam wandte er sich nach mir um, die ich bisher mit leiser Stimme in mein kleines Tagebuch gesprochen hatte, diese winzige Spiralsäule aus Virenmaterial, die ich mir vom Schiff beim Aufbruch von der Erde hatte anfertigen lassen. Stronker lächelte mir zu.
»Wir landen«, bestätigte er. »Und du wirst sehen, Bully, dass sich meine Worte bewahrheiten. Wenn du den Zusammenhang suchen willst zwischen dem Elfahder und der Welt Bonfire, dann nur in der Gorim-Station!«
Bullys Gesicht entspannte sich. Plötzlich war die durchsichtige Wand, die sich zwischen ihm und Stronker aufgebaut hatte, verschwunden.
»Danke, Stronker«, sagte der Mann, der mit vollem Namen Reginald Bull hieß und einer der engsten Gefährten Perry Rhodans war.
Von Anfang an.
Hoch über der Oberfläche des Planeten Neu-Mliron hing ein Schiff der Somer in der Atmosphäre auf Beobachtungsposten. In dem von Bildschirmen umlaufenen Beratersaal hielten sich zwölf Kodexberater sowie der Kodexwahrer Runoek auf. An den Eingängen unter den Bildschirmen wachten Gardisten mit entsicherten Waffen.
»Sprich, Kodexwahrer!«, sagte der Vorsitzende Berater mit der für einen Somer typischen hellen und zirpenden Stimme. »Wir sehen es als Ehre an, wenn du beginnst!«
Runoek, mit fast zwei Metern der größte Somer im Raum, schritt hin und her und musterte alle Bildschirme erneut. Er wirkte hektisch, als müsse er sich anstrengen, die passenden Worte zu finden.
»Was ich gesehen habe, stellt mich zufrieden«, zirpte er. »Die einst so stolzen Mlironer werden langsam weich. Vor wenigen Generationen haben wir viele von ihnen aus ihrer Heimat verschleppt und hier angesiedelt. Wir beeinflussten sie nach allen Regeln der Kunst im Sinn des Permanenten Konflikts. Sie sind längst zu treuen Gefolgsleuten geworden. Es ist euch Kodexberatern zu verdanken, dass ihre Kondition so stark wurde, dass nichts mehr an ihnen auf die Eigenschaften ihres Stammvolkes hinweist. Und vor kurzer Zeit haben wir neue Mlironer von Mliron hierher deportiert, die alle die schändlichen Eigenschaften noch besaßen. Sie sind stolz und unbeugsam und wollen nichts vom Kodex und dem Permanenten Konflikt wissen. Wir haben die beiden Bevölkerungsschichten Population I und Population II genannt. Ihr Kodexberater bezeichnet sie auch als die Falken und die Tauben. Die Falken versuchen seitdem, die Tauben von ihrer Philosophie zu überzeugen, auch mit Gewalt, wenn es nicht anders geht.«
»Es geht nur mit Gewalt!«, warf Kodexberater Schlowag ein. »Wir danken dir für das Lob, das du uns erteilt hast, Kodexwahrer. Wie beurteilst du die Zukunft des Experiments?«
»Ich sagte es schon!« Der Somer bewegte seine Arme, das seidige Gefieder rauschte. »Die hundert Siedlungen, die den Querschnitt liefern, machen eine unterschiedliche Entwicklung durch. In den meisten Fällen jedoch sind neben dem Stolz und der Unbeugsamkeit der Population II auch die Entschlossenheit und der Wille erkennbar, sich zur Wehr zu setzen. Besonders deutlich war das im Fall dieser Siedlung am Radiodschungel. Die Mlironer der Population II lernen begreifen, dass es ohne Gegenwehr nicht geht. Hingegen haben die Siedler am Leeren Fluss nicht auf den Anreiz zum kodexgetreuen Verhalten reagiert.«
»Es muss an den schlechten Verhältnissen liegen«, fiel Schlowag ein. »Entschuldige, Kodexwahrer, wenn ich dich unterbreche. Eine gewisse Absicherung im Rahmen des Lebensnotwendigen muss vorhanden sein, um die Population II zu bekehren. Je größer der Luxus, in dem sie lebt, desto besser die Chance, dass ihre Unbeugsamkeit verschwindet und der Bequemlichkeit weicht.«
Runoek strich sich über seinen Shant, der das ESTARTU-Symbol auf der Brust hatte. Die Rückenpartie und die Rückseiten der Schenkel und Waden des weißen Shant waren schwarz eingefärbt. Alle Somer trugen diese Art der Kombination. »Projekt Phylogen verspricht ein Erfolg zu werden. Ijarkor persönlich wird kommen und sich von der Wirksamkeit eurer Arbeit überzeugen!«
Neu-Mliron war der einzige von acht Planeten dieses Systems, der bewohnt war. Wir wussten inzwischen, dass es auf der Oberfläche Kolonien von Mlironern gab, die miteinander verfeindet waren. Wie es dazu gekommen war, entzog sich unserer Kenntnis, aber wir mussten natürlich daran denken, was wir von Mliron wussten. Dort versuchten die Somer seit vielen Jahrtausenden, das Volk dazu zu bringen, sich endlich zu der Lehre vom Permanenten Konflikt zu bekehren. Sie hatten es nie geschafft, auch wenn die Mlironer zwischendurch einmal weich geworden waren und sich aus der Reserve locken ließen. Auf Neu-Mliron war etwas Ähnliches im Gang, und in mir erwachte der spontane Wunsch, diese Vorgänge zu durchkreuzen und den Mlironern zu helfen.
Doch zunächst war unser Ziel die Gorim-Station. Unbemerkt von Somern und Mlironern war sie in einem unbesiedelten Gebiet am Südpol niedergegangen. Aus dem Weltraum war sie nicht zu orten, Stronker kannte lediglich die ungefähre Position.
Ich setzte mich mit Irmina in der ÄSKULAP in Verbindung. Da die drei Virenschiffe zu einem Dreischiff zusammengekoppelt waren, einem sogenannten Trivan, genügten die Gravo-Antriebe von zweien, um auch das dritte ohne Beschädigung hinabzubringen. Wir verbanden damit die Hoffnung, dass es uns gelingen würde, auf der Oberfläche endlich Zugang zur KOKON zu finden. Bisher versuchten unsere beiden Virenschiffe vergeblich, sich mit dem Bewusstsein der KOKON in Verbindung zu setzen. Da Virenschiffe gegenüber ihren Vironauten zwar manchmal unverständlich, jedoch absolut loyal handelten, konnte das Schweigen kaum auf Machenschaften des Desothos zurückzuführen sein. Viel eher hatte Sri, bevor sie mit dem Desotho ihr Schiff verlassen hatte, gewisse Anordnungen gegeben.
Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte mit diesen Vermutungen fast ebenso wenig anfangen wie mit dem Bericht Stronker Keens. Und ich war fest entschlossen, Licht in das Dunkel zu bringen.
Seg-1 und ÄSKULAP leiteten das Landemanöver ein. Unter größter Vorsicht beschrieb der Trivan eine Schleife über dem Pol und sank in die Hochatmosphäre ein. Wie ein Kreisel schraubte er sich abwärts. Ein hoher Energieverbrauch war die Folge, das mussten wir in Kauf nehmen. Der Gravo-Antrieb stabilisierte den Flug des Trivans langsam, und dann ritt das Dreischiff gemächlich und senkrecht nach unten, seinem Ziel entgegen, das nach wie vor nicht erkennbar war. Die Südpolregion des von starker vulkanischer Aktivität gezeichneten Planeten war eine Sumpflandschaft ohne Schnee und Eis, mit Temperaturen, die den Durchschnittstemperaturen gemäßigter Erdbreiten entsprachen. Während der grüne Teppich langsam auf uns zu sank, kam mir der Gedanke, dass die Station gar nicht so leicht aufzusuchen sein würde.
Stronker und Lavoree arbeiteten gemeinsam an der Steuerung der Schiffe. Sie lenkten sie mittels Mentalimpulsen. Sie verzichteten darauf, Energieschirme einzusetzen. Die Temperaturen an der Außenhaut der Schiffe blieben erträglich, weil die Sinkgeschwindigkeit gering war. Der Gravo-Antrieb emittierte zwar deutlich messbare energetische Impulse, aber das war das kleinere Übel. Schutzschirme hätten besser geortet werden können.
Dicht über der Oberfläche des Planeten blieb der Trivan hängen. Wir warteten ab, doch nichts ereignete sich. Unsere Ankunft war unbemerkt geblieben. Wir machten uns auf die Suche nach einem brauchbaren Versteck.
Es war gar nicht so leicht, die drei zusammengekoppelten Virenschiffe irgendwo unterzubringen. Der Sumpf unter uns war keine zehn Meter tief. Nach langem Suchen entdeckte Stronker ein trübes Gewässer, einen größeren Einbruch der Oberfläche des Planeten. Er besaß 20 Kilometer Durchmesser und war mehrere Kilometer tief. Er hatte sich mit Wasser und Schlick gefüllt und war uralt. Alle möglichen Formen organischen Lebens hatten sich ausgebildet.
»Wir steigen aus«, erklärte ich. »Irmina und ich werden uns auf die Suche machen.«
Wir rüsteten uns mit Viren-SERUNS aus und nahmen ein paar Spezialgeräte mit, die uns das Eindringen in die Station erleichtern sollten. Mit einem Traktorstrahl beförderte Stronker uns hinaus und setzte uns auf einer kleinen Felsspitze ab, die aus dem Sumpf ragte.
»Viel Spaß«, wünschte er. »Ich wäre am liebsten dabei und habe es bedauert, dass du uns nicht mitnehmen willst. Schließlich geht es darum, dass ich dir den Wahrheitsgehalt von Jas-Tenns Worten beweisen will. Was die Ortung gerade empfängt, ist allerdings nicht dazu angetan, große Expeditionen zu starten. Ein Schiff nähert sich. Es handelt sich um einen Kasten, der in Aussehen und Beschaffenheit der ESTARTU Stalkers gleicht. Was kommt da zu uns? Ein Ewiger Krieger vielleicht? Das kann kein Zufall sein!«
»Wenn, dann kann es nur Ijarkor sein«, antwortete ich. »Taucht ab. Wir melden uns später!«
Der Trivan versank gluckernd im Morast Neu-Mlirons und war nach wenigen Minuten nicht mehr auszumachen. Wir wiesen die SERUNS an, unsere Funkgeräte abzuschalten. Reglos verharrten wir. Mithilfe der integrierten Passivortung verfolgten wir, wie das sternförmige Schiff in eine Kreisbahn um den Planeten ging.
Auf »leisen Sohlen« machten wir uns auf den Weg.
Wenn ich die Hand ausstreckte, konnte ich mit dem Handschuhteil des SERUNS den Sumpf berühren. Wir trachteten danach, so schnell wie möglich festen Boden unter die Füße zu bekommen, um die Aggregate der Anzüge desaktivieren zu können.
»Keine Ortung«, teilte der SERUN mir mit. »Das Schiff befindet sich weiterhin auf seiner Kreisbahn. Es hat den Anschein, als warte es auf etwas.«
Mit dem Anschein war uns nicht gedient. Wir brauchten Fakten. Aber alles, was in letzter Zeit auf uns eingedrungen war, hatte den üblen Beigeschmack von Illusion, war irgendwie unfassbar oder nicht greifbar. Es war, als seien wir Puppen an Fäden, die von unsichtbaren Spielern hin und her gezogen wurden. Und das, obwohl wir konkret und zielgerichtet handelten oder dies wenigstens versuchten.
Was hatten wir in den Monaten alles erlebt und erfahren, die wir uns bereits in den Galaxien der Mächtigkeitsballung aufhielten. Und wie wenig hatte sich aus diesen Erfahrungen für die Vironauten Kapital schlagen lassen. Unserem eigentlichen Ziel waren wir kaum näher gekommen.
Zumindest traf das für Irmina und mich zu. Mein Patenkind Michael und Ronald Tekener waren weitergekommen, weil sie ihre Permits noch hatten.
Ich verfluchte mich manchmal innerlich für meine damalige Tat, als ich das Permit in die Sonne Virgo-Tor geschleudert hatte. Warum war ich nicht geduldig gewesen und hatte in aller Ruhe gewartet, bis Irmina ihr Anti-K-Serum entwickelt hatte?
Der ungeduldige Bully! Der leicht erregbare Freund Perrys. Der aufbrausende Dicke, der Hitzkopf.
Welcher Unsinn, dass ich mich mit diesen ganzen Schlagworten herumärgerte, selbst wenn sie immer gut gemeint gewesen waren und aus dem Kreis meiner engsten Freunde stammten. Wer hatte in mein Inneres schauen können, als ich unter den Nachwirkungen des Permit-Einflusses litt und die grausamen Entzugserscheinungen eines Süchtigen zeigte? Nein, sie waren nicht nur körperlicher und geistiger Natur gewesen, sondern auch seelischer. Etwas in mir hatte sich in zwei Teile geteilt, die miteinander stritten. Ich erlebte es nicht bewusst mit, es war ein Vorgang, der sich im Unterbewusstsein abspielte. Ich gab mir Mühe, meinen Zustand zu verbergen, aber es ließ sich nicht vermeiden, dass ich ab und zu von Anfällen geplagt wurde, die sich unter anderem in Schüttelfrost und vergleichbaren Symptomen äußerten. Ich hatte anfangs gedacht, dass ich es innerlich nicht aushalten würde. Und nachdem die Erscheinungen abgeflaut waren und ich langsam wieder ein normaler Mensch geworden war, hatte ich den Entschluss gefasst, die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Sie hatten in der Vernichtung des Permits bestanden. Es klang dumm, doch in gewissem Sinn war ich zum Prüfstein für alle Vironauten und alle Permitträger geworden. In den Augen der Ewigen Krieger und deren Trossangehörigen war es so gewesen, dass sich angesichts der Aufgaben im Zusammenhang mit den Wundern der einzelnen Galaxien sehr schnell die Spreu vom Weizen getrennt hatte.
Ich wandte im SERUN den Kopf und musterte die betagte Dame, die neben mir dahinflog. Sie war als attraktiv zu bezeichnen. Betagt nannte ich sie im Geist nur deshalb, weil sie erst im Alter von 175 Jahren einen Zellaktivator erhalten hatte, den Balton Wyts, der in ES aufgegangen war.
»Voraus befindet sich eine kleine Hügelkette mit trockenem Boden. Ein paar Inseln ragen aus dem Sumpf. Es gibt eine Halbinsel mit einem metallischen Anhäng...«, unterbrach Irmina meine Gedanken. Gleichzeitig meldeten sich die Positroniken unserer SERUNS und machten darauf aufmerksam, dass sich Lebewesen an der Nahtstelle zwischen Landfläche und Metall aufhielten.
Wir wichen von unserer bisherigen Richtung ab und flogen einen Bogen. Wir verließen den Sumpf und wechselten auf das feste Land über. In der Ferne zog sich ein dunkler Streifen am Horizont; das war der Dschungel, der das Polargebiet eingrenzte und den Planeten wie ein Gürtel umfasste.
»Es sind Mlironer«, sagte ich nach einer Weile. »Sie sind mit einem Gleiter gekommen. Noch ist nicht festzustellen, ob sie bewaffnet sind und zu welcher Population sie gehören.«
Wir gaben den SERUNS Anweisung, bei jedem verdächtigen Aspekt sofort alle Defensivsysteme einzuschalten. Der Aufbau eines Schutzschirms nahm Sekundenbruchteile in Anspruch und schützte somit im Ernstfall vor einem unvermuteten Schuss. Die Aggregate des Raumanzugs besaßen eine solche Feinabstimmung, dass sie genau zwischen der Wärmeabstrahlung eines Gegenstands und eines lebenden Körpers unterscheiden konnten.
Wir näherten uns mit abnehmender Geschwindigkeit und landeten auf der Halbinsel.
Es waren Mlironer in bunten Kleidern, die uns erwarteten. Sie wirkten steif, und ich sah in ihren Augen eine gewisse Verwunderung oder das, was ich bereits auf Mliron als Verwunderung bei diesen Wesen verstanden hatte. Wir hatten die Helme unserer SERUNS zurückklappen lassen, und die Mlironer starrten uns ins Gesicht.
Es war nicht so sehr unsere Physiognomie, die sie studierten, sondern das Mal an unserer Stirn. Ihr Willkommensgruß bewies, dass sie sehr genau wussten, was sie von uns zu halten hatten: »Willkommen, Toshins!«, sagte einer von ihnen mit bebender Stimme. »Die Population II heißt euch willkommen!«
»Wir sind Reginald Bull und Irmina Kotschistowa!«, stellte ich uns vor, nachdem der Sprecher der Mlironer uns seinen Namen und die seiner wichtigsten Begleiter genannt hatte. »An deiner Reaktion erkennen wir, dass ihr nicht zu den Anhängern des Permanenten Konflikts gehört.«
Der Mlironer, der sich als Eri Grahden vorgestellt hatte, lächelte. »Kein Angehöriger der Population II identifiziert sich mit dem Kriegerkodex, auch wenn es manchmal schwerfällt, den Nachstellungen der Somer und der Population I zu widerstehen.«
Die Begriffe »Population I« und »Population II« kannte ich schon aus Jas-Tenns Bericht. Trotzdem fragte ich nach.
Eri Grahdens Gesicht verzog sich kurz, dann erklärte er langsam, fast schon stockend: »Es gibt, sozusagen, zwei Arten von Neu-Mlironern. Die ersten sind schon lange hier, angesiedelt von den Somern und als Krieger im Sinne des Permanenten Konflikts beeinflusst. Das ist die Population I. Die anderen ... wir ... wurden später hier angesiedelt, ohne Beeinflussung. Wir sind die Population II. Wir sind schlechter ausgerüstet als die anderen und müssen jeden Tag um unser Leben kämpfen, damit wir erkennen, dass der Permanente Konflikt für uns der beste Weg ist. Aber wir weigern uns. Das ist nicht unser Weg.«
Er machte eine kurze Pause, als müsse er seine Gedanken sammeln, und ich unterbrach ihn nicht. »Wir leben am Rand des Radiodschungels«, fuhr er schließlich fort. »Oder besser ... wir lebten dort. Unsere Siedlung wurde zerstört. Viele starben, noch mehr auf der Flucht. Wir flohen zur Sauerinsel, wo wir Verwandte mit einem Gleiter wussten. Und von dort flogen wir nach Süden, einfach nach Süden. Dem Schicksal sei gedankt, dass es uns hierhergeführt hat. Zur Gorim-Station.«
Er deutete hinaus auf die Halbinsel. Die Metallkonzentration besaß die Ausmaße einer größeren Station und sah aus wie eine Hand. Ich wusste, dass jeder Finger dieses Gebildes 100 Meter lang und 20 breit und hoch war. Die Hand selbst war 110 Meter breit, 200 lang und 20 hoch. Zwischen jedem Finger befand sich ein zehn Meter breiter Zwischenraum.
»Ich weiß, was du sagen willst«, erklärte ich zur offensichtlichen Überraschung des Mlironers. »Du sollst wissen, dass wir auf Mliron waren und dort das Heiligtum präparierten. Die Weltraumnomaden schafften es ins All und flogen es aus der Kalmenzone hinaus hierher!«
Grahden verlor die Beherrschung. Er machte einen Satz auf mich zu und wollte mich an meinem Anzug packen. Seine Finger rutschten an dem glatten Material ab.
»Das ist die Gorim-Station von Mliron?«, schrie er. »Unser Heiligtum? Die Nomaden haben sie in Sicherheit gebracht? Wie schlimm muss es da um unsere Heimat bestellt sein!«
Irmina trat vor und deutete hinaus in den Sumpf. »Hier liegt sie sicher, solange Ijarkor sie nicht entdeckt. Vielleicht weiß er bereits, wo sie liegt. Aber das ist nicht das eigentliche Problem. Dieses besteht darin, dass Veth Leburian die Anweisung gegeben hat, sie nach Neu-Mliron zu fliegen in der Hoffnung, dass die Gorims zurückkehren, wenn sich die planetare Station außerhalb der Kalmenzone befindet.«
»Veth Leburian?«, hauchte Eri Grahden. »Der Name sagt mir nichts, und doch weckt er etwas in mir. Wisset, Toshins, wir haben unsere Augen und Ohren offen. Manchmal gelingt es uns, Funksprüche zwischen den Somern und der Population I abzuhören oder solche, die mit Schiffen im Weltraum gewechselt werden. Dadurch besitzen wir Informationen, die man uns freiwillig nicht gibt. Wir wissen einiges über die Vorgänge in der Kalmenzone, die das natürliche Psi-Netz stört. Und wir haben nichts von dem vergessen, was uns mit unserer Heimat verbindet!«
Er schwieg plötzlich und drehte sich um. Er machte ein paar Schritte auf die Station hinaus, wischte den Schlick weg, der sie teilweise bedeckte. Fast zärtlich fuhr er über das schwarze Metall.
»So ist sie also nach Neu-Mliron gebracht worden. Nur jemand Wichtiges kann dies veranlasst haben, der über einen enormen Weitblick verfügt. Nie hätten die Mlironer ihr Heiligtum freiwillig an einen Fremden weggegeben. Es ist die Verkörperung all ihrer Sehnsüchte und Hoffnungen.« Er fuhr herum und deutete wie anklagend auf mich. »Sage mir, Toshin Bull, wie es kam. Veth Leburian, der Name klingt in mir wie eine Saite und lässt eine Ahnung wachsen. Es gibt nur einen, der dies tun dürfte. Sage es mir!«
»Es stimmt«, sagte Irmina an meiner Stelle. »Nur einer darf es tun!«
Minutenlang herrschte Schweigen auf der Halbinsel. Die Mlironer sahen sich an und malten mit den Händen Zeichen in die Luft. Dann umarmten sie sich und schluchzten, und in diesen Sekunden wurde mir erst bewusst, wie sehr sie mit ihrer Vergangenheit verwurzelt waren und mit der Idee, die ihr Volk aufrechterhielt.
Schließlich richtete Grahden sich auf und wischte sich das Wasser von den Wangen. Seine Stimme bebte, als er sprach.
»Er ist es. Nach über zweitausend Jahren hat er es also geschafft. Er ist zurückgekehrt. Unser Desotho ist wieder da. Dann wird alles gut.«
»Der Desotho ist es«, bestätigte ich. »Er nennt sich Veth Leburian. Allerdings hat er sich mit dem ...«
Irmina boxte mich so vehement in den Rücken, dass ich es trotz des SERUNS spürte. Ich fuhr zusammen.
»Mit wem?«, fragte Eri Grahden arglos.
»Er hat sich mit dem Ewigen Krieger Ijarkor angelegt. Es ist uns nicht bekannt, wo er sich zurzeit aufhält. Er wird wohl versuchen, seine Ziele zu erreichen«, sagte ich zweideutig. Innerlich war ich Irmina dankbar, dass sie mich vor einem Fehler bewahrt hatte. Die Mlironer hätten es mir nicht geglaubt, wenn ich ihren Desotho des Verrats beschuldigt hätte.
»Er wird seine Ziele erreichen«, bestätigte Grahden erregt. »Und wir werden uns bereithalten, um ihn zur rechten Zeit zu unterstützen. Jetzt wollen wir nach einem Eingang suchen, um das Heiligtum zu betreten!«
Er setzte sich in Bewegung, doch wir hielten ihn zurück. Die SERUNS hatten etwas geortet. An dem sternförmigen Schiff des Ewigen Kriegers hatte sich einer der Zacken gelöst und sank rasch auf den Planeten zu, wie ein Pfeil. Sein Ziel war ohne Zweifel das Polgebiet.
»Bringt euren Gleiter in Sicherheit«, sagte ich rasch. »Schiebt ihn zwischen die Bodenwellen. Aktiviert nicht das Triebwerk, denn Ijarkor würde euch orten!«
Ich fügte die Beobachtung der SERUNS hinzu. Grahden und seine Begleiter waren klar denkende Leute. Sie kamen der Aufforderung sofort nach und rannten über die Halbinsel davon.
Wir wandten uns der Station zu und suchten mithilfe der mitgebrachten Geräte nach einem Eingang. Wir befanden uns auf der Oberseite der Hand. Von hier aus hatten wir eine Gorim-Station noch nie betreten. Wenn wir keinen Eingang fanden, mussten wir mit den SERUNS wohl oder übel in die dreckige und stinkende Brühe hinabsteigen, die sich Sumpf nannte.
Es wurde ein Wettlauf gegen die Zeit. Nach drei Minuten mussten wir die Geräte ausschalten, damit uns ihre Streustrahlung nicht verriet. Wir suchten mit den Augen und Händen weiter und schoben mit den Füßen den Schlick zur Seite.
In der Zwischenzeit kam der Zacken immer weiter herunter. Nach wie vor war er optisch nicht auszumachen, und für kurze Zeit versank er sogar hinter dem Horizont. Dann tauchte er wieder auf der Passivortung auf. Er näherte sich immer wieder, dann verschwand er erneut hinter der Bodenkrümmung. Er war gelandet, keine 50 Kilometer von der Gorim-Station entfernt. Sie befand sich etwa in der Mitte zwischen ihm und dem Versteck des Trivans.
Für ein Schiff mit technischen Möglichkeiten der ESTARTU-Völker eine bedrohliche Nähe.
Irmina stieß einen unterdrückten Laut aus. Sie hatte einen Eingang gefunden. Es war eine kleine Schleuse, nicht breiter als wir mit unseren SERUNS. Ich tastete nach einem Öffnungsmechanismus, fand jedoch keinen. Es wunderte mich nicht, die Schleuse öffnete sich vermutlich nur auf einen bestimmten Code hin. Mit den Fingern des Handschuhs tastete ich die schmale Ritze entlang und zuckte zurück, als das Material plötzlich nachgab und der Schleusendeckel ein Stück nach innen sank. Ich drückte erneut, und er glitt zur Seite.
Es war finster dahinter, und der SERUN schaltete automatisch die Lampe ein. Ich erkannte einen gewöhnlichen Schacht ohne irgendwelche Zusatzeinrichtungen. Es war ein Antigravschacht. Die Schachtwandung war glatt, keine Leitersprossen, rein gar nichts. Und der Antigrav funktionierte so wenig wie die Beleuchtung.
»Wir müssen es wagen«, sagte Irmina. »Beeil dich!«
Ich stellte mich breitbeinig über die Öffnung, und der SERUN schaltete auf meine Anweisung hin den Antigrav ein. Rasch sank ich nach unten. Irmina folgte mir, nachdem sie die Luke geschlossen hatte. Wir befanden uns im oberen Teil des Handrückens, medizinisch gesehen etwa zwischen den Sehnen des zweiten und dritten Fingers. Der Schacht führte zehn Meter nach unten und endete an einem Gitter. Darunter führte er weiter. Das Gitter ließ sich nicht öffnen, und so entschieden wir uns für eine Öffnung in der Seitenwand. Wir betraten einen Korridor. Nachdem wir die Antigravs desaktiviert hatten, schritten wir ihn langsam entlang.
Ich vermutete, dass wir uns im Zentrum der Station befanden oder zumindest in dessen Nähe. Nun musste es sich herausstellen, ob Gorims in ihr auftauchten.
Wir mussten zwei Türen öffnen, dann lag ein ovaler Raum vor uns. Auch in ihm war es völlig dunkel. Die Scheinwerfer zeigten uns ausgedehnte Steueranlagen mit Bildschirmen und Kontrolllichtern. Alles war desaktiviert, kein Lämpchen brannte. Unser anfänglicher Eindruck verstärkte sich zur Gewissheit.
Die Gorim-Station war abgeschaltet.
Langsam schritten wir in die Mitte des Raumes hinein. Die Anlagen machten einen unversehrten Eindruck.
»Wenn hier nichts arbeitet, dürfte es kaum möglich sein, dass ein Gorim in dieser Station auftaucht«, murmelte ich. Ich sah, wie Irmina mit dem Fuß gegen etwas stieß und sich bückte. »Oder ein Gorim hat sie abgeschaltet. Ist er verschwunden, oder befindet er sich in der Nähe?«
Irmina fuchtelte mit einem Gegenstand vor meinem Gesicht herum. Ich sah genauer hin und stellte fest, dass es ein Holo-Pack terranischer Bauart war.
»Es lag hier auf dem Fußboden«, sagte die Metabio-Gruppiererin. »Die Batterie ist geladen!«
Sie schaltete es ein und stellte es auf den Boden zurück.
Eine Holografie leuchtete vor uns auf. Sie zeigte eine Igelrüstung. Es war ein Elfahder, der aufgenommen worden war. Augenblicklich schwante mir Übles. Wo Elfahder ihre »Finger« im Spiel hatten, da gab es immer böse Überraschungen. Und wie war dieses Wesen an das Holo-Pack gekommen?
»Ich bin Volcayr«, klang die Stimme dumpf unter der Rüstung hervor. »Ihr kennt mich. Wundert euch nicht, mich hier in dieser Station zu finden. Ich gehöre nicht mehr zum Tross des Kriegers Kalmer. Ich gehöre überhaupt keinem Tross an. Seitdem Irmina mich auf Mardakaan vom Kodexwahn heilte, bin ich ein anderer geworden. Ich sehe mittlerweile das Unrecht, das die Ewigen Krieger den vielen Völkern antun. Irmina und Bully, ich spreche zu euch, weil ich weiß, dass ihr in diese Station kommen werdet. Die Nomaden haben eure Absicht erkennen lassen, und ich bin verwirrt und zugleich voller Hoffnung, dass der Desotho zurückgekehrt ist. Ich habe dir mein Leben zu verdanken, Irmina. Durch die Überdosis Kodexmoleküle war ich zum Tode verurteilt. Du hast mich gerettet. Jetzt kämpfe ich auf eurer Seite. Ich bin immer noch ein Elfahder, aber ich bin zum Freidenker geworden. Ich besitze keine Gehorsamsprogrammierung mehr. Die Gebote des Kodex bedeuten mir nichts.
Ich verachte und verfluche sie. Allerdings habe ich diesen Projektor aus der LIVINGSTONE nicht nur deshalb aktiviert, um euch das zu sagen. Die Station, in der ihr steht, ist desaktiviert. Ich habe dies im Einverständnis mit einem Gorim getan. Er ist in dieser Station aufgetaucht, kaum dass sie gelandet war. Und er war einer von euch, Irmina und Bully!
Nicht nur ein Vironaut wie ihr, nein, er war von eurer Abstammung.
Er blieb nicht lange, weil nach seinen Worten diese Station bereits im Visier eines Ewigen Kriegers stand.
Deshalb verlasst sie, solange ihr könnt. Der Gorim nannte eine andere Station als Treffpunkt, die Welt Bonfire in dem Gebiet, das nahe der Überlappungszone der beiden Absantha-Galaxien liegt und nicht fern von meiner Heimat Elfahd. Dort sollt auch ihr hinkommen.
Irmina und Bully, wir haben keine Zeit, auf euch zu warten. Wir brechen mit den Vironauten und den Cappins auf. Ich wünsche euch Glück und hoffe, euch wiederzusehen. Am besten ist es, ihr vergesst die alten Begegnungen zwischen uns, wie sie zum Beispiel auf Eremit stattgefunden haben!«
Das Hologramm fiel in sich zusammen. Ich bückte mich und hob den Projektor auf. Ich hatte Mühe, meine Gedanken zu ordnen. Wort für Wort rekapitulierte ich Volcayrs Bericht. Wenn das, was er sagte, stimmte, ergab alles, was wir von Stronker Keen erfahren hatten, einen Sinn. Dann war Volcayr jener Elfahder gewesen, und dann besaßen die Vironauten einen neuen Helfer.
Ich löschte den Bericht und stellte den Projektor auf eine Konsole.
»Wir wollen uns zu Herzen nehmen, was er sagt. Der Ewige Krieger ist näher, als uns lieb sein kann. Verschwinden wir aus der Station!«
Irmina nickte und eilte zur Tür. Wir kehrten auf dem Weg zurück ins Freie, auf dem wir gekommen waren. Wir verschlossen die Luke, so gut es ging. Die Luft war rein, von Ijarkor, seinen Helfern, und auch von den Mlironern war nichts zu entdecken. Im Eilschritt hetzten wir über den glitschigen Handrücken und waren froh, als wir natürlich gewachsenen Boden unter den Füßen hatten. Wir rannten zu den Bodenwellen hinüber, hinter denen wir Grahden und seine Männer vermuteten.
»Ein Terraner?«, fragte Irmina. »Wie kommt er in diese Station? Bully, es kann sich nur um einen Vironauten handeln. Roi und Tek können nicht gemeint sein. Sie kennt Volcayr. Der hat nicht von Vironauten gesprochen!«
Ich zuckte mit den Schultern, eine Geste, die außerhalb des SERUNS kaum wahrnehmbar war. Auch ich wusste nicht, wie ich die Information verstehen sollte. Außer den Vironauten gab es schließlich keine weiteren Menschen in den Galaxien ESTARTUS. Oder war das ein Trugschluss?
Stronkers Bericht und die in ihm enthaltenen Unklarheiten waren erklärt. Dafür hatte sich uns ein weit größeres Rätsel gestellt.
Wir fanden die Mlironer in der Nähe ihres Gleiters. Wir teilten ihnen das Nötigste mit, vor allem die Warnung in Bezug auf die Station. Sie machten enttäuschte Gesichter. Dass ein Elfahder die Botschaft verkündet hatte, verschwiegen wir ihnen ebenso wie die Tatsache, dass es Gorims gab, die offensichtlich Menschen waren. Eri Grahden schlug vor, dass wir mit dem Gleiter zunächst nach Norden fliegen sollten. Vielleicht verband er mit unserer Anwesenheit eine gewisse Hoffnung auf Unterstützung. Oder war es eher das Gefühl der Hochstimmung, die wir ihm vermittelt hatten, die ihn dazu bewog, die Verkünder der frohen Botschaft mit sich zu nehmen?
Wir bestiegen den Gleiter und stellten uns mit den SERUNS in die einzige freie Ecke. Eri Grahden ließ sich im Pilotensessel nieder. Langsam hob das Fahrzeug vom Boden ab und driftete den Hügel entlang. Es stieg über eine Bodenwelle und sank dahinter wieder zum Grund hinab. Auf Schleichwegen umrundete es die Hügelkette und wandte sich dann nach Norden, dem Dschungel zu, der sich jenseits der Sümpfe erstreckte und wohl der Radiodschungel war.
Eigentlich wäre es sinnvoll gewesen, wenn wir zu den Virenschiffen zurückgekehrt wären. Dann hätte jedoch die Gefahr bestanden, dass das Sternschiff des Ewigen Kriegers uns entdeckt hätte. Dieses Risiko wollten wir vermeiden. Mit dem Gleiter, der sicherlich geortet worden war, konnten wir den Eindruck erwecken, dass es sich bei uns lediglich um ein paar mlironische Abenteurer handelte.
Eri Grahden erläuterte uns, dass er auf einem Kurs flog, der wesentlich weiter westlich lag als der, den sie gekommen waren. Auch er war sich der Gefahr bewusst, die das Beiboot des Sternschiffs darstellte. Die Nähe eines Ewigen Kriegers dämpfte seine Desotho-Euphorie und die seiner Begleiter erheblich. Er berichtete etwas ausführlicher von der Zerstörung der Siedlung und dem Kampf im Dschungel. Er malte aus, wo die Sauerinsel lag und dass sie eigentlich eine geeignete Bleibe für die Zukunft war. Sie lag nur zu nahe an der alten Siedlung. Die Mlironer der Population I würden keine Schwierigkeiten haben, sie mithilfe der Somer aufzuspüren und die Flüchtlinge erneut zu quälen. Deshalb wollten sie viel lieber in das Gebiet des Südpols ziehen und sich dort ein Versteck einrichten. Die Anwesenheit der Station gab ihnen Sicherheit, die Angst vor dem Krieger lähmte sie. Sie wussten nicht so recht, was sie tun sollten. Am liebsten wären sie weg von Neu-Mliron gegangen, um dem Desotho zu folgen.
Im Lauf des Fluges erfuhren wir, welches Verbrechen auf diesem Planeten am Volk der Mlironer begangen wurde. Die Somer behandelten sie wie Tiere, an denen man Experimente vornahm. Wir waren uns einig, dass all dies Teil des »Projekts Phylogen« sein musste. Waren den Vironauten schon Tierversuche ein Gräuel, so konnten Irmina und ich uns erst recht nicht mit dem Gedanken abfinden, dass hier ein ganzes Volk intelligenter Wesen als Versuchstiere behandelt wurde.
Und wenn wir Grahden richtig verstanden, wogte der erzwungene Kampf seit Generationen auf und ab. Manchmal gingen ihm die Angehörigen der Population II aus dem Weg, manchmal nahmen sie die Herausforderung an und gingen erhobenen Hauptes in den Tod. Nur in ganz wenigen Fällen gelang es manchmal, sie so zu reizen, dass sie sich wehrten.
Ich warf Irmina einen langen Blick zu. Wortlos verständigten wir uns und waren uns einig, dass wir alles tun würden, um diesem Verbrechen ein rasches Ende zu bereiten. Bloß wie?
Kurz darauf ging bei unseren SERUNS ein verschlüsselter und geraffter Funkspruch ein. Er beinhaltete, dass sich Sris KOKON selbstständig gemacht hatte. Sie hatte den Sumpf verlassen und driftete langsam über das Gelände in Richtung der Station und des Zackens.
»Nichts wie hin!«, sagte ich zu Irmina. »Wir müssen wissen, was da vor sich geht!«
Wir machten Grahden und seinen Begleitern klar, dass der Augenblick des Abschieds gekommen war. Die Mlironer dankten uns herzlich für die frohen Nachrichten, die wir ihnen gebracht hatten. Sie wollten zunächst nach der Sauerinsel zurückkehren und dann sehen, wie es weiterging. Grahden war der Überzeugung, dass alle Angehörigen der Population II von der Rückkehr des Desothos erfahren mussten.
»Seid vorsichtig bei eurem Tun!«, riet ich ihm zum Abschied, dann öffnete sich die Luke des Gleiters. Wir aktivierten die SERUNS und rasten hinaus und nach einem engen Bogen nach Osten in Richtung Süden davon, um uns um die KOKON zu kümmern. Vielleicht gelang es uns, in das Virenschiff einzudringen.
Nun, da er wusste, dass sie sich auf dieser Welt aufhielten, fragte er sich erneut, warum sie so wenig Verständnis für ihn aufbrachten. War es so schwer, seine Handlungen als notwendig anzuerkennen? Er war der Desotho, und er war gekommen, um endlich seine Ziele zu erreichen. Warum machten sie so viel Aufhebens davon?
Zugegeben – in den zweitausend Jahren, die er in den Orphischen Labyrinthen zugebracht hatte, hatte er es verlernt, Erklärungen zu geben oder andere nach dem Warum und Wofür zu fragen. Er hatte es sich angewöhnt, einfach zu handeln und zielstrebig seinen Weg zu verfolgen.
Allein deshalb hatte er die unzähligen Jagden überlebt. Dieses Verhalten zeichnete ihn aus und hatte es ihm ermöglicht, gegen Armanach zu bestehen. Entgegen seiner Gewohnheit hatte Armanach einen Helfer mitgebracht. Dieser hatte ihn trotz seiner empathischen Fähigkeiten eher abgelenkt als ihm geholfen.
So sah er es, und er wäre nicht Veth Leburian gewesen, wenn er sich getäuscht hätte.
Sri lag in diesem Tank. Sie war eine Inkarnation einer Kosmokratin, eine recht seltene Erscheinung, wie er fand. Er benutzte sie, und sie wusste es. Und immer wieder fragte er sich, warum sie es zuließ. Etwas war da, was ihm unklar war und ihn manchmal unkonzentriert werden ließ. Von Srimavo ging etwas aus, das er sich nicht erklären konnte. Er empfand es nicht als gefährlich, ganz im Gegenteil. Sie wollte ihm etwas sagen und benutzte dazu keine Worte. Und sie ließ es mit sich geschehen, dass er sie als Tauschobjekt benutzte.
Wusste sie nicht, welche Konsequenzen das haben konnte? Hatte sie nicht erkennen können, dass ihr von Ijarkor Gefahr drohte? Der Ewige Krieger hätte sie ohne Weiteres töten können. Er hatte es nicht getan, sondern sich den Wünschen seiner Gäste gebeugt. So zumindest hatte Veth die Vorgänge gedeutet.
Ijarkor hatte ihn geadelt und ihm erhebliche Zugeständnisse gemacht, ihm zwei Wünsche auf einmal erfüllt. Er hatte es hingenommen, als sei es eine Selbstverständlichkeit. War das Leichtsinn?
Der Desotho lachte. Ijarkor mochte denken, was er wollte. Er durfte ihn nicht für einen Dummkopf halten. Veth hatte verlangt, nach Neu-Mliron gebracht zu werden. Er hatte es auch in dem Bewusstsein getan, dass er hier mit Bully und Irmina zusammentreffen konnte, die die Gorim-Station aufsuchen wollten. Er hatte alles genau kalkuliert. Offiziell kam er, um sich von dem Unrecht zu überzeugen, das seinem Volk durch das Projekt Phylogen angetan wurde.
Ijarkor hatte ihn mit der tiefgefrorenen Sri landen lassen. Er hatte nicht zu erkennen gegeben, ob sein Sternschiff die Station bereits geortet hatte. Der Desotho hatte mit Sri das Beiboot verlassen und sich nach Norden gewandt. Heimlich war er zurückgekehrt und hatte mithilfe des Telecommanders die KOKON aufgespürt und sie abgekoppelt. Sie war aufgetaucht, und er hatte sie auf ein Fleckchen trockenes Land gelotst, wo die dreckige Brühe ablaufen konnte. Danach hatte er Sri in ihrem GLB-Tank langsam über den Sumpf in Richtung der Station gesteuert. Ein Stück westlich davon hatte er ein paar überhängende Felsen erspäht, unter denen er den Tank jeder Ortungsmöglichkeit entzog. Dann hatte er gewartet.
Er hatte den gerafften Impuls der EXPLORER erahnt und daraus den Schluss gezogen, dass man nicht genau wusste, wo sich Bully und Irmina befanden. Die beiden Toshins hatten die Station aufsuchen wollen, wobei doch sofort klar werden musste, dass diese nicht mehr in Betrieb war. Veth Leburian wusste nicht, wer sie desaktiviert hatte. Wahrscheinlich hatten die Gorims es selbst getan.
Und das bedeutete, dass Ijarkor sie wahrscheinlich gefunden hatte oder durch Spione und Beobachter schon im Voraus gewusst hatte, wohin man sie bringen würde.
»Alter Haudegen«, flüsterte der mythische Held der Mlironer. »Ich werde dir ein orphisches Schnippchen schlagen. Dafür ist gesorgt. Du wirst die Zeit der Ewigen Krieger nicht unnütz lange überleben. Die Labyrinthe würden sich freuen, dich als Wild zu besitzen. Und dann werde ich der Jäger sein!«
Er wandte sich um und musterte die schlafende Sri, deren Geist wach war. Wenn er wollte, konnte er sich mit ihr unterhalten. Er unterließ es. Sein Gesicht hatte einen milden Ausdruck angenommen, und er malte mlironische Schriftzeichen in die Luft, die weder Sri noch jemand anders sehen konnte. Nur er wusste, was sie bedeuteten.
»Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht!«, sagten sie, wobei Veth Leburian sich gleichzeitig fragte, ob dies nicht ein leeres Versprechen war. Schließlich war sie für ihn trotz allem eine Fremde und eine Kosmokratin dazu.
Und das, fand er, war in diesem kosmischen Spiel das Einzige, was zählte.
Es war unwahrscheinlich, dass die KOKON so einfach über dem Sumpfland agieren konnte, ohne von dem zackenförmigen Beiboot des Sternschiffs bemerkt zu werden. Dennoch musste es so sein, denn nichts wies auf ein Eingreifen des Ewigen Kriegers und seiner Helfer hin.
Zumindest hatte es den Anschein, als sei alles unbemerkt geschehen.
Wir hatten eine Weile gesucht. Den SERUNS war es gelungen, das winzige Echo des kleinen Virenschiffs ausfindig zu machen. Wenig später standen wir vor Veth Leburian.
Er hatte uns erwartet. Sein Gesicht wirkte ernst und verschlossen, und statt einer Begrüßung sagte er: »Es wird auch Zeit. Was glaubt ihr, was ich alles riskiere, um euch hier zu treffen!«
»Interessant«, bemerkte Irmina. »Du verstehst es, deine Auftritte dramatisch zu gestalten. Dramatisch, kalt und berechnend!«
»Deshalb lebe ich noch!«, sagte er leise, eine Spur zu leise, wie ich fand. Unter normalen Umständen hätte ich sein Verhalten als bedrohend eingestuft. Im Moment wusste ich nicht recht zu sagen, was es sollte. Es lag wohl daran, dass ich meine Aufmerksamkeit eher auf Sri in ihrem Tank gerichtet hatte als auf ihn.
Die kleine Sphinx ruhte in ihrem gefrierbiologischen Lebenstank. Es handelte sich dabei um einen umgekehrten Kegelstumpf, nur 60 Zentimeter hoch, unten 30 und oben 60 im Durchmesser. Im Kegelstumpf war der Freezer mit dem gesamten Überlebenssystem untergebracht, ebenso das Kommunikationssystem, das Srimavos Gedankenimpulse in Schallwellen übersetzte, ebenso ein Antigravgerät und der Schutzschirmprojektor, dessen Energiefeld Sris Körper in einem Abstand von fünf Zentimetern umhüllte und nachbildete.
Das Tiefkühlaggregat erzeugte eine Temperatur von rund minus zweihundert Grad Celsius. Gleichzeitig pumpte es DMSO nach oben, das Sris Körper einhüllte. DMSO oder Dimethylsulfoxid war ein Lösungsmittel, in dem menschliche Haut bei Untertemperaturen gelagert wurde. Die chemische Zusammensetzung des Stoffes war wesentlich komplizierter, da das Dimethylsulfoxid nicht nur die Haut kühlen, sondern den ganzen Körper gleichmäßig auf dieser Niedrigtemperatur halten musste. Es war ganz auf den Metabolismus der Sphinx abgestimmt. Ich war überzeugt, dass diese Methode der Tiefkühlung für jeden anderen Menschen tödlich gewesen wäre. Bei Sri war das anders, wie man sah. Sie besaß einen jungen Menschenkörper, aber sie war eine Inkarnation Vishnas, etwa wie Gesil. Oder anders?
Ich blinzelte. Im Tageslicht warfen die Eiskristalle die Helligkeit zurück. Sri wirkte wie vereist, wie eine Skulptur. Auch im GBL-Schlaf trug sie eine mattrote Kombination. Ihre Füße steckten bis zu den Knöcheln im verkehrten Stumpf des Tanks. Die schockierende Wirkung auf uns Menschen entstand durch die optisch hervorgerufene Vorstellung, dass es sich bei Sri um einen konservierten Leichnam handelte.
Ruckartig wandte ich mich dem Desotho zu, während Irmina sich dem Tank näherte und dicht vor dem Schutzschirm verharrte. Tastete sie mit ihren Fähigkeiten Sris Körper ab?
Veth Leburian fuhr herum. Er hielt seinen Telecommander in der Hand, mit dem er Sris Sarkophag steuerte. Er bestätigte meine Vermutung.
»Du solltest das besser lassen!«, fuhr er die Metabio-Gruppiererin an. »Im Übrigen bin ich nicht gekommen, um auf euch aufpassen zu müssen wie auf kleine Kinder!«
»Du schleppst dein Kind ja mit dir, auf das du aufpassen willst«, sagte ich. Ich wusste vom ersten Mal, bei dem wir dem Desotho begegneten und bei dem er uns die Sphinx vorführte, dass sie alles mitbekam, was gesprochen wurde. Ich leistete ihr stumm Abbitte, dass ich sie als Kind bezeichnete. Sie würde wissen, wie ich es meinte und warum ich es sagte. »Schämst du dich nicht, ein Mädchen zu entführen?«
»Für ein Mädchen ist sie erstaunlich weise und erwachsen«, sagte Leburian mit schriller Stimme. »Und sie ist eine Kosmokratin oder deren Inkarnation. Was glaubst du eigentlich, wer ich bin, Toshin Bull? Störe dich nicht an dem Wort. Du hast ein Recht darauf, als Toshin angesprochen zu werden. Toshins sind im Allgemeinen stolz und hart, so hart wie diejenigen, die in die Orphischen Labyrinthe verbannt wurden. Doch das wollte ich gar nicht sagen. Ich wollte sagen, dass Srimavo eine Kosmokratin ist, die nie hinter den Materiequellen war. Sie kam nicht von dort und wird vermutlich nie dorthin gehen.«
»Du weißt so ziemlich alles«, erkannte Irmina. »Und dennoch behandelst du sie wie eine Ware!«
»Nein!«
»Nein?«, schrie ich ihn an. Mein rechter Arm schoss vor, die Faust des SERUNS traf ihn an der linken Schulter. Es dröhnte, aber Veth Leburian bewegte sich keinen Millimeter. »Und das sagst du nach all dem, was war? Wir wissen wohl, dass Ijarkor dich zum Gefolgsmann ernannt und dir zwei Wünsche erfüllt hat oder erfüllen wird. Und ich kann mir denken, dass das Schiff des Ewigen Kriegers nur deshalb nach Neu-Mliron gekommen ist, weil du es wolltest. Du bist mit dem Beiboot gekommen und hast Sri mitgebracht!«
»Ja.«, sagte er einfach und ohne sichtbare Erregung.
Ich spürte, wie sich mein Gesicht rötete. »Ha!«, machte ich. »Einen alten Hasen kannst du nicht veralbern, merke dir das! Was willst du hier?«
»Euch sprechen!«
»Bemerkenswert«, spottete Irmina.
»Du willst uns sprechen? Warum? Du bist kein Mann von Rechtfertigungen!«
»Ich weiß, dass ihr mich für einen Verräter haltet. Und ich habe es in der langen Zeit meines Totseins verlernt, Dinge zu erklären, die ich tue. Ich habe sie einfach getan, deshalb lebe ich wieder. Euch indes will ich eine Erklärung geben. Ich bin der Desotho, und ich bin von den Gorims ausgebildet worden in der Station, die hier im Dreck liegt und desaktiviert wurde. Von wem?«
»Von einem Gorim!« Irmina sagte es. Mir selbst war nicht nach Antworten zumute.
»Dachte ich mir. Lasst mich fortfahren. Damals wurde ich verbannt, und die Legende vom Desotho entstand. Ich bin nach wie vor der Desotho. Ich habe den Verrat allein deshalb begangen, um das Vertrauen Ijarkors zu gewinnen und Verbindung mit der Superintelligenz ESTARTU aufnehmen zu können. Vergesst nicht, dass ich mein Volk hinter mir habe und es nicht enttäuschen darf. In der langen Zeit meiner Verbannung hatte ich ausreichend Gelegenheit, darüber nachzudenken. Und darüber, wie die Superintelligenz denkt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das Werk der Ewigen Krieger gutheißt. Wisst ihr nun, was ich will? Warum ich alle Mittel einsetze, um das Ziel zu erreichen, nämlich den Sitz der Superintelligenz?«
Ich starrte Veth Leburian an. Sein Gesicht strahlte, seine Augen flammten. Er sah aus, als hätte er sich in Begeisterung geredet.
»Schön und gut«, erklärte ich. »Was zählt, sind Fakten. Bringe uns Fakten, die für dich sprechen!«
Ich beobachtete sein Gesicht genau. Sein hervorstechendes Merkmal, die schwarzen Hautpigmente seines Gesichts, hatten sich auffällig schnell bewegt. Sie kamen langsam wieder zur Ruhe, sein Gesicht erhielt einen klareren Ausdruck. Er straffte seine über zwei Meter hohe Gestalt. Er hatte ein sehr schmales Gesicht mit grünen Augen und schwarzen Pupillen. Über den Augen wölbten sich dünne, halbmondförmige Brauen von den äußeren Augenwinkeln bis zur Wurzel seiner Hakennase. Der Mund war schmal, die Lippen umrahmten ihn in hellem Ocker. Vom schmalen Kinn kräuselte sich ein fingerlanger, grauer Bart. Das graue Haar mit dem leicht violetten Schimmer hatte er zu einer schneckenförmigen Frisur gefestigt. Sein Hinterkopf wirkte dadurch sehr ausladend.
Wer Stalker mit seinem Psi-Pressor kannte, war versucht, Leburian als eine Art Karikatur des Sothos anzusehen. Aber er war viel mehr. Sein Auftreten wirkte nicht wie der Abklatsch eines Ewigen Kriegers, sondern hatte etwas Eigenständiges an sich. Veth Leburian war der Desotho, und ich verstand es so, dass er ein Gegen-Sotho war, einer, der den Sotho und die Ewigen Krieger abschaffen wollte.