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Dass Rache nicht Blutwurst ist, dürfte jedem klar sein. Aber wie kommt es, dass selbst an sich ganz liebe Menschen austicken? Plötzlich ist der Krimi ganz in deiner Nähe und Leute leben statt ihres Lebens nur noch ihre Rache, unbemerkt von ihren Freunden. Mein erster Krimi (zu kurz für einen Roman, zu lang für eine Kurzgeschichte) hat ein reales Vorbild.
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Seitenzahl: 85
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Vorbemerkung
Textbeginn
Nachwort
Vorbemerkung
Für einen „richtigen“ Kriminalroman fehlt mir die Schreiberfahrung, für eine Kurzgeschichte ist das Ding zu lang, um es als weiteren „Nebenbeitext“ einzubinden, passt es nicht, also wird es eine eigenständige Novelle.
Nun hab ich nicht Germanistik studiert, sondern schreibe entweder zur eigenen Aufarbeitung oder aus Spaß. Weil ich nun auch ein etwas reiferer Jahrgang bin, möge man mir bitte verzeihen, dass es hier drei Arten der Rechtschreibung gibt: 1. die Alte, 2. die Neue, 3. meine. … und manches von mir verwendete Wort findet bei der Rechtschreibprüfung nicht mal mein Computer. Ich bitte deshalb um Nachsicht.
Wollen wir beginnen?
Na dann los ...
*
Die beiden Pistolen hatte sie gut in ihrem Rucksack verstaut, als sie in den Mietwagen stieg. Kummerow, ausgerechnet in Kummerow war sie gelandet, sie die aus einer Großstadt kam. Berlin, so nah und doch so fern. Sie dachte an ihren Kumpel Nathaniel Bumppo1, der ihr bei ihrem letzten persönlichen Treffen, der Abschied, als sie aus Berlin fortgezogen war, vorgeworfen hatte: „Berlin hasst du oder liebst du. Dazwischen gibt’s fast nichts. Ich liebe Berlin! Und du? Du bist seit deiner Geburt hier nie wirklich in Berlin angekommen.“
Es war jetzt gut fünf Jahre her, als er das zu ihr gesagt hatte. Damals war sie aufgebrochen, aufs Land. Um Ruhe zu finden? Ins Ungewisse? In ein neues Leben? Oder war Kummerow der beste Ort für ihre Zwecke? Den Ortsnamen hatte sie aus den Romanen von Ehm Welk. Deshalb musste es Kummerow sein. Ein „Kuh-Kaff“ in Mecklenburg, hügelige Landschaft, Seen, einfache aber gutmütige Menschen, nah genug an Lübars … in Berlin. Dazu etwas Landwirtschaft, eine kleine Backstein-Kirche, ein Schloss, ein Kirchchor, ein Boots- und ein Kleingartenverein. Zweimal pro Woche kam für eine halbe Stunde ein Händler mit seinem kleinen Lieferwagen und verkaufte frisches Brot, Butter und Waschpulver vor allem an die Alten, die hier nicht mehr weg kamen. Öffentlichen Busverkehr hatte es in der Gegend noch nie gegeben. Vor allem aber hatte sie die Weite der Landschaft fasziniert ... und die wenigen Menschen. Aber auch mit den wenigen hatte sie sich in den paar Jahren in denen sie in Kummerow lebte, angelegt.
Das hatte sie sich indessen nicht mit den Leuten aus Stavenhagen, dem größten der näheren Orte, denn dort gab es einen Schützenverein und in dessen Ortsteil Basepohl sogar einen ehemaligen NVA-Flugplatz, der für Kampfhubschrauber und Mig-Jäger genutzt worden war und dessen Abgelegenheit für ihre Zwecke sicher dienlich sein konnte.
Von ihren heimlichen Plänen hatte sie niemandem, nicht einmal ihrem Kumpel Nat, etwas erzählt. Sie kannten sich seit weit mehr als vierzig Jahren. War Nat mal verliebt in sie? Das wusste sie nicht so genau. Aber alle Männer, denen sie in ihrem Leben begegnet war, verknallten sich vom ersten Augenblick an unsterblich in sie. Und sie wusste ihre Reize zu be-, und die Kerle auszunutzen. Große, stechend himmelblaue Augen, blonde Lockenmähne, sportlichgeschmeidiger Körper, Katzengang waren ihre äußeren Attribute damals. Und wenn sie dann noch kindlich-naive Diktion in ihre Stimme legte und den Arm oder die Hand ihres männlichen Gegenübers federleicht wie ein Schmetterling seine Flügel schlägt, berührte, schmolzen alle männlichen Wesen, sofern die nicht stock schwul waren, dahin, ihr eigener Vater eingeschlossen.
Diese Art des Jagens nach einer Beziehung war ihr zu leicht. Frauen reizten sie deshalb von Anfang an mehr. Die waren für sie schwerer zu bekommen, durchschauten sie bei ihrer Jagd oder setzten auf die gleichen subtilen Waffen, wie sie selbst. Duelle auf Augenhöhe, bei der Suche nach der großen Liebe fürs Leben und später in ihren festen Gemeinschaften selbst.
Rebecca selbst hatte in ihrem Leben viele gute und vor allem erfüllende Beziehungen zu Frauen gehabt. Nur ihre letzte war ein Fehlgriff. Es ließ sich anfangs gut an! Sie hatten sich in einer Insidern eher weniger bekannten reinen Lesbenbar in Berlin Kreuzberg zufällig getroffen. Die Kellnerin hatte versehentlich den roten mit dem pinken Prosecco mit den beiden Tischen vertauscht, an denen sie Rücken an Rücken gesessen hatten, ohne die jeweils andere zu bemerken. Ein kleines „Oh, der war wohl für mich!“ und schon waren sie beide im Gespräch.
Es ging mit dieser Beziehung ungewöhnlich schnell. Tiefer als bei allen Frauen vor ihr hatte sich Sheryl in Rebeccas Herz gegraben. Mehr aufgewühlt, als alle anderen vor ihr. Wer von ihnen beiden dominanter war, entschied jede allein für sich.
Geld war genug da, waren sie doch beide Beamte und bereits in der höheren Laufbahn angekommen. So hatten sie es auch mit Leichtigkeit geschafft, sich ein Häuschen mit Garten am Dorfkern von Lübars, mit Blick auf die Niedermoorwiesen am Tegeler Fließ zu kaufen.
Ihre Aufgaben waren in der Folgezeit streng verteilt. Rebecca kümmerte sich um alles im Garten, am und den Gehweg vor dem Haus, Sheryl war für alles innen zuständig.
Ein Problem allerdings stellte sich, als sie endlich ihr Häuschen bezogen hatten, nur allmählich heraus. Ja, es schlich sich geradezu unbemerkt ein!
Sheryl liebte ihre Arbeit. Sie berichtete täglich von den wahren Wundern, die sie in der Berliner Verwaltung zu Wege brachte. Rebecca hasste dagegen ihren Job. Sie waren in ihrem Bereich ständig unterbesetzt. Andauernd flüchteten Mitarbeiter, ließen sich intern versetzten oder kündigten gleich ganz. Dafür waren ständig waren Neue zum einarbeiten da. Der Grund war ganz einfach. Es lag nicht am Geld oder am Umgang mit den Bürgern, mit denen auch Rebecca zu tun hatte, nein, es lag an der Führung, oder eher an der Unfähigkeit ihrer Vorgesetzten, ein angenehmes Arbeitsklima zu schaffen und ihre Untergebenen zu führen. Statt dessen wurde man immer nur zur Sau gemacht. Mal nicht bestraft zu werden, galt bereits als Lob.
Dabei war es einst anders gewesen. Als sie in der Mitte der 1990er Jahre in diesem Teil der Verwaltung angefangen hatte, stimmte alles noch. Sie waren ein großer, freundlicher Haufen, der viel miteinander in der Freizeit unternahm. Heute schien es ihr, als hätte man quasi die Reste der Mitarbeiter aus anderen Verwaltungen zusammengekehrt und allesamt bei ihr im Haus abgeladen. Aber Rebecca wollte durchhalten. Sie hatte doch nur noch ein paar Jahre, bis sie Pensionsanspruchsberechtigte war. So lange, aber keinen Tag mehr, hatte sie dort ausgeharrt.
Dies hatte zur Folge, dass sie immer mehr, immer häufiger und immer regelmäßiger, zu legalen Drogen und Genussmitteln griff. Aber während sie die Schokolade noch im Griff hatte, gelang ihr das mit Alkohol nicht. Nein, sie trank keine harten Sachen! Sie trank nicht einmal Wein. Bier war das, was sie am Abend zur Ruhe brachte, Bier ließ sie schlafen, Bier ließ sie den Sonntagnachmittag überstehen, wenn sie daran dachte, was sie in der nächsten Woche an ihrem Arbeitsplatz zum Wahnsinn treiben würde.
Bier aber hatte zwei unangenehme Nebeneffekte. Rebeccas Mundgeruch wirkte auf Sheryl abends im Bett nicht gerade zum Kuscheln einladend und Rebeccas eigene Libido litt gleichfalls sehr unter dem Einfluss des Alkohols.
Aber immerhin fast zwanzig Jahre hielt die Beziehung. Wären sie wie Mann und Frau verheiratet, wäre die „Porzellane Hochzeit“ in Sichtweite gewesen. Heiraten durften sie indes in Deutschland zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Trotzdem redete jede der beiden, wenn im Bekannten- und Freundeskreis die Sprache auf den jeweils anderen in der Partnerschaft kam, von „meine Frau“.
*
Die Jahre verflossen. Die Himbeerbüsche am nördlichen Zaun ihres Grundstücks wuchsen und wurden beschnitten, die Maiglöckchen vermehrten sich trotz aller Vorsicht bis in Nachbarsgarten hinein, Fische und Schilf im Gartenteich vermehrten sich unkontrolliert und wurden von wilden Reihern gern als Snack für zwischendurch aufgespießt, Frösche siedelten sich von selbst an und quakten laut in späten Frühlingsnächten, teuer eingekaufter Pferdemist von einem der nahen Reiterhöfe wurde unter die Beete gegraben und ließ ihren kleinen Gemüsegarten an der Südecke des Hauses, in dem sie Basilikum, Schnittlauch, Petersilie, Zwiebeln, ein paar Zuckerschoten und Rhabarber anbauten, immer höher wachsen. Im meist ungenutzten Dachboden des Hauses vergilbten allmählich die billigen Tapeten, die sie einst angeleimt hatten, im Rest des Hauses bekam die Raufaser zum wiederholten mal einen neuen, weißen Anstrich, um die niedrigen Räume des Hauses größer erscheinen zu lassen und das Uhrwerk der großen, alten, lärmenden Standuhr, die sie einst gemeinsam auf dem Flohmarkt am Mauerpark entdeckt hatten, musste mal wieder entharzt werden.
Hatten sich Sheryl und Rebecca zu sehr aneinander gewöhnt oder waren sie sich gleichgültig geworden? Das Leben begann für beide bedeutungslos, sinnlos, langweilig vorüber zu ziehen. Beide litten. Aber während sich Sheryl ihre kleinen, täglichen Highlights auf Arbeit holte, verkroch sich Rebecca immer mehr im Garten und im Bier. So lang es warm war und sie irgend etwas umpflanzen, beschneiden oder in Form bringen konnte, war alles gut und auch ihr hoher Bierkonsum fiel zumindest ihr selbst dabei nicht auf.
Aber in der kalten Jahreszeit, wenn Blizzards aus dem Tal des Tegeler Fließ's zu ihnen hinauf fegten oder eiskalte Graupelschauer im Herbst alles Leben zu ertränken suchten, konnten sie sich im kleinen Haus kaum wirklich aus dem Weg gehen. Und dann krachte es. Da reichten winzige Anlässe wie: „... das ist schon dein viertes Bier heute“, „ … die Strippen deines letzten Tampons hingen mal wieder aus dem Eimer“ oder „ … warum regst du dich ständig über deinen Job auf? Du kannst doch auch kündigen oder dich mal versetzen lassen!“, um einen im Wortsinne handgreiflichen Streit zwischen ihnen vom Zaune zu brechen. Frauenfäuste flogen, Ringe verletzten die Gegnerinnen an Gesicht und Hals, Knie wurden in Unterleibe und Magengruben geschlagen.
Aber eine wundersüße Nacht, wenn sie sich nach so einer Auseinandersetzung wieder vertrugen, gab es jedes mal.
Nur dieses eine mal dann nicht.
*
Sheryl hatte die Schnauze voll. Sex oder einfach nur körperliche Zuneigung gab es von Rebecca in den letzten Jahren ihrer „Ehe“ immer nur noch aus einem Streit heraus. Dann glitten ihre durchgeschwitzten, feuchten, teils blutigen Körper wegen der vorher gehenden physischen Anstrengung des Kampfes leicht an- und aufeinander. Aber immer häufiger mochte Sheryl Rebeccas Bierfahne, ihren ungewaschenen Schweißgeruch und ungepflegten Beine nicht mehr an sich und um sich herum. Nicht dass Rebecca sich generell gehen ließ! Sie war noch immer eine schöne, begehrenswerte, anmutige und äußerst gepflegte Frau. Jedoch schwitzte man nach einem handgreiflichen Streit nun mal und erwachsene Menschen riechen dann etwas streng, wenn der Streit nachmittags ist und man am Vormittag das letzte mal geduscht hat. … und dann war da noch Rebeccas andauernde Bierfahne.