Rivalen um Franziskas Liebe - Toni Waidacher - E-Book

Rivalen um Franziskas Liebe E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Sebastian Trenker hatte den Segen gesprochen und drehte sich zu der kleinen Trauergemeinde um. Der junge Bursche, der direkt hinter ihm stand, wischte sich eine Träne aus dem Auge und sah den Geistlichen fragend an. Pfarrer Trenker nickte ihm zu, und Martin Neureuther trat einen Schritt vor. Der Bauernsohn warf den Blumenstrauß in das Grab und sprach ein kurzes Gebet. Der Bergpfarrer reichte ihm die Hand. »Schad', Martin, daß du unter diesen Umständen in die Heimat zurückgekommen bist«, sagte er. »Ich denk', auch deinen Vater hätt's gefreut, wenn du schon früher...« Martin zuckte die Schultern. »Ich weiß net, Hochwürden«, unterbrach er Sebastian. »Sie haben Vater ja gekannt und wissen, wie stur er sein konnte. Ich hab' einige Male versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Leider vergebens. Meine Briefe kamen stets ungeöffnet zurück. ›Annahme verweigert! ‹ stand darauf. Vater hat mir wohl nie verzeihen können, daß ich damals fortgegangen bin.« »Um so besser ist's, daß du jetzt wieder da bist«, erklärte der Geistliche mit Nachdruck.

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Der Bergpfarrer – 360 –

Rivalen um Franziskas Liebe

… doch dem Madl wird alles zu viel

Toni Waidacher

Sebastian Trenker hatte den Segen gesprochen und drehte sich zu der kleinen Trauergemeinde um. Der junge Bursche, der direkt hinter ihm stand, wischte sich eine Träne aus dem Auge und sah den Geistlichen fragend an. Pfarrer Trenker nickte ihm zu, und Martin Neureuther trat einen Schritt vor. Der Bauernsohn warf den Blumenstrauß in das Grab und sprach ein kurzes Gebet.

Der Bergpfarrer reichte ihm die Hand.

»Schad’, Martin, daß du unter diesen Umständen in die Heimat zurückgekommen bist«, sagte er. »Ich denk’, auch deinen Vater hätt’s gefreut, wenn du schon früher...«

Martin zuckte die Schultern.

»Ich weiß net, Hochwürden«, unterbrach er Sebastian. »Sie haben Vater ja gekannt und wissen, wie stur er sein konnte. Ich hab’ einige Male versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Leider vergebens. Meine Briefe kamen stets ungeöffnet zurück. ›Annahme verweigert!‹ stand darauf. Vater hat mir wohl nie verzeihen können, daß ich damals fortgegangen bin.«

»Um so besser ist’s, daß du jetzt wieder da bist«, erklärte der Geistliche mit Nachdruck. »Es muß ja weitergehn auf dem Neureutherhof.«

Der Bauernsohn verzog den Mund.

»Ich fürcht’, da wird nix weitergehn, Hochwürden«, antwortete er. »Ich hab’ zwar noch keinen rechten Überblick, aber was ich bisher aus den Büchern herausgelesen hab’, verheißt nix Gutes. Der Hof ist bis unters Dach verschuldet, und ich weiß net, ob ich’s jemals schaffen kann, diesen Schuldenberg abzutragen.«

»Darüber reden wir noch in aller Ruhe«, meinte Sebastian Trenker. »Heut’ hast’ deinen Vater zu Grabe getragen. Da steht dir der Sinn net nach Geschäften. Ich werd’ in den nächsten Tagen auf dem Hof vorbeischau’n, und dann können wir alles bereden und über eine Lösung nachdenken.«

Inzwischen waren die anderen Trauergäste an das Grab getreten und hatten von dem verstorbenen Neureutherbauern Abschied genommen. Sie schüttelten Martin die Hand und bekundeten ihre Anteilnahme. Einige boten gar ihre Hilfe an, wenn Not am Mann sein sollte.

Der Bauernsohn bedankte sich und lud die Leute, Nachbarn und deren Gesinde zumeist, zu einem Umtrunk ins Wirtshaus ein. Er bat den alten Knecht, der schon lange Jahre bei seinem Vater in Diensten gewesen war, vorauszugehen, und wandte sich noch einmal zum Grab um.

»Ja, Vater«, sagte er leise, »da hat Hochwürden wirklich recht. Es ist wirklich schad’, daß ich erst nach Haus’ kommen durfte, als es schon zu spät war für eine Aussöhnung. Dabei hab’ ich mich wirklich bemüht, dir ein guter Sohn zu sein, und auch später, als ich gegangen war, da hab’ ich jeden Tag an dich denken müssen.«

Martin spürte die Tränen in sich aufsteigen und bemühte sich, sie zu unterdrücken. Zu viele hatte er schon geweint in den letzten Tagen. Er blickte auf das Grab seiner Mutter, das gleich neben dem des Vaters lag. Vielleicht, so überlegte er, wäre alles anders gekommen, wenn der Herrgott die Mutter net schon so früh abberufen hätte. Aber wer konnte schon sagen, wann der Zeitpunkt gekommen war? Niemand, und er schon gar nicht, hätte mit dem frühen Tod des Vaters gerechnet. Zeit seines Lebens war er ein kerngesunder Mann gewesen, an dem der Doktor keinen Heller verdiente, wie der Altbauer immer lachend behauptete. Und dann, wie aus heiterem Himmel, war er eines Morgens im Hof zusammengebrochen und nicht wieder aufgestanden. Der alte Josef hatte ihn gefunden und den Arzt gerufen, aber da war es schon zu spät gewesen. Martin erinnerte sich noch gut an die eisige Klaue, die nach seinem Herzen zu greifen schien, als ihn der Anruf des Knechtes erreichte.

»Du mußt sofort nach Haus’ kommen«, hatte Josef Rendel gesagt. »Dein Vater ist tot.«

Diese vier Worte hatten sich in seine Seele eingebrannt.

Martin Neureuther schaute auf die Uhr. Es war wohl Zeit, ins Wirtshaus hinüberzugehen, wo die Trauergäste auf ihn warteten. Langsam wandte er sich um und stand unversehens einer Gestalt gegenüber, die ihm auf den ersten Blick bekannt vorkam, und an deren Namen er sich sofort erinnern konnte. Einen Moment sahen sie sich in die Augen, dann lächelte das Madl ihn an.

»Franzi!« sagte Martin. »Bist du’s wirklich?«

Franziska Bruchthaler stand einen Augenblick stumm vor ihm, dann nickte sie.

»Ja, Martin, ich bin’s«, erwiderte sie. »Wie geht’s dir?«

Gleichzeitig schüttelte sie den Kopf.

»Dumme Frage«, fuhr sie fort. »Wie soll’s einem schon gehn, an solch einem Tag!«

Sie nahm seine Hand und drückte sie, und ein liebevolles Gefühl durchströmte ihn.

Der Bauernsohn schien seine Sprache immer noch nicht wiedergefunden zu haben. Stumm stand er da und sah sie an, und in seinem Kopf liefen Bilder ab, die Vergangenes wieder heraufbeschworen.

*

»Nein, nein«, antwortete er endlich, »die Frage ist gar net so dumm. Ich hab’s mich ja selbst schon gefragt.«

Franzi hatte einen Blumenstrauß in der Hand.

»Ich wollt’ zur Beerdigung kommen«, entschuldigte sie sich. »Leider konnt’ ich’s net rechtzeitig schaffen.«

»Schön, daß du trotzdem noch gekommen bist«, beteuerte Martin.

Gemeinsam nahmen sie noch einmal Abschied, dann gingen sie langsam zur Pforte.

»Um deine Frage zu beantworten«, sagte Martin Neureuther, »natürlich würd’s mir bessergehn, wenn ich unter and’ren Umständen heimgekommen wär’. Jetzt muß ich erst einmal den heutigen Tag überstehn, und dann heißt’s die Ärmel hochkrempeln und anpacken. Du weißt wohl, wie’s um den Hof steht, net wahr?«

»Na ja, es ist kein Geheimnis, daß es dem Neureutherhof in der letzten Zeit net so gut ging«, antwortete die Bauerstochter. »Mißernten, Sturmschäden im Bergwald, schlechte Preise für das Vieh – es geht vielen Bauern im Wachnertal net anders. Aber die meisten haben Rücklagen gebildet, für schlechte Zeiten.«

»Ja, nur der Vater net«, nickte Martin. »Von der Hand in den Mund hat er gelebt, und jetzt ­siehst’, was dabei herauskommt.«

Sie hatten den Kirchhof verlassen und standen unten an der Straße. Franzi reichte ihm die Hand.

»Alles Gute, Martin«, wünschte sie.

Der drückte ihre Hand.

»Kommst’ mich mal besuchen?« fragte er. »Ich denk’, wir haben einiges zu bereden.«

Das Madl zuckte die Schultern.

»Ja, das haben wir wohl«, antwortete es. »Aber das hätten wir wohl schon früher tun müssen. Jetzt ist’s zu spät.«

Einen Moment sah er Franzi stumm an.

»Natürlich«, nickte er schließlich. »Wie hätt’ ich auch annehmen können, daß...«

»Wir können uns trotzdem sehn«, sagte sie hastig, als habe sie Angst, Martin könne ihre Worte von eben so deuten, daß sie gar nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle. »Ich ruf’ dich an oder komm’ vorbei.«

»Ich freu’ mich«, sagte Martin und sah ihr nach.

Während Franziska Bruchthaler in ihr Auto stieg, das sie an der Straße geparkt hatte, stand Martin unschlüssig da. Natürlich mußte er zum Wirtshaus, aber viel lieber wäre er jetzt alleine gewesen und hätte in Ruhe über alles nachgedacht.

Das unerwartete Wiedersehen mit Franzi hatte vieles wieder nach oben gebracht, was in all der Zeit verschüttet gewesen war. Sie war seine einstige große Liebe. Ewige Treue hatten sie sich geschworen, und doch hatte es nicht einmal für ein paar Jahre gereicht.

Er winkte ihr noch einmal zu, als der Wagen an ihm vorüberfuhr, dann ging er mit hängenden Schultern zum Wirtshaus hinüber.

Sepp Reisinger hatte die Jagdstube für das Kaffeetrinken hergerichtet. Belegte Semmeln standen auf den Tischen, und Haustöchter servierten die Getränke. Martin nickte den Anwesenden zu und setzte sich zu Josef Rendel.

»Wie wird’s jetzt weitergehn?« wollte der alte Knecht wissen.

Martin sah ihn an und verzog den Mund.

»Wenn ich’s nur wüßt’, Sepp«, antwortete er.

»Also, ich würd’s schon gern wissen, ob ich auf dem Neureutherhof bleiben kann. In meinem Alter ist’s net mehr so leicht, irgendwo unterzukommen.«

»Erst einmal bleibt alles beim Alten«, erklärte der Bauernsohn, der jetzt zum Herrn auf dem väterlichen Hof geworden war. »Auch wenn uns das Wasser bis zum Hals steht, vielleicht gibt’s ja noch eine Lösung für das Problem.«

Er winkte eine der Saaltöchter heran und bestellte eine Runde Obstler. Als er sein Glas in der Hand hielt, stand er auf und bat um Ruhe.

»So, Leute, ich wollt’ Dank’ schön sagen«, hielt er seine kleine Rede. »Dafür, daß ihr dem Vater die letzte Ehre erwiesen habt, und für eure Hilfsangebote. Gewiß werd’ ich auf das eine oder and’re zurückgreifen. Wenn ich’s recht bedenk’, dann wär’s doch schad’, wenn der Neureutherhof unter den Hammer käme. Ich weiß zwar noch net, wie ich’s schaffen soll, auf jeden Fall werd’ ich’s aber versuchen.«

»Recht so«, nickte der Brandnerbauer und hob sein Glas. »Auf die Zukunft, Martin, und auf ebenso gute Nachbarschaft, wie wir sie mit dem Vater gepflegt haben.«

Auch die anderen prosteten dem jungen Bauern zu und versicherten ihm noch einmal ihre Hilfe. Dann wandte sich das Gespräch – so wie es immer auf Trauerfeiern ist – anderen Themen zu. Zum Schluß saßen Martin und sein Knecht ganz alleine am Tisch.

»Wird Zeit, daß wir heimfahrn«, mahnte Sepp. »Die Küh’ müssen gemolken werden.«

Martin nickte und bat um die Rechnung. Der Gastwirt selber kam herein.

»Das hat doch Zeit, Martin«, sagte Sepp Reisinger. »Komm’ in der nächsten Woche vorbei, bis dahin hab’ ich’s fertig ausgerechnet. Wenn du zum nächsten Ersten zahlst, ist das schon in Ordnung.«

»Dank’ dir, Sepp«, nickte der Bauer und schüttelte die Hand des Wirtes.

Der begleitete Martin und den Knecht nach draußen.

»Ich wünsch’ dir viel Glück«, sagte er zum Abschied, und so, wie er es sagte, war deutlich herauszuhören, daß dieser Wunsch von Herzen kam.

*

Sebastian Trenker hätte an einem anderen Tag natürlich an der kleinen Gedenkfeier zur Ehren des Verstorbenen, teilgenommen, doch die Mittwochnachmittage waren immer für den Besuch des Seniorenheimes in Waldeck, reserviert. Die alten Leute freuten sich schon die ganze Woche darauf, zusammen mit dem Geistlichen Kaffee zu trinken, gemeinsam zu singen oder spannenden Geschichten zu lauschen, wenn der Bergpfarrer erzählte, was er so manches Mal auf seinen Wanderungen erlebte.

Dennoch ließ ihn der Gedanke an den jungen Bauernsohn nicht los, und während der Fahrt nach Waldeck überlegte Sebastian, wie man Martin Neureuther helfen konnte.

Die Ursache dafür, daß es dem Hof so schlecht ging, lag wohl in dem frühen Tod der Bäuerin. Pfarrer Trenker erinnerte sich gut daran, daß damals auch die Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn begonnen hatten. Franz Neureuther war von diesem Schicksalsschlag so schwer getroffen, daß er sich kaum noch zur Arbeit aufraffen konnte. Alle Last lag nun auf dem Sohn, während der Bauer eher im Wirtshaus anzutreffen war als auf dem Traktor.

Alle Versuche seitens Sebastians Franz Neureuther zur Umkehr zu bewegen, fruchteten nichts. Der Bauer hatte jeglichen Lebensmut verloren, und der Alkohl schien der einzige Trost zu sein, den er finden konnte.

Da konnte es natürlich nicht ausbleiben, daß Vater und Sohn immer häufiger aneinander gerieten, bis es schließlich zum endgültigen Bruch kam. Martin, der es nicht mehr mit ansehen konnte, wie sein Vater den Hof herunterwirtschaftete, packte seine Sachen und verließ die Heimat. Zwei Jahre ließ er nichts von sich hören, dann wagte er es, den ersten Brief zu schreiben, in dem er den Vater um Aussöhnung bat.

Franz Neureuther indes ließ den Brief und jeden, der noch folgte, ungelesen zurückgehen. Martin setzte sich daraufhin mit Sepp Rendler in Verbindung, der ihm berichtete, wie es auf dem Hof zuging. Da der Vater kein Zeichen signalisierte, sich mit dem Sohn aussprechen zu wollen, blieb Martin nichts anderes übrig, als in der Fremde zu bleiben und seinen Lebensunterhalt als Lastwagenfahrer zu verdienen.

Daß es ihm gutgehe, er sich aber immer wieder nach der Heimat sehne, war das Einzige, was Sebastian Trenker durch den Knecht über Martin Neureuther erfuhr. Zu einem Wiedersehen mit seinem einstigen Pfarrkind kam es erst, als der Altbauer verstarb und der Sohn zurückkehrte, um den Vater zu beerdigen und sein Erbe anzutreten.

Aber was für ein Erbe war das!

Schulden lasteten auf dem Hof, die landwirtschaftlichen Maschinen waren veraltet, und jahrlange Mißwirtschaft hatte dazu geführt, daß der Ruf des Neureutherhofes in der ganzen Branche der denkbar schlechteste geworden war.

Durch den Besuch im Seniorenheim war Sebastian ein wenig von dem Problem abgelenkt gewesen, doch als er sich auf der Rückfahrt nach St. Johann befand, ging es ihm wieder durch den Kopf.

Kurz vor dem Dorf kam er an den Feldern vorbei, die zum Berghof des Neureutherbauern gehörten. Während auf den Äckern der anderen Bauern das Korn schon stand, sah es hier eher kläglich aus. Sebastian hielt an und stieg aus. Über den Bergen ging gerade langsam die Sonne unter, ihr glutroter Schein färbte die schneebedeckten Gipfel.

Der Geistliche blickte weit über das Feld und überlegte, wie er Martin zur Seite stehen konnte.

Geld mußte her, das war klar. Aber woher sollte es kommen? Keine Bank der Welt würde in so ein marodes landwirtschaftliches Unternehmen auch nur einen Cent stecken!

Allerdings mußte es auf der anderen Seite weitergehn, wenn die Gläubiger wenigstens etwas von ihrem Geld wiedersehen wollten. Sie mußten Martin Neureuther die Möglichkeit zum Arbeiten geben, damit er die Schulden abbauen konnte.

Sebastian Trenker seufzte, als er an das bevorstehende Gespräch mit dem Filialleiter der Bank dachte. Es würde alles andere als leicht werden. Aber wenigstens dieses eine Argument hatten sie, um einen Zahlungsaufschub zu erbitten.

Der gute Hirte von St. Johann wollte sich gerade wieder in seinen Wagen setzen, als ein anderes Auto neben ihm hielt. Franziska Bruch­thaler hatte die Fensterscheibe heruntergekurbelt und winkte ihm zu.

»Grüß Gott, Hochwürden«, rief das Madl.

»Hallo, Franzi, grüß dich«, nickte Sebastian der Bauerstochter zu.

Die hübsche, junge Frau war ausgestiegen und kam zu ihm.

»Schlimm, net wahr?« meinte sie und deutete auf das Feld.

»Ja, sehr schlimm«, stimmte der Geistliche ihr zu. »Man kann nur hoffen, daß der Martin es schafft, den Hof wieder auf Vordermann zu bringen.«

Er sah sie fragend an.

»Hast’ ihn schon gesehn?«

»Ich war vorhin noch auf dem Friedhof«, erwiderte Franzi. »Zur Beerdigung hab’ ich’s leider net geschafft. Aber Martin war noch da, und wir haben zusammen gesprochen.«

Natürlich wußte Sebastian Trenker, daß die Tochter des Bruchthalerbauern und Martin Neureuther sich einmal gutgewesen waren. Eigentlich hatte er damals schon geglaubt, die beiden eines Tages vor seinem Altar stehen zu haben und zu trauen. Doch dann war alles anders gekommen. Martin, der sich heillos mit dem Vater zerstritten hatte, lief bei Nacht und Nebel davon, und darüber zerbrach auch die Liebe zu Franziska Bruchthaler.

»Ich freu’ mich, daß ihr trotz 
allem noch miteinander reden könnt’«, sagte der Seelsorger.

»Ich muß gestehn, es war schon ein merkwürdiger Augenblick, als wir uns nach all den Jahren wieder gegenüberstanden. In diesem Moment kam all das wieder hoch, was ich hoffte, längst vergessen zu haben.«

Sebastian sah sie forschend an.

»Du liebst ihn immer noch?«

Auch wenn es wie eine Frage klang, so war es doch fast schon eine Feststellung. Franzi zuckte die Schultern.

»Ich weiß net, Hochwürden«, antwortete sie. »Seit der Martin wieder da ist, denk’ ich darüber nach. Ganz gewiß ist mir net gleichgültig, was aus ihm und dem Hof wird. Auf der and’ren Seite – Sie wissen, daß der Tobias und ich verlobt sind.«

Der Bergpfarrer nickte.

Beinahe sieben Jahre war es her, daß Martin Neureuther die Heimat verließ. Nachdem er sich nicht mehr gemeldet hatte, war es doch nur natürlich, daß Franzi sich einem anderen zuwandte. Sie war jung und hübsch, die Burschen waren hinter ihr her, und man konnte wohl von keiner Frau verlangen, daß sie auf einen Mann wartete, von dem sie nicht wußte, ob er überhaupt jemals wieder zurückkehrte.