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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Markus Bruckner, der Bürgermeister von St. Johann, betrat mit stolzgeschwellter Brust die Gaststube des »Löwen«. »Lokalrunde!« rief er lautstark und ließ sich an dem runden Stammtisch nieder, der gleich neben dem Tresen stand, hinter dem Sepp Reisinger eifrig damit beschäftigt war, Biergläser zu füllen. Es war später Nachmittag, und viele Bauern und Knechte saßen schon zur Feierabendmaß im Wirtshaus. »Ja, sag mal, Bürgermeister, seit wann sitzt dir denn das Geld so locker in der Tasche?« frotzelte Max Trenker. Er spielte damit auf die Tatsache an, daß der Bruckner sich sonst eher schnell verdrückte, wenn es darum ging, mal eine Runde springen zu lassen. Allgemeines Gelächter folgte auf diese Frage. Der erste Mann des Ortes ließ sich davon allerdings nicht irritieren. Er zog ein Zigarrenetui aus der Jackentasche, nahm eine echte Havanna heraus und begann damit, sie genüßlich anzuzünden. »Lacht nur«, meinte er nach dem ersten Zug und wedelte nonchalant den Rauch von seinem Gesicht weg. »St. Johann ist auf dem besten Weg, berühmt zu werden…« Alle, die um ihn herum standen, Max Trenker, der Bäckermeister Terzing, Ignaz Herrnbacher, der Inhaber des Supermarktes, und Toni Wiesinger, der Arzt, sahen ihn neugierig an. »Und net nur in ganz Deutschland«, fuhr Markus Bruckner mit wichtiger Miene fort. »Sogar in ganz Europa wird man von uns sprechen. Ach, was sag' ich – in der ganzen Welt wird man uns kennenlernen.« Max nahm einen Schluck und schüttelte den Kopf. »Jetzt mach's net so spannend«, sagte er. »Hast' mal wieder eine Heilquelle auf Gemeindegrund entdeckt, oder was ist der Grund für deinen grenzenlosen Optimismus?« Sepp kam mit einem
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Markus Bruckner, der Bürgermeister von St. Johann, betrat mit stolzgeschwellter Brust die Gaststube des »Löwen«.
»Lokalrunde!« rief er lautstark und ließ sich an dem runden Stammtisch nieder, der gleich neben dem Tresen stand, hinter dem Sepp Reisinger eifrig damit beschäftigt war, Biergläser zu füllen.
Es war später Nachmittag, und viele Bauern und Knechte saßen schon zur Feierabendmaß im Wirtshaus.
»Ja, sag mal, Bürgermeister, seit wann sitzt dir denn das Geld so locker in der Tasche?« frotzelte Max Trenker.
Er spielte damit auf die Tatsache an, daß der Bruckner sich sonst eher schnell verdrückte, wenn es darum ging, mal eine Runde springen zu lassen.
Allgemeines Gelächter folgte auf diese Frage.
Der erste Mann des Ortes ließ sich davon allerdings nicht irritieren. Er zog ein Zigarrenetui aus der Jackentasche, nahm eine echte Havanna heraus und begann damit, sie genüßlich anzuzünden.
»Lacht nur«, meinte er nach dem ersten Zug und wedelte nonchalant den Rauch von seinem Gesicht weg. »St. Johann ist auf dem besten Weg, berühmt zu werden…«
Alle, die um ihn herum standen, Max Trenker, der Bäckermeister Terzing, Ignaz Herrnbacher, der Inhaber des Supermarktes, und Toni Wiesinger, der Arzt, sahen ihn neugierig an.
»Und net nur in ganz Deutschland«, fuhr Markus Bruckner mit wichtiger Miene fort. »Sogar in ganz Europa wird man von uns sprechen. Ach, was sag’ ich – in der ganzen Welt wird man uns kennenlernen.«
Max nahm einen Schluck und schüttelte den Kopf.
»Jetzt mach’s net so spannend«, sagte er. »Hast’ mal wieder eine Heilquelle auf Gemeindegrund entdeckt, oder was ist der Grund für deinen grenzenlosen Optimismus?«
Sepp kam mit einem schwerbeladenen Tablett an den Tisch, natürlich hatte er für sich auch ein Bier mitgebracht, und setzte sich dazu.
»St. Johann wird Schauplatz einer Fernsehserie«, verkündete der Bruckner-Markus und schaute triumphierend grinsend in die Runde. »Da staunt ihr, was? Da hat’s euch die Stimme verschlagen. Prost!«
»Was ist das denn jetzt wieder für ein Schmarrn?« wollte Max Trenker wissen und wischte sich den Mund ab. »Fernsehserie! Geht’s net ein bissel genauer?«
»Gemach«, winkte der Bürgermeister ab. »Ich spann euch ja net länger auf die Folter. Also, vor ein paar Wochen hat mein Büro eine Anfrage von seinem Fernsehsender erhalten, ob wir die Erlaubnis geben würden, daß hier eine… äh, Telenovela heißt das, glaub’ ich, gedreht werden darf.«
Markus Bruckner lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
»Na ja, ich hab’ dann ein paarmal mit einem der Herren vom Fernsehen telefoniert und mir auch ein paar Unterlagen schicken lassen«, erzählte er, »und gerad’ eben bekam ich die Nachricht, daß in zwei Wochen das erste Team herkommt und alles vorbereitet, damit in der Woche darauf mit den Dreharbeiten begonnen werden kann.«
Beifallsheischend schaute er in die Runde.
»Na, was sagt ihr jetzt?«
Natürlich wurde diese Neuigkeit sofort diskutiert. Während die einen sich der Euphorie ihres Bürgermeisters anschlossen, waren andere eher skeptisch.
»Was ist denn das überhaupt, so eine Telenovela, oder wie das heißt?« rief ein Bauer von einem der Nachbartische herüber.
»Genau das, was deine Frau jeden Nachmittag im Fernsehen anschaut, während du auf dem Feld bist«, feixte ein anderer.
»Ein Fernsehserie halt«, antwortete der Bürgermeister. »Mit hübschen Madln und feschen Burschen, und Liebe und Romantik gehören freilich auch dazu. Ich sag’ euch, das wird ein Renner, wenn ›Rosen und Tränen‹ erst einmal über die Mattscheibe flimmert.«
»Und das soll also hier bei uns im Dorf gedreht werden?« hakte Max nach.
»Ja«, nickte Markus Bruckner. »Es geht darum, so eine Serie einmal im alpenländischen Milieu spielen zu lassen. Wie mir der zuständige Produzent erzählte, war vor geraumer Zeit einer seiner Mitarbeiter hier und hat sich umgeschaut. Und herausgekommen ist dabei, daß es genau bei uns die romantischen Orte gibt, die dafür gebraucht werden.«
»Und was sollen das für Orte sein?« fragte der Polizist.
»Na ja, das Dorf selbst natürlich, dann wollen s’ auf einer Almhütte drehen, oben an der Kachlachklamm.«
»Überall im Dorf?« wollte Max es genau wissen.
Markus Bruckner wand sich, schien irgend etwas noch für sich behalten zu wollen.
»Tja… in der Kirche…«, antwortete er stockend, »und vielleicht im Jagdschloß…«
»Und du denkst wirklich, daß mein Bruder dazu seine Einwilligung gibt?« lachte Max auf. »Das glaub’ ich nie und nimmer, Markus. Das schlag’ dir mal aus dem Kopf.«
Der Bürgermeister sah ihn beinahe flehentlich an.
»Bitte, Max«, sagte er, »diese Serie ist ungeheuer wichtig für St. Johann! Denk’ doch nur an das
Image, das wir als romantisches Dorf weltweit bekommen. Was glaubst’ wohl, wie das den Tourismus ankurbelt? Max, du mußt deinem Bruder gut zureden. Es steht dabei für uns viel auf dem Spiel.«
»Also, wenn’s richtig läuft, dann bau’ ich an«, meinte Sepp Reisinger sofort.
»Für dich ist da ohnehin einiges drinn«, meinte Markus. »Das Vorbereitungsteam wird in der Pension Edelweiß untergebracht, aber wenn nachher die ganzen Schauspieler kommen, dann geht’s erst richtig los – die sollen alle bei dir im Hotel wohnen.«
Die Augen des Wirtes leuchteten.
»Fang’ bloß net jetzt schon an, das Geld zu zählen«, mahnte Max. »Noch klingelt’s net in der Kasse. Und was deine Bitte angeht, Bürgermeister, ich glaub’ net, daß mein Bruder sich da wird beeinflussen lassen. Auch net von mir. Der entscheidet nämlich, nach bestem Wissen und Gewissen, selbst.«
Er zuckte die Schultern.
»Aber wer weiß«, setzte er schulterzuckend hinzu, »vielleicht ist er ja damit einverstanden, daß in der Kirche gedreht werden soll, und was Hubertusbrunn angeht, im Jagdschloß sind in den nächsten Woche eh keine Jugendgruppen untergebracht.«
Markus Bruckner holte tief Luft. Vor dem Gang zum Bergpfarrer hatte er am meisten Angst. Aber das, was Max eben gesagt hatte, machte ihm schon wieder ein bissel Mut.
»Also, Sepp, dann bring’ uns eine Runde Obstler, und dann stoßen wir auf die neue Telenovela ›Rosen und Tränen‹ an.«
Zustimmendes Gemurmel schien jetzt die Skeptiker zu übertönen, was freilich auch an der Freirunde liegen konnte…
*
»Eine Telenovela?«
Sebastian Trenker schaute seinen Bruder ungläubig an.
»Hier, bei uns?«
Max nickte.
»Der Bruckner sagt, die Fernsehleute während ganz wild darauf, hier zu drehen.«
»Ich weiß net«, meinte der Bergpfarrer. »Das gibt doch allerhand Aufregung, wenn so eine ganze Fernsehserie gedreht wird.«
Er breitete die Arme aus.
»Einerseits hat unser Bürgermeister natürlich recht, wenn das Dorf erst einmal im Fernsehen ist, gibt das natürlich einen gewissen Reklameeffekt. Andererseits – denk’ nur mal an diese Krankenhausserie, die vor über zwanzig Jahren im Schwarzwald gedreht wurde, Da sind die Zuschauer mit Bussen hingepilgert, um sich das alles anzuschauen. Ob ich soviel Auftrieb hier haben will, also das möcht’ ich bezweifeln.«
Sein Bruder schmunzelte.
»Ja, ich weiß noch. Die Mama hat’s sich auch immer angeschaut.«
Sebastian lächelte.
»Gott sei Dank hat sie aber genau zwischen Realität und Fernsehen unterscheiden können. Für sie war es eben nur Unterhaltung.«
»Dafür hat der Papa lieber die Sportschau eingeschaltet«, schwelgte Max in Erinnerung an die Eltern.
Er sah Sebastian fragend an.
»Und hättest’ was dagegen, wenn in der Kirche und im Jagschloß gedreht würd’?«
»Hubertusbrunn steht ja frei, und in die Kirche kommen tagtäglich Touristen und fotografieren oder machen Videoaufnahmen. Freilich werd’ ich mit den Verantwortlichen reden und mit ihnen alles absprechen müssen. Das Filmen ist während der Messe natürlich untersagt, aber sonst werd’ ich wohl kaum was dagegen haben können.«
»Da wird dem Bürgermeister aber ein Stein vom Herzen fallen«, grinste Max. »Der hat nämlich eine Heidenangst, daß du es verbieten würdest.«
Der Polizist schaute auf die Uhr.
»So, Claudia wird gleich zu Haus’ sein«, sagte er und stand auf. »Einen schönen Abend noch.«
»Euch auch«, erwiderte der Bergpfarrer und brachte seinen Bruder zur Tür. »Liebe Grüße an Claudia.«
»Richt’ ich aus!« Max verabschiedete sich mit einem kurzen Nicken, er hatte es sehr eilig, zu seiner Claudia zu kommen.
Sebastian schloß die Tür hinter ihm und ging nachdenklich in sein Arbeitszimmer. Dort setzte er sich hinter den Schreibtisch und ließ sich die Angelegenheit noch einmal durch den Kopf gehen.
Im Grunde hatte er nichts gegen das Projekt. Er hoffte nur, daß es während der Wochen, in denen St. Johann als Drehort herhalten sollte, zu keinen Komplikationen kam. Aufregung würde die ganze Sache schon genug mit sich bringen.
Das Telefon klingelte. Der Geistliche nahm den Hörer ab.
»Pfarrhaus St. Johann.«
»Guten Abend«, hörte er eine Frauenstimme. »Delta Film- und Fernsehproduktion, Brigitte Granzinger. Spreche ich mit Pfarrer Trenker?«
»Ja, der bin ich.«
»Grüß Gott, Hochwürden«, sagte die Frau.
»Herr Markus Bruckner hat mir Ihre Telefonnummer gegeben. Vielleicht haben Sie schon davon gehört, daß in Ihrem schönen Dorf eine Telenovela gedreht werden soll?«
»Das habe ich, in der Tat, Frau Granzinger.«
»Ja also…, ich bin die Produktionsassistentin. Der Bürgermeister rief vorhin an und äußerte die Vermutung, daß Sie vielleicht etwas dagegen einzuwenden hätten, wenn die Dreharbeiten in Ihrer Kirche stattfinden würden. Deshalb möcht’ ich mich gern’ mit Ihnen persönlich darüber unterhalten. Ich könnte übermorgen in St. Johann sein. Wäre es möglich, daß ich Sie dann aufsuche und wir darüber sprechen?«
»Das ist sehr gut möglich, Frau Granzinger. Es wär’ mir auch ein Anliegen, über das Ganze informiert zu werden.«
»Darf ich Ihren Worten entnehmen, daß Sie dem Projekt nicht gänzlich abgeneigt gegenüberstehen?« fragte sie hoffnungsvoll.
»Das dürfen Sie, ja«, schmunzelte Sebastian.
»Wunderbar.« Sie schien erleichtert aufzuatmen.
»Dann sehen wir uns am Freitag. Paßt Ihnen fünfzehn Uhr?«
»Ja, das paßt sehr gut, Frau Granzinger. Ich freue mich darauf, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
»Ich mich auch, Hochwürden. Bis übermorgen, und vielen Dank.«
Sebastian legte auf. Er schüttelte den Kopf bei dem Gedanken, daß der Bürgermeister erst Max vorgeschoben und dann bei der Frau vom Fernsehen angerufen hatte.
»Als wenn ich ihm gleich den Kopf abreißen tät’!« murmelte er und ging in die Küche zum Abendessen.
»Wer weiß, vielleicht werden S’ auch noch zum Fernsehstar«, meinte Sophie Tappert schmunzelnd, als sie sich über die Angelegenheit unterhielten.
Der gute Hirte von St. Johann sah seine Haushälterin in gespieltem Entsetzen an.
»Gott bewahre«, rief er, »das fehlte mir gerade noch!«
*
In ihrem Büro gab Brigitte Granzinger einen erleichterten Stoßseufzer von sich. Das Gespräch mit Pfarrer Trenker war beruhigend, hatte der Anruf des Bürgermeisters doch recht bedrohlich geklungen. Ein Verbot der Dreharbeiten in der Kirche hätte die ganze Produktion gefährdet. Dabei war alles schon weit fortgeschritten. Man hatte bereits die Schauspieler unter Vertrag genommen, und die ersten Drehbücher waren auch schon geschrieben.
Die junge Frau stand auf und fuhr sich durch das lange blonde Haar. Brigitte Granzinger war sechsundzwanzig Jahre alt, schlank und mittelgroß. Sie hatte ein apartes Gesicht, in den Mundwinkeln zeigten sich zwei lustige Grübchen, wenn sie lachte.
Sie warf einen letzten Blick auf den aufgeräumten Schreibtisch, bevor sie in die leichte Jacke schlüpfte und das Büro verließ. Zwei Türen weiter klopfte sie an und betrat das ›Allerheiligste‹ der Delta Film- und Fernsehproduktion. Hier drinnen residierte der Chef der Firma, Hans Morgenthaler. Mit ihm saßen zwei weitere Männer in der elegant eingerichteten Besucherecke; Eduard Bachmann, genannt ›Eddy‹, und Thorsten Hofer, der Regisseur, der für die Fernsehserie verpflichtet worden war. Nachdem Markus Bruckner angerufen und seine Bedenken wegen Pfarrer Trenker geäußert hatte, waren sie zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Es stand viel auf dem Spiel. Zwar hätte man notfalls auf einen anderen Ort ausweichen können, aber gerade St. Johann brachte genau das Flair mit, das man sich vorgestellt hatte, als ›Rosen und Tränen‹ ausgebrütet worden war.
Die drei Männer blickten der Produktionsassistentin gespannt entgegen.
»Und?« fragte Eddy Bachmann.
Brigitte lächelte.
»Ich habe übermorgen einen Termin in St. Johann mit dem Pfarrer«, erklärte sie. »Am Telefon klang er gar nicht so übel. Jedenfalls scheint er nicht grundsätzlich gegen unser Vorhaben zu sein. Gleich morgen reise ich ab.«
»Klasse!« rief Hans Morgenthaler erleichtert. »Komm, setz’ dich, Brigitte, darauf müssen wir anstoßen!«
»Aber nur ein Glas«, sagte sie. »Ich möchte gleich nach Hause und alles für die Reise vorbereiten.«
»Klar«, nickte der Chef. »Wie lange wirst du fort sein?«
»Das Team reist Anfang übernächster Woche an«, antwortete sie. »Ich denk’, daß ich gleich dort bleibe und alles vorbereite. Es gibt da noch ein paar Gespräche, die ich führen muß, vor allem mit ein, zwei Bauern, auf deren Höfen einige Szenen gedreht werden sollen.«
Sie nahm die Proseccoflasche aus dem Kühler und schenkte ein.
Thorsten Hofer sah sie mit wohlgefälligem Blick an. Sie hatten sich erst vor kurzem, im Laufe der Vorgespräche, kennengelernt, und der Regisseur ließ keinen Zweifel daran, daß ihm die junge Frau ausgesprochen gut gefiel. Mehrmals hatte er schon versucht, sie zum Essen einzuladen, doch Brigitte hatte sich bisher standhaft geweigert.
»Dann wäre es doch vielleicht von Vorteil, wenn ich Sie begleite«, meinte er. »Zusammen soll es uns schon gelingen, die Dörfler zu überreden.«
Dabei zwinkerte er ihr zu.
»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist«, entgegnete sie charmant. »Vielleicht wären wir zu abgelenkt…!«
Thorsten Hofer verzog enttäuscht sein Gesicht, während die beiden anderen sich feixend angrinsten.
»Nein, im Ernst«, setzte Brigitte hinzu, »ich kenne die Leute dort. Sie sind Fremden gegenüber nicht unbedingt gleich aufgeschlossen. Es ist besser, wenn ich alleine hinfahre und erst einmal vorfühle.«
Außerdem gibt es noch einen anderen Grund, warum ich alleine ins Wachnertal will, dachte sie wenig später, als sie mit ihrem Wagen nach Hause fuhr. Einen sehr wichtigen Grund!
*
Brigitte Granzinger fuhr von der Bundesstraße ab und bog auf eine wenig befahrene Landstraße ein. Zwar verfügte ihr Auto über ein modernes Navigationssystem, aber das brauchte sie nicht, schließlich war ihr diese Gegend bekannt wie die eigene Westentasche.
Ein wenig Herzklopfen hatte sie gehabt, als sie am Morgen die Fahrt antrat, und ein bißchen Aufregung war immer noch da. Es war das erste Mal seit sieben Jahren, daß sie wieder nach Hause fuhr, und sie fragte sich, ob sie willkommen sein würde…
In Waldeck hatte sich kaum etwas verändert, stellte sie fest, als sie den Ort erreichte. Ein paar neue Häuser waren gebaut worden, wie es aussah, hatte man die Praxis des Doktors renoviert.
Brigitte fuhr langsam und schaute sich alles ganz genau an. Und plötzlich überkam sie ein Kribbeln und eine Unruhe, die sie zuerst nicht recht einordnen konnte. Als sie dann vor dem Elternhaus stand, wußte sie es – es war das überwältigende Gefühl, wieder daheim zu sein!
Die junge Frau strich ihre langen blonden Haare zurück und stieg aus. Ein paar Gesichter drehten sich neugierig nach ihr um. Sie blickte zurück, erkannte aber niemanden. Dann schritt sie zur Tür und legte den Finger auf den Klingelknopf.
Es dauerte eine Weile, bis sich hinter der Milchglasscheibe etwas rührte. Ein Schlüssel wurde herumgedreht, und die Tür öffnete sich einen Spalt.
»Grüß dich, Rosel«, sagte Brigitte zu ihrer Schwester. »Darf ich hereinkommen?«
Die Augen der Frau in der Tür weiteten sich.
»Du?« stieß Rosel Granzinger hervor.
Brigitte nickte.