Sarah und Lukas kämpfen um ihr Glück - Toni Waidacher - E-Book

Sarah und Lukas kämpfen um ihr Glück E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Robert Hallermeier, der Postzusteller von St. Johann, fuhr mit seinem Fahrrad bis vor die Haustür des Hammerhofs, stieg ab und lehnte das Fahrrad gegen die Wand. Dann läutete er. Sarah kam heraus. »Grüaß di, Robert, was bringst du denn, weil du läutest?« »Ein Übergabeeinschreiben für deinen Vater, Sarah. Ist er da?« »Kann ich das net entgegennehmen?«, erkundigte sich die Zwanzigjährige. »Von wem kommt denn der Brief? Er muss ja sehr wichtig sein, wenn der Absender das viele Geld für ein Einschreiben ausgibt.« »Das darf ich dir net sagen. Wenn dein Vater net da ist, werf' ich ihm eine Benachrichtigung in den Briefkasten. Er kann dann das Einschreiben heut' Nachmittag im Postamt abholen.« »Er ist hinterm Haus in der Werkstatt«, erwiderte Sarah schmollend. »Ich dank dir recht schön, Sarah.« Robert stapfte um das Haus herum zu dem Schuppen, in dem Werkzeuge aufbewahrt und Reparaturen durchgeführt wurden. Sarah folgte ihm bis zur Hausecke und schaute zu, wie der Briefträger das Schreiben an ihren Vater übergab. Robert kam zurück, und als er an Sarah vorbeischritt, knurrte er: »Besonders erfreut hat er ja net geschaut, der Vinzenz.

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Der Bergpfarrer Extra – 39 –

Sarah und Lukas kämpfen um ihr Glück

Steht ihre Liebe unter einem schlechten Stern?

Toni Waidacher

Robert Hallermeier, der Postzusteller von St. Johann, fuhr mit seinem Fahrrad bis vor die Haustür des Hammerhofs, stieg ab und lehnte das Fahrrad gegen die Wand. Dann läutete er.

Sarah kam heraus. »Grüaß di, Robert, was bringst du denn, weil du läutest?«

»Ein Übergabeeinschreiben für deinen Vater, Sarah. Ist er da?«

»Kann ich das net entgegennehmen?«, erkundigte sich die Zwanzigjährige. »Von wem kommt denn der Brief? Er muss ja sehr wichtig sein, wenn der Absender das viele Geld für ein Einschreiben ausgibt.«

»Das darf ich dir net sagen. Wenn dein Vater net da ist, werf’ ich ihm eine Benachrichtigung in den Briefkasten. Er kann dann das Einschreiben heut’ Nachmittag im Postamt abholen.«

»Er ist hinterm Haus in der Werkstatt«, erwiderte Sarah schmollend.

»Ich dank dir recht schön, Sarah.« Robert stapfte um das Haus herum zu dem Schuppen, in dem Werkzeuge aufbewahrt und Reparaturen durchgeführt wurden. Sarah folgte ihm bis zur Hausecke und schaute zu, wie der Briefträger das Schreiben an ihren Vater übergab.

Robert kam zurück, und als er an Sarah vorbeischritt, knurrte er: »Besonders erfreut hat er ja net geschaut, der Vinzenz. Der eingeschriebene Brief scheint keine besonders erfreuliche Mitteilung für ihn zu beinhalten.«

Sarah gab keine Antwort. Der Postbote ging weiter und die junge Frau beobachtete, wie ihr Vater den Umschlag aufriss, ein Schreiben herausnahm, es auseinanderfaltete und zu lesen begann.

Hinter ihr radelte der Briefträger, fröhlich ein Lied pfeifend, vom Hof.

Sarah setzte sich in Bewegung. Vinzenz sah seine Tochter auf sich zukommen, seine Hand mit dem Brief sank nach unten, sein Gesicht war ein Spiegelbild seiner Empfindungen. Sarah entging nicht das unruhige Flackern in seinen Augen. »Der Brief ist wegen deiner Schulden, stimmt’s?«, stieß sie ahnungsvoll hervor.

»Ja.« Vinzenz nickte. »Die Sparkasse lehnt es ab, mir niedrigere Raten einzuräumen. Sakra, sakra, es ist zum Verzweifeln. Ich weiß nimmer, wo mir der Kopf steht. Wenn net ein Wunder geschieht, dann geht in ein paar Monaten der Hof flöten, weil ich nimmer in der Lage bin, meinen Verbindlichkeiten nachzukommen.«

»Das hast du uns eingebrockt«, murmelte Sarah vorwurfsvoll.

»Das müsst ihr, du und der Xaver, mir net ständig unter die Nase reiben!«, regte sich Vinzenz auf. »Ich hatt’ eine Pechsträhne, als ich mit den Aktien spekuliert hab’. Es hätt’ ja auch anders herum kommen können und ich hätt’ den großen Reibach gemacht. Das, denk’ ich, würd’ euch auch passen, und ich müsst’ mir keine Vorwürfe anhören.«

»Es ist aber net anders gekommen, Papa«, versetzte Sarah lakonisch. »Wenn der Hof endgültig auf die Gant kommt, dann ist das einzig und allein dir anzulasten. Hätte, hätte – Fahrradkette!«

»Ja, ja, ist schon gut, ich weiß ja selber, dass ich unverantwortlich gehandelt hab’. Ich komm’ immer mehr zu dem Schluss, dass sich Gott und die Welt gegen mich verschworen haben. Erst bring ich den Hof an den Rand des Ruins, dann verlieb’ ich mich nach vielen Jahren, in denen ich an so was net mal im Traum gedacht hätt', in eine Frau, die mir bald darauf eine ganz besonders niedrige Gesinnung unterstellt und den Laufpass gibt.«

Vinzenz knüllte in einem Anfall von Jähzorn das Schreiben der Sparkasse zusammen und warf es achtlos zu Boden. Das Kuvert ließ er folgen. »Am besten wär’s, ich nähm’ einen Strick …«

»Das wär’ keine Lösung!«, fiel ihm Sarah ins Wort. »Ich hab’ mich schon mit dem Xaver unterhalten. Wir versuchen, Arbeit zu finden. Wenn wir beide verdienen, können wir die monatliche Belastung tragen. Bis wir jedoch was finden, müssen wir versuchen, uns über Wasser zu halten.«

»Es geht auf den Winter zu«, knurrte Vinzenz. »Wo willst du denn jetzt eine Arbeit herkriegen? Die meisten, die den Sommer über in den Hotels und im Gaststättengewerbe tätig sind, gehen stempeln.«

»Uns ist klar, dass es schwer sein wird, was zu finden. Notfalls müssen wir halt nach Garmisch oder Innsbruck gehen. Dort gibt es auch im Winter viel Tourismus.«

»Die Chance, dass ihr was findet, ist net groß«, murmelte Vinzenz und winkte resigniert ab. »Das alles macht keinen Spaß mehr, das ist alles so maßlos verfahren. Am meisten tut es mir wegen dir und dem Xaver leid, Sarah, und das bitt’ ich dich, mir zu glauben. Eigentlich dürft’ ich mich net aufregen, wenn ihr mir Vorwürfe macht, denn sie sind berechtigt. Auf der anderen Seite kann ich’s nimmer hören. Ich weiß ja selber, was für einen Bockmist ich gebaut hab’.«

In Sarah regte sich etwas, und sie glaubte, das Gefühl deuten zu können: Es war Mitleid mit ihrem Vater. Aber sie konnte ihm auch keine Hoffnung vermitteln. Es war in der Tat fraglich, ob sie und Xaver eine Arbeit finden würden, die es ihnen ermöglichte, den Verbindlichkeiten des Vaters nachzukommen und so den Hof zu halten.

»Wir müssen es auf uns zukommen lassen, Papa«, murmelte sie, aber auch sie verspürte keine allzu große Zuversicht.

Sie wandte sich ab und ging ins Haus zurück, setzte sich in der Küche an den Tisch und griff nach ihrem Handy. Gleich darauf hatte sie Xaver, ihren älteren Bruder, an der Strippe. Er befand sich mit dem Traktor im Wald, um Bäume zu kennzeichnen, die sie im Winter heraussägen wollten. »Was ist, Schwester?«, fragte er und mutmaßte sofort: »Wahrscheinlich wieder einmal nix Erfreuliches.«

»Der Papa hat von der Sparkasse Nachricht erhalten«, erwiderte Sarah.

»Und?«

»Sein Antrag auf Minderung der Raten ist abgelehnt worden.«

»Das hätt’ ich ihm gleich sagen können. Er hat sich die Kredite unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen, und jetzt kennt die Sparkasse keinen Pardon. Was sagt er denn?«

»Er ist ziemlich am Boden zerstört.«

»Das wär’ ich an seiner Stelle auch. Wenn ich dran denk’, dass wir vielleicht schon im Frühjahr den Hof räumen müssen, könnt’ ich verrückt werden. Tag und Nacht verfolgt mich das, und nix kann mich auf andere Gedanken bringen. Ich könnt’ verzweifeln.«

»Der Lukas und ich wollen am Wochenende zur Kachlachklamm aufsteigen. Er weiß von unseren Problemen und meint, dass mir ein bissel Abwechslung net schaden könnt. Was hältst du davon, wenn du dich mit der Lena uns anschließen würdest? Vielleicht bringt’s dich auch auf etwas erfreulichere Gedanken.«

»Keine schlechte Idee. Dann würd’ ich auch gleich deinen Freund ein bissel besser kennenlernen. Ja, ich wär’ dabei, Schwester. Ich muss nur noch mit der Lena reden, ob sie net was anderes vorhat. Wenn net, wird s’ sicherlich net nein sagen zu deinem Vorschlag.«

»Red’ mit ihr, Xaver. Ich würd’ mich freuen, wenn ihr euch uns anschließen tätet. Der Lukas ist auch schon ziemlich neugierig auf dich. Er kennt dich ja mehr oder weniger nur vom Hörensagen.«

»Ich red’ mit der Lena, Schwester, und dann sag’ ich dir Bescheid.«

»Okay, Xaver. Gib auf dich acht.«

»Servus, bis später.«

*

Vinzenz hockte im offenen Tor seiner Werkstatt auf dem Dengelbock und grübelte. Blicklos starrte er vor seinen Zehenspitzen auf den Boden. Seine Hoffnung, dass ihm die Sparkasse niedrigere Raten einräumte, war zunichte gemacht. Die Zukunft lag rabenschwarz vor ihm. Er malte sich aus, wie er völlig mittellos in einigen Monaten den Hof verlassen musste, als Gescheiterter, als einer, der hoch gespielt und alles verloren hatte und vor den Trümmern seiner Existenz stand.

Gut, dass das die Gabi net erleben muss, sinnierte er und dachte, kaum dass der Gedanke zu Ende gedacht war, an Jasmin Ruppert, die Unternehmertochter aus Garching, an deren Seite er sich ein neues Glück ausgemalt hatte. Leider hatte das ersehnte Glück gerade mal einen Tag angehalten.

Vinzenz nahm sich selbst nicht in Schutz. Jasmin hatte unter den gegebenen Umständen geradezu zwangsläufig annehmen müssen, dass er nur auf ihr Geld aus war, um den Hof zu retten.

Der Gedanke an sie versetzte ihm einen herben Stich in die Brust. Bei Gott und allem, was mir heilig ist, ich liebe sie doch, durchfuhr es ihn siedend heiß. Aber dieser Zug dürfte abgefahren sein …

Resignation, um nicht zu sagen eine Art fataler Gleichgültigkeit, wollte von ihm Besitz ergreifen. Er wehrte sich dagegen. Eine Sache ist erst verloren, wenn man sie aufgibt, hatte der Pfarrer philosophiert, als er, Vinzenz, ihn angerufen hatte, weil er nicht mehr ein noch aus wusste und Zuspruch nötig hatte. Pfarrer Trenker hatte ihm auch geraten, zu kämpfen.

Er hatte keine Ahnung, wie er um jemanden kämpfen sollte, der nichts mehr von ihm wissen wollte. Dass dem so war, daran hatte Jasmin keinen Zweifel aufkommen lassen.

Vinzenz war zum Weinen zumute.

Er hörte, dass ein Auto auf den Hof fuhr, und ahnte, dass es sich um Florian Seibert handelte, der seit Wochen fast tagtäglich auf dem Hammerhof erschien, um mit Sarah anzubandeln. Nachdem er sich hoffnungslos verschuldet hatte, wäre es ihm, dem Hammerbauern, sogar recht gewesen, wenn Sarah das Werben Florians erhört hätte. Der Bursche war der Sohn eines reichen Bauern, und er, Vinzenz, hatte sich ausgerechnet, dass sein zukünftiger Schwiegersohn net zulassen würde, dass der Hammerhof unter den Hammer kam.

Stimmen waren zu hören, und zwar die von Florian und dann die von Sarah. Gleich darauf kam Florian in sein Blickfeld. Ein besonders attraktiver Bursch’ ist er in der Tat net, dachte Vinzenz.

Florian war siebenundzwanzig Jahre alt, mittelgroß, untersetzt und besaß schon einen beachtlichen Bauchansatz. Seine dunklen Haare waren über der Stirn bereits sehr licht. Sein Gesicht war breitflächig, seine Lippen waren aufgeworfen, das Kinn wies einen deutlichen Ansatz zum Doppelkinn auf.

Florian war heran, vergrub die Hände in den Hosentaschen und blieb breitbeinig stehen. »Servus, Vinzenz. Du hockst da, als würdest du Trübsal blasen.«

»Was willst du, Florian?«, fragte der Hammerbauer ziemlich unfreundlich.

»He, he, he, was ist denn in dich gefahren?«, fuhr Florian auf. »Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen. Oder …«, er legte den Kopf schief und kniff die Augen etwas zusammen, »… ist was dran an den Gerüchten, die sich über dich im Dorf verbreiten?«

»Das geht dich gar nix an!«, stieß Vinzenz hervor.

»Na ja, ich weiß net. Immerhin hast du doch nix dagegen einzuwenden gehabt, als ich dir verraten hab’, dass ich eigentlich nur wegen der Sarah auf den Hammerhof komm’. Im Gegenteil, du hast es sogar begrüßt und mir versprochen, dass du das Madel auf mich einstimmen willst. Jetzt muss ich immer wieder hören, dass die Sarah mit dem Praktikanten aus der Tierarztpraxis gesehen wird und dass die beiden ganz schön miteinander turteln.« Herausfordernd fixierte Florian den Bauern.

»Ich kann die Sarah net zwingen, dich zu mögen«, brummte Vinzenz. »Sie hat sich in den Tierarztlehrling verliebt. Was soll ich denn machen? Die Sarah ist mündig und lässt sich von mir nix mehr sagen.«

»Du musst ihr den Kerl halt mit dem nötigen Nachdruck ausreden, Vinzenz!«, erregte sich Florian. »Ich vermut’ doch stark, dass ich dir als Schwiegersohn willkommen wär’. Das Gerede über deinen Bankrott kommt doch net von ungefähr. Sag’, Vinzenz, was ist dran an dem Gerücht? Bist du wirklich pleite?«

»Du musst net alles glauben, was die Leut’ erzählen«, antwortete Vinzenz ausweichend.

»Egal.« Florian machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du hast mir versprochen, auf die Sarah einzuwirken, dass sie mich …«

»Versprochen hab’ ich dir gar nix, Florian!«, schnitt Vinzenz dem Burschen schroff das Wort ab. »Ich hab’ vielleicht angedeutet, dass du mir als Schwiegersohn willkommen wärst, aber ich hab’ dir nix versprochen. Es ist die Entscheidung meiner Tochter. Sie will dich net, basta! Und ich werd’ den Teufel tun und versuchen, ihr einen Mann schmackhaft machen zu wollen, den sie unter keinen Umständen haben will. Mein Madel soll glücklich werden. Das Leben an der Seite eines ungeliebten Menschen wär’ für sie die Hölle.«

Vollkommen entgeistert starrte Florian den Bauern an. Es hatte ihm regelrecht die Stimme verschlagen. Seine Lippen bewegten sich und formten Worte, die ihm aber im Hals stecken blieben. »Ja, aber …«, ächzte er schließlich.

»Nix aber, Florian.«

Vinzenz holte sich die Äußerungen des Pfarrers ins Gedächtnis: ›Hör’ auf, die Sarah zu drängen, den Florian zu heiraten. Sie liebt ihn net, und eine solche Zweckverbindung kann niemals gut gehen …‹ Er sagte: »In Sachen Liebe red’ ich dem Madel nix drein. Dir rat ich, es aufzugeben, um sie zu werben. Es ist vergebliche Liebesmüh’.«

»Du hast mir Hoffnungen gemacht, Vinzenz. Glaub’ jetzt bloß net, dass ich so mir nix, dir nix die Segel streich’. Vielleicht fällt deine Sarah vor mir noch auf die Knie nieder und bettelt mich an, dass ich sie heirat’. Ich glaub’ nämlich schon, dass dir irgendwelche Gläubiger auf den Fersen sind. Solche Gerüchte haben immer einen wahren Ursprung. Ob ich dann die Sarah noch will, ist eine andere Frage. Jedes Madel im Tal nimmt mich mit Handkuss, denn ich kann ihm was bieten. Ich bin net auf deine Tochter angewiesen. Drum werd’ ich, wenn sie mich …«

»Ich glaub’, Florian, es ist besser, wenn du jetzt gehst«, unterbrach Vinzenz den Burschen zum dritten Mal. »Vor dir fällt weder die Sarah auf die Knie noch sonst jemand aus der Hammerfamilie. Und jetzt mach’, dass du weiterkommst. Die Sarah kannst du dir abschminken.«

Einen Moment lang sah es so aus, als wollte sich Florian auf den Hammerbauern stürzen.

Er hatte die Hände aus der Hosentasche gezogen und zu Fäusten geballt, atmete hart und stoßweise, und in seinen Zügen wütete eine kaum bezähmbare Wut.

Langsam erhob sich Vinzenz vom Dengelbock, als erwartete er tatsächlich einen Angriff.

Da knirschte Florian: »Ja, Hammerbauer, ich geh’. Denk’ aber net, dass ich dir das vergess’. Du wirst noch an mich denken. Und die Sarah auch. So lass’ ich mich net behandeln.«

»Spar’ dir deine Drohungen, Florian. Sie ziehen bei mir net.«

Florian stieß die Luft scharf durch die Nase aus, wirbelte im nächsten Moment herum und eilte davon. Wenig später heulte der Motor seines Wagens auf, Reifen quietschten, und dann entfernte sich das Motorengeräusch.

Vinzenz setzte sich in Bewegung und begab sich ins Haus, wo er in der Küche Sarah antraf.

»Was ist denn in den Florian gefahren?«, fragte sie, »Der ist ja davongebraust, als säß’ ihm der Leibhaftige im Genick.«

»Ich hab’ ihm gesagt, dass er nimmer zu kommen braucht, weil du ihn net haben willst. Das hat ihn ein bissel aus der Fassung gebracht.«

Voll Verwunderung, geradezu ungläubig starrte Sarah ihren Vater an. »Du hast tatsächlich …« Sie konnte es fast nicht glauben. Jeder Zug in ihrem gleichmäßigen Gesicht drückte es aus.

»Wir brauchen den Florian net«, brummte Vinzenz. »Zum einen möcht’ ich dich net drängen, einen Mann zu heiraten, mit dem du net glücklich wirst, zum anderen würd’ ich mich in eine Abhängigkeit begeben, die mich wahrscheinlich net glücklich macht.«

Forschend musterte Sarah ihren Vater. »Die Sache mit der Jasmin ist dir sehr zu Herzen gegangen, gell?«, fragte sie.

Vinzenz nickte, seine Gesichtszüge verkrampften sich und er wandte sich schnell ab, als fürchtete er, dass ihn seine Empfindungen überwältigen könnten. Er wollte seiner Tochter keine Schwäche zeigen.

*

Florian Seibert war wütend. Er selbst hielt sich für eine sehr gute Partie, und seiner Meinung nach müsste sich jede Frau, der er seine Gunst schenkte, überglücklich schätzen. Dass ihm Sarah bisher die kalte Schulter gezeigt hatte, war zwar enttäuschend für ihn gewesen, aber im Verein mit ihrem Vater war er guter Dinge gewesen, dass sie ihren Widerstand nach und nach aufgeben und irgendwann sein Werben erhören würde.

Diese Hoffnung hatte Vinzenz eben in ziemlicher barscher Art und Weise zunichte gemacht.

Plan- und ziellos fuhr Florian mit seinem Auto durch die Gegend. Dort, wo es die Straßenverhältnisse zuließen, drückte er das Gaspedal durch. Der Zorn staute sich in ihm wie der Überdruck in einem Dampfkessel, und er brauchte ein Ventil, um ihn abzulassen. Die rasante Fahrt mit seinem Auto sollte ihm helfen, etwas von dem Stau an Wut, verletztem Stolz und Enttäuschung abzubauen.

Die Gegend schien an ihm vorbeizufliegen. Das Autoradio dudelte viel zu laut.

Mit verkniffenem Gesicht saß der siebenundzwanzigjährige Bauernsohn hinter dem Steuer, seine beiden Hände umklammerten das Lenkrad, als wollten sie es auswringen.

Vor ihm fuhr ein Kombi. Da kein Gegenverkehr herrschte, überholte Florian und überschritt dabei die zulässige Höchstgeschwindigkeit um ein Vielfaches. Der Kombi blieb schnell zurück.