Schwer war der Weg zu dir - Patricia Vandenberg - E-Book

Schwer war der Weg zu dir E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Annedore Gebhard hatte ihre beiden Kinder zu Bett gebracht. Die zweijährige Michaela schlief sofort ein, aber Benedict, vier Jahre, lauschte noch nach draußen. »Papi kommt wieder spät«, murmelte er vorwurfsvoll. Das fand Annedore allerdings auch, aber sie erklärte dem Jungen, daß der Papi eben manchmal lange zu tun hätte. »Schlaf jetzt, Benni«, sagte sie und legte ihre Hand auf seine Stirn, die sich wieder ziemlich heiß anfühlte. Ich muß doch mal wieder mit ihm zu Dr. Norden gehen, dachte Annedore, vielleicht hat er den Keuchhusten noch nicht richtig überwunden. »Warum fühlst du die Stirn, Mami, mir fehlt nichts«, meinte der Kleine in ihre Gedanken hinein. »Ich ärgere mich bloß, daß Papi immer so spät kommt. Sind da die ollen Computer schuld?« »Schon eher die neuen Computer, Benni«, erwiderte Annedore lächelnd, doch insgeheim kamen ihr wieder Gedanken, ob nicht auch etwas anderes im Gange sein könnte, weil Jürgen in letzter Zeit solchen Stimmungsschwankungen unterworfen war. Benni tat ihr den Gefallen und schlief ein, und sie ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernsehapparat ein, um sich abzulenken. Eis war neun Uhr, als Jürgen Gebhard heimkam. »Beschwer dich bloß nicht, daß ich zu spät komme«, meinte er sogleich unwillig, »mir paßt das schon lange nicht, daß ich dauernd Überstunden machen muß, für die ich keineswegs entsprechend honoriert werde.« »Ich beschwere mich doch gar nicht, Jürgen.

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Dr. Norden Bestseller – 299 –

Schwer war der Weg zu dir

Patricia Vandenberg

Annedore Gebhard hatte ihre beiden Kinder zu Bett gebracht. Die zweijährige Michaela schlief sofort ein, aber Benedict, vier Jahre, lauschte noch nach draußen.

»Papi kommt wieder spät«, murmelte er vorwurfsvoll. Das fand Annedore allerdings auch, aber sie erklärte dem Jungen, daß der Papi eben manchmal lange zu tun hätte.

»Schlaf jetzt, Benni«, sagte sie und legte ihre Hand auf seine Stirn, die sich wieder ziemlich heiß anfühlte.

Ich muß doch mal wieder mit ihm zu Dr. Norden gehen, dachte Annedore, vielleicht hat er den Keuchhusten noch nicht richtig überwunden.

»Warum fühlst du die Stirn, Mami, mir fehlt nichts«, meinte der Kleine in ihre Gedanken hinein. »Ich ärgere mich bloß, daß Papi immer so spät kommt. Sind da die ollen Computer schuld?«

»Schon eher die neuen Computer, Benni«, erwiderte Annedore lächelnd, doch insgeheim kamen ihr wieder Gedanken, ob nicht auch etwas anderes im Gange sein könnte, weil Jürgen in letzter Zeit solchen Stimmungsschwankungen unterworfen war.

Benni tat ihr den Gefallen und schlief ein, und sie ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernsehapparat ein, um sich abzulenken.

Eis war neun Uhr, als Jürgen Gebhard heimkam. »Beschwer dich bloß nicht, daß ich zu spät komme«, meinte er sogleich unwillig, »mir paßt das schon lange nicht, daß ich dauernd Überstunden machen muß, für die ich keineswegs entsprechend honoriert werde.«

»Ich beschwere mich doch gar nicht, Jürgen. Es tut mir leid, wenn du Ärger hast. Du solltest jetzt erst essen, dann schaut alles wieder anders aus.«

»Nichts schaut anders aus. Da rackert man sich ab, und dann wird einem so ein Laffe vor die Nase gesetzt, bloß weil er mit dem Boß verwandt ist. Überall ist jetzt schon diese Vetternwirtschaft. Ich habe die Nase voll.«

Aber Hunger hatte er doch, und es wurde nicht geredet, während er aß. Annedore betrachtete ihn verstohlen. Es ging schon eine ganze Zeit so, daß er mürrisch heimkam, unzufrieden und auch nervös. Sie hatte sich ihre Gedanken darüber schon gemacht. Er hatte auch bereits wieder mit dem Rauchen angefangen, was ihr gar nicht behagte, aber sie erlebte es seit einiger Zeit öfter, daß er ihr patzige Antworten gab und erklärte, daß schließlich er das Geld verdiene.

Auch jetzt zündete er sich nervös eine Zigarette an. »Also, wenn das mit Ägypten klappt, schmeiße ich alles hin«, stieß er hervor.

»Was ist mit Ägypten?« fragte sie bebend.

Er fuhr sich über die Augen. »Jetzt falle ich auch noch mit der Tür ins Haus«, brummte er, »aber das kommt davon, weil man in solchem Streß ist. Entschuldige, Dorle, ich bin ungerecht, und ausgerechnet du bekommst es zu spüren. Ich wollte ja in aller Ruhe mit dir darüber sprechen. Ich habe ein tolles Angebot für Kairo. Ein halbes Jahr und mit bombigem Gehalt, und dann kann ich hier eine leitende Stellung übernehmen.«

»Bei wem?« fragte sie beklommen. Sie war wie gelähmt. Für ein halbes Jahr, ging es ihr durch den Sinn, denkt er denn gar nicht an uns?

»Ich möchte noch nichts darüber sagen. Nachher ratscht du es deiner Freundin Alix, dann ist es gleich herum und es geht schief.«

Sie empfand das wirklich ungerecht. »Ich ratsche nichts herum, und ich habe Alix schon drei Wochen gar nicht mehr gesehen«, erklärte sie. »Aber ich würde schon gern Näheres erfahren, denn schließlich ist es ja auch von Bedeutung für die Familie.«

»Mein Gott, andere Männer müssen beruflich auch mal weg, und schließlich dient es meinem Fortkommen. Meinst du, ich will mich ständig herumkommandieren lassen?«

Ganz so war es in seiner jetzigen Stellung nicht, denn schließlich hatte er die Position eines Abteilungsleiters, aber sie wollte nichts dazu sagen. Momentan konnte sie es auch nicht, denn ihr saß ein Kloß in der Kehle. Und sie wußte, wie schnell Jürgen aufbrausen konnte, wenn sie eine eigene Meinung äußerte, die ihm nicht paßte. Aber sie dachte jetzt vor allem an die Trennung. Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen, so lange von ihm getrennt zu sein.

»Schau mich nicht so an«, sagte er. »Es ist die Chance für mich, und ich werde einen gewaltigen Sprung nach oben machen. Und hier werden sie sich umschauen, wenn ich nicht mehr da bin, da kann der Boß sich dann mit seinem blöden Neffen herumärgern, der nicht mal richtig Deutsch reden kann.«

Annedore versank in Schweigen. Sie wußte wirklich nicht, was sie sagen sollte.

»Jetzt äußere du dich mal«, sagte Jürgen.

»Was soll ich denn sagen. Du hast deine Entscheidung doch bereits getroffen, ohne mich zu fragen.«

»Du hättest doch sofort versucht, es mir zu vermiesen«, erwiderte er unwillig. »Das sind Entscheidungen, die man allein treffen und auch allein verantworten muß.«

»Es ist ja nicht so, daß nur ich da bin, wir haben auch zwei Kinder.«

Er starrte sie an. »Und eben daran denke ich. Sie sollen stolz sein auf ihren Vater. Ich mache mich doch nicht auf Lebenszeit zum Kuli für andere.«

»Ich meine nur, daß es uns nicht schlecht gegangen ist, und wenn es wirklich nötig wäre, könnte ich mitverdienen. Ich dachte nur, daß die Kinder wichtiger sind.«

»Und ich lasse mir nicht nachsagen, daß meine Frau arbeiten muß. Du kennst meine Einstellung, Dorle. Wir waren uns darüber von Anfang an einig.«

Ja, sie waren sich über viele Dinge einig gewesen, als sie geheiratet hatten, aber manches war doch anders gekommen, als Annedore es sich vorgestellt hatte. Ob das in allen Ehen nach einer gewissen Zeit so ist, fragte sie sich.

»Würdest du dann bald weggehen?« fragte sie.

»Wenn es klappt, schon in zwei Wochen. Morgen werde ich mehr wissen. Es hängt nicht etwa davon ab, daß sie noch überlegen müssen, ob sie mich nehmen, sondern allein davon, wann das Projekt in Angriff genommen werden kann.«

»Und was für ein Projekt ist das?«

»Darüber darf ich nicht reden, Dorle. Es ist jedenfalls eine sehr wichtige Sache und wird deshalb auch entsprechend honoriert.«

»Dann ist es wohl auch mit Gefahren verbunden«, sagte sie stockend.

»Was heißt denn schon Gefahren. Wir leben doch alle gefährlich, in der heutigen Zeit. Tschernobyl hat es bewiesen, und denk doch auch mal an all die Chemieunfälle. Wir wissen nicht, was noch alles passieren kann. Wenn ich diesen Tanner anschaue, der mir da vor die Nase gesetzt wurde, der hat doch so wenig Ahnung, und wenn der mal auf einen falschen Knopf drückt, ist das totale Chaos vorhanden.«

»Wieso?« fragte Annedore.

»Nehmen wir mal an, er steckt seine neugierige Nase in unseren Personalcomputer, dann spuckt der möglicherweise falsche Daten aus, oder schleudert sogar die Karten um sich. Dusselig genug ist Tanner dafür.«

Haßt er ihn oder ist es Eifersucht und Konkurrenzneid, fragte sich Annedore, und alles drei wollte ihr nicht gefallen. Es paßte nicht zu dem Mann, den sie liebte und mit dem sie fünf Jahre verheiratet war.

Aber nun hatte sich Jürgen abreagiert, und dann war er sogar der liebevolle Ehemann, wie sie ihn mochte.

»Ich tue es doch auch für euch, Liebes«, sagte er und küßte sie lange. »Wir werden ein hübsches Haus haben und ich eine Stellung, bei der ich den Ton angeben werde.«

Hoffentlich geht es in Erfüllung, wenn ich diese Trennung schon ertragen muß, dachte Annedore, aber insgeheim wünschte sie doch, daß sich das zerschlagen würde.

»Wissen es deine Eltern schon?« fragte sie zaghaft.

»Gott bewahre, ihre Vorhaltungen kann ich mir schon ausdenken. Ich stelle sie vor die vollendete Tatsache.«

Annedore wagte nicht, sich auszumalen, wie ihre Schwiegermutter sich aufführen würde.

Sie wachte in der Nacht auf, weil Benni hustete. Sie ging zu ihm, aber er spürte gar nicht, daß sie nach seinem Puls fühlte.

Jürgen schlief, er hatte nichts gehört und auch nicht gemerkt, daß sie aufgestanden war. Er konnte schlafen, während sie nun wach lag und sich Gedanken machte. Und sie nahm sich fest vor, gleich morgen mit Benni zu Dr. Norden zu gehen.

*

Am nächsten Morgen begann für Annedore der Tag wie gewohnt. Jürgen war korrekt und wie immer pünktlich. Annedore wunderte sich nicht, daß er deshalb auch zu Überstunden zu überreden war. Er war ja von seinen Eltern so erzogen worden, vielleicht wurde deshalb sein wirklich großes Können unterbewertet. Die Unternehmer waren ja so eingestellt, nichts freiwillig zu geben. Wenn es nicht gerade Ägypten gewesen wäre, hätte es Annedore sogar gefreut, daß sich Jürgen endlich einmal kräftig auflehnte.

Jedenfalls konnte er sich, wie immer, an einen hübsch gedeckten Frühstückstisch setzen. Micky, die Kleine, schlief noch, aber Benni kam im Schlafanzug aus dem Kinderzimmer.

»Du brauchst doch nicht so früh aufzustehen«, sagte Jürgen, »das mußt du später noch oft genug.«

»Kommst du heute auch wieder so spät nach Hause, Papi?« fragte Benni. »Eigentlich brauchst du das doch auch nicht. Was machst du denn da immer?«

»Die Firma wird modernisiert, und dafür ist dein Papi der richtige

Mann. Sie werden sich umgucken, wenn keiner mehr Überstunden macht.«

»Warum gucken sie sich um?« fragte Benni verwirrt.

»Weil ich heute bestimmt pünktlich zu Hause bin, und morgen fahren wir zu den Großeltern.«

»Zu welchen?« fragte Benni.

»Zu denen nach Füssen.«

»Oh, fein, das muß ich gleich Micky sagen«, rief Benni aus. Annedore fragte, da es um ihre Eltern ging: »Wirklich, meinst du das ernst?«

»Aber gewiß, mein Schatz. Deine Eltern stellen mir wenigstens keine dummen Fragen.«

Spontan fiel sie ihm um den Hals, weil sie das glücklich machte. Er gab ihren Eltern den Vorzug.

»Kommst du bestimmt pünktlich?« fragte sie, als sie ihn zur Tür begleitete.

»Ich habe es gesagt, Dorle.«

»Dann mache ich Dampfnudeln und Vanillesoße«, sagte sie, »die magst du doch so gern.«

»Und wie. Die werde ich in Kairo ebenso vermissen, wie euch«, fügte er scherzhaft hinzu. »Aber verlernen wirst du es ja nicht, sie zuzubereiten.«

Sie blickte ihm nach. Es steht also schon fest, ging es ihr durch den Sinn, oder zumindest so gut wie. Ein beklemmendes Gefühl engte sie ein.

Aber dann mußte sie sich um die Kinder kümmern. Micky wollte sich zwar schon allein anziehen, aber dazu war sie doch ein bißchen zu tapsig.

Begeistert war sie aber, als Annedore ihr mitteilte, daß sie nun mal zu Dr. Norden fahren würden. Sie klatschte in die Hände.

»Ganz lieb Doktor«, sagte sie.

Mit dem Reden war sie früher dran als Benni, aber jetzt war er ein pfiffiges Bürschchen.

Er mochte Dr. Norden auch, aber wer mochte ihn nicht. Er hatte ja ein Herz für Kinder, da er selbst ein glücklicher Vater war.

Annedore wußte, daß er gerade erst große Sorgen um seine Tochter Anneka gehabt hatte, die ein bezauberndes Kind war. Die Norden-Kinder waren bekannt im ganzen Viertel, vor allem bei denen, die selbst Kinder hatten, die mit ihnen in der Schule oder im Kindergarten zusammenkamen.

Für Annedore war Dr. Norden überhaupt »der« Arzt, weil sie die Bekanntschaft mit ihm gleich bei ihrem Einzug gemacht hatte.

Sie hatten die Wohnung eingerichtet, und beim Gardinenaufhängen war es ihr schlecht geworden. Sie war von der Leiter heruntergepurzelt und der Teppichverleger, der noch in dem Kinderzimmer war, hatte Dr. Norden herbeigerufen.

Es war nicht viel passiert. Ein paar blaue Flecken und Kopfschmerzen blieben Annedore für ein paar Tage, aber auch die Gewißheit, daß sie ein Baby haben würde. Dr. Norden hatte es ihr gesagt und gemahnt, daß sie künftig vorsichtiger sein solle.

Sie hatte es Jürgen erst verraten, als sie dann eine Woche später noch zur Nachuntersuchung zu Dr. Norden gegangen war, um ganz sicher zu sein.

Begeistert war Jürgen ja nicht gerade gewesen, aber gefreut hatte er sich dann doch mächtig, als sie einen Sohn zur Welt brachte, einen Stammhalter, wie seine Eltern betonten, da sein älterer Bruder bisher »nur« zwei Töchter hatte.

Von da an wurde Annedore dann akzeptiert von den Schwiegereltern, die mit ihrem Sohn eigentlich andere Pläne gehabt hatten. Annedore, diese »kleine Modezeichnerin«, wie sie abwertend bezeichnet wurde, war nicht die Partie, die sie für Jürgen gewünscht hatten, ihren doch so attraktiven Sohn.

Annedore hatte sehr gut verdient, war fest im Vertrag gewesen, den sie Jürgen zuliebe dann aber auch vor Bennis Geburt gelöst hatte. Ab und zu hatte sie noch nebenbei gearbeitet. Auch damit war Jürgen nicht ganz einverstanden gewesen, denn er wußte, daß Annedore sehr erfolgreich gewesen war und man sie mit Kußhand zurückholen würde. Es konnte Annedore im Verlauf ihrer Ehe nicht entgehen, daß Jürgen Komplexe hatte. Freilich war die Erziehung daran schuld.

Annedore war anders erzogen. Ihr Vater hatte nie etwas dagegen gehabt, daß seine Frau in der Firma mithalf. Sie besaßen eine gutgehende Buchdruckerei, die eigentlich Annedores jüngerer Bruder übernehmen sollte, aber der wollte lieber Journalist werden. Bei den Torwalds in Füssen herrschte jedoch Toleranz vor, und letztlich, so meinte Sohn Markus, wäre der Papa noch jung genug, um zwanzig Jahre Chef zu sein.

Eins war sicher, Jürgen verstand sich mit seinen Schwiegereltern sehr gut, was seinen Eltern freilich ein Dorn im Auge war.

*

Als Annedore die Kinder für den Besuch bei Dr. Norden anzog, ging ihr all das durch den Sinn, und sie nahm sich vor, den Arzt nach seiner Meinung zu Jürgens Plänen zu fragen. Sie wußte, daß sie das tun konnte, und daß Dr. Norden für ihre Sorgen auch Verständnis haben würde.

Sie besaß einen eigenen Wagen. Ihre Eltern hatten ihr diesen geschenkt, denn Reichtümer verdiente Jürgen doch noch nicht, daß sie sich eine ziemlich teure Wohnung und zwei Autos leisten konnten.

Seine Eltern waren zwar betuchter als die Torwalds, aber sie waren lange nicht so großzügig. Auch für die Enkelkinder taten sie nicht so viel. Allerdings wurde darüber auch nicht geredet und schon gar nicht wurde es aufgerechnet.

Und Leonhard Torwald hatte dafür gesorgt, daß der Wagen kindergerecht ausgestattet wurde.

So saßen die beiden dann in ihren Kindersitzen, angeschnallt und recht vergnügt.

Annedore war umsichtig, besonnen und überaus vorsichtig, wenn sie mit den Kindern fuhr. Obgleich es beim Einkaufen manchmal eine echte Plagerei war, mit den beiden Kleinen zurechtzukommen, sie ließ die Kinder nie allein im Wagen.

Bei Dr. Norden angelangt, konnte sie in der Tiefgarage parken. Und von dieser aus fuhren sie mit dem Lift bis zur Praxis.

Das fanden Benni und Micky lustig, und als sie dann in der Praxis ankamen, liefen sie gleich zu Dorthe und Franzi, die ihnen wohlbekannt waren.

»Na, das ist aber ein Freude, daß ihr uns mal wieder besucht«, sagte Dorthe.

»Hab’ nämlich wieder einen blöden Husten«, sagte Benni.

»Srecklich«, sagte Micky, und sie schüttelte mit ernster Miene den Kopf.

»Ist viel los?« fragte Annedore. »Ich habe nicht angerufen, weil ich nicht wußte, ob ich Zeit haben würde.«

»Es ist nicht so hektisch wie gestern. Dr. Norden wird Sie schon zwischendurch einplanen«, meinte Dorthe.

»Wir können eine Weile warten«, sagte Annedore.

»Lieber da drüben«, meinte Dorthe lächelnd. »Im Wartezimmer sitzen unsere Pensionäre. Die haben Zeit genug und lassen sich bei ihrer Unterhaltung nicht gern stören.«

Man hatte sich in Dr. Nordens Praxis darauf eingestellt, diejenigen, die viel Zeit hatten, in einen Extraraum zu setzen. Grad im Winter war das sehr angenehm für die älteren Leute, die nicht soviel herumlaufen konnten und hier wenigstens Gesprächspartner fanden. Das trug zum seelischen Wohlbefinden bei, und dann vergaß man so manche Wehwehchen, von denen man geplagt wurde.

In dem kleineren Warteraum war auch für die Unterhaltung der Kinder vorgesorgt. Es gab zwar keine Spielsachen und Bücher, weil Dr. Norden für Bazillenüberträger nicht zu haben war, aber es gab einen Kassettenrekorder, und auch Benni und Micky waren für lustige Geschichten und Kinderlieder zu haben.

Aber lange brauchten sie nicht zu warten. Dr. Norden wußte, daß Kinder manchmal ungeduldig wurden. Benni und Micky waren das allerdings nicht, und Benni hatte sogar seinen Husten vergessen, was Annedore doch ein bißchen merkwürdig vorkam.

Das sagte sie auch Dr. Norden, der den Jungen gründlich untersuchte.

»Könnte es sein, daß sich in der Wohnung etwas befindet, was die Schleimhäute reizt?« fragte Dr. Norden.

»Müßten wir dann nicht alle husten?« fragte Annedore.

»Das ist nicht gesagt. Benni ist durch den vorangegangenen Keuchhusten besonders empfindlich. Ich kann keinen Infekt feststellen, Frau Gebhard. Er hat auch kein Fieber.«

»Aber abends bekommt er Temperatur.«

»Wieviel?«

Annedore errötete. »Ich messe kein Fieber. Er liegt dann ja schon im Bett, und er kann das Thermometer nicht leiden, aber seine Stirn ist manchmal heiß.«

Daniel Norden lächelte flüchtig. »Das kommt, wenn Kinder übermüdet sind. Wann geht er denn zu Bett?«

»Gleich nach sieben Uhr, aber er schläft ja nicht ein, bis mein Mann kommt. Da muß er schon sehr müde sein.«

»Kommt Ihr Mann immer spät?« fragte Dr. Norden.

»In letzter Zeit schon. Ich würde Sie gern auch etwas fragen, wenn ich Ihre Zeit nicht zu sehr in Anspruch nehme.«

»Die Kinder können wieder Geschichten und Lieder hören. Wollt ihr?« fragte Dr. Norden die beiden Kleinen. »Und Franzi gibt euch was zu trinken.«

Die beiden waren sofort einverstanden. Und Annedore sagte zu Dr. Norden: »Mir ist gerade in den Sinn gekommen, daß es bei Benni mit der Husterei immer erst nachmittags losgeht, aber es kann doch keine Hysterie sein.«

»Nicht direkt, aber Nervosität. Er ist sensibel und wie ich weiß, hängt er ja sehr an seinem Vater.«

»Das stimmt. Er wird auch zornig, wenn Jürgen lange ausbleibt, aber mein Mann bekommt ja von dem Husten wenig mit. Er hat auch einen sehr tiefen Schlaf. Ich möchte nur wissen, was dann werden soll, wenn er wirklich für längere Zeit ins Ausland geht.«

»Hat er das vor?« fragte Dr. Norden.

Annedore nickte. »Ich wollte Sie deshalb um Rat bitten, wie ich mich verhalten soll. Darf ich das?«

»Wenn ich Ihnen raten kann?«

»Er hat ein Angebot nach Ägypten. Er fühlt sich hier in der Firma nicht mehr wohl, weil ihm da jemand vor die Nase gesetzt wurde. Ich weiß ehrlich nicht, was plötzlich in ihn gefahren ist. Mindestens ein halbes Jahr nach Ägypten und dann scheint das auch noch so eine Geheimsache zu sein. Mir gefällt das nicht. Er sagt, daß er bombig verdienen wird – und dann eine leitende Stellung bekommt.«