Seit ich dich gefunden habe - Patricia Vandenberg - E-Book

Seit ich dich gefunden habe E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Daniela lehnte in einem Sessel und hatte die Beine auf dem Schreibtisch ihrer Mutter übereinander geschlagen. Es waren lange Beine, und sie steckten in apricotfarbenen Hosen. Apricot war die Modefarbe der Saison, und Daniela Sassari konnte es sich leisten, die neuesten, schicksten und teuersten Sachen zu tragen, denn Julia Sassari, die berühmte Modeschöpferin, war ihre Mutter. Julia sah ihre Tochter irritiert an. »Würdest du bitte so freundlich sein und deine Beine anderswo placieren, Dani?« fragte sie nachsichtig. »Ich muß nämlich noch arbeiten. Wie du weißt, muß ich morgen nach Paris fliegen. Warum willst du eigentlich nicht mitkommen?« Daniela kniff leicht die Augen zusammen. Sie hatte einige Gründe, ihre Mutter nicht zu begleiten, aber sie wollte darüber nicht sprechen. Was sie beschäftigte, war zu einer Art Zwangsvorstellung geworden, seit sie gestern zufällig ein Telefongespräch belauscht hatte, das ihre Mutter mit Professor Vandresen geführt hatte, den Daniela Onkel Jeff nannte. Daniela war von einem Konzert mit Tina Turner zurückgekommen und so begeistert gewesen, daß sie noch mit ihrer Mutter darüber hatte sprechen wollen. Sie wußte ja, daß Julia noch in ihrem Arbeitszimmer war, weil Licht brannte, und die Tür zu diesem Raum hatte einen Spalt offengestanden. Sie hatte gehört, wie ihre Mutter sagte: »Nein, sie wird es nicht erfahren, Jeff. Wozu auch? Wir sind zwanzig Jahre ohne Mann und Vater ausgekommen, und so wird es auch bleiben. Und ich bin überzeugt, daß Dani überhaupt nicht interessiert ist, etwas über ihn zu erfahren. Basta.« Nun war es gewiß nicht so, daß Daniela völlig uninteressiert war, was ihren

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Dr. Norden Bestseller – 250 –

Seit ich dich gefunden habe

… ist das Leben wieder lebenswert

Patricia Vandenberg

Daniela lehnte in einem Sessel und hatte die Beine auf dem Schreibtisch ihrer Mutter übereinander geschlagen. Es waren lange Beine, und sie steckten in apricotfarbenen Hosen. Apricot war die Modefarbe der Saison, und Daniela Sassari konnte es sich leisten, die neuesten, schicksten und teuersten Sachen zu tragen, denn Julia Sassari, die berühmte Modeschöpferin, war ihre Mutter.

Julia sah ihre Tochter irritiert an. »Würdest du bitte so freundlich sein und deine Beine anderswo placieren, Dani?« fragte sie nachsichtig. »Ich muß nämlich noch arbeiten. Wie du weißt, muß ich morgen nach Paris fliegen. Warum willst du eigentlich nicht mitkommen?«

Daniela kniff leicht die Augen zusammen. Sie hatte einige Gründe, ihre Mutter nicht zu begleiten, aber sie wollte darüber nicht sprechen. Was sie beschäftigte, war zu einer Art Zwangsvorstellung geworden, seit sie gestern zufällig ein Telefongespräch belauscht hatte, das ihre Mutter mit Professor Vandresen geführt hatte, den Daniela Onkel Jeff nannte.

Daniela war von einem Konzert mit Tina Turner zurückgekommen und so begeistert gewesen, daß sie noch mit ihrer Mutter darüber hatte sprechen wollen. Sie wußte ja, daß Julia noch in ihrem Arbeitszimmer war, weil Licht brannte, und die Tür zu diesem Raum hatte einen Spalt offengestanden. Sie hatte gehört, wie ihre Mutter sagte: »Nein, sie wird es nicht erfahren, Jeff. Wozu auch? Wir sind zwanzig Jahre ohne Mann und Vater ausgekommen, und so wird es auch bleiben. Und ich bin überzeugt, daß Dani überhaupt nicht interessiert ist, etwas über ihn zu erfahren. Basta.«

Nun war es gewiß nicht so, daß Daniela völlig uninteressiert war, was ihren ihr unbekannten Vater betraf, aber sie hatte es längst aufgegeben, nach ihm zu fragen.

»Vergiß ihn, ich hab ihn auch vergessen«, hatte Julia erwidert.

Aber am Telefon hatte sie noch zu Jeff gesagt: »Wenn du nach München kommst, grüß mir Daniel Norden. Er ist außer dir der netteste Mann, der mir je über den Weg gelaufen ist.«

Daniel Norden, den Namen hatte sich Daniela sofort gemerkt, und weil sie den Namen Daniela bekommen hatte, machte sie sich auch Gedanken.

Sie war am Morgen schon auf der Post gewesen und hatte das Telefonbuch von München studiert und dabei herausgefunden, daß ein Daniel Norden Arzt für Allgemeinmedizin war.

Forsch, wie Daniela Sassari war, hatte sie gleich beschlossen, die Abwesenheit ihrer Mutter zu nutzen, und nach München zu fahren. Sie war neunzehn Jahre und drei Monate alt, hatte bereits seit einem Jahr einen Führerschein und von ihrer Mami, mit der sie sich ausnehmend gut verstand, auch einen sehr flotten Wagen bekommen. Julia meinte, ihrer Tochter jeden Wunsch erfüllen zu müssen als Ausgleich dafür, daß sie ihr keinen Vater geboten hatte.

Nun war es keineswegs so gewesen, daß Julia sitzengelassen worden war. Sie hatte aus bestimmtem Anlaß Kosequenzen gezogen und sich entschlossen, ihr Kind allein zu erziehen und allein für dieses Kind zu sorgen, und sie hatte es geschafft. Julia Sassari war eine großartige Frau, schön, klug und erfolgreich, und heute ahnte kaum jemand, daß sie sich aus ganz bescheidenen Anfängen emporgearbeitet hatte.

Allerdings hatte in den schwersten Zeiten das gute Tante Lenchen Hilfestellung geleistet, das nun schon fast ein Jahr die ewige Ruhe nach einem aufopferungsvollen Leben gefunden hatte. Sie wurde von Julia und Daniela noch immer schmerzlich vermißt.

Für Ordnung im Hause Sassari sorgte nun Alma, die auch schon fast sechzig Jahre war. Alma war wie ein Feldwebel, so bezeichnete es Daniela, aber unter der rauhen Schale war ein weicher, guter Kern.

Julia hatte sich wieder in ihre Arbeit vertieft, Daniela hatte die Beine vom Schreibtisch genommen und übereinandergeschlagen.

»Hör mal, Julchen, du hast doch wohl nichts dagegen, wenn ich ein paar Tage zu Kiki fahre«, sagte Daniela so ganz beiläufig. »Paris reizt mich wirklich nicht, und du hast ja sowieso keine Zeit. Diese überkandidelten Leute machen mich narrisch. Für dich ist das was anderes, du machst bestimmt wieder Bombengeschäfte, aber mich interessiert echte Kunst eben mehr als der letzte Modeschrei.«

»Echte Kunst, dazu rechnest du auch Schlagersänger?« fragte Julia spöttisch.

»Du verkennst das«, erwiderte Daniela nachsichtig. »Die Schnulzen mag ich doch nicht.«

»Ich finde sie aber manchmal ganz nett«, sagte Julie.

Daniela warf ihr einen schrägen Blick zu. »Das kommt mit den Jahren«, stellte sie fest, »aber eigentlich bist du wirklich eine dufte Mutter.«

»Verbindlichen Dank, Nixlein. Meinetwegen kannst du zu Kiki fahren, aber aufzupassen, das versprichst du mir.«

»Ist doch klar, Mami.«

Nixlein, dieses Kosewort hatte sie bekommen wegen ihrer Augen, die manchmal grün schimmerten. Nicht richtig grün, sondern mehr so eine Mischung zwischen blau und türkis, aber höchst apart. Und Julia war stolz auf ihre sehr aparte Tochter, die auch sehr eigenwillig und charakterstark war. Für Männer zeigte Daniela überhaupt kein Interesse. Entweder waren sie ihr zu arrogant oder zu blöd, und außerdem hatte sie eine ganz besondere Vorstellung, wie der Mann, der ihr gefallen sollte, aussehen und vor allem auch gefühlsmäßig beschaffen sein müßte. Julia meinte, daß es solch edles Gebilde in der ganzen Welt nicht geben würde, und sie hatte überhaupt ihre eigene Meinung von Männern die es ja nur ganz selten ertragen konnten oder anerkannten, wenn eine Frau erfolgreich war, erfolgreicher als so mancher Mann.

Die einzige Ausnahme, die Daniela bisher kennengelernt hatte, war eben Onkel Jeff, denn von Daniel Norden hatte Julie ihrer Tochter nie etwas erzählt, aber der Name hatte sich bei Daniela festgesetzt. Daniel und Daniela? Ihr gefiel es jedenfalls irgendwie, und es war ihr eine Reise von Düsseldorf nach München wert.

Ihre Freundin Kiki, mit vollem Namen Kristina Clemens, wohnte in Bad Godesberg Ihr Vater war ein hoher Beamter gewesen, aber vor zwei Jahren an einem Herzinfarkt gestorben, und Kiki mußte sich mit einer schwierigen melancholischen Mutter herumplagen.

Wenn Daniela daran dachte, war sie doppelt froh, ihr Julchen zu haben, diese dufte Mutter.

Kiki hatte ihren Vater sehr gemocht, und als er noch lebte, hatte Daniela ihre Freundin tatsächlich oft um diesen Vater beneidet, der sie besucht hatte, als sie beide in dem vornehmen Internat am Bodensee waren, der sie ausführte und natürlich auch Daniela eingeladen hatte. Ein richtiger Gentleman war das gewesen, mit einem interessanten Gesicht und grauen Schläfen. Dafür schwärmte Daniela schon insgeheim, und wenn sie überhaupt so einen Männertyp akzeptieren konnte, dann so einen wie Gregory Peck oder Gary Cooper. Interessante Männer konnten uralt werden und verloren doch nichts an Ausstrahlung, darüber war sich Daniela auch schon klargeworden, aber für die Jungen, ob im Kino oder im Fernsehen, hatte sie nichts übrig. Und bei den Sängern und Sängerinnen ging sie nur nach der Stimme. Ansehen wollte sie die gar nicht.

Ja, Daniela Sassari war in jeder Beziehung ein sehr eigenwilliges Persönchen, aber exzentrisch war sie keineswegs.

Am nächsten Morgen brachte sie ihre Mami zum Flughafen, und da überkam sie Wehmut, als sie Adieu sagten

»Mein Goldstück, komm gut zurück«, murmelte Daniela.

»Ist ja nicht lange, Nixlein. Schau nicht so grau.« Wenn Daniela bekümmert war, wurden ihre Augen nämlich grau. »Laß doch Kiki mal zu uns ein. Sie kann doch nicht dauernd bei ihrer jammernden Mutter hocken.«

»So eine Süße wie ich hat eben nicht jeder«, sagte Daniela und dann wurde Julia nochmals zärtlichst geküßt.

Alma hatte schon allerhand dagegen, daß Daniela allein losfuhr. Das schickte sich ihres Erachtens einfach nicht, aber sie gehörte ja einer anderen Generation an.

»Und wenn etwas passiert, dann dreht die Chefin durch«, sagte Alma auch noch.

»Es passiert ja nichts. Man soll den Teufel nicht an die Wand malen, Alma.«

Daniela hatte ihre Reisetasche schon im Auto verstaut und tätschelte Almas runde Wange. »Paß du nur auf dich auf«, sagte sie, dann fuhr sie los und pfiff vergnügt vor sich hin. Es war ja nicht so, daß sie um jeden Preis etwas über ihren Vater erfahren wollte. Sie hatte sich das vorgenommen und wollte es auch in die Tat umsetzen, aber wenn dabei nichts herauskam, wollte sie es auch hinnehmen. Zuerst wollte sie jedenfalls Kiki besuchen, und da erlebte sie schon eine Überraschung, denn Kiki war allein. Die jammernde Mutter war nicht anwesend.

»Stell dir bloß mal so was vor«, sagte Kiki, »plötzlich packt sie die Koffer, ist quietschvergnügt, drückt mir ein paar Hunderter in die Hand und sagt, sie brauche Tapetenwechsel. Da muß doch ein Mann dahinterstecken. Es hat nämlich schon einer ein paarmal angerufen.«

»Sei doch froh«, sagte Daniela, »komm einfach mit nach München.«

»Was willst du denn in München?« fragte Kiki.

»Ein paar Nachforschungen anstellen.«

Kiki legte den Kopf schief. »Nach wem?« fragte sie.

»Nach meinem Vater.«

»Ich denke, du hast keinen«, sagte Kiki leichthin.

»Namentlich nicht, aber Kinder kommen ja nicht vom heiligen Geist«, sagte Daniela.

»Und warum fragst du nicht einfach deine Mutter? Die ist doch eine Frau, die nicht unbedingt einen Trauring braucht, um ein Kind zu kriegen.«

»Julchen sagt mir nichts. Irgendwie muß der Kerl sie wohl geschockt haben, aber ich muß den Typen kennenlernen, der sich einfach nicht um sie gekümmert hat. Ich will ja nichts von ihm. Ich will nur wissen, ob ich was von ihm habe. Das würde ich dann nämlich ausrotten.«

»Dani, mach dir doch nicht den Kopf heiß«, sagte Kiki.

»Ein schöneres Leben als du kann ein Mädchen doch gar nicht haben.«

»Ist ja okay, aber würde es dich nicht interessieren zu wissen, aus welcher Mischung du bist? Du weißt es ja.«

»Ich heule gleich, wenn du mich an Paps erinnerst.«

»Nein, das will ich nicht, Kiki. Tut mir leid, wenn ich taktlos war. Ich denk’ nur manchmal, so eine Mischung als Eltern, wie dein Vater und meine Mutter, das wäre einfach ideal.«

Kikis Blick schweifte ab. »Mag ja sein, Dani, aber es kommt eigentlich doch nur darauf an, wie sich zwei Menschen verstehen, und ich glaube, daß Mama nicht die richtige Frau für Paps war, sie spielte nur die trauernde Witwe. Eigentlich wäre ich froh, wenn sie wieder heiraten würde.«

»Und dann kommst du zu uns, und wir beide stellen gemeinsam was auf die Beine.«

So war Daniela Sassari, immer fröhlich, immer positiv eingestellt, und am nächsten Tag fuhr sie in Begleitung ihrer Freundin Kiki nach München. Sie fand es wunderbar, nicht allein fahren zu müssen, und Kiki war ganz happy, weil sie schon lange nicht in München gewesen war, und da gab es sogar jemanden, den sie sehr gern wiedersehen wollte.

Daniela hatte dagegen nur ein Ziel: Sie wollte diesen Dr. Daniel Norden kennenlernen.

Wenn Daniela mit ihrer Mutter reiste, wohnten sie in Luxushotels, aber sie fand die Preise unverschämt.

»Die haben ja einen Schatten«, sagte sie zu Kiki. »Wir suchen uns was Billigeres.« Kiki war sowieso dafür, denn so viel Geld wie Daniela hatte sie nicht.

Aber es war Messe, und München war ausgebucht, und so konnten sie froh sein, daß sie im Westen der Stadt noch ein Zimmer bekamen in einer recht anständigen Pension, die aber auch ihre Preise hatte.

Das konnte Daniela bald nicht mehr ärgern, denn schnell hatte sie herausgefunden, daß Dr. Daniel Norden in diesem Stadtteil seine Praxis hatte.

Über ihn sagte sie nichts zu Kiki. Blamieren wollte sie sich nicht, auch von ihrer einzigen Freundin nicht. Kiki hatte vor dem Einschlafen dauernd von Holger Eckert geredet, den Daniela ja auch flüchtig kannte.

»Jemine, schreibt ihr euch immer noch?« fragte Daniela.

»Ab und zu mal. Ist doch nett. Er hat eine Stellung in einem Kaufhaus als Einkäufer, und er wohnt in Schwabing.«

»Schwabing ist schick«, sagte Daniela. »Sagt man wenigstens. Ich war noch nicht da. Aber man soll in München auch vorsichtig sein, Kiki.«

»Bin ich doch, aber wenn du was anderes vorhast, mag ich mich nicht anhängen.«

Ja, Daniela hatte etwas anderes vor, und Kiki brauchte davon nichts zu wissen, bei aller Freundschaft nicht. Also trennten sich anderntags ihre Wege.

Kiki fuhr mit der S-Bahn in die Stadt, Daniela machte sich auf den Weg zu Dr. Norden.

In der Praxis herrschte Hochbetrieb. Die Philippina-Grippe grassierte, was Daniela allerdings noch nicht wußte. Sie wußte überhaupt nicht, was krank sein bedeuten konnte. Auch die Kinderkrankheiten hatte sie im Handumdrehen hinter sich gebracht und konnte sich daran überhaupt nicht mehr erinnern. Sie war ein sportliches Mädchen, viel an der frischen Luft, rauchte nicht, trank mit ihrer Mami höchstens mal ein Gläschen Sekt oder Wein, und sie konnte essen was sie wollte, ohne dicker zu werden.

Loni blickte auf, als Daniela eintrat. Sie kannte diese junge Dame nicht, und ein so frisches, vergnügtes Gesicht paßte eigentlich auch nicht in den heutigen Tag, der hier so trist begonnen hatte, weil Dr. Norden schon zweimal zu Notfällen gerufen worden war, aber Daniela war für die gute Loni ein Lichtblick im Kreise all der verschnupften und vergrippten Patienten.

»Wir sind leider sehr besetzt«, sagte Loni bedauernd. »Das Wartezimmer ist voll, und es ist allgemeine Sprechstunde. Wenn Sie sich für morgen anmelden wollen, brauchen Sie nicht so lange zu warten.«

»Fein, dann für morgen«, sagte Daniela. »Ich bin ja nicht krank, und die Kranken haben den Vortritt.«

»Und welchen Namen darf ich eintragen?« fragte Loni

»Daniela Sassari, vielleicht erinnert sich Herr Dr. Norden an Julia Sassari, das ist meine Mutter.«

»Und welche Krankenkasse?« fragte Loni.

»Privat. Ganz privat«, fügte Daniela mit einem schelmischen Lächeln hinzu. Und Loni wurde es ein bißchen mulmig, weil dieses entzückende Mädchen Daniela hieß.

»Morgen zehn Uhr?« fragte sie.

»Fein, ich werde pünktlich sein«, erwiderte Daniela.

Sassari, ging es Loni durch den Sinn, wo habe ich diesen Namen nur schon mal gelesen. Ja, gelesen, nicht gehört. Und dann fiel es ihr ein. Der Prospekt aus dem Modehaus, der gestern der Tageszeitung beilag. Dieses unglaublich schicke Kostüm, das auch ihr gefallen hätte, wenn es nicht gar so teuer gewesen wäre. Julia Sassaris neue Kollektion.

Ja, das war der Name! Und dieses bezaubernde Mädchen hatte gesagt, ob Dr. Norden sich noch an Julia Sassari erinnern könne. Loni war es ganz komisch zumute.

*

In der Praxis waren sie vollauf beschäftigt. Nicht ein privates Wort konnten sie wechseln, so ruckzuck mußte es diesmal gehen, und dann bis nach dreizehn Uhr.

Hausbesuche mußte Dr. Norden vor der Nachmittagssprechstunde auch noch machen. »Was liegt noch vor, Loni?« fragte er, bevor er die Praxis verließ.

»Ich habe alles notiert«, erwiderte sie, »für morgen hat sich eine junge Dame angemeldet. Daniela Sassari. Sie hat gesagt, ob Sie sich noch an ihre Mutter Julia Sassari erinnern können.«

»Julia Sassari«, wiederholte er, »liebe Güte, wie lange mag das her sein? Aber irgendwo habe ich den Namen doch erst kürzlich gehört.«

»Sie ist eine bekannte Modeschöpferin, aber leider auch sehr teuer«, sagte Loni.

»Das war sie damals nicht«, sagte er sinnend. »Ich kann mich nur an eine sehr junge Julia Sassari erinnern, und das nur sehr vage.«

Hoffentlich, dachte Loni, aber vielleicht ist das Mädchen ihrer Mutter ähnlich, und dann wird er sich bestimmt besser und vielleicht sogar gern erinnern.

Irgendwie war sie immer um das Seelenheil ihres Chefs besorgt und vor allem um seinen Ehefrieden, denn leider gab es ja eine ganze Anzahl Frauen, die diesen gern gefährdet hätten.

Zum Glück gehörte Fee Norden nicht zu den Frauen, die aus krankhafter Eifersucht aus jedem kleinen Gerücht ein Drama machten, und sie brauchte auch wirklich nicht zu fürchten, daß ihr Mann ihr untreu werden könnte, aber was so in der Vergangenheit lag, da war sogar Loni nicht ganz sicher, ob es da nicht doch mal etwas mehr als nur einen Flirt gegeben hatte.

Und so, wie Daniel Norden noch heute aussah, konnte man es auch verstehen, daß sich die Frauen gern nach ihm umschauten und sogar von ihm träumten.

Als Daniel mittags abgehetzt heimkam, dachte er nicht über Julia Sassari nach. Er hatte Hunger, und die Kinder wollten auch was von ihrem Papi haben, wenn er auch nur wenig Zeit hatte. Und seine Frau Fee war ihm wichtiger als jede andere Frau.

»Diese verflixte Grippe«, sagte sie, als er sich schon wieder verabschieden mußte. »Paß nur auf, daß du dich nicht ansteckst.«

»Ich bin doch immun, mein Schatz, paßt ihr nur auf euch auf.«

Die Grippe schien selbst die kräftigsten Männer umzuwerfen. Dr Norden war doch ein bißchen bestürzt, als er den Fußballstar Leo Pollack mit über vierzig Fieber im Bett vorfand und seine junge Frau jammerte, daß er am Sonntag nicht zum Pokalspiel antreten könne.

So etwas mochte Dr. Norden nun gar nicht. »Ich möchte doch annehmen, daß Sie Ihren Mann wegen eines Fußballspiels nicht verlieren wollen«, sagte er unwillig. »Das kann nämlich durchaus der Fall sein, wenn er sich nicht auskuriert.«

»Ich meine ja nur, daß es für ihn arg sein wird«, sagte Frau Pollack kleinlaut. »Es ist ja auch wegen der Prämie.«