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Lassen Sie die Säule wirbeln! Skoliose, eine Verformung der Wirbelsäule, wird klassisch mit statischer Physiotherapie und Korsett behandelt - eine oft jahrelange Mühe. Doch es geht auch anders - mit dem einzigartigen Selbsthilfe- und Behandlungskonzept der Spiraldynamik®. Die effektiven 3-D-Bewegungen richten die Wirbelsäule dynamisch auf. - Der Alltag ist die Therapie: Gehen, sitzen, joggen oder schwimmen - die effektiven Übungen zum Eigentraining wirken Tag für Tag, ganz bewusst oder nebenbei. - Beweglich und beschwingt: Die Übungen wecken Freude an der Bewegung und am eigenen Körper. - Aus dem Leben: Die Autorin, selbst Skoliosepatientin, Physiotherapeutin und begeisterte Tänzerin, weiß wie es ist und teilt ihre Erfahrung.
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Seitenzahl: 156
Dr. med. Christian Larsen, 1956 in Basel geboren, ist Arzt und Mitbegründer der Spiraldynamik®. Beobachtungen an Neugeborenen, Spitzensportlern und sich selbst brachten den jungen Arzt auf die Genialität perfekter Bewegungsführung, aus welcher er mit einem Forscherteam die anatomische Gebrauchsanweisung für den eigenen Körper entwickelte. Dieses Wissen will er weitergeben, als Arzt, Forscher, Sportler und Mensch. Er ist verheiratet mit der Künstlerin Claudia Larsen und lebt mit ihr und den Zwillingstöchtern in der Nähe von Zürich.
Karin Rosmann-Reif ist Physiotherapeutin und Heilpraktikerin mit Spezialisierung auf Skoliosetherapie. Während ihrer Praxis stieß sie am Med-Center in Zürich auf die Spiraldynamik, die seither neben der Naturheilkunde einen wichtigen Schwerpunkt ihrer Arbeit darstellt. Im Herzen von München führt sie eine eigene Praxis. Persönliche Erfahrungen mit der Skoliose bereichern ihr therapeutisches Wirken.
Ein Danke von Herzen an Claudia Larsen für ihre Fotokunst und an Stefan Reif für seine Geduld und Unterstützung.
Dr. med. Christian LarsenKarin Rosmann-Reif
Skoliose – Aufrecht durch Bewegung
Die besten Übungen aus der Spiraldynamik®
Vorwort
Mein Weg – Geschichte einer Skoliose
Wissen: Schlüssel zur Veränderung
Die Spirale: Inbegriff aller Dynamik
Dreidimensionale Dynamik
Anatomie: Bauplan für ein aufrechtes Leben
Sorgt für Stabilität: das Becken
Bewegungswunder: die Wirbelsäule
Handlungsspielraum: die Schultern
Versteckt: der Beckenboden
Kräftig: die Rumpfmuskeln
Beweglich: die Schultermuskeln
Skoliose: Spirale, wo keine hingehört
Was ist Skoliose?
Die Konsequenzen für den Körper
Skoliose erkennen: die Diagnose
Beweglich bleiben: die Therapie
Selbsttest: lernen Sie sich kennen
Taillendreieck: dem Becken auf der Spur
Beckenstand: sichtbarer Höhenunterschied
Rückenprofil: dominante Vorwölbung
Beugehemmung: flacher als normal
Schulterhöhe: auf einer Linie
Engelsflügelchen: himmlische Höhen
Beinachse: Knick im Knöchel
Körperachse: alles im Lot
Die Diagnose steht – was nun?
Selbsthilfe durch Bewegung
Start in einen bewegten Alltag
Den Körper neu stimmen
Basisübungen: neue Bewegungsfreiräume entdecken
Rückenwelle: Wirbel für Wirbel
Beckenachter: bewegliches und stabiles Becken
Beckenspirale: der Lendenbogen atmet auf
Leistenöffner: Elastizität für den Hüftbeuger
Beckentreppe: Stufe um Stufe ein Genuss
Rippenöffner: Sie haben den Dreh raus!
Rippendreher: befreiend dynamisch
Wendeltreppe: spiralig auf und ab
Schultergelenksachter: schwebende Achterschlaufen
Schulterkraft: zentriert und stabil
Kopfachter: Freiheit für Kopf und Nacken
Bewegungsprofis: koordiniert von Kopf bis Fuß
Heben: von der Hand in den Mund
Abstützen: mobile Rippen – stabiles Schulterblatt
Schulterstütz: Kraft für den Schultergürtel
Drehen: mit stabilem Zentrum
Gehen: das Theraband hilft
Leben in Bewegung
Lebensgefühl – Skoliose als Chance
Das Verhältnis zum Körper
Bewegung hilft
Bewegtes Leben
Der Alltag – Sprungbrett für Ihr Körperbewusstsein
Gut koordiniert
Treppensteigen: Stufen zum Erfolg
Sitzen: dynamisch und aufgerichtet
Schweres Gepäck: die Last überlisten
Leichtes Gepäck: gut geschultert
Sport – spiraldynamisch aktiv
Tanz: dynamisch und ausdrucksstark
Yoga: der Dreh mit Tradition
Nordic Walking: Schritt für Schritt
Joggen: mobilisiert und stabilisiert
Schwimmen: Zug um Zug
Sachwortverzeichnis
Service
SPECIALS
Sich intelligent bewegen: Spiraldynamik
Die Wahrnehmung
Programme bei Thorakalskoliose
Programme bei Lumbal- und Thorakolumbalskoliose
Programme bei Kyphoskoliose
Programme bei flachem Rücken
Als Arzt auf der Suche nach dem Bauplan Mensch habe ich die Bewegungsintelligenz des menschlichen Körpers entdeckt. Daraus ist die Spiraldynamik als Therapiekonzept entstanden. Seit mehr als zwanzig Jahren betreue ich Patientinnen mit Skoliose, daraus ist die Motivation entstanden, dieses Buch zusammen mit der Physiotherapeutin und Heilpraktikerin Karin Rosmann-Reif zu schreiben.
Die Evolution hat das menschliche Bewegungssystem im Verlaufe von Jahrmillionen geplant, entwickelt und erprobt. Der aufrechte Gang erfordert abwechslungsweise eine Linksrechts-Verschraubung der Wirbelsäule. Diese Linksrechts-Verschraubung erfolgt exakt nach dem Spiralprinzip, wie es überall in der Natur anzutreffen ist.
Die Skoliose ist eine einseitig fixierte spiralige Verformung der Wirbelsäule. Die gute Nachricht dabei ist: Wenn sich die Wirbelsäule beim Gehen seit Jahrmillionen alternierend nach links und nach rechts dreht und wenn diese „Doppelspirale“ bei der Skoliose zur „Einfachspirale“ reduziert wird, dann bietet das Gehen eine perfekte Therapiemöglichkeit. Schritt für Schritt kann die Wirbelsäule betont in die andere Richtung schrauben und so der Skoliose wirksam entgegenwirken.
Die Therapie verlängert sich so vom Therapieraum in den Alltag: Beim Gehen, Stehen, Werfen, Tanzen – wann immer der Körper in Bewegung ist, kann der einseitigen Spirale mittels der natürlichen Gegenspirale entgegengewirkt werden. Wichtigste Voraussetzung für den Erfolg: Die Gegenspirale muss präzis ausgeführt werden. Die Therapiestunden verfolgen damit zwei Ziele: Behandlung und Instruktion. Gute Übungen sind alltagstauglich und überall anwendbar.
Lebensqualität! Früher genügte es, „Strukturen“ zu mobilisieren und zu stabilisieren. Heute werden in der gängigen Physiotherapie meist Funktionen geübt. Die Skoliosetherapie von Morgen wird gelebt – integriert ins Gehen, den Sport oder das Tanzen. Gemäß heute gültigen WHO-Kriterien geht es in der modernen Therapie um konkrete Outcomes, um konkreten Nutzen und Lebensqualität.
So gesehen ist die körperliche Herausforderung „Skoliose“ eine Chance zur Entwicklung von Körperbewusstsein, Eigenverantwortung und Lebensqualität. Aus vermeintlicher Einschränkung wird Freiheit.
Dr. med. Christian Larsen
Mitbegründer der Spiraldynamik
„Turn-Oma“ nannte mich meine Sportlehrerin in der Schule, weil ich keinen Purzelbaum schlagen konnte. Ich rollte nie harmonisch geradeaus, sondern plumpste immer zu einer Seite. Warum das so war, erfuhr ich erst viel später. Ich war zwölf Jahre alt, als meine Mutter mit mir zum Arzt ging. Sie war der Meinung, ich sei „schief“.
In einer orthopädischen Klinik stellte der Professor eine Skoliose mit einem Winkel von 33 Grad im Hauptbogen fest, verordnete mir ein Korsett und Krankengymnastik. Mit dieser Diagnose konnte ich zunächst nicht viel anfangen. In Erinnerung an alte Kostümfilme träumte ich von einem Korsett, in dem ich besonders schlank aussehen würde. Leider erwachte ich in der nächsten Sprechstunde mit einem „Plastikmonster“. Da saß ich nun mit meinem Korsett und einem Rezept über zehnmal Krankengymnastik.
Wie lange meine Eingewöhnungszeit gedauert hat, kann ich nicht mehr genau erinnern. Anfangs war es eine Tortur. Das Korsett drückte überall, tat weh und engte mich ein. Ich konnte es nur kurze Zeit anhaben, dann musste ich es wieder loswerden. Es dauerte, bis ich es endlich schaffte, die erste Nacht im Korsett zu schlafen. Aber irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich es ertragen konnte. Mein Körper hatte sich besser an das „Plastikmonster“ gewöhnt. Heute stelle ich in meiner Praxis immer wieder fest, dass dieser Punkt von jedem, der mit einem Korsett versorgt wurde, überwunden werden muss, danach geht es besser.
Wichtig
Wer in der schwierigen Eingewöhnungsphase zu früh aufgibt, hadert ständig mit seinem Korsett und schafft es nicht, die angestrebten Tragezeiten von 23 Stunden pro Tag zu erreichen.
Zur Krankengymnastik ging ich zu einer älteren, besonders ruhigen Dame. Sie behandelte mich nach der Vojta-Methode, legte mich in eine für mich unverständliche Position auf die Behandlungsliege und drückte einige Punkte auf meinem Rücken. Nach mehreren Sitzungen hatte ich immer noch nicht erfasst, was mit mir nicht stimmte, und fragte ganz vorsichtig nach. Ich war dankbar, als mir die Therapeutin meine Skoliose anschaulich anhand eines Wirbelsäulenmodells erklärte. Sie formte es so, dass es meiner Wirbelsäule glich, wie ich sie bereits auf meinem Röntgenbild gesehen hatte. Jetzt konnte ich meine Wirbelsäulenform viel besser begreifen.
Meine Mutter wurde in der Vojta-Methode angeleitet und drückte fast täglich unter lautem und langem Gezeter die entsprechenden Punkte. Wir hatten deshalb viel Streit. So vergingen fünf lange Jahre, ich musste das Korsett Tag und Nacht tragen, was vor allem während der Pubertät besonders schwierig für mich war. In der Schule wollte ich, dass meine Mitschüler mein Korsett nicht sehen und zog immer Kleidung in Übergrößen an. Zum Glück kam mir als modebewusstem Teenager der „Schlabberlook“ der 80er-Jahre sehr entgegen.
Leider stellte sich nach eineinhalb Jahren intensiver Krankengymnastik und Korsettversorgung keine Besserung ein. Deshalb schlugen die behandelnden Ärzte schließlich eine Operation vor. Aber meine Eltern wollten mir die Entscheidung für eine Operation überlassen, denn zu jener Zeit war nicht abzusehen, welche Auswirkungen ein solcher Eingriff auf meinen Körper haben würde. Heute bin ich meinen Eltern dankbar, dass Sie mir diese wichtige Entscheidung nicht abgenommen haben.
Wichtig
Eine Operation ist irreversibel und führt zu einem versteiften Wirbelsäulenabschnitt. Da ich nicht operiert wurde, kann ich heute mein volles Bewegungsausmaß ausschöpfen.
Mit 17 Jahren wurde mein Korsett abgeschult, wie es im Fachchargon heißt. Ich war überglücklich, endlich kein Korsett mehr tragen und ertragen zu müssen. Aber das Thema „Skoliose“ begleitete mich weiter – es war sogar bestimmend für meinen beruflichen Werdegang.
Zwar machte ich zunächst eine Ausbildung zur Industriekauffrau und holte das Abitur nach. In dieser Zeit wuchs aber bereits die Idee, Physiotherapeutin zu werden. Von diesem Ziel ließ ich mich nicht abbringen, obgleich mein Orthopäde mir mit Blick auf die Belastung meiner Wirbelsäule vehement davon abriet, diesen Beruf zu ergreifen. Nach diesem demotivierenden Urteil verließ ich das Sprechzimmer mit Tränen in den Augen. Zum Glück habe ich schon früher nicht immer auf die wohlgemeinten Ratschläge von Experten gehört. So habe ich die Ausbildung zur Physiotherapeutin angepackt und mit Freude und Erfolg abgeschlossen.
An der Physiotherapeutenschule lernte ich die dreidimensionale Skoliosebehandlung nach Katharina Schroth kennen. Hier wird mithilfe der Dreh-Winkel-Atmung der Rumpf entdreht und mit korrigierenden statisch-stabilisierenden Übungen das Ergebnis muskulär gefestigt. Nach der Ausbildung fuhr ich in die Katharina-Schroth-Klinik nach Bad Sobernheim. Sechs Wochen Intensivkur und der erste Kontakt zu anderen Skoliosepatienten waren zugleich eine wichtige Erfahrung und auch eine große Erleichterung.
Obgleich ich dort eine schlechte Nachricht verdauen musste: Mein altes Röntgenbild wurde erneut vermessen, und dabei stellte der Arzt fest, dass der Skoliosewinkel meiner Wirbelsäule jetzt 49 Grad ausmachte. Nach einem ersten Schock hatte dieser Messfehler eine unerwartet positive Auswirkung: Mein Verhältnis zu den Gradzahlen ist seither deutlich entspannter. Es hat sich weder die Therapie noch das Erscheinungsbild meines Rückens verändert. Der Skoliosewinkel ist eine wichtige Zahl auf einem Röntgenbild und dient zur Verlaufskontrolle, aber er ist kein Damoklesschwert. Nach der Kur machte ich die Ausbildung zur Schroth-Therapeutin und spezialisierte mich fortan auf die Skoliosetherapie.
Die Ausbildung zur Heilpraktikerin begann ich einige Arbeitsjahre später, denn ich wünschte mir, eine weiterführende „innerliche Therapie“ kennenzulernen. Hier fand ich naturheilkundliche Wege für die Skoliosetherapie, vor allem im Hinblick auf die Gesundheitsvorsorge.
Mit viel Phantasie und Ideenreichtum kreierte ich verschiedenste Skolioseübungen, die ich aus Tanz, Feldenkrais, Yoga und Pilates entwickelte. Die Schmerzen konnte ich damit zwar lindern, aber sie kamen immer wieder. Auch brachten mir Osteopathie und Rolfing Erleichterung, aber keine Methode verschaffte eine dauerhafte Schmerzfreiheit. Mein therapeutischer Einblick in die Kraniosakraltherapie und die viszerale Osteopathie halfen mir, ein Verständnis für die Zusammenhänge im Körper zu entwickeln.
WISSEN
Spiraldynamik Intensivwoche
Sie haben die Möglichkeit, eine Intensivwoche am Med-Center in Zürich zu buchen. Innerhalb von vier bis fünf Tagen absolvieren Sie täglich zwei bis drei Therapiesitzungen. Am Anfang und am Ende des Aufenthaltes erfolgt eine Untersuchung durch einen Arzt, um eine Erfolgskontrolle zu haben. Die Woche beinhaltet Therapie, Trainingstherapie, ggf. 3D-Stretch-Massage sowie Anleitungen zur Integration des Gelernten in Alltag und Sport. Zusätzlich besteht vor oder nach der Intensivwoche die Möglichkeit, an einem Wochenendkurs für Laien zum Thema Brustkorb oder Becken teilzunehmen.
Während meines therapeutischen Wirkens stieß ich schlussendlich auf die Spiraldynamik. Dies wurde mein größter persönlicher und therapeutischer Durchbruch in Sachen Bewegung und Schmerzreduzierung. Die Spiraldynamik lernte ich in einer Intensivwoche am Med-Center in Zürich kennen. Dort traf ich den einfühlsamen Arzt und Forscher Dr. Christian Larsen und sein Therapeutenteam. Eine Physiotherapeutin, ein Sportwissenschaftler, ein Masseur und eine Tänzerin arbeiteten mit mir und an mir. Ich fand das interdisziplinäre Team hervorragend. Es gefiel mir, auf dem Laufband mein Gangbild zu analysieren, in Einzel- und Detailarbeit die koordinierte Dreidimensionalität meines Bewegungssystems zu entdecken und bei einer 3D-Stretchmassage zu entspannen. Die Tänzerin erörterte verschiedene Tanzpositionen anatomisch, und gemeinsam setzten wir sie um. Ich war begeistert, Skoliosetherapie im Tanz zu erleben, denn Tanzen ist mein liebster Sport. Alles war plötzlich in Bewegung. Ich fühlte mich herrlich frei, wundervoll lebendig und stabil zugleich.
Turn-Oma sagt heute keiner mehr zu mir! Machen Sie sich mit mir auf Entdeckungsreise der „anatomisch intelligenten Bewegung“ und genießen Sie diesen Prozess.
Herzlich Ihre
Karin Rosmann-Reif
Was passiert in unserem Körper, wenn wir uns bewegen, wie organisieren sich Muskeln und Gelenke? Und wie sieht eine anatomisch koordinierte Bewegung aus? All dieses Wissen trägt der Körper bereits in sich. Werfen wir also einen Blick auf den Bauplan unseres Rückens. Denn intelligente Bewegung arbeitet mit dem Körper, nicht gegen ihn.
Die spiralige Verschraubung ist in der Natur wie im Kosmos das maßgebliche Bewegungs- und Strukturprinzip. Spiralförmige Bewegung finden wir im Element Luft als Wirbelwind und im Element Wasser als Wasserstrudel wieder. Als Strukturprinzip zeigt sich die Spirale im Makrokosmos als Spiralnebel, in der Natur als Kletterpflanze, Geweih oder Muschel und im Mikrokosmos als DNS.
Die spiralige Anordnung läuft wie ein roter Faden durch das menschliche Bewegungssystem. Bein und Fuß sind einfache und gerichtete Spiralstrukturen mit klar definierten Drehrichtungen: Der Oberschenkel rotiert nach außen, der Unterschenkel nach innen, die Ferse nach außen, der Vorfuß wieder nach innen. Der Rumpf hingegen ist eine „Doppelspirale“: Links- und Rechtsdrehung sind gleichwertig – das ist Grundlage der menschlichen Fortbewegung auf zwei Beinen. Dazu eine kurze Rückblende.
Wasserstrudel: Die Spirale ist Struktur- und Bewegungsprinzip der Natur – im All wie im Alltag.
Die Evolutionsgeschichte des menschlichen Ganges erfolgte in zwei Schritten: Erstens die Aufrichtung vom Vierbeiner zum Zweibeiner und zweitens die Rotation der Wirbelsäule nach links und nach rechts. Der Mensch ist ein Kreuzgänger, setzen wir das rechte Bein nach vorne, schwingt der linke Arm mit vor und umgekehrt. Dieses gekreuzte Bewegungsverhalten der Arme und Beine spiegelt sich in der Wirbelsäule: Das Becken dreht in die eine Richtung, der Oberkörper in die andere. Springender Punkt: Die Drehung der Wirbelsäule erfolgt im Wechselrhythmus der Fortbewegung gleichwertig nach links und nach rechts. Die Rotation ist entscheidend für die Fortbewegung. Anders sieht es in der Statik aus: Im Sitzen oder Stehen beispielsweise hat die aufgerichtete Wirbelsäule eine sanft geschwungene S-Form ohne Rotation. Statik ist dreidimensionale Dynamik im Ruhegleichgewicht.
In der Evolutionsgeschichte haben sich bestimmte Lebens-, Bewegungs- und Strukturprinzipien durchgesetzt Die Natur versteht es meisterhaft, Fortbewegungsmuster und Wirbelsäule in Übereinstimmung zu bringen. Fische beispielsweise bewegen ihre Wirbelsäule nach rechts und links und erzeugen so mithilfe ihrer Schwanzflosse den nötigen Vorwärtsschub. Pferde beugen und strecken ihren Rücken, wenn sie galoppieren. Menschenaffen trotten im Passgang, und wir Menschen tragen die bahnbrechende Innovation einer dreidimensionalen spiraligen Drehfähigkeit in uns. Sie setzt sich zusammen aus den drei Bewegungsrichtungen von Beugung und Streckung, Seitneigung nach rechts und links und vor allem der Rechtslinks-Drehung.
Wichtig
Die spiralige Drehfähigkeit der Wirbelsäule ist sowohl Grundvoraussetzung als auch Markenzeichen der menschlichen Fortbewegung.
Die Aufrichtung des Menschen hat vor vier Millionen Jahren begonnen, als sich die Hände vom Dienste der Fortbewegung befreiten und sich der Mensch auf zwei Beine stellte. Lange Zeit lebten unsere Vorfahren als Nomaden. Sie legten am Tag durchschnittlich 20 km zu Fuß zurück. Erst vor 6000 Jahren – am Ende der letzten Eiszeit – wurde der Mensch „sesshaft“ und begann mit dem Ackerbau. Seit der Industrialisierung ist er „sesselhaft“ geworden. Die Hi-Tech-Konstruktion, die Wirbelsäule nach rechts und links drehen zu können, ist heute kaum noch in Gebrauch. Mit der Drehfreudigkeit geht die Beweglichkeit verloren. Genau da setzt intelligente Bewegung an – die Wiederentdeckung des Selbstverständlichen. Und wie das im Detail funktioniert, lässt sich mithilfe der Anatomie Schritt für Schritt erklären.
Unsere Vorfahren lebten auf ewiger Wanderschaft – der moderne Mensch hingegen mutiert zum Dauersitzling.
Der deutsche Begriff „Wirbelsäule“ bringt die Anatomie des Rückens auf den Punkt: Es geht um eine Säule, die stabil sein und gleichzeitig auch „wirbeln“ kann. Das raffinierte Zusammenspiel von Knochen, Bändern und Muskeln garantiert den perfekten Mix von Mobilität und Stabilität für die einzelnen Abschnitte der Wirbelsäule.
Hier unten im Becken-Bauch-Bereich ist das Bauchgefühl zu Hause, hier spüren wir Emotionen wie Wut oder Verliebtsein. In diesem Raum entsteht Leben, wenn eine Frau schwanger wird und ein Kind in sich trägt. Und in diesem Raum steckt auch viel evolutionäres Bewegungswissen. Das wollen wir uns genauer ansehen. Das Kreuzbein ist Teil des Beckens und zugleich der unterste Abschnitt der Wirbelsäule. Es bestand ursprünglich aus fünf Wirbeln, die im Laufe der Evolution zusammengewachsen sind. An das Kreuzbein schließt nach unten das Steißbein an. Das Kreuzbein ist keilförmig gebaut. Beim Gehen verkeilt es sich auf der Standbeinseite zwischen den Hüftbeinen und wird dadurch stabilisiert. Die Hüftbeine sind mit dem Kreuzbein durch die beiden Kreuzbein-Darmbein-Gelenke verbunden, die auch Iliosakralgelenke genannt werden. Hier sind nur minimale Verschiebebewegungen möglich. Für einen reibungslosen Ablauf des Gehens und die Elastizität des Beckens sind die Gelenke von größter Bedeutung.
Die Abstoßimpulse der Füße beim Gehen werden vom Bein über das Becken nach oben zur Wirbelsäule weitergeleitet. Das heißt, wenn sich bei jedem Schritt das Becken auf der einen Seite hebt und auf der anderen senkt und dabei mal nach links und mal nachrechts dreht, so setzt sich diese Bewegung nach oben fort und leitet die abwechselnde Rechts-links-Drehung der Wirbelsäule ein. Die Position des Beckens entscheidet darüber, wie die Abstoßkraft von Fuß und Bein via Becken und Wirbelsäule in den Brustkorb bis hoch zum Kopf übertragen wird.
Ein aufgerichtetes Becken ermöglicht erstens eine kraftvolle Bewegungsübertragung vom Becken über den Rumpf bis hoch zum Kopf. Fast wie von alleine entsteht so ein perfekter abwechselnder Linksrechts-Drehimpuls im Brustkorb. Und der zweite Geniestreich der Natur: Das Becken wird bei optimaler Zentrierung unter Belastung in sich stabil. Rhythmisch wandeln sich die kraftvollen Vorwärtsbewegungen der Beine in eine Dreh- und Schaukelbewegung des Beckens um und lassen so während der Fortbewegung ein funktionelles Gleichgewicht entstehen. Diese dynamische Stabilität vermittelt Erdverbundenheit und Urvertrauen.
WISSEN
Kraftkiller Hohlkreuz
Steht das Becken, wie bei vielen Menschen, in einer starken Hohlkreuzstellung, so kann das Kreuzbein zwischen den beiden Beckenschaufeln nicht richtig verkeilt werden. Die Abstoßkraft der Füße staucht stattdessen die kleinen Gelenke der Lendenwirbelsäule, die Kraft versiegt, statt als Antrieb nach vorne oben weitergeleitet zu werden. Die natürliche Rechtslinks-Drehung der Wirbelsäule in der Fortbewegung wird so empfindlich gestört.
Die zwei Hüftbeine bilden zusammen mit dem Kreuzbein das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk (Iliosakralgelenk).
Jetzt wird es richtig spannend. Die Wirbelsäule ist eines der interessantesten Anatomiethemen überhaupt. Es war für mich ein regelrechter Augenöffner, als ich begriff, wie und warum die Wirbelsäule sich bewegt. Die Wirbelsäule wird in die drei Abschnitte Lendenwirbelsäule, Brustwirbelsäule und Halswirbelsäule unterteilt. In jedem Abschnitt besitzen die Wirbelkörper eine andere Form, und die Form bestimmt die Funktion. Wenn Sie genau hinschauen, können Sie selber herausfinden, welche Bewegungsrichtungen sich in den einzelnen Wirbelsäulenabschnitten verstecken!
Die Lendenwirbelsäule setzt sich aus fünf massiven Lendenwirbeln zusammen und ist sehr stabil gebaut. Sie ist die Basis, die das gesamte Gewicht trägt. Die Gelenkflächen der Lendenwirbelsäule stehen senkrecht von vorne nach hinten. Dadurch können Sie sich in der Lendenwirbelsäule bestens nach vorne und hinten beugen und strecken sowie zur Seite neigen. Die Seitneigung brauchen wir für das Gehen, denn auf der Standbeinseite geht das Becken leicht nach unten. Wir werden dies später bei den Übungen aufgreifen.