SPÄT LESE STORYS - Jo Ziegler - E-Book

SPÄT LESE STORYS E-Book

Jo Ziegler

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Beschreibung

Jo Ziegler inszeniert seine SPÄT●LESE●STORYS mit kreativer Leichtigkeit und einem schrägen Lächeln im Seitenblick, wobei reale und fiktive Elemente in Collage- Technik zusammenfinden und sich verdichten: Jo Ziegler´s SPÄT●LESE●STORYS spulen sich ab auf einer Achterbahn mit Signalform, beginnend im traumluftigen SCHREIBHAIN FÜR ZWERGE. Weiterhin im verstörenden Demenzzustand des EMIL ECKSTEIN bis hin zum enervierenden REPUBLIKFLÜCHTLING DOKTOR MARCELLUS NARRAT und endend im finalen GADDADAVIDA.

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JO ZIEGLER

2020

SPÄT●LESE●STORYS

Jo Ziegler inszeniert seine SPÄT●LESE●STORYS mit kreativer Leichtigkeit und einem schrägen Lächeln im Seitenblick, wobei reale und fiktive Elemente in Collage-Technik zusammenfinden und sich verdichten:

Jo Ziegler´s SPÄT●LESE●STORYS spulen sich ab auf einer Achterbahn mit Signalform, beginnend im

traumluftigen

SCHREIBHAIN FÜR ZWERGE.

Weiterhin im verstörenden Demenzzustand des

EMIL ECKSTEIN

bis hin zum enervierenden

REPUBLIKFLÜCHTLING

DOKTOR MARCELLUS NARRAT

und endend im finalen

GADDADAVIDA.

BUCHCOVER UND ABBILDUNGEN

IM TEXT ©JO ZIEGLER

INHALT

1

SCHREIBHAIN FÜR ZWERGE

2

BLUMENSTRÄUßE AN DER WAND

3

EMIL ECKSTEIN

4

REPUBLIKFLÜCHTLINGDR. MARCELLUS NARRAT

5

SOMMERSONNENSEE

6

GADDADAVIDA

7

HOTTOHOTTO

KURZVITA

BIBLIOGRAFIE

IMPRESSUM

1

SCHREIBHAIN FÜR ZWERGE

Mich aus dem Feuer des Foyers zu retten, war eine logistische Meisterleistung. Dass ich überhaupt meinen Weg ins Foyer des Literatur-Cafés gefunden habe, war ebenfalls eine logistische Meisterleistung − natürlich meinerseits! Das sieht die übrige Zwergenbrut zwar anders in ihrer Einfalt – na und?

Da vernehme ich Gezischel:

Watt fürn alten Eschek.

Aha!

Demnach kommt das juvenile Koddermaul aus der Mitte von WIR, kommt aus dem Ruhrgebiet, steil und geil. Ist ein Zwergenflüchtling aus Kleinasien, dem das deutsche Wort für Esel noch nicht untergekommen ist. Er macht Mundmische, die mir ganz besonders auf die Zipfelmütze geht, mir, dem Lit-Zwerg!

Ha!

Sehr wohl gilt mein Beritt dem kreativen Schreiben, wobei ich eine besondere Einheit aus Naturwissenschaft, Poesie und Raserei herstellen will, und wobei ich die Maske abwerfe, die ich nie anerkannt habe. Ich lasse meinen aufwieglerischen Gedanken freien Lauf, ich denke, denke ohne Feigheit und ohne Vorbehalte. Kreatives Schreiben und das Arbeiten mit der Phantasie fallen weder vom Himmel noch sind sie angeboren. Phantasie kann trainiert und Schreibtechniken sowie Schreibstile können erlernt werden. So ist das! Diese Breitseite muss ich dem soeben aufgepoppten Lümmel-Zwerg unbedingt stecken und lese ihm zur Einstimmung einen lustigen deutschen Lit-Satz mit leichter Zungenbrecher-Qualität vor:

»Ein Wiesel saß auf einem Kiesel inmitten Bachgeriesel.«

„Krass, Alda – what the fuck?“

»Die Gedanken sind frei.

Wer kann sie erraten,

Sie fliehen vorbei

Wie nächtliche Schatten.

Kein Mensch kann sie wissen,

Kein Jäger erschießen,

Es bleibet dabei:

Die Gedanken sind frei.«

„Und du, du schreibst jetzt in dein von Merklinde gesponsertes Ringheft, also du schreibst jetzt spontan auf, was dir einfällt! Kannst auch eine Zeichnung dazu machen! Im Foyer des Literatur-Cafés sind jetzt Ferien. Da ist beliebig viel Platz. Auch an der Bar. Kannst gerne ein paar Kumpels mitbringen. Dann mache ich einen eintägigen Workshop für euch. Pro Nase fällt die Gebühr von fünf Talern an. Die rollen aber nicht wirklich, sondern ihr arbeitet sie an einem Nachmittag im Garten meines urbanen Schreibhains ab. Überleg dir‘s! Für deinen Heimweg gebe ich dir noch den folgenden Vierzeiler mit auf den Weg:

»Schläft ein Lied in allen Dingen,

Die da träumen fort und fort,

Und die Welt hebt an zu singen,

Triffst du nur das Zauberwort.«

Du hast verstanden?“

„Muss mal twittern. Alda, wann kommen wir wieder zusamm‘?“

„Nur wir beide?“

„Nein!

Wir sind zu fünft.

Und wir kommen um die siebte Stund‘.

Ich bin von hier, aus der Mitte von WIR.

Ich zisch ein Pils.

Ich auch, meint Bruder Necmettin.

Er kommt vom Norden her.

Sie sind vom Süden:

Serap, Sevim, Gülseren.

Sie bringen dir nur gute Mär.

Wir sind zu fünft.

Und kommen um die siebte Stund‘!“

„Sehr gut!

Im Foyer geht’s dann rund:

Fangen wir zunächst mit einem kleinen Quiz an wie… Erkennt ihr die Melodie? Nein, umgekehrt! Wer Instrumentalist ist, greife in die Tasten oder Saiten oder hole tief Luft. Falsett und Alt können sich warm singen und der Rest soll die Lippen zum Pfeifen spitzen. Wir suchen nämlich Laras Lied aus dem Film Doktor Schiwago. Na, ich kann nichts hören! Nun gut, ich gebe euch eine zweite Chance. Versucht es mit dem Lied der Moritat von “Mackie Messer“.

Schon wieder nichts!

Wie wäre es mit “Für Elise“ von Ludwig van Beethoven. Wieder nichts! Seid ihr so unmusikalisch oder erinnert ihr euch nicht – oder…?

Gut, wir senken das Niveau. Gebt das Titellied von “Easy Rider“ wieder. Ich glaube, ganz hinten links, das war richtig, da regt sich “Born to be wild“.

Na endlich, wir sind angekommen! Wir sind wild…Und wir sind reif, reif für einen kreativen quirligen Text, der verhext.

Einen Moment mal eben!

Zwerg Donnerschlag-Neumann quirlt mich an. Er textet megafix und lurifix:

Bin ins Pilzmycel gerutscht.

Habe dran gelutscht.

Windhundrennen.

Wunderbar!

Aaah! Jetzt ist meine Zeit gekommen.

Nächtens will ich mit dem Engel reden.

Dem Bengel-Engel.

Dem Luzifer.

Und meine Rede denkt sich neu.

Will die Sprache brechen.

Den Raben rabbeln lassen.

Die Asseln quasseln lassen.

Will Abbruchkante.

Will Abstich.

Will Höllenglut.

Will Innovation.

Will Stahltanz auf Anthraxglut.

Und überhaupt…

Bello.

Parabel.

Parabellum.

RatzFatzRattata!

Das ist Spitzenklasse!

So formuliert sich die Ausweitung der Lit-Kampfzone.“

„Alda!

Wir wollen raus aus den Katakomben des Literatur-Cafés.

Wir wollen Raum. Wir wollen Ruhm.“

„Gemach!

Wir switchen ganz geschwind ins Schrebergarten-Labyrinth: Ruhig lächeln wir in sommerlicher Rund‘, nachdem aus dunklen Sommerwolken Blitze fielen und noch fern der Donner rollt. Wir lüften die Hirnzellen. Wir weichen nicht aus. Wir sind schön zusammen.“

„Jippie!

Hinaufgerissen hat’s uns in die kreative Wörterschmiede. Zwerg Escheks Lichtstrahl setzte uns in Brand. Wange an Wange sind wir hier zu Haus.

Und niemand nimmt uns von der Stirne diesen Traum.“

„Holla – Holla!

Jetzt wird’s doller.

Ihr seid zu fünft, wie wahr.

An die Harke, an die Schere, an den Spaten, an die Schaufel, an die Sichel − und was ihr erntet, dürft ihr essen.“

„Ein Sommertag an frischer Luft, jetzt knackende Holzscheite in der Feuertonne, unsere Bettchen in der Laube fein gemacht, also wirklich, das hat schon ein besonderes Geschmäckle.

Wir bleiben neugierig. Wir bleiben sitzen. Wir fallen nicht vom Ast.

Erzähl uns ohne Hast vom Geist, der dich hierhin gebracht!“

„Ein Botenvogel schnarrte mir die Mär.“

„Soso, und dann?“

„Als Lit-Zwerg ging an mich die Macht.

Bekam den Schrebergarten hier zur Pacht.

Und dachte hier an einen neuen Schreibhain pur − inmitten gewachsener Kleingartenkultur.“

„Absolut stark!“

„Diese Linie, in Gedanken weitergezogen, führt uns zum Kleingarten als eine urbane Einrichtung und zu einem Raum, der ein wesentlicher Bestandteil von Stadtkultur ist.“

„Absolut logisch!“

„Kultiviert werden im Garten Bäume, Blumen, Hecken, Sträucher und Gemüse. Es ist eine postromantische Annäherung an eine klassische Idee, wie sie Goethe in seinem Verständnis von Ganzheitlichkeit vorgeschwebt haben mag, als er in Weimar nicht nur wissenschaftliche Untersuchungen durchführte, philosophische Diskussionen und Zirkel organisierte, dichtete und malte, sondern auch Gärten gestaltete und Parkanlagen anlegte.“

„Absolut super!“

„Und es ging hurtig weiter:

Ich, Zwerg Eschek, der sogar im Dunkeln leuchtet, verschickte Einladungen zuhauf. Künstlerinnen und Künstler und einige Lit-Zwerge kamen dann zum Ideenrichtfest an Sankt Killefit, um ihre Unterstützung der Idee und ihr Interesse zu bekunden.

So, mit meiner langen Litanei habe ich mir Fransen an den Mund geredet! Ich verordne uns noch eine Runde Honigwein und lege mich alsbald aufs Ohr. Auch ihr solltet baldigst eure Stecker ziehen, denn morgen in der Früh nehmen wir die Woll-Grenze ins Visier. Diese zu erklären, gehört sehr wohl zum sprachlichen Beritt.

Gute Nacht!“

„Gute Nacht!“

„Und alle wieder aufgewacht!

Zack!

Zack!

Zitronengelber Himmel mit Zinnoberzack.“

„Absolut krass!“

„Aufgepasst!

Ich hatte einen Traum:

Auf der Laube, dideldum, da tanzt ein Zwerg herum.

Rüttelt sich und schüttelt sich und begrüßt das Publikum.

Heute Puppenspiel und morgen Malerei.

Heute Lesung, morgen Tanz.

Heute Workshop, morgen Workshop, hopp und hopp.

So geht es weiter im Galopp.“

„Ein Gruppenfoto ist jetzt angesagt.“

„Und vorher gestalten wir ein Banner mit der Botschaft NEUGIERIG SEIN UND BLEIBEN!“

Ende ohne Ende

2

BLUMENSTRÄUßE AN DER WAND

Am vergangenen Sonntag war Muttertag im Wonnemonat Mai, als Konrad seinen Blumenstrauß an die lichte Wohnzimmerwand im Penthaus seiner Mutter nagelte. An die Wohnzimmerwand, wirklich?

Allerdings!

Doch zuvor hängte er Albrecht Dürers betende Hände in Messing ab, ein dreidimensionales Objekt aus Tauschhandelszeiten nach WWII, eine Devotionalie, die ihn schon immer an der hellen Wand neben dem Panoramafenster deregulierend touchierte − milde ausgedrückt − gleichwohl einher kommend im bizarren Ensemble einer schräg links darunter prangenden frühen Variante eines Ehrendolches mit Gehänge, wobei er häufig in unbeobachteten Momenten gemäß seiner Erinnerungen die linke Zeigefingerspitze über die abgrundtiefe Gravur am Schaft der Klinge mit dem Kürzel „No“ gleiten ließ, was in offizieller Lesart „Nordsee“ bedeutet, während vom Foto daneben sein verschollener Vater in Uniform durch ihn durchblickte.

In Konrads Einbildung steht „No“ gleichbedeutend für „Nein“. Also nicht tot! Sondern abhandengekommen – wie auch immer, und er sieht in seiner starken Imagination mögliche Halbgeschwister im hohen Norden leben, vielleicht im Verbund mit seinem Vater als greisen Mann, der möglicherweise bei keltischen Bräuchen und Ritualen rund um Mittsommer, rund um Alban Heruin, nackend vor knackenden magischen Lustfeuern an abgelegenen Naturschauplätzen herumspringt und brennende Sonnenräder bergab rollt.

Da gibt es doch diese besondere CD, wo habe ich sie nur abgelegt? Eine Gold-CD mit Pop-Songs, in denen besonders Julie Driscoll’s Song This Wheel’s On Fire wie Zäpfchen abgeht. Ja, Julie Driscoll’s Super-Song, den muss ich mir nachher wieder anhören!

Unbedingt, denn dieser Song kommt genauso eindrucksvoll einher wie das Pärchen, das gemeinsam übers Feuer springt und dem dabei eine lange und glückliche Liebe zuteilwird, sowie eingedenk weiterer Überlieferungen deren zufolge man in der Mittsommernacht direkt ins Reich der Feen gelangt, wenn man aus Versehen auf’s Johanniskraut tritt oder gar in einem kleinen verwunschenen Kreis aus Steinen, Stöckern und Schleimpilzen dicht an die Grenzen der Geisterwelt gerät…

Konrad legte, ganz in Gedanken versunken, die betenden Hände auf dem darunter stehenden Nierentischchen ab, verschönerte sein gerade entstehendes Still-Leben mittels einer kleinen herzförmigen Muttertags-Torte, beiderseits flankiert von zwei dicken Duftkerzen, deren Chemieduft ihn leicht benebelte, während er beim Gang auf den Balkon gerade noch vernahm:

„Huch, meine Söhne finden immer wieder neue Wege, mich zu überraschen“, ohne dabei die mögliche Überraschung seines Bruders am heutigen Muttertag in Betracht zu ziehen, und rastete einfach bei Frischluft im Wonnemonat Mai in den dicken Polstern eines Korbsessels ein. Wie er denn zu seinem besonderen Blumenstrauß an der Wand gekommen sei?

Naja, darüber wird Konrad gleich gerne ausführlich berichten, doch vorab holt er eine der beiden Flaschen eines Mai-Urbocks aus dem Kühlschrank, wohlgemerkt nur eine, denn die andere ist für seinen Bruder bestimmt, der baldigst zum gemeinsamen Mittagessen erwartet wird. Während seines ersten langen Schluckes aus der Flasche, na ja – Zuhause ist Zuhause. Jedenfalls spült er vermittels seines ersten sehr langen Schluckes dieses Referenzbocks, an dem sich die ganze Konkurrenz erst einmal messen muss, so sein Credo, spült also Reste seines bereits bestens angedauten Mini-Frühstücks durch Magen und Gedärm. Seine besondere Frühstücksvariante, basierend auf einer Mehrkorn-Knäckebrotscheibe mit Magerquark, gedeckelt von einer Scheibe Gouda-Käse und diese wiederholt bestrichen mit Magerquark, damit es beim Abbeißen nicht quietscht – praxisnah herübergerettet aus seiner etwas länger geratenen Studentenzeit, während sein frühlingsfrischer Antrunk mit einem Alkoholgehalt von 6,5% Vol. nach blitzschnellem Blut-Alkoholaustausch den akuten Alk-Transport ins Hirn bewirkt, um dort seine Hirnzellen freizuschalten, ha!

Eine Synapse macht mit andere Synapse Kontakt, äh, so funktioniert die Kommunikation bei Nervenzellen!

Jaja!

So radebrechte wer?

Richtig!

Ein kleinwüchsiger, quirlender südamerikanischer Exot, Gastprofessor seines Zeichens. So tönte und nervte dieser damals im anatomischen Institut der Universität und „Santa Maria“, das war keine Lobeshymne, kein Stoßgebet, nein, das war sein Name! Dabei höchst persönlich implantiert für die Dauer eines Gastdozentensemesters vom Institutsdirektor namens „Knoche“ – exakt zusammenpassend wie die Faust auf´s Auge.

„Konrad, du machst gerade einen etwas geistig abwesenden Eindruck!“

„Wirklich?“

Wiederholt genießt er den vollmundigen Abgang seines zweiten Schluckes aus der Grünglasflasche – wobei man wirklich die leichte Ethanolnote vergessen kann – jedenfalls ist er jetzt voll bei der Sache, denn jetzt ist Märchenstunde, pflanzliche Märchenstunde am Muttertag.

Für diesen Erzähltrip ist Konrad bestens gewappnet, denn er kann zurückgreifen auf seinen Fundus mehrerer intensiv abgeleisteter Semester in Biologie und Sozialwissenschaften vor dem Hauptstudium der Medizin und Zahnmedizin, mal abgesehen von diversen subversiv getätigten Seminaren in anderen Fakultäten und seiner Gasthörerschaft in den quirlenden 68iger Jahren am Frankfurter Institut für Sozialforschung – Mann, oh Mann, Konrad!

Wenn damals eloquente Geister und mentale Wegbegleiter von Rudi Dutschke wie Bernd Rabehl oder Hans-Jürgen Krahl, ja, wenn diese Hirnis damals ein angedachtes Alternativum zu ihren sozialistischen