Stadt in Angst - U.H. Wilken - E-Book

Stadt in Angst E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Abend auf dem Hochland von Nebraska. Ein Mann zügelt sein Pferd. Dunkel ist seine Reitkleidung, und dunkel ist sein Pferd. Langsam beugt er sich im Sattel nach vorn. Seltsame Lichter tanzen in seinen blaugrauen Augen, die kalt zu der großen Rinderstadt hinübersehen. Still ist der Mann. Nur seine Augen bewegen sich. Er lässt den wachsamen Blick forschend über das hochgelegene Weideland gleiten, erkennt fernab den dunklen Rauchpilz der Teekesseltyp-Lok, die sich auf ihrem stählernen Weg zu der großen Stadt bewegt und drei Wagen keuchend hinter sich her zieht. Auf einmal murmelt er spröde: »Das ist die Stadt, in der es nun beginnen wird. Zwei Jahre habe ich auf diese Stunde warten müssen. Ich hatte sein Gesicht nicht vergessen. Dieses Gesicht fand ich hier wieder. Sechs Hundesöhne waren es damals, und nur drei kenne ich jetzt. Aber ich will nicht länger warten.« Jeder von ihnen wird zittern, denkt dieser Mann. Sie alle werden es büßen – alle sechs. Erst einer, dann der zweite. Viele Jahre sind vergangen, aber nun ist die Stunde der Abrechnung gekommen. Die Rache. Das denkt er, und seine Augen sind ohne Hass, doch so kalt wie das Gletschereis droben am Evans-Pass.

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Die großen Western Classic – 20 –

Stadt in Angst

… und die Nacht sollte sie schützen

U.H. Wilken

Abend auf dem Hochland von Nebraska. Ein Mann zügelt sein Pferd. Dunkel ist seine Reitkleidung, und dunkel ist sein Pferd.

Langsam beugt er sich im Sattel nach vorn. Seltsame Lichter tanzen in seinen blaugrauen Augen, die kalt zu der großen Rinderstadt hinübersehen.

Still ist der Mann. Nur seine Augen bewegen sich. Er lässt den wachsamen Blick forschend über das hochgelegene Weideland gleiten, erkennt fernab den dunklen Rauchpilz der Teekesseltyp-Lok, die sich auf ihrem stählernen Weg zu der großen Stadt bewegt und drei Wagen keuchend hinter sich her zieht.

Auf einmal murmelt er spröde: »Das ist die Stadt, in der es nun beginnen wird. Zwei Jahre habe ich auf diese Stunde warten müssen. Ich hatte sein Gesicht nicht vergessen. Dieses Gesicht fand ich hier wieder. Sechs Hundesöhne waren es damals, und nur drei kenne ich jetzt. Aber ich will nicht länger warten.«

Jeder von ihnen wird zittern, denkt dieser Mann. Sie alle werden es büßen – alle sechs. Erst einer, dann der zweite. Viele Jahre sind vergangen, aber nun ist die Stunde der Abrechnung gekommen.

Die Rache.

Das denkt er, und seine Augen sind ohne Hass, doch so kalt wie das Gletschereis droben am Evans-Pass.

Sommerabend …

Glitzernde Regentropfen an Bäumen und Sträuchern, an schlanken Gräsern. Milde Luft. Im Westen das Feuer des Sonnenunterganges.

Und ein Mann, der nun auf die Stadt zureitet.

Ogallala, Riesenrindermarkt von Nebraska, gelegen in der Nähe des Old Oregon Trail, dicht am South Platte River.

Überall große Corrals, am Bahnhof gewaltige Verladerampen. Der Zug der Union Pacific kommt näher.

Hohl klingt der Hufschlag, als der Reiter die breite Holzbrücke, die sich über den trübe dahinfließenden South Platte spannt, überquert. Und dann ist er auch schon zwischen den leeren Corrals, hat wenig später die ersten Häuser erreicht und lenkt das Pferd die Front Street hinauf, vorbei an hell erleuchteten Saloons.

Gestern erst ist eine Herde aus Texas verladen worden. Morgen schon wird eine andere Herde eintreffen.

Die Stadt schläft nie. Und doch herrscht an diesem Sommerabend etwas Ruhe. Wenn aber erst die Treibermannschaft hier ist, bricht die Hölle wieder los. Der Reiter blickt nach rechts. Dort liegt das Sheriff Office.

Die Lok pfeift, und weißer Dampf zischt in den Abendhimmel. Leute rennen zu der Station. Der Reiter verzieht den Mund bitter. Drüben ist eine Einfahrt. Dorthin lenkt er sein Pferd.

Bald wird sich die Angst in manchem Haus einnisten, beklemmende, zermürbende Angst, die nicht weichen wird. Diese Angst vor einem Unbekannten.

Die Angst vor Ringo.

Sanfter Wind kommt auf. Knarrend gleitet die Tür des Sheriff Office nach außen.

Sheriff Scott Caldwell steht auf dem Gehsteig.

Ein großer, harter Mann, ein Draufgänger, dessen große Hände diese Stadt immer wieder aufs Neue zähmen müssen.

Über die Fahrbahn kommt ein Mann gelaufen – der Deputy.

»Der Zug aus Omaha ist da, Boss«, sagt er.

»Geh hin, sieh dir die Leute an, Jimmy.«

Jimmy Antonio nickt hastig und läuft die Straße hinauf.

Der harte Sheriff steht vor seinem Office – still, ruhig, gelassen, aber bereit, sofort einzugreifen, sollte hier jemand vom Teufel gepackt worden sein.

Scott Caldwell weiß, wie er das zu machen hat, und er macht es höllisch rau und derb. Seit fast zwei Jahren.

Da blitzt drüben auf der anderen Straßenseite wieder ein Stück Metall an der Hemdbrust eines Mannes auf. Dieser junge, schmächtige Mann kommt herüber.

Der zweite Deputy – Ches Hardey.

»Boss, ist Jimmy am Gleis?«, fragt er etwas atemlos.

»Ja.« Caldwell nickt. »Hilf ihm!«

»Glaubst du, dass es Kummer gibt, Boss?«

»Aus Omaha ist selten was Gutes in diese Stadt gekommen, oder?«

Ches rennt los.

Der Sheriff blickt ihm kurz nach, sieht dann auf die Fronten der Häuser, der Saloons, sieht die Pferde davor, die Leute auf dem Gehsteig. Die Einfahrt drüben ist leer, verlassen.

Jemand schreit heftig im »Palace«, flucht, tobt.

Scott Caldwell strafft sich. Ohne sich zu beeilen, wandert er über die Fahrbahn zum Saloon, stößt die Pendeltür auf und sieht zwischen umgestürzten Tischen einen Mann liegen. Davor steht der Schmied, seine Hemdsärmel aufgerollt, mit hochgeblockten Armen.

Caldwell drückt den Rücken an die Wand neben der Tür, verschränkt die Arme und lächelt ausdruckslos.

Schnaufend dreht sich der bullige Schmied herum. In seinen wasserhellen Augen flackert es sekundenlang.

Da sagt Caldwell auch schon ruhig: »Ich hab’s dir oft genug gesagt, Johnny, du sollst hier nicht den wilden Mann spielen. Jeder weiß, dass du stark wie ein Longhorn bist. Willst du es etwa mit mir einmal versuchen, Johnny?«

»Dieser saublöde Bulle hat mir den Hocker unterm Hintern weggerissen«, faucht der Boy zwischen den Tischen. »Ist wohl nicht die feine Art, wie? Hat Verstand wie ’ne Eintagsfliege, dieses Riesenbaby.«

»Ha!«, macht Johnny Lester und will zupacken. »Dich Wurm zerreibe ich im Anzug.«

»Johnny!«

Sanft und ruhig ist Caldwells Stimme, fast bittend.

Der Schmied kommt hoch.

»Was ist’n, Sheriff?«

Er dreht sich um, hat Caldwell dicht vor sich und spürt im nächsten Moment dessen Rechte.

Mit kurzer Drehung des Oberkörpers verleiht Caldwell seinem Schlag knallharte Kraft. Johnny Lester kommt sofort aus dem Gleichgewicht, fegt wie abgeschossen auf die Tische zu, dreht sich, knallt rücklings gegen eine schmale Tischkante und kracht schwer zwischen die Tische.

Dort streckt er alle viere von sich.

»K.o.«, konstatiert der Saloonkeeper ungerührt. »Zwei Zentner Schlachtgewicht, ein Gramm Verstand. Aber ein guter Hammerschwinger.«

Caldwell ist wieder an der Tür.

»Habe dich nicht gebeten, ein paar Takte zu quatschen, Quincy.«

Die Pendeltür schlägt knarrend. Der Sheriff ist draußen.

Er geht auf dem Gehsteig entlang und kommt aufs Bahngelände, erblickt die drei Personenwagen, die Neugierigen, die Fahrgäste, die kochende Lok, das Zugpersonal und seine Deputies.

Der Sheriff beobachtet nur. Wachsam ist er, misstrauisch jedem Fremden gegenüber.

Er betrachtet die Bahnleute, die paar Leute aus Omaha und die Lady dort am Zug, die gerade zwei Träger heranwinkt.

Jimmy Antonio nähert sich.

»Das ist sie, Boss«, sagt er dunkel, als er dicht vor Sheriff Caldwell steht. »Alexis North.«

Caldwell blickt über Jimmys Schulter hinweg zu Alexis North.

»Ja«, sagt er dehnend, »das ist Poker-Alexis. Solange ich in Ogallala bin, pendelt sie zwischen Omaha und hier hin und her. Sehe sie nicht gern hier, bestimmt nicht. Sonst noch etwas Unerfreuliches, Jimmy?«

»Nein. Die anderen wollen weiter nach Cheyenne. Nur einer bleibt hier, ein Viehaufkäufer, wie ich hörte.«

»Sie kommt her. Geh mit Ches zurück. Wartet im Office auf mich.«

»In Ordnung, Boss.«

Caldwell tippt an die Stetsonkrempe.

Alexis North steht vor ihm, lächelt weich, blickt zu ihm auf und sagt singend: »Ich sehe Ihnen an, dass Sie sich nicht freuen, Sheriff.«

»Aber, aber.« Caldwell schüttelt den kantigen Kopf. »Wie können Sie das behaupten, schöne Lady?«

»Ich behaupte es ja nicht, ich sehe es nur.« Die Spielerin – die beste zwischen Cheyenne und Omaha – lächelt gespielt traurig. »Dabei hatte ich geglaubt, hier mit offenen Armen empfangen zu werden – von Ihnen, Sheriff.«

»Das wird ein anderer wohl gern tun, wie?« Caldwell grinst anzüglich.

»Henry Mortimer – ja, vielleicht«, gibt sie zu. »Ich habe einen Vertrag mit ihm. Viermal im Jahr Tanzen und Singen. Dass ich dabei pokere, nehmen Sie mir doch nicht übel?«

»Wie könnte ich, wenn so ehrlich gespielt wird wie bei Ihnen, Miss Alexis.«

»Lassen wir doch die Ironie, Sheriff.« Das Lächeln auf ihrem schönen, aber stark geschminkten Gesicht verliert sich. »Da kommen meine Träger. Sehen wir uns noch heute im Palace?«

»Ich kann’s nicht versprechen.«

»Verstehe. Na schön. Guten Abend, Sheriff.«

Er nickt lächelnd, und sie geht, schlank, biegsam und mit stolz erhobenem Kinn.

*

Scott Caldwells Schritte dröhnen hohl auf dem abgetretenen Brettersteg. Er geht zum Office.

Die Pokerspielerin ist dicht vor dem Palace-Saloon.

Einige Leute sehen ihr nach, und einer sagt es deutlich: »Henry Mortimer wird sich verdammt freuen. Jetzt ist sie wieder bei ihm und lockt die Leute in den Saloon.«

Caldwell hört kaum auf die Gespräche der Menschen. Man grüßt ihn, er grüßt wieder, nickt, lächelt oder hebt flüchtig die Hand.

Ogallala ist froh, diesen Sheriff zu haben, aber nicht alle Leute stehen hinter ihm. Manche wollen das Geschäft ihres Lebens machen in dieser Verladestadt im Norden, wollen die Treibmannschaften aus Kansas und sogar Texas um ihr sauer verdientes Geld bringen, aber das ist nicht so einfach, wenn es einen guten Sheriff gibt.

Das ist Caldwell aber – gut.

Der Sheriff ist nun ziemlich dicht vor dem Palace-Saloon, als es plötzlich dumpf und verzerrt kracht.

Caldwell steht schlagartig still. Eine Hand liegt auf dem blanken Kolben des soliden Single Action Colts Kaliber 45.

Er steht da, während im Palace Saloon eine Stimme brüllt, Alexis North die Hand auf den Mund presst, die Träger erstarren und mehrere Einwohner aufmerksam werden.

Kein Zweifel, das war ein Schuss.

»Colt«, sagt der Sheriff. »Im Haus abgefeuert. Scheint beim Saloon losgegangen zu sein.«

Plötzlich rennt er, und die Leute, die ihn laufen sehen, rennen mit ihm über die Straße.

Alexis North steht im Saloon. Johnny Lester, der Schmied, hockt auf einem Stuhl, hat die Hand am Kinn und nimmt sie nicht herunter.

Quincy, der Keeper, ist verschwunden. Die Tür zum Hinterraum steht offen.

Scott Caldwell stürmt herein. Hinter ihm kommen mehrere Bürger.

»Tot!«, brüllt der Keeper aus dem Hinterraum.

Alexis North schreit unwillkürlich auf.

»Weg!«, sagt Caldwell hart, und die Gäste, die vor der Tür stehen, machen ihm Platz. Er geht in den Hinterraum, sieht die andere offen stehende Tür, die zum Privatzimmer Henry Mortimers führt, und hört, wie der Keeper immer wieder aufbrüllt.

»Erschossen! Abgeknallt wie einen Hund.«

Kein Muskel bewegt sich in Caldwells hartem Gesicht, als er im Zimmer des Saloonbesitzers steht. Es riecht noch nach verbranntem Pulver.

»Ruhe!«, brüllt er scharf, als Stimmen im Saloon laut werden und Schritte ertönen.

Caldwell horcht.

Nichts. Keine hastenden Schritte. Nirgendwo Türklappen. Kein Hufschlag.

Stille, tiefe Stille.

Das Gesicht des Keepers ist aschgrau und verzerrt.

Scott sieht ihn kurz an, senkt dann den Blick, starrt zu Boden.

Dort liegt Henry Mortimer.

Er liegt auf dem Rücken, die noch glimmende Zigarre in der Hand. Das Gesicht des Toten zeigt den Ausdruck größter Überraschung, und seine Augen sind vor Entsetzen weit aufgerissen.

Caldwell schluckt hart. Kein schöner Anblick, denkt er. Hatte manchen Feind. Wo soll ich beginnen? Keine Spur … Nichts …

»Da«, flüstert der Keeper und zeigt auf den kleinen Zettel an Mortimers Anzugjacke. »Was ist das?«

Langsam beugt sich Caldwell hinunter, nimmt den Zettel hoch.

Alexis North steht an der Tür, in stummem Entsetzen.

Caldwell hält den Zettel zum Licht hin. Und liest dann nur ein Wort, das dick und groß daraufgeschrieben worden ist: RINGO.

»Ringo«, flüstert der Keeper, verständnislos fragend, und seine Halsschlagader flattert.

Der Sheriff dreht sich um, sieht die Spielerin an und sagt trocken: »Aus dem Vertrag wird wohl nun nichts, Miss. Mortimer ist ermordet worden – von Ringo.«

Sheriff Caldwell ist allein im Totenzimmer.

Er hat die Tür verschlossen und kniet neben Henry Mortimer. Hinter der Tür ertönen Stimmen.

Dort halten die Deputies die Neugierigen zurück.

»Seid doch vernünftig, Leute!«, ist Jimmy Antonios Stimme zu hören. »Ihr hört das alles noch früh genug. Los, zurück! Geht hinaus!«

Mit scharfen Augen blickt Scott umher. Dort, zwei Handbreit von der rechten Hand des Toten entfernt, liegt ein Trommelrevolver. Er nimmt die Waffe und riecht am Lauf.

Aus dieser Waffe ist kein Schuss abgegeben worden.

Muss überrascht worden sein, denkt Scott Caldwell. Mortimer muss seinen Mörder gut gekannt haben, und doch erfasste ihn das Entsetzen. Er angelte nach dem Revolver. Bestimmt wollte er schießen. Da schoss dieser Unbekannte, der sich Ringo nennt.

Ringo …

Scott legt die Waffe auf den Schreibtisch. Dann geht er die Wände ab, klopft daran und findet den kleinen, eingebauten Tresor … Verschlossen! Kein Raubmord also …

Wieder blickt er auf Mortimer. Dieser Salooner hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Er war vor vielen Jahren nach Ogallala gekommen, hatte diesen Saloon eröffnet und ein gutes Geschäft mit den Treibherdenmannschaften gemacht.

Der Sheriff begreift langsam, dass dieser Mord ein Rätsel bleiben wird. Er wendet sich ab, geht hinaus, durch den Hinterraum, und sieht Jimmys fragenden Blick.

Da schüttelt er nur den Kopf, und alle Leute im Saloon sehen das. »Geht nach Hause, Leute«, sagt er. »Der Palace­ ist zunächst geschlossen … Quincy?«

»Ja, Sheriff.«

Mit bleichem Gesicht schiebt sich der Keeper vor.

»Du wirst jetzt zumachen. Morgen sehen wir weiter.«

»Und der Saloon, Sheriff, was wird damit?«

Scott verzieht den Mund.

»Hatte dein Boss nicht einen Teilhaber?«

»Ja, Abe Sloan.«

»Richtig. Den verständigst du sofort, Quincy. Soll zu mir kommen.«

»Sloan hat die Stadt vor ’ner Stunde verlassen, Sheriff«, sagt Rich Blocker, der junge Storehalter, dessen schärfster Konkurrent Sid Chappel ist, dem der Generalstore im Stadtzentrum gehört. »Ritt mit seinem Rudel sicherlich zur Ranch.«

Caldwell sieht Blocker an, nickt und sagt zu Quincy: »Hol ihn von seiner Ranch!«

Dann geht er los, geht durch die schmale Gasse, die von den Neugierigen gebildet wird. Und die Leute blicken ihm stumm nach, bis er im Office verschwunden ist.

Er setzt sich an den Schreibtisch und dreht sich mit flinken Händen einen Glimmstängel.

Schritte kommen näher, dann taucht der Keeper im Office auf.

»Verstehen Sie das, Sheriff?«, fragt er heiser. »Ich war im Saloon. Mr Mortimer hatte befohlen, keinen Menschen zu ihm zu lassen, er wolle in Ruhe die Abrechnungen machen. Und dann kracht da plötzlich dieser verdammte Schuss.«

»Der Mörder ist durch die Hintertür ins Haus gekommen, Quincy. Er muss das Innere des Hauses genau gekannt haben.«

»Gerechter!«, keucht Quincy. »Ich begreife das alles nicht, Sheriff.«

»Wer tut das schon, Quincy?«, entgegnet Scott bitter. »Ich ebenso wenig. Wir stehen noch vor einem Rätsel. Vielleicht kann uns Sloan helfen.«

»Abe Sloan? Er hat ’ne Ranch. Er wird den Saloon verkaufen.«

»Glaubst du das wirklich, Quincy? Sloan weiß, dass er mit der Ranch nicht gut vorankommt. Er hat etwas Geld in den Saloon gesteckt, damals schon, und Mortimer gab ihm monatlich eine gewisse Summe vom Verdienst. Nein, Abe Sloan wird sich die Hände reiben, Quincy. Er hat die Ranch, und jetzt noch den Saloon. Und er hält sich schon lange drei Burschen, die gut mit dem Schießeisen umgehen können. Er hat Mortimer mehrmals mit seiner kleinen Revolvergarde unterstützt, wenn es hier zu wild wurde. Nun schwing dich aufs Pferd, Quincy, und hol ihn her!«

Scott ist wieder allein.

Du Narr, denkt er dann, das wäre zu leicht. Sloan wird doch nicht verrückt sein. Er weiß, dass auf ihn der erste Verdacht fallen würde. Nein, er kommt dafür nicht infrage.

Aber wo könnte ich beginnen, wo nur?

Wer ist dieser Ringo?

Hatte er es allein auf Mortimer abgesehen?

Scott unterdrückt einen Fluch. Da kommen seine Deputies herein.

»Old Lee holt ihn gerade ab, Boss«, sagt Jimmy gepresst. »Er wird ihn aufbahren, damit Abe Sloan ihn noch sehen kann, bevor er unter die Erde kommt.«

Old Lee ist der Sargtischler von Ogallala. Ein alter Mann mit einem zerschossenen, verkrüppelten Bein, ein wortkarger Mann.

»Die Poker-Lady ist ins Hotel gezogen, Boss«, sagt Ches nun. »Sie wird dort vielleicht auftreten.«

»Was, im Cattle Star? Alexis North sollte lieber wieder nach Omaha fahren«, brummt Scott. »So eine schöne, verteufelt kluge Spielerin macht das alles hier noch verrückter.«

»Wem sagst du das, Boss?« Jimmy lächelt.

»Und morgen kommt die Herde«, sagt Ches. »Dann ist die Suche nach diesem Ringo völlig aussichtslos. Und wir haben keine Zeit dazu.«

Scott antwortet nicht. Sie sehen, dass er grübelt, nachdenkt. Jimmy gibt seinem Gefährten einen Wink, und sie verlassen das Office, um draußen ihrer Pflicht nachzugehen.

»Ringo«, murmelt er, »Ringo.«

*

Als er diesen Namen sagt, weiß er nicht, dass jener Ringo in dieser Sekunde auf der Straße ist, keine zwanzig Schritt vom Office entfernt und auf das Officefenster starrt. Dass er dann weitergeht, plötzlich zwischen den Häusern untertaucht und über einen Hinterhof schleicht.

Irgendwo klirrt plötzlich eine Fensterscheibe. Glassplitter regnen hernieder. Mit dumpfem Aufschlag rollt ein faustgroßer Stein durch einen Raum. Der untersetzte Mann dort im Raum springt erschrocken hoch, greift unters Jackett und zieht eine Waffe hervor.

Ringo ist lautlos verschwunden.

Der Mann nähert sich gebeugt dem zersplitterten Fenster und starrt hinaus. Bleiches Sternenlicht erhellt den Hinterhof. Die Umrisse des Pferdestalles und des Zaunes sehen düster und drohend aus.

Über dem eingeworfenen Fenster klappt ein anderes Fenster, und eine Stimme ruft fragend: »Was ist denn geschehen, he?«

Fluchend wendet sich der Mann vom Fenster ab. Er sucht nach dem Stein, findet ihn vor dem Schrank, hebt ihn auf und fühlt das Papier, in das der Stein eingeschlagen ist.

Seine Hände zittern plötzlich. Hastig zerrt er das Band ab, breitet das Papier aus, liest die Worte und wird bleich wie eine weiß getünchte Wand. Ächzend lässt er sich in den Sessel fallen.