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Retten sie das Universum oder lassen sie es brennen? Firefly meets The Breakfast Club in einer LGBTQ+-Romance von #1 NYT- und Spiegel-Bestsellerautorin Tracy Wolff und Bestsellerautorin Nina Croft. Ein rasantes Abenteuer mit genau der richtigen Prise Romantik und den beliebten Tropes ›Enemies to Lovers‹ und ›Forced Proximity‹. Perfekt für Fans von ›Guardians of the Galaxy‹ und Beststellerautorin Tracy Wolff! Zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, sollte für eine Prinzessin eigentlich nicht vorkommen. Für Kali, Prinzessin der Neun Planeten, ist aber genau das der Fall, als ihre Raumstation angegriffen wird, und könnte tödlich für sie enden. Doch dank eines dunkeläugigen, sexy Misanthropen namens Ian kann sie entkommen. Zusammen mit fünf anderen, jeder mit eigener Geschichte und Agenda, selbst wenn es nur darum geht, einen weiteren Tag zu überleben. Auf ihrer Flucht verfolgt sie die gesamte Galaxie: ihre Feinde, die Streitkräfte der Kaiserin, sogar eine vermeintlich friedliche Glaubensgemeinschaft. Sie müssen entkommen, ohne sich gegenseitig umzubringen – und nebenbei das verdammte Sonnensystem retten … irgendwie. Ein rasantes Abenteuer mit genau der richtigen Prise Romantik und den beliebten Tropes ›Enemies to Lovers‹ und ›Forced Proximity‹. Perfekt für Fans von ›Guardians of the Galaxy‹ und Bestsellerautorin Tracy Wolff! Von Tracy Wolff erscheint bei dtv außerdem die beliebte Bestseller-Reihe ›Die Katmere Academy Chroniken‹: Band 1: Crave Band 2: Crush Band 3: Covet Band 4: Court Band 5: Charm Band 6: Cherish
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Seitenzahl: 966
DIESONNESTIRBT … UNDDIEMENSCHHEITMITIHR.
Während die Uhr tickt, ruht die einzige Hoffnung der Neun Planeten auf einer hochmodernen Raumstation und dem außerirdischen Artefakt, das sie an Bord hat. Weshalb es wirklich ärgerlich ist, wenn irgendein Idiot das Sonnensystem nicht gerettet sehen will und die Station in die Luft jagt. Wer die Wahl zwischen dem Flammentod und dem Diebstahl von fliegendem Weltraumschrott hat, entscheidet sich besser für das uralte Raumschiff. Selbst wenn das bedeutet, dass sieben Fremde mit tödlichen Geheimnissen zusammen in der Falle sitzen: eine Prinzessin, eine Kriminelle, ein Opportunist, ein Leibwächter, eine Hohepriesterin, ein unverbesserlicher Optimist und ein Mistkerl, der für sie alle verantwortlich ist. Denn die Einzigen, die offenbar die Auslöschung des Sonnensystems verhindern können, sind sieben ungleiche Außenseiter … äh, Helden.
Von Tracy Wolff ist im dtv außerdem erschienen:
Crave
Crush
Covet
Court
Charm
Tracy Wolff / Nina Croft
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Julia Schwenk
Für meine Jungs, die mein Ein und Alles sind.
Tracy
Für Rob, der versprochen hat, mit mir den Weltraum zu erkunden, sollte sich die Gelegenheit je ergeben!
Nina
Anmerkung der Autorinnen
Star Bringer ist eine rasante Sci-Fi-Romance mit einem atemberaubenden Twist. Es kommen darin Gewalthandlungen vor, derbe Sprache, Schießereien, Nahkämpfe, gefährliche Situationen, Blut, Menschenhandel, Suizid, Inhaftierung, Schussverletzungen, Tod, Menschenversuche, Bombenanschläge, Alkoholmissbrauch und sexuelle Handlungen. Leserinnen und Leser, die solchen Elementen gegenüber empfindlich sind, mögen dies bitte zur Kenntnis nehmen und sich wappnen, bevor sie der Crew der Starlight beitreten.
Kalinda, Kronprinzessin der Neun Planeten
»Das war’s. Ich entziehe dir hiermit offiziell deine Privilegien als kaiserliche Gesellschafterin.«
Lara streicht sich die langen braunen Haare aus dem Gesicht und breitet unbeeindruckt die riesige violette Scheußlichkeit aus, die ich ihrer Meinung nach heute tragen soll. Aber ich sehe, wie ihre Mundwinkel zucken. »Und welche Privilegien wären das, Euer Hoheit?«
»Du bist also der Auffassung, dass du keine hast?« Ich werfe ihr mit hochgezogenen Augenbrauen einen amüsierten Blick von meinem Platz auf dem Bett aus zu, doch sie streicht schon wieder Falten aus meinem Kleid. »Wie undankbar.«
Einer der größten Vorteile, wenn die beste Freundin gleichzeitig auch die Gesellschafterin ist? Man kann sie nach Herzenslust triezen. Ja, Lara achtet meistens selbst dann auf Etikette, wenn wir unter uns sind, aber manchmal schaffe ich es, dass ihre Fassade aus Anstand Risse bekommt. Und bei dem breiten Grinsen, das sie mir jetzt schenkt, wird mir ganz warm ums Herz.
Ein großes Problem, wenn die beste Freundin gleichzeitig die Gesellschafterin ist? Sie überredet einen ziemlich oft zu Mist, den man nicht machen will – wie voluminöse lila Kleider anzuziehen, in denen man aussieht wie ein kridacisches Wüstenslogg, das schwer an den Weltraumpocken erkrankt ist.
»Wenn Sie mit Privilegien meinen, dass ich jeden Morgen vor fünf aufstehen darf, dann sollen die Altvorderen Sie für diese Ehre segnen.« Lara öffnet weiter die Knöpfe des hässlichsten Kleids aller Zeiten, bevor sie noch ein Paar dazu passende, hochhackige Schuhe holt.
Ich schenke ihr einen Augenaufschlag. »Gib es zu. Du liebst unser Frühschwimmen.«
»Aber natürlich, Euer Hoheit.« Sie greift nach einem der Schuhe und löst die kleine, mit Edelsteinen besetzte Verschlussschnalle. »Beinahe so sehr, wie Sie Dates mit Botschaftersöhnen lieben. Vielleicht sollte ich der Kaiserin gegenüber mal erwähnen, wie sehr Sie Jorathon vermissen.«
Ich werfe ihr einen warnenden Blick zu. »Das wagst du nicht.«
Bevor sie jedoch antworten kann, bremst die Raumfähre ab. Wir haben an der Imperialen Raumstation Caelestis angedockt. In meinem Magen ballen sich Nervosität, aber auch Vorfreude zusammen.
Seit der Weltraumtaufe vor ein paar Jahren will ich mir das Kronjuwel der kaiserlichen Forschungsinitiative mit eigenen Augen anschauen. Bis heute war sie allerdings für mich unerreichbar und ich sterbe fast vor Aufregung, sie endlich betreten zu dürfen.
Die Tatsache, dass ich gerade zum ersten Mal in offizieller Funktion außerhalb des Palasts unterwegs bin, schmälert meine Begeisterung ein wenig – ebenso wie das Ärgernis, dass ich die Führung in vollem kaiserlichem Ornat machen muss und mich dabei auf keinen Fall blamieren darf. Ein einziger Fehler und die Bedenken des Rats wären bestätigt, um mich für die nächsten fünfzig Jahre im Palast festzusetzen.
Deswegen werde ich es nicht versauen. Die Konsequenzen wären verheerend.
»Ich brauche Ihren Fuß.«
Als ich sie nur weiter finster anstarre, schnappt Lara sich kurzerhand mein Bein und stopft meinen Fuß in den Schuh. Sie drückt die Schnalle fest genug zu, dass mir ein Japsen entkommt, und nimmt sich dann den anderen Schuh.
»Ich habe es dir schon so oft gesagt: Ich kann das allein.« Ich versuche ihr den lila Schuh abzunehmen, bekomme aber nur einen Klaps auf die Hand.
»Kaiserliche. Gesellschafterin«, sagt sie nur, wobei sie jede Silbe einzeln betont, und zieht mir den Schuh über den Fuß, dieses Mal jedoch ein wenig umsichtiger.
»Ganz genau. Du leistest mir Gesellschaft und brauchst mich nicht anzuziehen.«
»Auch das gehört zu meinem Job.« Sie schließt den zweiten Schuh, doch dann wird ihr Gesichtsausdruck weicher. »Sie werden in diesem Kleid fantastisch aussehen, Euer Hoheit.«
Ich seufze. »So fantastisch, dass ich vielleicht jemanden von der Konzernwache oder aus dem Forschungsteam dafür gewinnen kann, ein bisschen Spaß zu haben?« Ich wackle mit den Augenbrauen, nur für den Fall, dass sie meine Betonung des Worts »Spaß« nicht verstanden hat.
Ihre einstudierte Maske des Anstands ist wieder an ihrem Platz und keine Regung verzieht ihre rötlich braune Haut, nicht einmal der Anflug eines Lächelns. »Auf gar keinen Fall. Aus zu vielen Gründen.«
Lara hält mir das Kleid hin, damit ich hineinsteigen kann – so laufe ich weniger Gefahr, die komplexe Frisur zu zerstören, auf die sie die letzte Stunde verwendet hat.
»War nur ein Witz. Ich habe nicht vergessen, dass wir hier sind, um mit Leuten darüber zu reden, wie man die Auslöschung des gesamten Systems verhindern kann. Das ist dann doch ein bisschen wichtiger als eine heiße Nummer.«
Lara murmelt etwas vor sich hin, das verdächtig nach »Ansichtssache« klingt, aber sie sagt es so schnell, dass ich sie nicht darauf festnageln kann.
»Außerdem«, füge ich hinzu, »hat meine Mutter sich über den Rat hinweggesetzt, als sie mich auf diese Reise geschickt hat. Sie vertraut darauf, dass ich meine Aufgabe erfülle und es nicht vermassle. Mit irgendwem einen Quickie in einem Labor zu schieben ist schon so ziemlich die Definition von vermasseln.«
Ich versuche tief Luft zu holen, weil das Gewicht dessen, was mir bevorsteht, sich jetzt viel schwerer anfühlt als noch einen Moment zuvor. Doch Lara schließt bereits die Knöpfe meines Kleids, dessen schwerer Stoff mit so vielen Edelsteinen besetzt ist, dass es auch gut als Rüstung fungieren könnte. In dem Ding ist kein Platz für irgendwie geartete Zwerchfellbewegung und damit bleibt auch kein Raum für Scherze. Unglücklicherweise auch nicht zum Atmen.
»Sie sehen wunderschön aus, Euer Hoheit.« Lara tritt einen Schritt zurück, nachdem sie den letzten der winzigen Juwelenknöpfe in seine Öse gefädelt hat. »Wie finden Sie es?«
»Gibt es irgendwo größere Sloggs als auf Kridacus? Wenn ja, sehe ich definitiv aus wie die.«
»Nein«, erwidert sie und dreht mich zu der verspiegelten Wand um. »Die auf Kridacus sind die größten.«
Ich seufze missmutig, während ich mein Spiegelbild musterte. »Dann bin ich auf jeden Fall eine neue Spezies. Hoffentlich eine von der ungiftigen Sorte.«
Sie holt den zum Kleid gehörenden Umhang aus dem Schrank und legt ihn mir über die Schultern. Weil dem Ganzen natürlich noch ein riesiger violetter Umhang gefehlt hat. Ich werfe ihr einen ungläubigen Blick zu, den sie jedoch komplett ignoriert, während sie den Stoff mit einer Brosche in Form eines Strahlenkranzes auf Höhe meines Halsansatzes befestigt.
Am liebsten würde ich sie dazu überreden, den Umhang wegzulassen – es gibt auch wirklich ein »Zuviel des Guten« –, doch das Comm-Gerät piept. Lara und ich tauschen einen Blick miteinander und ich verziehe das Gesicht. Es gibt nur eine Person, die mich ausgerechnet jetzt über den Comm-Link kontaktieren würde, und ihr Titel beginnt mit »K« und endet auf »aiserin«. Ganz toll.
»Was will sie denn nun noch?«, murmle ich, lasse mich aber auf den Sessel vor dem Bildschirm gleiten. Oder besser gesagt, ich versuche es. Das Kleid macht mir das unmöglich, also muss ich letzten Endes den Sessel beiseiteschieben und stehen.
»Bestimmt möchte sie Ihnen Glück wünschen.« Laras Antwort ist zurückhaltend – genau das, was man von einer Gesellschafterin erwartet. Ihr Gesichtsausdruck wirkt jedoch eine Sekunde lang maximal genervt.
Glucksend nehme ich den Anruf entgegen.
Die Kaiserin verengt die Augen ein wenig. »Ich hoffe, dass du nicht vorhast, beim Verlassen des Schiffs so albern zu sein, Kalinda. Was predige ich dir immer?«
»›Mitglieder der kaiserlichen Familie zeigen ihre Gefühle nicht‹«, wiederhole ich zum x-ten Mal.
»Genau. Ich weiß, dass du das schaffst, Kalinda.« Sie lächelt und für einen Moment wirkt es tatsächlich liebevoll. Dabei kann sie es natürlich nicht belassen. »Ich will nicht bereuen, dir erlaubt zu haben, den Planeten zu verlassen. Muss ich dir noch einmal verdeutlichen, wie wichtig diese Mission ist?«
Ich verdrehe innerlich die Augen. »Ich weiß, wie wichtig das ist, Mutter. Und ich wollte mir die Caelestis schon anschauen, bevor sie in Betrieb genommen wurde. Ich verspreche dir, dass ich weder dich noch das Empire in Verlegenheit bringen werde.«
»Das erwarte ich auch von dir. Und pass auf, dass du nie mit Botschafter Holdren allein bist. Er verfolgt Absichten, die sich nicht mit unseren decken, und ich will nicht, dass du ihm Zusagen machst. Und meide den Abgesandten von Glacea. Soweit ich weiß, neigt er zu unangebrachten Gesprächsthemen und mir wäre es lieber, wenn du weitere unglückliche Zwischenfälle vermeidest.«
Sie fixiert mich mit einem Blick, der wohl Scham in mir wecken soll. Aber ich stehe hinter meiner Entscheidung, Ratsmitglied Samalani in die Verbosnia-Büsche meiner Mutter geschubst zu haben. Na ja, abgesehen von dem Problem, dass meine Hände dafür mit ihm in Kontakt kommen mussten. Immerhin hat er seitdem keinen Kommentar mehr über meine Brüste gemacht.
Es klopft an der Tür.
»Tut mir leid, Mutter, aber Arik ist da. Ich muss gehen.«
»Er wird warten, bis wir unser Gespräch beendet haben, das versichere ich dir.« Doch dann gibt sie nach. »Versprich den Leuten nicht zu viel. Stell nicht zu viele Fragen. Vergiss nicht den kaiserlichen Gesichtsausdruck, dann wird alles gut.«
Als wenn ich den kaiserlichen Gesichtsausdruck je vergessen könnte. Nicht lächeln. Nicht die Stirn runzeln. Interessiert, aber gelangweilt zugleich aussehen – und das alles, ohne auch nur einen Gesichtsmuskel zu bewegen. Das übe ich, seit ich fünf war.
»Das werde ich nicht. Danke, dass du mir diese Gelegenheit gibst, Mutter.« Ich lege auf, bevor sie noch etwas sagen kann. Auch ohne ihre unglaublich aufmunternden Worte bin ich schon nervös genug.
»Wir können uns wirklich glücklich schätzen, sie zu haben«, sagt Lara. Erneut eine sehr angemessene Bemerkung. Und dann auch wieder nicht.
Es klopft erneut.
»Ich komme, Arik!«, rufe ich.
Lara öffnet mir die Tür und gibt dann den Weg in den Hauptbereich der Raumfähre frei – der etwa halb so groß ist wie die kaiserlichen Gemächer, in denen ich mich bis eben aufgehalten habe.
»Es tut mir leid, Sie so zur Eile antreiben zu müssen, Euer Hoheit«, begrüßt Arik mich und neigt respektvoll den Kopf. In seinen grünen Augen steht ein belustigtes Funkeln.
»Kein Problem«, entgegne ich. »Ich habe nur mit der Kaiserin gesprochen.«
Er zwinkert mir mitfühlend zu. Wie Lara kenne ich ihn schon mein ganzes Leben lang. Er war ein Freund meines Vaters und ich vertraue ihm vorbehaltlos. Mein anderer Bodyguard Vance ist ein neues Mitglied meiner Entourage und ich bin mir ziemlich sicher, dass er für meine Mutter spioniert. Ich vertraue ihm mein Leben, nicht aber meine Geheimnisse an – wenn ich denn welche hätte.
Urplötzlich ertönt ein schrilles Piepen. Ich fahre erschrocken zusammen und Arik und Vance wirken direkt beunruhigt. Das lässt mich innerlich die Augen verdrehen. Als ob die beiden die Einzigen sind, die angespannt sein dürfen. Ich repräsentiere hier gerade zum ersten Mal das Empire. Da kann man mir wohl nicht verdenken, wenn ich ein bisschen nervös bin. Wenn ich erst mal da draußen bin, legt sich das wieder.
Der Pilot muss wohl meine Reaktion ebenfalls bemerkt haben, weil er mir ein Lächeln zuwirft, bevor er weiter auf Knöpfen herumdrückt, die für mich alle absolut identisch aussehen. »Das war nur das Signal dafür, dass der Systemcheck abgeschlossen ist, Euer Hoheit«, sagt er. »Die Genehmigung zum Verlassen der Fähre wurde erteilt.«
»Danke sehr.«
Lara streckt die Hand nach meiner aus, hält jedoch im letzten Moment inne. Ab jetzt verhalten wir uns nach dem strikten Protokoll und demzufolge berührt eine Person nicht einfach eine Prinzessin des Senestris-Systems – selbst wenn diese Person besagter Prinzessin jeden Tag beim Anziehen hilft. Nur eine weitere der bizarren Regeln meiner Mutter und ich setze sie direkt auf meine Liste der Dinge, die ich ändern werde, sobald ich Kaiserin bin.
Ich wappne mich noch einmal innerlich und werfe Lara mein selbstsicherstes »Ich schaffe das«-Lächeln zu. Sie bedeutet mir nur mit dem Kopf, mich in Bewegung zu setzen.
Aber als die Shuttlerampe ausgefahren wird, dreht sich mir beinahe der Magen um, so angespannt bin ich. Ich ignoriere es und konzentriere mich stattdessen auf meine Aufgabe. Meine Pflichten erfüllen. Die Botschaft rüberbringen. Dem Empire keine Schande machen.
Ich straffe die Schultern und setze meinen besten erhabenen »Ich bin so gelangweilt«-Gesichtsausdruck auf. Dann wende ich mich Lara zu, damit sie ihn gegencheckt.
Sie wirkt besorgt. Also weniger Grimasse, mehr Grinsen. Verstanden.
»Bereit?«, fragt sie.
»Mehr als bereit«, antworte ich.
Ich will auf die Rampe treten, doch Vance und Arik sind schneller als ich. Vance wirft mir stumm einen Blick zu und der warnende Ausdruck in seinen stahlgrauen Augen lässt mich innehalten, auch wenn mich die Ungeduld beinahe umbringt. Es ist sein Job, mich aus der Schusslinie zu halten. Außer natürlich die Kaiserin ist die Schützin …
Während ich warte, begutachte ich die Andockstation aufmerksam. Die silbernen Wände des riesigen Hangars wölben sich zu einer Decke hoch über uns. Ich erkenne zahlreiche schlanke, glänzende Shuttles in verschiedenen Größen und Formen. Sie sehen alle sehr neu und beeindruckend aus – selbst die, die offensichtlich schon mal geflickt wurden –, als würde jede Gesandtschaft viel Wert darauf legen, einen möglichst guten Eindruck zu machen.
Dann bleibt mein Blick an etwas hängen, das im Trockendock auf der gegenüberliegenden Seite der Halle liegt und nicht so richtig ins Gesamtbild passt. Vermutlich ist es ein Schiff, da es viel größer ist als die Shuttles, aber viel mehr erkennt man nicht, weil es mit einer Art dunklem Stoff abgedeckt ist. Um es zu schützen oder zu verstecken?
Ich mag Rätsel und es juckt mich in den Fingern, rüberzugehen und genauer hinzuschauen. Aber in dem Moment gibt mir Arik ein Zeichen und wir können los. Mein Puls schießt in die Höhe. Ich versuche cool zu bleiben, aber das hier ist eine wirklich große Sache. Und zwar nicht nur für mich.
Wir sind alle hier, um herauszufinden, wo die unfassbar brillante Dr. Veragelen mit ihrer immens wichtigen und immens teuren Forschung steht. Werden die horrenden Geldsummen, die der Bau dieser wissenschaftlichen Station verschlungen hat, uns alle vor einem sehr feurigen und unmittelbar bevorstehenden Untergang retten? Oder – um mal Klartext zu reden – werden wir alle sterben?
Rain, Hohepriesterin der Schwesternschaft des Lichts
»Oh, Merrick, sieh nur. Da ist sie. Sie ist so perfekt. Sie sieht aus wie eine …« Wie immer, wenn ich aufgeregt bin, fehlen mir die Worte. Zum Glück kommt beides nicht oft vor – weder die geistige Umnachtung noch die Aufregung.
Vielleicht liegt es auch an den Substanzen, die man mir verabreicht hat, damit mein Körper sich an die wesentlich höhere Schwerkraft hier auf Caelestis gewöhnt. Die Raumstation ist auf die Gravitation von Askkandia programmiert, die mehr als doppelt so hoch wie die meines Heimatplaneten Serati ist. So schwer wie gerade habe ich mich noch nie gefühlt, als würde ich mich bei jedem Schritt durch zähen Schlamm kämpfen.
Aber auch das könnte an meiner inneren Unruhe liegen. Nie im Leben hätte ich mir träumen lassen, einmal hier auf dieser Forschungsstation zu stehen. Nicht nur, weil ihre Mission – die Sonne vor der Explosion zu bewahren – gegen alles geht, was ich im Rahmen meiner Berufung herbeizuführen versuche, sondern auch, weil Hohepriesterinnen so etwas normalerweise nicht tun.
»Ich glaube, das Wort, nach dem du suchst, ist ›Prinzessin‹, Hohepriesterin.« Merricks Tonfall klingt trocken, aber das tut er eigentlich immer. In erster Linie ist er mein Leibwächter, aber Sarkasmus ist wohl seine zweite große Leidenschaft.
»Möglicherweise, aber woher soll ich das wissen? Immerhin habe ich noch nie eine echte Prinzessin gesehen.« Oder sonst irgendetwas. Aber das ist nicht Merricks Schuld.
Niemand ist daran schuld. Es ist einfach eine Tatsache.
Die Prinzessin verharrt am oberen Ende der Rampe und ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Sie ist groß, echt groß, und auch wenn das für mich keine Rolle spielen sollte, bin ich ein bisschen neidisch. Nicht auf ihre Krone oder ihr fantastisches Kleid, sondern auf ihre hochgewachsene, schlanke Gestalt. Ja, Hohepriesterinnen sollten sich nicht um ihr Aussehen scheren, was ich auch nur selten tue. Aber manchmal ist es echt nervig, jedes Mal die kleinste Person im Raum zu sein.
Heute ist es noch nerviger als sonst. Zum einen, weil ich in der Menge untergehe, und zum anderen, weil die Prinzessin aus jedem Blickwinkel perfekt aussieht. Erhaben. In sich ruhend. Selbstsicher.
Von dieser inneren Ruhe hätte ich gerne auch mehr – und von der Selbstsicherheit. Hohepriesterinnen der Schwesternschaft haben seit jeher beides besessen. Bis auf mich.
Die Prinzessin schwebt praktisch in Richtung Podium, ihre Füße berühren kaum den Boden. Als sich die Leute ein wenig nach vorn lehnen, weil sie unbedingt einen guten Blick auf sie erhaschen wollen, kommt mir eine Erkenntnis: Merrick und ich werden ihr bald gegenüberstehen.
»Merrick?«
»Ja, Hohepriesterin?«
»Wie spreche ich sie noch mal an?«
Er seufzt und seine Enttäuschung ist nicht zu überhören, selbst wenn er sie nicht in Worte fasst. Das muss er auch gar nicht. Mir ist klar, dass ich ihm oft Kummer bereite und er mich als eine Art Prüfung betrachtet, aber ich vermute trotzdem, dass er mich tief im Inneren doch mag. »Wenn die Prinzessin sich direkt an dich wendet – und beten wir doch noch einmal kurz dafür, dass das nicht passiert –, dann musst du sie mit ›Euer Hoheit‹ ansprechen.«
Seine Worte versetzen meiner Aufregung einen kleinen Dämpfer. Ja, ich befinde mich im gleichen Raum wie die Prinzessin, stehe hier aber auch auf einer Raumstation so weit weg von dem einzigen Ort, an dem ich je gelebt habe. Von zu Hause. Aber die Atmosphäre hier – und die Stimmung, die die Leute ausstrahlen – schickt ein angenehmes Kribbeln durch meine Adern.
»Verstanden. Und Merrick …?«
Ein weiteres Seufzen. »Das haben wir doch alles auf dem Flug besprochen. Du hättest besser aufpassen sollen.«
»Ich weiß. Aber ich war im Weltraum, Merrick. Im richtigen, echten Weltraum.« Und ich wollte wissen, wie das Schiff funktioniert. Wahrscheinlich bin ich dem armen Piloten mit meinen Fragen zu sehr auf die Nerven gegangen.
Aber was erwartet Merrick denn von mir? Ich habe die kompletten neunzehn Jahre meiner Existenz im Kloster auf Serati verbracht. Und bis auf diese eine Reise werde ich vermutlich auch den Rest meines Lebens dort sein – wie alle Hohepriesterinnen. Also werde ich hier alles mitnehmen, was geht.
»Keinen Knicks machen«, erinnert er mich und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie er sich die weißen Roben mit seiner großen Hand glatt streicht. »Das wird von Botschaftern nicht erwartet und, bei der Sterbenden Sonne, fass sie bloß nicht an. Darauf steht die Todesstrafe. Denk immer daran, dass du nicht nur die Schwesternschaft repräsentierst, sondern auch den Planeten Serati.«
Wie könnte ich das je vergessen. Wie wichtig ich bin, wurde mir vom ersten Tag an eingebläut.
Dabei kann ich es ehrlich gesagt immer noch nicht fassen, dass ich überhaupt hier bin. Das war so nicht geplant. Aber beim Abendessen vor vier Tagen wurde die Botschafterin, die eigentlich dafür vorgesehen war … Ich verbiete mir den Gedanken, bevor ich wieder die Szene vor Augen habe, wie sie mit Schaum vor dem Mund nach Luft rang.
Merrick sagt, dass sie vergiftet wurde. Natürlich von jemandem, der die Schwesternschaft hasst. Und er sie leiden lassen wollte.
Doch auch nach dem schrecklichen Schicksal, das die arme Frau ereilt hat, bin ich nicht davon ausgegangen, für diese Reise ausgewählt zu werden. Als Hohepriesterin und hochrangiges Mitglied der Schwesternschaft ist mir durchaus bewusst, wie bedeutend ich bin – für die Gemeinschaft und meinen Planeten. Aber ich spiele normalerweise keine aktive Rolle bei irgendetwas. Ich … warte einfach. Und vertraue auf meinen Glauben. Und wenn die Zeit gekommen ist, werde ich … Na ja, keiner weiß so genau, was dann passiert. Falls doch, hat es mir noch keiner mitgeteilt.
Doch irgendwann wird sich alles offenbaren.
Oder auch nicht.
Wie alle anderen Hohepriesterinnen vor mir werde ich wohl sterben, ohne das je zu erfahren, um dann in dieses Leben wiedergeboren zu werden.
Doch jetzt könnte zum ersten Mal alles anders sein.
Merrick sagt, dass wir in noch nie da gewesenen Zeiten leben. Meine spirituellen Berater sind auch der Meinung, dass sich alles verändert.
Weil die Zeit der Sterbenden Sonne nun endlich bevorsteht. Es hat vor fast zwanzig Jahren seinen Anfang genommen. Zuerst gab es nur kleine Anzeichen für Instabilität, hauptsächlich in Form von Sonneneruptionen, doch im Lauf der Jahre hat sich die Farbe von Serai, unserer Sonne, verändert. Zuerst zu Orange und inzwischen mischt sich auch Rot darunter. Außerdem dehnt sie sich aus und verursacht damit eine Erwärmung des ganzen Systems, die – zumindest im Moment – vor allem die inneren Planeten betrifft. Auf Serati war es schon immer heißer, aber jetzt ist es dort wirklich heiß.
Trotz der Nachteile ist es eine aufregende Zeit für die Schwesternschaft und wir erleben einen Rekordzuwachs an neuen Mitgliedern. Zu meinem Leidwesen kommt nichts von der Vorfreude bei uns im Kloster an.
Aber bei dem Gedanken an Wiedergeburt fällt mir etwas ein. »Wusstest du, dass wir beide von Askkandia stammen?«, frage ich Merrick.
Es ist ungewöhnlich, dass eine Hohepriesterin nicht auf Serati geboren wurde. Ich bin offenbar die Ausnahme von der Regel, aber alle Vorzeichen waren da. Wenn die alte Hohepriesterin stirbt, wird eine neue wiedergeboren. Und dann weisen alle möglichen Omen und Vorboten der Schwesternschaft den Weg zum neuen Oberhaupt. In diesem Fall haben die Zeichen sie zu mir geführt.
»Die Prinzessin und ich«, füge ich noch hinzu.
»Ja«, erwidert Merrick knapp. Aber Merrick weiß auch einfach alles.
»Und dass wir beide neunzehn sind?«
»Das war mir auch bekannt.« Er deutet mit dem Kinn auf die Prinzessin. »Und jetzt pass auf.«
Merrick behält die Menge sorgfältig im Auge. Er stammt von Serati, ist ein Kriegerpriester und seit vier Jahren mein Leibwächter. Was tatsächlich eine recht bequeme Aufgabe ist. Er ist in Kampftechniken ausgebildet, aber so viele Bedrohungen gibt es in einem Kloster nun mal nicht. Abgesehen von Gift, aber das ist eine neue Entwicklung. Eine vier Tage alte Entwicklung, um genau zu sein.
Seit jenem Abend nimmt er immer einen Bissen von meinem Essen und trinkt einen Schluck aus meinem Glas, bevor ich es bekomme. Damit ist er nun Leibwächter und Vorkoster.
Kein Wunder, dass er so schlechte Laune hat.
Außerdem ist diese Versammlung eine außergewöhnliche Situation und seit wir davon erfahren haben, wirkt er irgendwie abgelenkt. Ich bin mir nicht sicher, ob er sich Sorgen um meine Sicherheit macht oder sich nur fragt, warum ausgerechnet ich zur Botschafterin von Serati bestimmt wurde.
Wie kommt die Schwesternschaft auf die Idee, dass gerade ich geeignet bin, um die verstorbene Botschafterin Frellen zu ersetzen? Es gab doch bestimmt geeignetere Personen für diese Aufgabe. Jemanden, der sich richtig mit der Hofetikette der herrschenden Familien auskennt.
Außerdem bin ich klein, habe viel zu helle Haut und langweilige braune Augen, wodurch ich nicht einmal wie eine Seratianerin aussehe.
Die Menschen auf Serati sind einzigartig – sie haben sich über viele Generationen an die hohen Temperaturen und die niedrige Schwerkraft angepasst. Zusammen mit der immens hohen Strahlung machen sie die Lebensbedingungen auf unserem Planeten eher suboptimal.
Merrick ist groß und ziemlich dünn. Seine Haut ist dunkler als meine, weil er sich mehr im Freien aufhält, aber sie ist auch dicker und erinnert in ihrer Struktur ein bisschen an die Schuppen einer Rattelz. Und sie ist ein wenig rau wie die Berge nahe des Äquators auf Serati. Seine schmalen, leicht schräg stehenden Augen und die dunkle Iris sind eine Anpassung an die Strahlungsintensität und seine Haare sind platinblond.
Alles in allem ist er eine beeindruckende Erscheinung und ich fühle mich neben ihm immer etwas unzulänglich. Wenigstens bringt ihn diese Reise auf andere Gedanken. Merricks Vater ist vor Kurzem gestorben und das hat ihn hart getroffen. Auch wenn er seine Familie mir gegenüber nie erwähnt hat, merke ich doch, wie nahe sich die beiden gestanden haben.
Als ich meine Aufmerksamkeit wieder auf das Podium richte, hat die Prinzessin es gerade erreicht. Sie steigt die Stufen auch nicht wie ein normaler Mensch nach oben – sie scheint majestätisch nach oben zu schweben.
Ich glaube, ich bin ein bisschen verknallt.
Während sie auf uns zukommt, lasse ich den Blick kurz über die anderen Abgesandten schweifen. Sie sind sehr bunt, wie die fremdartigen geflügelten Kreaturen der Regenwälder von Ellindan. Ich seufze und schaue auf meine hässlichen weißen Roben hinunter. Mir ist klar, dass ich über diesen Dingen stehen sollte – mein Verstand ist natürlich zu Höherem bestimmt –, aber ich sehne mich nach Farbe.
Außerdem ist das ein weiterer Punkt, der mich von ihnen unterscheidet. Als wären unsere Weltanschauungen nicht schon verschieden genug.
Durch meine Studien – ich lese sehr viel, weil es im Kloster kaum etwas anderes zu tun gibt – weiß ich, dass jede Delegation in eine andere Farbe gekleidet ist, wie es die Tradition verlangt. Blau, Grün, Violett, Rot, Gelb, Orange und Weiß. Natürlich ist es nur den Mitgliedern der herrschenden Familien gestattet, diese Farben zu tragen. Für die Arbeitergilde gibt es nur Braun und Grau. Die Techniker des Konzerns sind durch schwarze Kleidung erkennbar. Und zwischen all den Farben sehe ich noch die schwarz-grauen Uniformen der Leute, die vermutlich zum Sicherheitspersonal der Station gehören. Und von denen gibt es ganz schön viele. Rechnen sie mit Schwierigkeiten? Vielleicht ist Merrick deswegen so angespannt.
Mittlerweile stehen wir seit einer Stunde auf diesem Podium im Schiffshangar, hübsch aufgereiht nach Position unserer Heimatwelten. Als Erstes kommen die äußeren Planeten. Glacea ist am weitesten von der Sonne entfernt, dann Vistenia, Askkandia und Ellindan. Ihnen schließen sich die inneren Planeten an: Permuna, Kridacus und schließlich Serati – wo ich lebe. Serati wird als Einziger nicht von einer der herrschenden Familien regiert, sondern von der Schwesternschaft. Selbstverständlich sind keine Vertreter der »toten« Planeten Tybris und Nabroch anwesend – durch ihre Entfernung zur Sonne ist es auf ihnen zu kalt und unwirtlich für menschliches Leben.
Am gegenüberliegenden Ende der Aufstellung steht der Abgesandte von Glacea. Er trägt einen langen blauen Mantel mit Fellbesatz und ist sogar noch kleiner als ich. Wie die meisten Glaceaner besitzt er viel Körperbehaarung, die ihn vor der Kälte seiner Heimat schützt. Wenn er lächelt, entblößt er dabei scharfe Zähne, und seine braun-graue Haut ist rissig und angegriffen vom Wind und dem eiskalten Wetter. Die Prinzessin nickt ihm zu, sagt etwas zu ihm und geht dann weiter.
Siehst du, Rain, ist doch gar nicht so schlimm. Du schaffst das.
Für einen kurzen Moment stelle ich mir vor, wie unser Austausch wohl ablaufen wird. Sie lächelt mich an und in ihre silbernen Augen – ich liebe Silber – tritt ein warmer Ausdruck, als ihr Blick meinem begegnet. Sie stellt mir ein paar Fragen über Serati und meine Antwort ist so charmant, dass sie überrascht große Augen macht. Ihr Lächeln ist jetzt schon etwas mehr als nur höflich und drückt nun noch mehr Interesse aus und …
»Aufpassen«, zischt Merrick mir zu.
Ich seufze, richte mich dann aber so kerzengerade auf, dass mein Rücken durch die erhöhte Schwerkraft ein bisschen wehtut. Merrick soll sehen, dass ich ihn gehört habe. Hier zu sein macht nicht mal halb so viel Spaß wie in meiner Vorstellung, aber es ist schon ziemlich spannend, Menschen der sieben bewohnten Planeten im direkten Vergleich zu sehen.
Als Nächstes ist die Abgesandte von Vistenia an der Reihe, Glaceas direktem Nachbarplaneten und dem Hauptproduzenten von Getreide des Systems. Die Botschafterin ist eine hochgewachsene blonde Frau mit perlweißer Haut und großen Augen. Die riesigen Pupillen sind typisch für die Bewohner ihrer oft dunklen Welt. Ihre Kleidung ist grün und erinnert mich an die eleganten Gala-Lilien, die auf Vistenia nur in einem Monat im Jahr blühen.
»Euer Hoheit«, murmelt sie.
Das Nicken der Prinzessin wirkt dieses Mal etwas freundlicher. »Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise, Botschafterin Terra.«
Dann folgt Askkandia, in violetten Stoffen wie die Prinzessin selbst.
Und so geht es weiter.
Sie grüßt die Abgesandte von Ellindan, die einen figurbetonten roten Jumpsuit trägt, der nur ein paar Nuancen dunkler ist als ihre kupferfarbene Haut. Die Botschafterin schenkt der Prinzessin ein großspuriges Lächeln – und ich stelle fasziniert fest, dass es stimmt, was ich über die Ellindaner gehört habe: Sie hat rote Zähne, die vom übermäßigen Konsum von Akara-Saft verfärbt sind. Auf mich wirkt das nicht gerade attraktiv, aber offenbar sind die Leute auf Ellindan wahnsinnig stolz darauf. Außerdem macht der Saft süchtig genug, dass sie das vermutlich auch sonst einfach in Kauf nehmen würden.
Die Prinzessin kommt immer näher und ich verspanne mich unwillkürlich. Gleich bin ich dran.
Fass sie nicht an. Egal wie freundlich sie dich aus ihren silbernen Augen anschaut, du darfst noch nicht mal mit einem Finger über ihren Umhang streichen. Prinzessinnen dürfen nicht berührt werden.
Je näher sie kommt, desto mehr frage ich mich jedoch, ob sie wirklich nett zu mir sein wird. Oder ob meine Anwesenheit, meine Position und meine religiösen Überzeugungen sie verärgern.
Der fünfte Abgesandte stammt von Permuna, dem ersten der inneren Planeten. Wie die meisten Permunianer hat er eine breite Brust und große Ohren, und er trägt eine lange Robe, deren Gelbton an den Wüstensand seines Planeten angelehnt ist. Die Haut rund um seine Augen ist dunkler als der Rest seines Gesichts. Ein Blick nach unten zeigt mir, dass seine Hände genauso aussehen.
Offenbar färben die Leute sich diese Hautpartien von klein auf, um sich vor Sonnenbrand zu schützen, und irgendwann bleibt es dann so. Es sieht aus, als würde er eine Maske tragen, die einen starken Kontrast zu seinen gelben Augen bildet. Sie erinnern mich an die eines Raubtiers, aber ich habe gelesen, dass die Farbe von der Ernährung kommt, die überwiegend aus Sternkaktus besteht. Diese Pflanze ist eine der wenigen, die auf Permuna in großer Menge gedeihen.
Der Botschafter wirkt unzufrieden. Er kneift Augen und Lippen zusammen und hat die Hände zu Fäusten geballt. Dann macht er einen Schritt auf die Prinzessin zu, um sie zu begrüßen, doch im Bruchteil einer Sekunde ist ein riesiger Mann mit sepiafarbener Haut und kurz geschorenen grauen Haaren zur Stelle und versperrt ihm den Weg. Er trägt eine violett-schwarze Kampfmontur, woraus ich schließe, dass er wohl der Leibwächter der Prinzessin sein muss. Ich merke, wie Merrick neben mir die Muskeln anspannt.
»Bleiben Sie zurück.« Der Befehl der Prinzessin ist kaum hörbar, doch der Leibwächter hält mitten in der Bewegung inne. Das ist echt praktisch – und ich wünschte, ich könnte das auch. Aber Leibwächter hin oder her, Merrick hört sowieso auf niemanden außer sich selbst.
»Sprechen Sie, Botschafter Holdren«, sagt die Prinzessin.
»Euer Hoheit, ich erbitte mir im Namen der Bewohner von Permuna eine Antwort auf die Frage, warum die letzten beiden Getreidelieferungen sich verzögern. Meinem Planeten gehen die Vorräte aus, die Leute hungern. Ich …«
»Das ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt und Ort, Holdren«, mischt sich die Botschafterin von Vistenia ein.
»Es ist sogar genau der richtige Zeitpunkt und Ort, meiner Meinung nach. Uns wurde versprochen, dass die Lieferungen wie geplant erfolgen. Und jetzt …«
Ich beobachte das Ganze fasziniert, doch die Prinzessin hebt nur eine Hand, was den Abgesandten umgehend verstummen lässt. »Es tut mir leid, dass Sie schwierige Zeiten durchleben, Botschafter. Ich werde die Kaiserin nach meiner Rückkehr über diese Angelegenheit in Kenntnis setzen.«
»Glauben Sie denn, dass sie nichts davon weiß?« Sein Tonfall ist bitter und so respektlos, dass ein Raunen durch die immer angespanntere Menge geht. Die Prinzessin zieht die Augenbrauen nach oben, aber ich kann nicht erkennen, ob Überraschung oder Arroganz dahintersteckt.
Merrick stellt sich vor mich und auch wenn ich ihn am liebsten aus dem Weg schubsen würde, verstehe ich, warum er nervös ist. Die Schwesternschaft regiert Serati mit strenger Hand und wir pflegen nicht viel Kontakt zu den anderen Planeten, doch selbst im Kloster habe ich Gerüchte über Unruhen unter unseren Nachbarn mitbekommen. Die Temperaturen steigen schon seit Jahrzehnten im ganzen System kontinuierlich an, was die landwirtschaftliche Produktivität senkt. Die ständigen Sonneneruptionen erschweren die Kommunikation und durch die Erwärmung sind Teile der inneren Planeten inzwischen vollkommen unbewohnbar geworden.
Unsere Schriften lehren uns, dass alles gut wird, dass auf die Zeit des Umbruchs eine Zeit großer Freude folgt. Ich weiß, dass ich nur Vertrauen haben muss. Aber es ist schwer, wenn so viele Menschen leiden.
Als der Unmut unter den Anwesenden hörbar ansteigt, lässt die Prinzessin den Blick über sie schweifen. »Ich bitte um Ruhe. Vergessen wir nicht, warum wir heute hier sind. Ich bin mir sicher, dass Dr. Veragelen Neuigkeiten für uns hat, die zur Lösung all unserer Probleme beitragen.« Sie wendet sich wieder an den Botschafter. »Ich verspreche Ihnen, dass ich der Sache nachgehen werde.«
Er wirkt skeptisch, neigt den Kopf jedoch trotzdem. »Vielen Dank, Euer Hoheit.«
Ich erwarte schon fast, dass die Abgesandte von Kridacus, eine herbe Frau in einem langen orangefarbenen Kleid, in die gleiche Kerbe schlägt wie ihr Vorgänger, aber ihr sonnengegerbtes weißes Gesicht wirkt betont neutral.
Und dann bin ich dran. Prinzessin Kalinda wendet sich mir zu. Ihre Miene ist distanziert, doch der Ausdruck in ihren Augen freundlich – wusste ich es doch!
»Bleib ruhig. Du schaffst das.« Merrick berührt mich an der Schulter und seine mentale und körperliche Stärke beruhigt meinen rasenden Herzschlag. Er empfindet mich vielleicht als anstrengend, aber während der letzten Jahre war er mir Familie, Lehrer, Freund und Beschützer in einer Person.
Wenn er sagt, dass alles gut wird, dann wird auch alles gut.
Die Prinzessin ist von Nahem noch schöner. Sie hat die gleiche goldbraune Haut und dunkelroten Haare wie die Kaiserin, doch ihre Hautstruktur gleicht wie bei Merrick der von Rattelz-Schuppen. Ihre sieht jedoch weich und samtig aus wie die der Seratianer, die die Tieflandebenen bewohnen, im Gegensatz zu der rauen Widerstandsfähigkeit der Bergmenschen. Neben ihr fühle ich mich farblos und jung, obwohl wir gleich alt sind.
»Botschafterin Fr…« Sie runzelte minimal die Stirn. »Sie sind nicht Botschafterin Frellen.«
Das klingt wie ein Vorwurf und ich frage mich, ob sie mich wohl erkennt und deswegen verärgert ist. Sie ist hier, um eine Lösung für die Sterbende Sonne zu finden, und ich existiere, weil es keine gibt.
Einen Moment lang schaue ich sie nur an und warte, dass sie eine Bemerkung über meinen Glauben fallen lässt. Als das jedoch nicht passiert und sie mich nur weiter irritiert anblickt, übernehmen meine Instinkte. Mein Verstand will mich davon abhalten und dann tue ich es doch: Ich mache einen tiefen Knicks und Merrick verstärkt seinen Griff an meiner Schulter, als könnte er mich damit aufhalten.
Zu spät, Merrick. Viel zu spät.
Ich bin schon fast auf dem Boden angekommen, als er mich wie eine Marionette wieder nach oben zieht. Aber der Schaden ist schon angerichtet. Alle haben gesehen, was ich getan habe – vor allem die Prinzessin.
Ich erwarte das Schlimmste, als ich schließlich all meinen Mut zusammennehme und zu ihr hochschaue. Aber sie lächelt und in ihren Augen steht ein amüsiertes Funkeln.
»Ich glaube, Ihr Name ist mir nicht bekannt«, murmelt sie leise.
»Ich bin Rain«, erwidere ich. »Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Prinzessin.«
Ich höre, wie Merrick hinter mir scharf Luft einzieht, weil ich natürlich einen weiteren Fehler machen musste. Meine Wangen sind glühend heiß und das Ganze ist mir so peinlich, dass mir nur eine Sache einfällt, um es wiedergutzumachen. Ich strecke eine Hand nach ihr aus … und … Ja, es ist offiziell. Ich habe auf ganzer Linie versagt.
Zum Glück zieht Merrick mich mit einem Ruck nach hinten, bevor ich sie tatsächlich berühre. Gleichzeitig schiebt sich der große Mann in der Kampfmontur zwischen die Prinzessin und mich. Und greift dabei zu der Waffe, die er an der Seite trägt.
»Du lieber Himmel, Vance«, grummelt sie leise. »Bleiben Sie zurück.«
Vance sieht aus, als wollte er widersprechen, tritt dann jedoch einen Schritt zurück. Und ich mache ihm wirklich keinen Vorwurf, weswegen ich mir auch alle Mühe gebe, harmlos auszusehen. Das ist nicht schwer, wenn man bedenkt, dass ich nur eins sechzig groß bin und immer für jünger gehalten werde, als ich bin. Dennoch will ich nach der Katastrophe, die ich gerade angerichtet habe, keine voreiligen Schlüsse ziehen.
Die Mundwinkel der Prinzessin zucken. Sie amüsiert sich über mich und ich würde am liebsten vor Scham im Boden versinken.
»Ich denke, dass wir einander offiziell vorgestellt werden sollten«, sagt sie.
Merrick tritt neben mich. »Euer Hoheit. Darf ich Sie mit Rain, Hohepriesterin der Schwesternschaft des Lichts und Botschafterin auf Zeit von Serati, bekannt machen?«
»Hohepriesterin?« Ihre Augen werden groß. Was denkt sie wohl über die Schwesternschaft? Unsere Beziehung zu den herrschenden Familien war schon oft ein wenig … angespannt. »Nun, dann bin ich ja froh, dass ich Vance davon abgehalten habe, Sie zu erschießen. Das hätte definitiv einen diplomatischen Zwischenfall verursacht.«
»Ja, Prin…« Ich unterbreche mich und hole tief Luft. »Ja, Euer Hoheit«, erwidere ich stattdessen. »Ich bin auch froh darüber. Sehr froh.«
Das bringt sie zum Lachen. Sie sieht mir direkt in die Augen und für einen kurzen Moment entdecke ich Skepsis oder vielleicht Mitleid in ihrem Blick. Doch dann streckt sie die Hand aus und streicht mit einem Finger über das Emblem der Sterbenden Sonne auf dem linken Kragenaufschlag meiner Robe. Das schickt erneut ein Raunen durch die Menge und Merrick versteift sich neben mir.
Doch bevor noch jemand einen Anfall bekommt, ertönt ein lauter Alarmton. Das schrille Geräusch löst die aufgeheizte Stimmung. Auf der anderen Seite der Andockstation blinkt auf einmal ein Licht über einer großen Doppeltür.
Die Prinzessin lässt die Hand sinken und macht ein paar Schritte von mir weg. »Scheint, als würde endlich etwas passieren.« Und dann dreht sie sich einfach um und geht.
Der Alarm läuft weiter. Offenbar ist es an der Zeit, die Katastrophe, die ich selbst verursacht habe, hinter mir zu lassen und mich der zuzuwenden, vor der ich uns alle retten soll.
Ian, Söldner und Schmuggler und (ganz) selten einer von den Guten
Schon wieder dröhnt der penetrante Annäherungsalarm aus den Lautsprechern und warnt mich vor einem herannahenden Schiff. Ich werfe einen Blick auf die schicke Uhr über der Tür. Noch zweiundzwanzig Stunden und etwa siebzehn Minuten, bis ich endlich aus diesem fliegenden Blecheimer rauskomme. Nicht, dass ich etwa ungeduldig wäre. Aber Geduld fällt mir schwer, nachdem Max und ich inzwischen doppelt so lange wie geplant in diesem Drecksloch festsitzen.
Klar, für die meisten Leute ist die Caelestis das Kronjuwel der wahnsinnig beeindruckenden Flotte des Empires. Und das stimmt vielleicht sogar – schön ist das Scheißding ja durchaus –, aber ich bin lange genug an Bord, um zu wissen, dass sie auch eine verfluchte Brutstätte des Bösen ist. Eine, die ich gar nicht schnell genug hinter mir lassen kann. Das Gefängnisschiff Reformer dockt morgen an und Max und ich werden dort an Bord gehen.
Die Reformer wird uns zu Milla bringen. Das muss sie – weil wir sonst in einer Sackgasse gelandet sind.
Ich beiße die Zähne zusammen und marschiere weiter den schmalen Gang entlang. Die Zusatzschicht heute hätte echt nicht sein müssen – ich habe andere Sachen zu tun. Aber gerade sind alle im Dienst. Hier läuft irgendwas Großes, eine bedeutende Präsentation oder so was, die Dr. Veragelen, alias Dr. Skrupellos, vor ein paar superwichtigen Leuten hält. Keine Ahnung, worum es dabei geht, und es ist mir ehrlich gesagt auch scheißegal.
Ich muss nur die Zusatzschicht überstehen – und die Zeremonie, die Dr. Veragelen seit Wochen heimlich vorbereitet. Sie tut vielleicht so, als würde sie die Sache heute nicht kümmern, aber wer eng mit ihr zusammenarbeitet, weiß, dass sie an nichts anderes mehr denkt.
Da ich das Pech habe, enger mit ihr zusammenzuarbeiten als die meisten – Bodyguard der Chefwissenschaftlerin zu sein hat echt einen Haufen Nachteile –, weiß ich ganz genau, wie wichtig ihr diese Präsentation ist. Es ist auch ganz schön schwierig, das uns bekannte Universum zu erobern, wenn man die Kaiserin gegen sich hat. Und wenn die Doc eins noch dringender will, als ihr bizarres Experiment zum Laufen zu bringen, dann ist es Zugang zu den Geheimnissen des Universums. Und die Macht, die das mit sich bringt.
Wahrscheinlich hat sie sich deswegen auch so herausgeputzt. Sie trägt wie immer einen schwarzen Laboroverall, darüber aber einen schicken schwarzen Umhang. Was echt verdammt lächerlich aussieht. Wer trägt denn bitte einen Umhang?
Gerüchten zufolge ist die alles andere als gute Frau Doktor über dreihundert Jahre alt, weil der Konzern – der von den sieben herrschenden Familien und den Technologie-Obersten gegründet wurde – eine Möglichkeit gefunden hat, ihre Lebensdauer zu verlängern. Falls das stimmt, teilen sie dieses Geheimnis nicht mit dem Rest von uns.
Aber so ist der Konzern halt. Versteckt alles vor jedem.
Seit Doc V mich vor zwei Monaten zum ersten Mal gesehen hat, bin ich ständig eingeteilt, um für ihre persönliche Sicherheit zu sorgen. Ich glaube, dass sie auf mich steht, aber das kann sie mal so was von vergessen. Da würde ich lieber ein Slogg vögeln.
Abgesehen davon, dass ich bei ihr dauernd eine Gänsehaut kriege, mache ich sie dafür verantwortlich, was mit Milla passiert ist. Ich habe inzwischen einen kleinen Einblick in das bekommen, was hier so in den Laboren läuft – und die Vorstellung, dass man so was einem der Menschen angetan hat, die mir am wichtigsten sind, lässt kochende Wut in mir aufsteigen. Ich spiele schon mit dem Gedanken, der Doc einen kleinen Besuch abzustatten und ein paar längst überfällige Rechnungen zu begleichen, sobald Milla in Sicherheit ist.
Wenn auch nicht so, wie Veragelen es wohl erwartet.
Die Türen zur Andockstation öffnen sich, als wir uns ihnen nähern, und sie betritt den Hangar. Ich folge ihr mit zwei Schritten Abstand, so wie sie es wünscht. All meine Sinne sind geschärft – was ihr genauso gut gefällt – und ich lasse den Blick auf der Suche nach einer möglichen Bedrohung über die Gruppe von Leuten gleiten. Ich würde ihr keine Träne nachweinen, wenn jemand sie abmurkst, aber ich kann keinen Zwischenfall gebrauchen, der das Gefängnisschiff davon abhält, hier wie geplant morgen anzudocken.
Im Hangar liegen jede Menge Besuchershuttles – mehr, als ich erwartet habe – und in der Mitte des Raums wurde ein Podium aufgebaut. Darauf stehen in einer Reihe ein paar Großkotze in bunten Klamotten.
Mein Blick fällt auf eine Frau, die ein Stück vor den anderen steht, und meine Lippen zucken leicht. Noch so eine Besserwisserin, die eigentlich keinen blassen Dunst von nichts hat, nur dass die da einen lila Umhang statt eines schwarzen trägt.
Sie ist groß, vielleicht sogar die größte Frau im Raum, und unter dem Umhang erkenne ich ein hautenges, bodenlanges Kleid in einem tiefen Violett, das ihre – zugegebenermaßen – beeindruckenden Kurven exzellent zur Geltung bringt. Garantiert dauert es eine halbe Ewigkeit, die tausend winzigen Knöpfe aufzubekommen. Aber ich würde mich freiwillig für den Versuch melden.
Wir haben das Podium fast erreicht, als ich ihr zum ersten Mal ins Gesicht schaue. Sie hat einen breiten Mund mit vollen Lippen und hohe Wangenknochen. Ihre Augen haben einen merkwürdigen Silberton und so, wie sie mich mustert, gefällt ihr definitiv, was sie sieht.
Ich ziehe eine Augenbraue nach oben und mache mir nicht die Mühe, mein Grinsen zu verbergen. Ihre Augen werden groß, dann rümpft sie die Nase und schenkt mir einen hochnäsigen Blick. Ganz schön heiß – genau wie sie, trotz des Umhangs.
Zu schade, dass ich nicht mehr lange hier bin.
Die Doc steigt die Treppe des Podiums hinauf und bleibt vor der Frau stehen, was mir die Sicht nimmt. Ich positioniere mich ein Stück neben ihr.
»Euer Hoheit«, sagt Doc V und neigt knapp den Kopf.
Was zum …?
Ich habe gerade eine verdammte Prinzessin mit Blicken ausgezogen. Das ist mal was Neues.
Und genau dabei wird es auch bleiben, weil ich die beschissenen herrschenden Familien bis aufs Blut hasse. Diese verdammten Parasiten kümmern sich nur um sich selbst und scheren sich einen Dreck um den Rest von uns. Und die Prinzessin sieht aus, als hätte sie einen Stock im Arsch, also wird sie auch nicht besser sein als die anderen.
»Es ist mir eine Ehre, Sie auf der ISS Caelestis begrüßen zu dürfen«, fährt die Doc zügig wie immer fort. Sie verschwendet nie viel Zeit mit Höflichkeiten.
»Mir ist es eine Ehre, hier zu sein, Dr. Veragelen«, erwiderte Prinzessin Stock-im-Arsch in einem Tonfall, der genauso kühl und nobel ist wie alles an ihr. »Ich freue mich schon sehr auf den Rundgang durch die Labore. Und auf Ihren Bericht über die Fortschritte, die Sie dort machen.«
Ich frage mich ja, ob sie sich alle Labore anschauen wird – oder nur die, die Dr. Veragelen nicht hinter »Streng geheim«-Schildern versteckt. Allerdings hat sie wahrscheinlich eine sehr viel höhere Zugangsfreigabe – was bedeutet, dass sie genau weiß, was die gute Wissenschaftlerin hinter verschlossenen Türen so treibt.
Immerhin haben die herrschenden Familien den Konzern gegründet und betreiben ihn mehr oder weniger bis heute, was ihnen praktisch ein Technologie-Monopol im Senestris-System verschafft. Bis vor Kurzem wusste ich darüber noch nicht viel. Die meisten Leute auf meinem Planeten machen einen großen Bogen um den Konzern, wie es jeder vernünftige Mensch tun sollte. Aber nun sind wir hier und man muss seinen Feind kennen.
Es gibt da diesen Techniker, Gage, der uns – gegen entsprechende Bezahlung – hier an Bord weiterhilft. Er hat uns ein paar Sachen über den Konzern erzählt, die selbst diese beinharte Verbrecherin wie eine Schwester des Lichts aussehen lassen.
»Und ich freue mich darauf, Ihnen alles zu zeigen.« Doc V schafft es, die Mundwinkel ein kleines Stück nach oben zu ziehen, und ich warte nur darauf, dass ihr Gesicht einen Sprung bekommt. In den zwei Monaten hier habe ich sie noch kein einziges Mal lächeln sehen. Mir war nicht klar, dass sie das überhaupt kann.
»Aber alles zu seiner Zeit.« Dann wendet sie sich an den Rest der Leute auf dem Podium. »Wie Ihnen vermutlich bekannt ist, ist die Caelestis das technisch ausgereifteste Forschungsschiff des Systems – vielleicht sogar des bekannten Universums. An Bord befinden sich siebenundzwanzig Labore und die schnellsten, fortschrittlichsten Computer, die je entwickelt wurden. Heute werden wir …«
Sie verstummt, als eine grüne Leuchte über dem Schott der Luftschleuse aufblinkt. Das Schiff, das vorhin den Alarm ausgelöst hat, muss wohl gelandet sein. Eins der Crewmitglieder kommt auf die Doc zu, was mich in erhöhte Wachsamkeit versetzt. Meine Hand zuckt zu der Laserpistole, die in meinem Oberschenkelholster steckt.
»Ma’am, die Reformer erbittet Erlaubnis zum Andocken.«
Verdammte Scheiße. Das ist nicht gut. Max und ich sind noch nicht so weit.
»Das Schiff wird erst morgen erwartet. Ich habe die ausdrückliche Anweisung erteilt, dass es morgen ankommen soll.« Die Nasenflügel des Docs blähen sich leicht, aber das ist das einzige offensichtliche Zeichen ihrer Verärgerung. Die Anwesenheit einer Prinzessin ist wahrscheinlich der Grund für ihr überraschend gutes Benehmen.
Sie schürzt die Lippen und denkt einen Moment nach. »Sorgen Sie dafür, dass sie beladen wird und wieder ablegt, bevor der Rundgang beendet ist.«
Das ist noch schlechter. Eine verfluchte Katastrophe – zumindest für mich. Rundgang hin oder her, Prinzessin hin oder her, ich werde ganz sicher nicht hier versauern, bis die Reformer das nächste Mal andockt. Das könnte Monate dauern. Und in diesen Monaten ist Milla weiß der Henker wo auf sich allein gestellt und leidet womöglich Qualen.
Auf gar keinen Fall.
»Max!«, rufe ich in meinem Kopf nach ihm, wie wir es seit Kindertagen tun. Ich muss einen Moment auf seine Antwort warten.
»Was ist? Ich bin beschäftigt.«
Aber er klingt nicht sauer darüber, dass ich ihn störe. So ist Max eben – immer gut drauf, egal wie scheiße die Umstände sind. Ich werde schon beim Gedanken daran müde, aber sein unerschütterlicher Optimismus ist vielleicht genau das, was ich am meisten an ihm mag. Das und seine Chobwa-Chip-Pancakes.
»Die Reformer dockt gerade an. Wir müssen den Zeitplan vorziehen«, erkläre ich ihm.
»Was brauchst du?« Bevor ich jedoch antworten kann, fügt er noch hinzu: »Ich hole Gage.«
»Tu das. Wird Zeit, dass er sich die Unsummen verdient, die wir ihm schon geblecht haben. Wir treffen uns im Hangar. Ich komme zurück, sobald ich Dr. Skrupellos entwischt bin. Schau, ob du eine Ablenkung hinbekommst. Du weißt, was zu tun ist.«
»Verstanden.«
Doc V atmet tief durch, setzt ein durch und durch falsches Lächeln auf und wendet sich wieder der Prinzessin zu. »Starten wir unseren Rundgang.« Damit macht sie auf dem Absatz kehrt und marschiert in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Ich nehme wieder meinen Platz schräg hinter ihr ein.
Beinahe kann ich die Blicke der Prinzessin auf mir spüren und mir schießt der Gedanke durch den Kopf, dass ich für sie vielleicht sogar meine Ansprüche runtergeschraubt hätte. Zu schade, dass uns nur etwa zwanzig Minuten bleiben, um von diesem Kahn zu verschwinden und an Bord der Reformer zu kommen – sonst bekomme ich vielleicht nie mehr die Gelegenheit, Milla zu retten.
Kali
Starr dem sexy Leibwächter nicht auf den Hintern. Lass es – vor allem auf deiner ersten Reise in offizieller Funktion als Repräsentantin der Kaiserin. Ich muss stets kaiserliches Benehmen an den Tag legen, ganz gleich, wie heiß Dr. Veragelens Leibwächter ist.
Und nur damit das klar ist: Er ist heiß. Unfassbar heiß.
Volle schwarze Haare und hohe Wangenknochen. Ein kantiges Kinn, hochgewachsen und breitschultrig, trotz der Tatsache, dass er laut dem Abzeichen auf seiner Uniform von Kridacus stammt. Ich habe noch nie von jemandem gehört, der trotz der hohen Gravitation auf Kridacus so groß geworden ist. In der für ihn deutlich verminderten Schwerkraft hier muss er unglaublich stark sein.
Dunkle Augen mit den längsten, dichtesten Wimpern, die ich je gesehen habe, und ein scharfsinniger Blick, mit dem er direkt hinter die royale Fassade zu sehen scheint und mir alles entlockt, das ich vor der Welt zu verbergen versuche.
Zu schade, dass ich nicht weiß, ob das gut oder schlecht ist. Und da er gerade weggeht, werde ich es wohl auch nie herausfinden. Was wiederum sehr gut ist. Weil man sich nicht auf so jemanden einlässt … Ganz egal, wie gut seine breiten Schultern und seine muskulöse Brust in der schwarzen Uniform aussehen.
Und sie sehen wirklich, wirklich fantastisch aus.
Lara zupft an meinem Umhang und erregt damit meine Aufmerksamkeit.
»Sie sollten aufpassen, wo Sie hinschauen«, murmelt sie gleichermaßen amüsiert wie besorgt.
»Wohin schaue ich denn?«
»Zu dem Wachmann, mit dem Sie eine Horizontalparty feiern wollen.«
Leider hat sie damit vermutlich recht, auch wenn er von hinten genauso gut aussieht wie von vorn. Aber er wirkt auch wie jemand, der einen gewaltig in Schwierigkeiten bringen kann. Einen Moment lang sehne ich mich nach all den Dingen, die ich nicht haben kann.
Dann wirft er mir immer noch grinsend einen Blick über die Schulter hinweg zu, als wüsste er genau, was ich gerade denke. Die Sehnsucht wandelt sich zu Verärgerung. Ich setze meinen besten gelangweilten Gesichtsausdruck auf – den ich von meiner Mutter gelernt habe, noch bevor ich über die unterschiedlichen Schwerkraftverhältnisse auf den neun Planeten Bescheid wusste.
Er knickt unter meinem Blick nicht ein wie die meisten Männer. Vielleicht mache ich das irgendwie falsch. Oder vielleicht ist er einfach aus einem anderen Holz geschnitzt. So oder so ignoriere ich sein Grinsen und zwinge meine Gedanken, sich anderen Dingen zuzuwenden.
Ich frage mich, was die Reformer für ein Schiff ist. Der Name ist mir noch nie untergekommen und ich betrachte mich eigentlich als exzellent über unsere Flotte informiert. Es hat immerhin die Wissenschaftlerin aus dem Konzept gebracht und das weckt meine Neugier noch mehr.
Nach allem, was ich über Dr. Veragelen weiß – was wirklich viel ist, weil ich schon immer großes Interesse an Wissenschaft hatte und sie sehr bewundere –, hat sie im Lauf ihrer Karriere schon alles gesehen und erlebt. Sie hat vor vielen Jahren auf einem kleinen Forschungsschiff angefangen und sich seitdem hochgearbeitet. Inzwischen ist sie nicht nur die leitende Wissenschaftlerin auf der Caelestis, sondern auch die Direktorin des ganzen Konzerns. Damit untersteht sie direkt dem Vorstand, über den die sieben Familien bestimmen.
Ist es da verwunderlich, dass alle hier sind, um diese Frau kennenzulernen und sich mit eigenen Augen anzusehen, was sie in den letzten vier Jahren alles erreicht hat? Dr. Veragelen verspeist Probleme zum Frühstück, was wohl auch der Grund dafür ist, warum meine Mutter sie auf unser zweifellos größtes Problem angesetzt hat: Senestris vor der vollständigen Auslöschung zu bewahren.
Während ich ihr folge und die anderen Diplomaten sich hinter mir einreihen, kommt mir der Gedanke, dass sie genau so und doch ganz anders ist, als ich sie mir vorgestellt habe. Sie ist groß und beinahe mager und sieht mit ihrem praktischen grauen Kurzhaarschnitt aus wie auf allen Fotos, die ich je von ihr gesehen habe. Ich schlucke meine Enttäuschung hinunter, dass sie mich so brüsk abgefertigt hat, und folge ihr durch die große Doppeltür. Zum Glück haben sich meine Nerven inzwischen beruhigt und nur die Vorfreude ist geblieben.
Ich kann es nicht erwarten, mir dieses Schiff aus der Nähe anzuschauen.
Gerüchten zufolge befinden sich Alien-Artefakte an Bord und ich war schon immer von allem fasziniert, was mit den Altvorderen zu tun hat – so nennen wir die, die vermutlich irgendwann vor uns hier gelebt haben. Natürlich glauben einige Leute nicht daran, dass es auf den Planeten in diesem System je eine uralte Zivilisation von Aliens gegeben hat, doch überall in Senestris gibt es Beweise für ihre Existenz, die meisten davon auf Serati. Vermutlich ist der Glaube, dass wir die Ersten hier sind, tröstlicher als die Vorstellung, dass jede Zivilisation irgendwann untergeht – insbesondere angesichts unseres bevorstehenden Ablebens.
Hinter den Türen erstreckt sich ein langer Gang mit gewölbter Decke und Wänden, die aus einem silbrigen Metall bestehen. Das Licht hier ist weich und orange gefärbt, und so aufmerksam ich auch danach Ausschau halte, ich kann die Energiequelle nicht entdecken.
Während wir den Gang entlanggehen, schießen mir Fragen durch den Kopf – so viele, dass ich sie kaum sortiert bekomme. Wie wird das Schiff angetrieben? Wie viele Personen befinden sich gerade an Bord? Woran arbeitet man hier? Wo sind die Artefakte der Altvorderen? Und am wichtigsten: Wurde eine Lösung gefunden, um unsere Sonne zu retten?
Am liebsten würde ich Dr. Veragelen alle auf einmal stellen, aber sie marschiert so zügig vorneweg, dass ich mich anstrengen muss, in meinem lächerlichen Kleid mit ihr Schritt zu halten.
Schließlich bleibt sie vor etwas stehen, das für mich nach einer Sicherheitstür aussieht, und legt die Handfläche auf einen biometrischen Scanner. Ich nutze die Gelegenheit, um näher zu treten.
»Dr. Veragelen, können Sie mir ein bisschen mehr darüber erzählen, woran der Konzern hier forscht? Haben Sie irgendwelche Durchbrüche erzielt?«
Sie schaut mich mit einem Ausdruck in den Augen an, bei dem mir ein kleines bisschen mulmig wird. »Ich kann bestätigen, dass wir auf dem besten Weg sind, eine Lösung für den voranschreitenden Zerfall unserer Sonne zu finden. Wir gehen davon aus, dass wir alles Notwendige wissen, um nicht nur diesen Zerfall aufzuhalten, sondern auch die Auswirkungen rückgängig zu machen. Seien Sie versichert: Ihre Leben liegen in unseren Händen und wir werden Sie alle retten.«
Sie klingt so überzeugt, aber ich weißt nicht recht … Irgendetwas an diesem einen kurzen Blick weckt in mir den Verdacht, dass sie mir nicht alles erzählt. Außerdem ist nicht zu übersehen, dass sie meine Frage im Grunde nicht beantwortet hat.
Ich öffne den Mund, um es noch einmal zu versuchen, doch da geht sie schon weiter und ich muss meine komplette Konzentration darauf verwenden, nicht über meinen Umhang zu stolpern. Kaiserliches Protokoll hin oder her, dieses Ding trage ich sicher nie wieder.
Während wir unseren kleinen Gewaltmarsch den Gang entlang fortsetzen, der sich meiner Vermutung nach über die komplette Länge des Schiffs erstreckt, zeigt sich immer wieder das gleiche Bild: zahlreiche Türen zu beiden Seiten. Alle geschlossen und mit kompliziert aussehenden Scanvorrichtungen gesichert. Alle mit »Streng geheim« oder »Nur für autorisiertes Personal« gekennzeichnet.
Je mehr Türen wir passieren und je weniger Dr. Veragelen preisgibt, desto neugieriger werde ich. Was ist daraus geworden, dass sie uns »alles zeigen« wollte? Ja, auf den Türen steht »Streng geheim«, aber wir sind Abgesandte der Regierungen aller Planeten. Wir haben die höchste Sicherheitsfreigabe. Und wir sind in Begleitung der Frau, die dieses Schiff leitet und die sicher Zugang zu allen Bereichen hat.
Worauf wartet sie denn?
Diese Zusammenkunft soll es den Botschaftern ermöglichen, mit guten Neuigkeiten auf ihre Heimatwelten zurückzukehren, die Unruhen damit zu beenden und den Bewohnern Hoffnung für die Zukunft zu geben. Wir müssen alle daran glauben, dass die Kaiserin zusammen mit dem Konzern an einer Lösung arbeitet, was allerdings unmöglich ist, wenn wir keine Beweise dafür zu sehen bekommen, dass diese Lösung überhaupt existiert.
»Dr. Veragelen«, sage ich schließlich, als wir schon wieder mit Höchstgeschwindigkeit eine Tür mit der Aufschrift »Beschränkter Zugang« passieren. Mir kommt langsam der Verdacht, dass sie für die interplanetaren Spiele im kommenden Jahr trainiert. Warum sollte sie uns sonst so eilig an den Laboren vorbeischeuchen? »Betreten wir irgendwann auch eine dieser Forschungseinrichtungen oder sollen wir einfach nur an ihnen vorbeigehen?«, frage ich.
Ich höre ein leises Lachen und schiele zu dem Wachmann hinter ihr, doch sein Gesicht ist ausdruckslos. Vielleicht habe ich mir das nur eingebildet.
»Wir sind fast da«, versichert mir Dr. Veragelen, doch ihr Lächeln wirkt, als würde es mehr als nur ein bisschen wehtun.
»Fast wo?«, will Botschafterin Terra wissen. »Wir sind seit zehn Minuten unterwegs und haben bisher nichts als Türen gesehen, zu denen wir keinen Zutritt erhalten.«
Die anderen grummeln zustimmend. Offenbar bin ich nicht die Einzige, die verärgert ist, weil sich das hier zunehmend nach Zeitverschwendung anfühlt. Nur die Hohepriesterin sieht nicht aus, als würde sie Dr. Veragelen am liebsten bei lebendigem Leibe häuten – und ich bin da ganz bei ihr. Aber richtig zufrieden wirkt sie auch nicht. Eher verwirrt und wir können es nicht gebrauchen, dass die Leute so von dieser Reise nach Hause zurückkehren. Was bedeutet, dass ich noch etwas sagen muss. Auch wenn ich noch keine Ahnung habe, was.
Ich räuspere mich und gebe einfach mein Bestes. »Dr. Veragelen.« Dieses Mal ist ihr Blick weniger nachdenklich, sondern eher genervt, doch ich bin fest entschlossen, Antworten zu bekommen. »Können Sie uns wenigstens erzählen, welche Art von Experimenten Sie in diesen Laboren durchführen?«
Wir starren uns einen Augenblick lang stumm an und ich sehe den Moment, in dem sie sich endlich daran erinnert, wer ihr da gegenübersteht. Sie atmet langsam durch die Nase aus und ihre zusammengepressten Lippen entspannen sich ein wenig.
»Es tut mir leid, Euer Hoheit.« Sie klingt allerdings nicht, als würde sie das ernst meinen. »Das dient nur Ihrem Schutz. Diese Bereiche sind zutrittsbeschränkt, weil wir dort mit gefährlichen Chemikalien arbeiten. Niemand darf sich dort ohne spezielle Schutzkleidung aufhalten.« Sie schenkt mir ein weiteres gezwungenes Lächeln – das dieses Mal eher wie eine Grimasse aussieht. Wahrscheinlich, weil sie es geschafft hat, gleichzeitig zu sprechen und zu »lächeln«, und ihre Lippen dabei immer noch kein bisschen entspannter sind. »Ich würde Sie nur sehr ungern in … geschädigtem Zustand zu Ihrer Mutter zurückschicken.«
Das klingt eher nach einer Drohung als nach Besorgnis, aber ich lebe seit neunzehn Jahren mit der speziellen kaiserlichen Variante von passiv-aggressivem Verhalten. Da muss die Wissenschaftlerin sich schon ein bisschen mehr anstrengen, bevor ich mit eingekniffenem Schwanz das Weite suche.
»Das mag auf die Türen zutreffen, auf denen ›Nur für autorisiertes Personal‹ steht, aber welche Experimente finden hinter denen mit der Kennzeichnung ›Streng geheim‹ statt?«, halte ich dagegen. »Und warum gibt es diese Kategorisierung auf einem Schiff, das an der Lösung von Problemen arbeitet, die nicht als geheim eingestuft sind? Probleme, die uns alle betreffen.«
Ihr Bodyguard dreht sich zu mir um und als unsere Blicke sich begegnen, läuft mir ein wohliger Schauder über den Rücken. Irgendwie gelingt es ihm, beeindruckt und gelangweilt zugleich auszusehen, aber ich nehme, was ich bekommen kann.
Dr. Veragelen zieht meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem sie zur nächstgelegenen verschlossenen Tür schaut und sich seufzend die Stirn reibt, als würde ich ihr gewaltige Scherereien machen. Gut. Meine kindliche Schwärmerei für sie stirbt gerade einen sehr schnellen Tod.