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Pures Adrenalin für die Fans von Star Wars: eine unvergessliche Reise in das Herz eines Jungen, der über das Schicksal von Milliarden Menschen entscheiden wird!
"Star Wars ist kein Film - es ist Kult, Religion und Abenteuerspielplatz zugleich - es ist eine eigene Kultur!" Cinema
Drei Jahre sind vergangen, seit Anakin Skywalker der Schüler Obi-Wan Kenobis wurde. Seine Ausbildung zum Jedi macht große Fortschritte. Da werden die beiden mit einer Mission betraut, die sie zum Planeten Zonama Sekot führt - eine Welt voller Rätsel und tödlicher Verlockungen. Schon bald droht die Erforschung der Geheimnisse das Band zwischen Obi-Wan und Anakin zu zerreißen und konfrontiert den jungen Schüler mit seinen tiefsten Ängsten - und seinem finsteren Schicksal ...
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Seitenzahl: 435
»Für Jack und Ed und Doc Smith, für Isaac und für George – die Meister des Abenteuers
Anakin Skywalker stand in einem aufgelassenen Versorgungstunnel, der zur Abfallgrube des Wicko-Distrikts führte, in einer langen Warteschlange. Mit einem ungeduldigen Seufzer hob er seine hauchdünnen, fest zusammengefalteten Rennflügel an ihrem Ledergeschirr an und stützte das breite Steuerruder auf den Riemen seiner Fliegersandalen. Dann lehnte er die Flügel gegen die Tunnelwand, klemmte die Zungenspitze zwischen die Lippen und führte die schmale glühende Klinge eines Taschenschweißers wie ein winziges Lichtschwert über einen Riss in der rechten Außenstütze. Als er die Reparatur beendet hatte, drehte er versuchsweise den Propeller. Obwohl schon alt, lief er glatt und gleichmäßig.
Anakin hatte die Flügel erst vor einer Woche von einem ehemaligen Champion mit gebrochenem Rückgrat gekauft. Er hatte in Rekordzeit wahre Wunder vollbracht, sodass er jetzt bereits in demselben Wettbewerb fliegen konnte, bei dem der Champion seine Karriere beendet hatte.
Anakin liebte das Zerren und Reißen der Rennflügel während des Fluges. Er genoss die Geschwindigkeit und die außergewöhnlichen Tücken dabei, so wie andere die Schönheit eines nächtlichen Himmels genossen, der sich über Coruscant mit seinen ewigen, den ganzen Planeten umspannenden funkelnden Stadtlichtern den Blicken meist entzog. Anakin sehnte den Wettbewerb herbei, empfand sogar einen gewissen Nervenkitzel angesichts des nervösen Geruchs seiner Konkurrenten – Gesindel und Abschaum, einer wie der andere.
Mehr als alles andere jedoch liebte er es zu gewinnen.
Das Rennen in der Abfallgrube war natürlich illegal. Die Behörden auf Coruscant versuchten noch immer das Image eines seriösen und respektablen Planeten aufrechtzuerhalten, der Kapitale der Republik, des Zentrums von Recht und Zivilisation für Zehntausende von Sternsystemen. Die Wahrheit sah ganz anders aus, wenn man wusste, wo man suchen musste. Und Anakin wusste instinktiv, wo er suchen musste.
Schließlich war er auf Tatooine geboren und aufgewachsen.
Obwohl ihm die Ausbildung zum Jedi sehr gefiel, fiel es ihm nicht leicht, sich in ein derart enges philosophisches Korsett pressen zu lassen. Doch Anakin hatte sich gleich gedacht, dass es auf einer Welt, auf der tausend Spezies und Rassen zusammenkamen, um zu palavern, auch irgendwo Orte geben musste, wo man sich wunderbar amüsieren konnte.
Der für das Rennen verantwortliche Tunnelmeister war ein Naplousean, also kaum mehr als ein Bündel fadenartigen Gewebes mit drei Beinen und einem knotigen Häuflein glänzender feuchter Augen. »Der erste Flug ist schon weg«, zischte das Wesen, während es mit raschen, anmutigen Drehbewegungen durch den schmalen Tunnel mit den glatten Wänden glitt. Das Naplousean sprach Basic, es sei denn, es war wütend. Dann roch es einfach nur furchtbar. »Flügel hoch!«, befahl es.
Anakin wuchtete seine Flügel unter professionell aufeinander abgestimmten Grunzlauten, eins, zwei, drei, über eine Schulter, schob die Arme durch die Gurte und legte das Geschirr an, das er so zurechtgestutzt hatte, dass es einem zwölfjährigen menschlichen Jungen passte.
Das Naplousean musterte jeden der Teilnehmer mit zahlreichen kritischen Augen. Als die Reihe an Anakin war, schlüpfte ein dünner, trockener Gewebefaden zwischen seine Rippen und die Träger und riss mit solcher Kraft daran, dass der Junge beinahe umgefallen wäre.
»Du bist …?«, hustete der Meister.
»Anakin Skywalker«, antwortete der Junge. Er log nie.
Und er machte sich auch niemals Gedanken darüber, ob ihn eine Strafe erwartete.
»Ganz schön mutig«, bemerkte der Tunnelmeister. »Was Mutter und Vater sagen, wenn wir bringen ihnen toten Knaben?«
»Sie ziehen einen neuen auf«, entgegnete Anakin. Er hoffte, hart und tüchtig zu klingen, obwohl es ihm eigentlich ganz gleich war, was der Tunnelmeister dachte, solange er ihn nur an dem Rennen teilnehmen ließ.
»Ich kenne Rennflieger«, sagte das Naplousean. Seine zahllosen Augen rangelten miteinander um bessere Sicht. »Du kein Rennflieger!«
Anakin schwieg respektvoll und konzentrierte sich auf den Kreis aus trübem blauem Licht, der ständig wuchs, während die Warteschlange kürzer wurde.
»Ha!«, bellte das Naplousean, obwohl es seiner Spezies unmöglich war zu lachen. Es wirbelte an der Warteschlange entlang nach hinten, bohrte, zerrte und stieß immer neue Bannflüche aus, wobei es die ganze Zeit von einem entzückten kleinen Schwarm Kamdroiden begleitet wurde.
Hinter Anakin ließ sich eine leise, gepresste Stimme vernehmen. »Du bist hier schon mal ein Rennen geflogen.«
Anakin hatte den Blutcarver, der seit einiger Zeit hinter ihm in der Reihe stand, schon lange bemerkt. Es gab auf ganz Coruscant nur ein paar Hundert von ihnen und sie waren der Republik erst vor weniger als einem Jahrhundert beigetreten. Die Blutcarver waren ein Volk von eindrucksvollem Aussehen: schlank, anmutig, mit langen, dreigelenkigen Gliedmaßen, kleinen Köpfen, die auf einem hohen, dicken Hals saßen, und schimmernder goldener Haut.
»Zwei Mal«, sagte Anakin. »Und Sie?«
»Zwei Mal«, erwiderte der Blutcarver freundlich, blinzelte und blickte nach oben. Quer über dem schmalen Gesicht des Wesens teilte sich die Nase wie ein in der Mitte zerbrochener Schild in zwei fleischige Hautlappen, die seinen breiten, lippenlosen Mund zur Hälfte verdeckten. Die mit Tätowierungen geschmückten Nasenlappen dienten sowohl als Riechorgan, als auch ein äußerst empfindliches Ohr, das von zwei winzigen Vertiefungen hinter den kleinen onyxschwarzen Augen ergänzt wurde. »Der Tunnelmeister hat Recht. Du bist zu jung.« Er sprach perfektes Basic, als wäre er in den besten Schulen von Coruscant erzogen worden.
Anakin lächelte und versuchte ein Achselzucken. Doch das Gewicht der Rennflügel ließ diese Geste fragwürdig erscheinen. »Du wirst da unten wahrscheinlich sterben«, fügte der Blutcarver mit abwesendem Blick hinzu.
»Vielen Dank für die Unterstützung«, gab Anakin zurück, dessen Gesicht rot anlief. Er hatte nichts gegen professionelle Meinungen wie jene des Tunnelmeisters einzuwenden, aber er konnte es nicht ausstehen, wenn man ihn auf den Arm nahm. Und am allermeisten hasste er es, wenn ein Gegner versuchte, ihn zu verunsichern.
Furcht, Hass, Zorn … das alte Trio, gegen das Anakin jeden Tag seines Lebens ankämpfen musste, wenngleich er seine tiefsten Empfindungen nur einem einzigen Mann offenbarte: Obi-Wan Kenobi, seinem Meister im Jedi-Tempel.
Der Blutcarver bückte sich ein wenig auf seinen dreigliedrigen Beinen. »Du riechst wie ein Sklave«, meinte er so leise, dass nur Anakin ihn hören konnte.
Anakin konnte gerade noch den Drang beherrschen, seine Flügel abzuschnallen und dem Blutcarver an den langen Hals zu fahren. Er würgte seine Gefühle hinunter, an jenen geheimen, kalten Ort, wo er sie zusammen mit all den anderen dunklen Dingen von Tatooine verstaute. Der Blutcarver hatte mit seiner Beleidigung ins Schwarze getroffen, was Anakins Zorn verschlimmerte und es ihm schwerer machte, sich zu beherrschen. Er und seine Mutter Shmi waren Sklaven des hochnäsigen Schrotthändlers Watto gewesen. Qui-Gon Jinn und er hatten Shmi, nachdem der Jedi-Meister Anakin von Watto gewonnen hatte, allein zurücklassen müssen … etwas, woran Anakin jeden Tag denken musste.
»Ihr vier die Nächsten!«, zischte der Tunnelmeister und wehte vorüber, seine Körperfäden wirbelten um ihn herum wie lose Bänder um einen Kinderkreisel.
Mace Windu schritt durch einen engen Seitengang in dem großen Dormitorium des Jedi-Tempels. Er war tief in Gedanken versunken und hatte seine Arme in die langen, weiten Ärmel seines Gewands geschoben. Da wurde er um ein Haar von einem schlanken jungen Jedi umgerannt, der plötzlich aus einer Tür gestürzt kam. Mace trat im letzten Moment geschickt zur Seite, streckte einen Ellenbogen aus und stieß den jüngeren Jedi absichtlich an, der darauf überrascht herumfuhr.
»Verzeiht, Meister«, entschuldigte sich Obi-Wan Kenobi und verneigte sich rasch. »Das war ungeschickt von mir.«
»Nichts passiert«, sagte Mace Windu. »Aber du hättest wissen müssen, dass ich hier bin.«
»Ja. Der Ellenbogen. Eine Belehrung. Ich fühle mich geehrt.« In Wirklichkeit war Obi-Wan peinlich berührt, doch er hatte keine Zeit, sich weiter zu erklären.
»In Eile?«
»In großer Eile«, antwortete Obi-Wan.
»Der Auserwählte ist nicht in seinem Quartier?« Maces Tonfall verriet gleichermaßen Respekt und Ironie, eine Kombination, die er besonders gut beherrschte.
»Ich weiß, wo er hingegangen ist, Meister Windu. Ich habe sein Werkzeug gefunden. Und seine Werkbank.«
»Er baut also nicht bloß Droiden, die wir nicht brauchen?«
»Nein, Meister«, sagte Obi-Wan.
»Was den Jungen angeht …«, begann Mace Windu.
»Meister … wenn Zeit dafür ist.«
»Natürlich«, nickte Mace. »Finde ihn. Dann werden wir uns unterhalten … und ich möchte, dass er dabei ist und zuhört.«
»Selbstverständlich, Meister!« Obi-Wan gab sich keine Mühe, seine Eile zu verbergen. Nur wenige vermochten ihre Sorgen oder Absichten vor Mace Windu geheim zu halten.
Mace lächelte. »Er wird dir Weisheit bringen!«, rief er, während Obi-Wan bereits den Gang entlanghastete und auf den Turbolift und den Ausgang zuhielt, der zur Landerampe des Tempels führte.
Obi-Wan war über diese spöttische Bemerkung nicht im Mindesten verärgert. Er stimmte ihr sogar weitgehend zu.
Weisheit oder Wahnsinn. Es gab einen Jedi schließlich wirklich der Lächerlichkeit preis, wenn er ständig hinter einem aufsässigen Padawan herrennen musste. Doch Anakin war kein gewöhnlicher Padawan. Der Junge war Obi-Wan von seinem eigenem geliebten Meister Qui-Gon Jinn vermacht worden.
Yoda hatte Obi-Wan die Lage vor ein paar Monaten, als sie in seiner kleinen Unterkunft mit der niedrigen Decke über einem glimmenden Holzkohlefeuer gesessen und Shoobrot und Wurr zubereitet hatten, mit wohl gesetzten Worten dargelegt. Yoda hatte kurz davor gestanden, Coruscant in Angelegenheiten zu verlassen, die Obi-Wan nichts angingen. Schließlich hatte er das lange, kontemplative Schweigen mit den Worten beendet: »Einem sehr interessanten Problem du dich stellst und wir alle uns mit dir, Obi-Wan Kenobi.«
Obi-Wan, höflich wie immer, hatte den Kopf geneigt, als wüsste er von keinem bestimmten Problem.
»Der Auserwählte, Qui-Gon uns allen gegeben hat … nicht bewiesen, voller Furcht. Und du ihn retten musst. Und wenn du ihn rettest nicht …«
Yoda hatte danach zu Obi-Wan nichts über Anakin gesagt. Doch seine Worte hallten jetzt, als Obi-Wan ein Express-Taxi zu den Außenbezirken des Senatsdistrikts bestieg, in seinen Gedanken wider. Die Flugzeit betrug ungeachtet zahlloser verzwickter Wende- und Ausweichmanöver, um hunderten langsamerer und billigerer Verkehrsadern und Ebenen zu entgehen, nur wenige Minuten.
Doch Obi-Wan machte sich große Sorgen, dass es nicht annähernd schnell genug gehen würde.
Als Anakin auf die vorspringende Plattform unterhalb des Tunnels hinaustrat, öffnete sich vor ihm die Abfallgrube. Die drei übrigen Teilnehmer des nächsten Fluges drängelten nach, um auch etwas sehen zu können. Der Blutcarver sprang dabei ziemlich grob mit Anakin um, der gehofft hatte, sich seine Kräfte für den Flug aufsparen zu können.
Was hat der bloß?, fragte sich der Junge.
Die Grube war zwei Kilometer breit und von der Höhe des letzten Beschleunigerschilds bis zu ihrem finsteren Grund drei Kilometer tief. Aus dem alten Versorgungstunnel blickte man über den zweiten Beschleunigerschild hinweg. Anakin blinzelte nach oben und sah die Unterseite des ersten Schilds, ein riesiges konkaves Dach, das wie ein umgedrehtes Sieb in Shmis Küche auf Tatooine aussah und von einem regelmäßigen Muster aus hunderten von Löchern durchbrochen war. Allerdings hatte jedes der Löcher in diesem Sieb einen Durchmesser von zehn Metern. Hunderte Lanzen aus Sonnenlicht fielen durch die Öffnungen, durchbohrten die Dunkelheit und zeigten wie eine Sonnenuhr die Zeit in der Welt hoch über dem Tunnel an. Es war früher Nachmittag.
Auf Coruscant gab es über fünftausend solcher Abfallgruben. Der Stadtplanet produzierte jede Stunde eine Billion Tonnen Müll. Müll, der zu gefährlich war, um wieder aufbereitet werden zu können – Fusionsschilde, ausgebrannte Hyperantriebskerne und tausend andere Abfallprodukte dieser reichen, hoch entwickelten Welt – wurde in die Grube des jeweiligen Distrikts gebracht. Dort wurde er in großen Behältern versiegelt, die dann über Magnetschienen zu einer riesigen kreisrunden Lafette unter dem tiefsten Schild transportiert wurden. Alle fünf Sekunden wurde eine Fuhre Behälter mittels chemischer Entladungen von der Lafette geblasen. Die Schilde leiteten die Flugbahn der Behälter so um, dass sie durch die Löcher flogen, verschafften ihnen mittels eines Traktorfeldes zusätzlichen Schub und beförderten sie in streng kontrollierte Umlaufbahnen um Coruscant.
Stunde um Stunde sammelten Müllraumer im Orbit die Behälter ein und transportierten sie zur Endlagerung auf abgelegene Monde. Einige der gefährlichsten Ladungen wurden allerdings in die große blassgelbe Sonne geschossen, wo sie verschwanden wie Staubkörner in einem Vulkan.
Das Ganze war ein präziser und notwendiger Vorgang, der Tag für Tag und Jahr für Jahr mit der Zuverlässigkeit eines Uhrwerks durchgeführt wurde.
Vielleicht vor einem Jahrhundert war irgendwer auf die Idee gekommen, die Abfallgruben in eine illegale Sportanlage zu verwandeln, wo ehrgeizige, zähe junge Burschen aus den weniger noblen Vierteln von Coruscant tief unter der glitzernden Stadt ihren Mut unter Beweis stellen konnten. Diese Sportart hatte rasch eine erstaunliche Popularität bei jenen Piratensendern erreicht, die in den Luxuswohnungen der Oberschicht in den bis zu den Sternen reichenden Türmen, die überall auf der Zentralwelt in den Himmel ragten, für Unterhaltung sorgten. Es geriet so viel Geld in Umlauf, dass so mancher Beamter der Abfallbehörde dazu bewogen werden konnte, ein Auge zuzudrücken, solange die Wettbewerbsteilnehmer die Einzigen blieben, die ein echtes Risiko eingingen.
Ein Müllbehälter, der durch einen der Beschleunigerschilde katapultiert wurde, konnte leicht ein Dutzend Rennflieger erschlagen, ohne dabei selbst Schaden zu nehmen. Der letzte Schild würde den Kurs des Behälters mit dem nötigen Extraschub korrigieren, um die Abdrift durch ein paar kleine Leben auszugleichen.
Anakin konzentrierte sich nur noch auf das flackernde Sprungsignal an der Tunneldecke. Seine Lippen waren fest aufeinander gepresst, die Augen weit aufgerissen, auf den Wangen glitzerten ein paar Schweißtropfen. Es war heiß in dem Tunnel. Er hörte das Dröhnen der Müllbehälter, sah sie als silberne Punkte durch die Öffnungen in dem Schild der nächst höheren Ebene schießen, wo sie blaue Schlieren ionisierter Luft hinter sich her zogen.
Die Luft über der Grube roch wie ein defekter Werkstattgenerator; sie war stickig vom Ozon und dem Geruch nach verbranntem Gummi, den die immer neuen Entladungen hinterließen.
Jetzt kam der Tunnelmeister zum Ausgang gewirbelt, um die nächste Gruppe anzufeuern.
»Ruhm und Schicksal!«, rief das Naplousean begeistert und schlug aufmunternd auf den Haltegurt zwischen Anakins Flügeln. Anakin blieb weiter konzentriert und versuchte herauszufinden, wie die Luftströmungen auf dieser Ebene verliefen, wo sich die Auf- und Abwinde häuften, die sich zwischen den Schilden bildeten und dort im Kreis rasten. Dort, wo die Windböen am stärksten und gefährlichsten waren, würde die Ozonkonzentration am größten sein. Und auf jede Ladung Müllbehälter, die nach einem zuvor festgelegten Muster durch die Schilde geschossen kam, folgte auf einem genau vorherbestimmten Kurs aus einer ganzen Serie alternativer Flugbahnen kurz darauf unweigerlich die nächste Fuhre.
Kein Problem. Als würde man durch ein Unwetter aus stählernen Regentropfen fliegen.
Anakins Konkurrenten rangelten um den besten Platz auf der Plattform und nahmen ihre Startpositionen am Rande des Tunnels ein. Der Blutcarver versetzte Anakin einen Stoß mit seinem rechten Flügel, der an den Spitzen mit einer Steuerdüse ausgestattet war. Anakin schob die Flügelspitze zur Seite und konzentrierte sich.
Der naplouseanische Tunnelmeister hob eines seiner fadendünnen Glieder, dessen Spitze sich vor Vorfreude fortwährend kräuselte und wieder streckte.
Der Blutcarver stand links von Anakin und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Seine mit winzigen Sinnesporen übersäten Nasenlappen pulsierten, blähten sich und prüften die Luft.
Das Naplousean gab ein lautes meckerndes Geräusch von sich – seine Version eines Fluchs – und ermahnte die Kontrahenten, noch zu warten. Ein fliegender Wartungsdroide überprüfte diese Ebene. Von ihrer Warte aus wirkte der Droide wie ein schwebender Punkt, ein winziger Fleck, der summend seine Bahn um das weite Rund der Grube zog und dabei in dem Dröhnen und Rauschen der Müllbehälter kleine musikalische Akzente setzte.
Manager konnte man bestechen, Droiden jedoch nicht. Sie würden daher warten müssen, bis dieser hier zur nächsten Ebene hinabgesunken war.
Die nächste Ladung Müllbehälter schoss mit ohrenbetäubendem Getöse durch die Schilde; blaue Ionenschleier wanden sich wie geisterhafte Schlangen zwischen dem konkaven unteren und dem konvexen oberen Schild.
»Das verlängert deine Lebenszeit«, flüsterte der Blutcarver Anakin zu, »kleiner Menschenjunge, der wie ein Sklave riecht.«
Obi-Wan hatte es sich ganz gegen seine persönliche Neigung zur Pflicht gemacht, bestens über alles Bescheid zu wissen, was irgendwie mit illegalen Rennen zu tun hatte, die in einem Umkreis von hundert Kilometern um den Jedi-Tempel abgehalten wurden. Anakin Skywalker, sein Schützling, für den er die Verantwortung hatte, war einer der besten Padawan-Schüler des Tempels. Er erfüllte die Verheißung, die Qui-Gon Jinn in ihm gesehen hatte, mit Leichtigkeit; doch als wollte er diese Verheißung irgendwie kompensieren und einen Ausgleich für seine einseitigen Begabungen schaffen, besaß Anakin eine ebenso große Zahl an Fehlern.
Sein Streben nach Geschwindigkeit und Sieg war ohne Frage ganz besonders ärgerlich und gefährlich. Und vielleicht hatte Qui-Gon Jinn den Jungen sogar darin ermutigt, als er ihm drei Jahre zuvor auf Tatooine erlaubt hatte, an einem Rennen um seine eigene Freiheit teilzunehmen.
Aber Qui-Gon konnte sich jetzt nicht mehr für seine Handlungen rechtfertigen.
Wie sehr Obi-Wan die unberechenbare Lebhaftigkeit seines Meisters vermisste! Qui-Gon hatte ihn mit seinen Bemerkungen, die zunächst exzentrische Spitzen zu sein schienen, sich am Ende jedoch stets als tief greifende Einschätzungen ihrer jeweiligen Lage erwiesen hatten, zu Höchstleistungen angespornt.
Unter der Obhut von Qui-Gon Jinn war Obi-Wan zu einem der fähigsten und besonnensten Jedi-Ritter des Tempels geworden. Als Junge war Obi-Wan, ungeachtet all seiner Talente beinahe ebenso ungeschliffen und aufbrausend gewesen wie Anakin. Doch er hatte früh die ruhige Mitte seines Platzes in der Macht gefunden und zog seither ein friedliches Leben vor. Er hasste Konflikte in seinen persönlichen Beziehungen. Also war er mit der Zeit der ruhende Pol geworden und Qui-Gon die treibende Kraft. Wie oft war es ihm in letzter Zeit in den Sinn gekommen, dass diese auf den Kopf gestellte Lehrer-Schüler-Beziehung zu Qui-Gon sich erneut umgekehrt hatte – bei Anakin!
Es gab immer zwei, den Meister und seinen Padawan. Und im Tempel hieß es manchmal, dass die besten Paare jene waren, die einander ergänzten. Er hatte sich einst, in einem besonders aufreibenden Augenblick, geschworen, sich sobald er von Anakin befreit sein würde, die Mühsal mit einem Jahr der Isolation auf einem Wüstenplaneten zu vergelten. Weit weg von Coruscant und sämtlichen Padawan-Schülern, die ihm womöglich zugewiesen werden könnten. Doch das hielt ihn nicht davon ab, seine Pflichten dem Jungen gegenüber getreulich und mit Eifer zu erfüllen.
Es gab zwei Abfallgruben, die innerhalb des Radius von Anakins Übermut lagen, und eine davon war für ihre Wettbewerbe im Grubensturzflug berüchtigt. Obi-Wan suchte nach Rat und Führung in der Macht. Es fiel ihm nie schwer, Anakins Präsenz zu spüren. Er entschied sich für die zunächst gelegene Grube und stieg kurz darauf eine Wartungstreppe hinauf, die zur höchsten Beobachtungsgalerie für Besucher auf dem Dach der Anlage führte.
Obi-Wan rannte an der Brüstung entlang, die zu dieser Stunde, mitten in der nachmittäglichen Bürozeit, verwaist war. Er achtete kaum auf das dröhnende Heulen der Müllbehälter, die durch die Luft in den Weltraum schnellten. Alle paar Sekunden wurde krachend die Schallmauer durchbrochen; oben auf der Galerie war der Knall ziemlich laut, wurde jedoch, ehe die Müllbehälter die abgelegenen Gebäude überflogen, von schrägen Schallschutzwänden gedämpft. Obi-Wan suchte nach dem Turbolift, der ihn zu den tieferen Ebenen bringen würde, zu den verlassenen Versorgungskammern und Wartungstunnels, wo die Rennen stattfanden.
Über den Abfallgruben war jeder Luftverkehr untersagt. Die langen Reihen von Luftfahrzeugen, die in einem vielschichtigen Netzwerk beständig über Coruscant summten, wurden um den Startkorridor herumgeleitet und öffneten eine gut sichtbare Flugbahn in die obere Atmosphäre und den Weltraum darüber. Innerhalb dieses freien Zylinders aus Luft jedoch, der nur von rasch aufsteigenden Giftmüllbehältern in Anspruch genommen wurde, erblickten Obi-Wans scharfe Augen einen schwebenden Überwachungsdroiden.
Es war kein städtischer Droide, sondern ein Medienmodell, kaum mehr als zehn oder zwanzig Zentimeter im Durchmesser, von der Art, wie sie die Teams der Unterhaltungsindustrie benutzten. Der Droide flog hohe Kreise um den Rand der Grube und hielt nach Droiden oder Beamten der Stadtpolizei Ausschau. Obi-Wan suchte und fand sechs weitere kleine Droiden, die über dem obersten Schild Wache hielten.
Drei bildeten einen Verband und flogen weniger als hundert Meter von Obi-Wans Standort entfernt über eine Kuppel.
Diese Droiden behielten einen möglichen Fluchtweg des Teams im Auge, für den Fall, dass die Behörden der Metropole ihre Bestechungsgelder missachteten und aus welchem Grund auch immer beschlossen, die Rennen zu unterbinden.
Und zweifellos befand sich dort auch der Turbolift, den Obi-Wan nehmen musste, um Anakin zu finden.
Der nächste Sturzflug war verschoben worden, bis die Aufpasser sicher sein konnten, dass der Wächterdroide der Grube zur nächst tieferen Ebene vorgedrungen war. Der Tunnelmeister war außer sich über die Verzögerung. Die Luft war von seinem widerwärtigen Körpergeruch erfüllt.
Anakin besann sich auf seine Padawan-Disziplin und versuchte den Gestank zu ignorieren und sich weiter auf die Zwischenräume zwischen den Schilden zu konzentrieren. Sie konnten jeden Moment springen, und er musste über die Luftströmungen Bescheid wissen und die Startmuster der Müllbehälter im Auge behalten, die noch immer in einer endlosen Prozession durch die Öffnungen der Beschleuniger aufstiegen und ins Weltall sausten.
Der Blutcarver war keine Hilfe. Seine Verärgerung über die Verzögerung fand offenbar ein Ventil, indem er den menschlichen Jungen an seiner Seite verhöhnte, und Anakin würde sich bald irgendwie verteidigen müssen, um zu beweisen, dass er nicht bloß zur Dekoration hier war.
»Ich kann den Geruch von Sklaven nicht ausstehen«, sagte der Blutcarver.
»Ich wünschte, Sie würden aufhören, das zu sagen«, erwiderte Anakin. Der einzige Gegenstand in seinem Besitz, der einer Waffe nahe kam, war der kleine Schweißer – ziemlich kläglich unter diesen Umständen. Und der Blutcarver war um viele Dutzend Kilos schwerer als er.
»Ich weigere mich, gegen eine niedere Lebensform anzutreten. Gegen einen Sklaven. Damit bringe ich Schande über mein Volk und über mich selbst.«
»Wieso glauben Sie, dass ich ein Sklave bin?«, fragte Anakin so sanftmütig wie es ihm möglich war, ohne noch verletzlicher zu erscheinen.
Die Nasenlappen des Blutcarvers zogen sich zusammen und bildeten vor seinem Gesicht eine eindrucksvolle Klinge aus Fleisch. »Du hast deine Flügel von einem verletzten Lemmer gekauft. Ich erkenne sie wieder. Oder jemand hat sie für dich gekauft … ein Schwarzhändler, würde ich sagen, der dich in das Rennen geschmuggelt hat, um jemand anders gut aussehen zu lassen.«
»Sie vielleicht?«, versetzte Anakin und bereute seine Leichtfertigkeit sofort.
Der Blutcarver schwang einen zusammengeklappten Flügel herum, und Anakin duckte sich gerade noch rechtzeitig. Der Windstoß ließ seine Haare flattern. Obwohl er die Flügel auf dem Rücken trug, nahm er sofort eine Verteidigungshaltung ein, so wie Obi-Wan es ihn gelehrt hatte, und bereitete sich auf den nächsten Angriff vor.
Plötzlich wurde der unangenehme Geruch noch stärker. Anakin konnte das Naplousean unmittelbar hinter sich riechen. »Ein Zweikampf vor dem Rennen? Vielleicht brauchen wir hier eine Holokamera, um unsere treuen Fans zu unterhalten?«
Der Butcarver gab sich auf der Stelle den Anschein vollkommener Unschuld, seine Nasenflügel klappten zurück und seine Miene verriet lediglich leise Überraschung.
Der lange, gewundene Korridor, der um die Grube herumlief, war voll gestopft mit alten Maschinenteilen, rostige und verdreckte klotzige Gebilde, die hier vor Jahrhunderten von lange verstorbenen Wartungsmannschaften gelagert worden waren: alte Startkufen, leere Müllbehälter, groß genug, um darin stehen zu können, sowie angelaufene Plaststahl-Schienen, die den Behältern einst den Weg zu den Verladeröhren gewiesen hatten.
In all dem Durcheinander stieß Obi-Wan auf einen schwunghaften Handel mit Renndevotionalien.
»Der Flug startet in Kürze!«, kreischte ein kleines Bündel Mensch, das sogar noch jünger war als Anakin. Der Junge stammte offensichtlich von einem Planeten mit hoher Schwerkraft; er war stark, stämmig, furchtlos und geradezu unglaublich schmutzig. »Irgendwelche Einsätze für den Rennwart? Die Wetten stehen fünfzig zu eins! Gehen Sie als reicher Mann heim!«
»Ich suche nach einem kleinen menschlichen Rennflieger«, sagte Obi-Wan und beugte sich zu dem Jungen hinunter. »Dunkelblonde, kurz geschnittene Haare, schlank, älter als du.«
»Setzen Sie auf ihn?«, fragte der stämmige Junge und legte nachdenklich die Stirn in Falten. Das Leben dieses Kindes wurde ausschließlich vom Geld beherrscht.
Was für eine Perversion, dachte Obi-Wan. Aber nicht mal Qui-Gon könnte alle Kinder retten.
»Ich werde setzen, ja, aber zuerst will ich ihn mir mal ansehen«, erklärte Obi-Wan. Er bewegte ein wenig die Hand. Wie ein Zauberer. »Um seine Qualifikationen zu prüfen.«
Der stämmige Junge beobachtete die Hand, doch es erschien kein buntes Tuch. Er grinste. »Gehen Sie zum Rennwart«, sagte er dann. »Er wird Ihnen sagen, was Sie wissen wollen. Beeilen Sie sich! Das Rennen fängt jede Sekunde an!«
Obi-Wan war sich sicher, Anakin irgendwo auf dieser Ebene und ganz in der Nähe spüren zu können. Er fühlte außerdem, dass der Junge sich auf irgendeine Anstrengung vorbereitete. Doch ob es sich dabei um das Rennen oder um einen Kampf handelte, vermochte er nicht zu sagen.
»Und wo kaufe ich mir einen Satz Rennflügel?«, erkundigte sich Obi-Wan, der sich bewusst war, dass ihm für Nettigkeiten keine Zeit blieb.
»Sie? Ein Rennflieger?« Der untersetzte Junge brach in heulendes Gelächter aus. »Der Rennwart! Er verkauft auch Flügel!«
Irgendetwas stimmte nicht. Anakin hätten irgendwelche Abweichungen eigentlich bereits früher auffallen müssen, doch er hatte sich auf die Vorbereitungen für das Rennen konzentriert. Was er jedoch nun zu gewärtigen hatte, war etwas ganz anderes.
Der naplouseanische Tunnelmeister war von einem seiner Komplizen verständigt worden, dass der Wartungsdroide zur nächsten Ebene hinabgesunken war. Das hatte ihn von Anakin abgelenkt. In diesem Moment zog der Blutcarver einen Arm aus dem Flügelgeschirr und griff unter seine Tunika.
Das ergab keinen Sinn. Plötzlich begriff Anakin, dass die eigentliche Mission des Blutcarvers nicht das Rennen war.
Er weiß, dass ich früher ein Sklave war. Er weiß, wer ich bin, und das heißt, dass er auch weiß, woher ich komme.
Der Blutcarver zückte ein Messer mit drei rotierenden Klingen. Sein Arm schien immer länger zu werden, alle Gelenke streckten sich auf einmal und krümmten sich anschließend zu einem fast perfekten U.
»Padawan!«, zischte er. Die wirbelnden Spitzen der drei Klingen funkelten wie ein prächtiges Juwel.
Anakin, den das Gewicht der sperrigen Flügel behinderte, konnte nicht schnell genug reagieren, um dem Stoß ganz auszuweichen. Er duckte sich zur Seite und das Messer verfehlte sein Gesicht; eine der Klingen ritzte sein Handgelenk, die beiden anderen prallten an der linken Hauptstrebe seines Geschirrs ab. Ein scharfer Schmerz schoss Anakins Arm hinauf. Der Blutcarver zog mit schlangenhafter Schnelligkeit den Arm zurück und setzte zum nächsten Angriff an.
Anakin hatte keine andere Wahl.
Er stieß sich von der Tunnelwand ab und rutschte die schräge Plattform hinab. Dabei entfaltete er die Rennflügel zu ihrer ganzen Spannweite.
Der Blutcarver folgte ihm ohne Zögern.
»Noch kein Rennen!«, bellte der Tunnelmeister heiser. Eine dichte Wolke aus Gestank schoss aus dem Tunnel und ließ die übrigen Wettbewerber würgen.
Obi-Wan blieben nur Sekunden, um sich mit den wichtigsten Funktionen des neuen Ausrüstungsgegenstandes vertraut zu machen, den er soeben erworben hatte. Er wuchtete die Flügel auf eine Schulter und rannte durch den langen Tunnel. Die losen, klirrenden Streben und Riemen schrammten über die niedrige Decke. Er hoffte, dass die Rennflieger von diesem Gang aus starteten, doch kurz darauf fand er sich am Ende des Tunnels wieder. Er stand allein auf der Plattform am Ende und blickte über den weiten, gewölbten Raum zwischen zwei Beschleunigerschilden hinweg.
Die neu erworbenen Flügel passten ihm nicht richtig. Doch zum Glück waren sie zu groß, nicht zu klein, und der Rennwart hatte ihn nicht allzu sehr übers Ohr gehauen und ihm immerhin Flügel für einen Zweifüßer mit zwei Armen verkauft. Er zurrte die Brustriemen so fest, wie die Schnallen es zuließen; dann zog er die Armspangen so weit an, dass die Riemen zu reißen drohten. Ob die Flügel startbereit und mit Brennstoff versehen waren, wusste er nicht, bis er eine kleine optische Linse vor sein Gesicht bog. Die roten und blauen Linien in seinem Gesichtsfeld zeigten an, dass die kleine Brennstoffkammer nur zu einem Viertel gefüllt war. Kaum genug für einen kontrollierten Sturzflug.
Bei einem hirnlosen Wettflug in einer Abfallgrube und in den Fesseln altertümlicher Rennflügel zu sterben, war nicht eben das, was sich Obi-Wan als Jedi erhofft hatte.
Er blickte nach links und sah eine kahle Wand; dann wandte er sich nach rechts und griff nach einer abgebrochenen Eisenstange, um sich nach vorne beugen zu können. Die schweren Flügel ließen ihn fast das Gleichgewicht verlieren und einen Moment lang hing er unsicher über dem Abgrund. Doch Obi-Wan gewann wieder festen Stand, während die Rennflügel unheilvoll raschelten. Da erblickte er Anakin auf der Plattform des nächsten Tunnels etwa fünfzig Meter rechts von ihm. Er entdeckte ihn gerade rechtzeitig, um das wirbelnde Durcheinander aus Gliedmaßen und das Blitzen einer Waffe mitzubekommen.
Obi-Wan stürzte sich im selben Moment, als Anakin fiel oder sprang, nach vorne. Er fand kaum Zeit, den Blutcarver, Anakins Angreifer, zu bemerken, der ihm nachsetzte.
Seine Flügel entfalteten sich beinahe mühelos; die winzigen Motoren an den Spitzen stotterten und erwachten jaulend zum Leben; Sensoren an den Verstrebungen des Geschirrs suchten nach den starken Traktorfeldern in den Zwischenräumen der riesigen gewölbten Schilde. Die Flügel hätten aus eigener Kraft nicht einmal einen Knaben tragen können, geschweige denn einen erwachsenen Mann, doch indem er die Felder der Beschleunigerschilde nutzte, konnte ein Flieger alle möglichen akrobatischen Tricks ausführen.
Das erste Manöver, das Obi-Wan meisterte, war der senkrechte Absturz.
Um fast dreihundert Meter.
Anakins Verwirrung und Schmerz wichen rasch einer Klarheit, wie er sie seit vielen Jahren nicht mehr erlebt hatte. Seit drei Jahren, um genau zu sein, seit seinem letzten Kapselrennen auf Tatooine, bei dem er dem Tode das letzte Mal so nahe gewesen war.
Er brauchte fast drei Sekunden, um die richtige Position einzunehmen: die Füße leicht nach unten geneigt, die Flügel seitlich angelegt und den Kopf gegen die Schulterstrebe zurückgeworfen. So als wollte er in ein riesiges Wasserbecken eintauchen. Dann schienen sich die Flügel ohne Zutun seines Willens langsam zu spreizen. Die Motoren husteten und begannen stotternd scharf und gleichmäßig zu heulen. Wie das Summen von zwei großen Insekten. Er spürte, wie sich die kleinen Sensoren unter seinen Fingerspitzen drehten, nahm das schwache Vibrieren in den Handflächen wahr, das ihm anzeigte, dass er ein Steigungsfeld nutzen konnte.
Er war weniger als hundert Meter gefallen. Die auf ihre ganze Spannweite von fünf Armlängen entfalteten Flügel bebten und erschauerten wie lebendige Wesen, als sie die Luftströmungen und die Traktorfelder aufnahmen. Und als die Motoren auf die winzigen Bewegungen seiner Arme reagierten, erlangte er die vollständige Kontrolle und schnellte in die Höhe.
Die optische Linse, die ihm die Brennstoffmenge und andere Dinge anzeigte, flatterte nutzlos unter seinem Kinn, doch er kam gut ohne sie aus.
Nicht schlecht, dachte er, für einen, der dem Tod so nahe war! Die Klarheit wurde zu einer Woge der Energie, die sich seines ganzen Körpers bemächtigte. Einen Moment lang vergaß er das Rennen, den Schmerz in seinem Arm, die Furcht und empfand den Nervenkitzel eines vollkommenen Triumphs über die Materie, über das unbeholfen zusammengefügte Bündel aus Metall und Fibergewebe auf seinem Rücken und über den Raum zwischen den riesigen gebogenen Schilden.
Und natürlich auch über den Blutcarver, der ihn umbringen wollte.
Er sah aus dem Augenwinkel etwas, das er für den Blutcarver hielt und das wie ein fallendes Blatt unterhalb und links von ihm abwärts trudelte. Er sah, wie die Gestalt über die Grubenwand schürfte und taumelte, einen Windstoß erwischte und wieder nach rechts driftete.
Doch dieser glücklose Flieger war gar nicht der Blutcarver. Mit einer neuen Drehung an der Spirale seiner geschärften Wahrnehmung erkannte er, dass sein Verfolger sich von dem Vorsprung hinter ihm gestürzt hatte und nun in einer parallelen Flugbahn etwa zwanzig Meter rechts von ihm durch die Luft brauste.
Ihre Zulassung zum Wettkampf hatte ihnen der Tunnelmeister ohne Zweifel entzogen. Und wenn schon, dachte Anakin. Er hatte sich noch nie allzu sehr um die Formalitäten des Siegens geschert. Wenn dies also ein Wettbewerb allein zwischen ihm selbst und dem mörderischen Blutcarver werden sollte, dann sollte es eben so sein.
Der Gewinner würde überleben.
Das war auch nicht schlimmer als ein Kapselrennen gegen einen Dug.
Obi-Wan hatte keine Angst vor dem Tod, doch er hatte etwas dagegen einzuwenden, was diese Todesart implizierte: technisches Versagen, Mangel an Eleganz, eine gewisse tollkühne Leichtfertigkeit, die er stets aus seinem Charakter zu verbannen versucht hatte.
Der erste Schritt zur Vermeidung dieser unseligen Folgen lag in der Entspannung. Nach der ersten flüchtigen Begegnung mit der Grubenwand ließ er seinen ganzen Körper erschlaffen und konzentrierte all seine Sinne darauf, wie die Luft, die Traktorfelder und die Flügel interagierten. Wie Qui-Gon es ihm einst während des Trainings mit dem Lichtschwert geraten hatte, ließ er sich durch sein Werkzeug unterweisen.
Aber ein solches Vorgehen konnte Stunden dauern und er hatte nur ein paar Sekunden, ehe er auf dem nächsten Schild zerschmettert werden würde. Er probierte es daher wohl am besten mit dem, was er bisher gelernt hatte …
… und folgte dem Beispiel seines Schülers.
Er blickte nach rechts und sah, wie Anakin seine Flugposition einnahm. Obi-Wan spreizte seine Flügel und ließ seine Füße nach unten sinken, bis sie tiefer waren als sein Kopf. Er wusste genug über Segelschwingen-Rennen, um die Vibrationen in seinen Handflächen zu registrieren und etwas damit anfangen zu können, um das stärkste für ihn erreichbare Steigungsfeld zu erwischen und über den Schild hinauszuschnellen wie ein junger Hase, der aus der Deckung aufspringt.
Das Gefühl dabei war berauschend, doch Obi-Wan achtete nicht darauf, sondern konzentrierte sich auf die winzigsten Hinweise, die er von den Flügeln und der marternden Klammer der Riemen vor seiner Brust bekam, in deren lockerer Umarmung er hing. Er hatte lediglich ein wenig Zeit gewonnen.
Das Summen in den Handflächen brach ab; die Sensoren rotierten lärmend und er sackte erneut ab. Der verstärkte Rückstoß der Motoren an den Flügelspitzen diente an diesem Punkt des Rennens mehr der Kontrolle als dem Auftrieb; mit komplett entfalteten Flügeln jedoch (sie rissen ihm fast die Arme aus den Gelenken), schrammten die Spitzen seiner Stiefel nur wenige Zentimeter an dem Schild vorbei.
Dann schwoll das Summen in den Handflächen wie rasend wieder an. Er sah ein zehn Meter breites Loch, glitt darüber hinweg, spürte, wie das Traktorfeld in der Nähe der nächsten Öffnung stärker wurde und scherte gerade noch rechtzeitig nach einer Seite aus, um dem ohrenbetäubenden Getöse eines Müllbehälters auszuweichen.
Der Aufwind und die Turbulenzen im Gefolge des Behälters rissen ihn in die Höhe wie eine Fliege in einem Sandsturm. Der Lärm machte ihn taub, seine Flügel flatterten unkontrollierbar, die Handflächen brannten vom ungestümen Summen der Sensoren. Er legte die Flügel eng an den Körper, um sich aus dem stärksten Teil des Feldes zu lösen, sackte ein Stück nach unten, erwischte einen Aufwind von ausreichender Intensität und spreizte abermals die Flügel. Das Ergebnis war zumindest die Illusion von Kontrolle.
Auf der anderen Seite der Grube dröhnte ein weiterer Müllbehälter durch eine der Öffnungen des unteren Schilds und wurde von den Traktorfeldern zum nächsten Abschnitt weitergereicht. Dann kam der Nächste. Offenbar war soeben eine ganze Fuhre auf den Weg gebracht worden.
Obi-Wan hatte keine Ahnung, wo Anakin sich befand oder ob er überhaupt noch am Leben war. Und ehe er mehr Kontrolle über seine Flügel gewann und sich nicht mehr nur auf sein Glück verlassen musste, spielte die Lage seines Padawan-Schülers kaum eine Rolle. Das Ziel des Rennens über der Abfallgrube bestand darin, fliegend den konvex gewölbten Boden des unteren Schilds zu überqueren, sich durch eine Öffnung fallen zu lassen, die noch nicht ganz von einem Beschleunigungsfeld überschwemmt oder von einem aufsteigenden Kanister verstopft war, um das Gleiche anschließend bei den beiden nächsten Schilden darunter zu wiederholen, bis der Erste den Boden der Grube erreichte.
Sobald ein Teilnehmer ganz unten angekommen war, brauchte er nur noch im Flug die Schuppe eines Abfallwurms zu ergreifen, sie einzustecken und durch die Öffnungen in den Schilden wieder nach oben zu steigen, in einen anderen Tunnel hineinzufliegen und die Schuppe dem Schiedsrichter zu übergeben – also dem Rennwart, der über so gut wie alle Aspekte dieser Veranstaltungen wachte.
Der Müll, der nicht zur Ausfuhr ins All verpackt wurde, wurde aus dem gesamten Einzugsgebiet der Abfallgrube gesammelt, mit einem Klärschlamm aus Silikongelee untermischt, aus dem Ring der untersten Ausfalltunnel ausgespien und von den Würmern verarbeitet. Diese Würmer zermalmten den weniger giftigen Müll zu winzigen Kügelchen und entzogen ihm die letzten organischen Anteile, alle Kunststoffe und wieder verwertbaren Metalle.
Die Abfallwürmer waren riesig, unfreundlich und von höchster Wichtigkeit für den effizienten Betrieb der Grube. Auf anderen Welten besaßen die Würmer natürliche Vorfahren, doch die Ingenieure von Coruscant, wahre Meister in allen lebenswichtigen Kunstfertigkeiten, hatten diese Ungeheuer bereits vor langer Zeit so umgezüchtet, dass sie nicht länger den Beschränkungen ihrer Ursprünge unterworfen waren. Die sich behäbig windenden Würmer, die sich so in dem Silikonschlamm verteilt hatten, dass sie wirren Netzen aus dicken Kabeln ähnelten, verwandelten Millionen Tonnen der vorbehandelten Kügelchen in Kohlendioxid, Methan und andere organische Verbindungen, die wie dicke Inseln aus blassgelbem Schaum auf der bewegten Oberfläche des Silikontümpels schwammen. Ausgeschiedene Metalle, Mineralien und Altglas sanken nach unten und wurden von schweren Unterwasserdroiden vom Grund des Bassins gefischt.
Es hieß, ein Abfallwurm könnte sogar einen ausrangierten Hyperantriebskern vertilgen und die Mahlzeit überleben … zumindest ein paar Sekunden lang. Doch das wurde nur selten von ihnen erwartet.
In dem Silkontümpel auf dem Grund der Grube hauste eine große Zahl jener Würmer. Sie besaßen große, locker sitzende Schuppen, die wie Edelsteine glitzerten und für die der Rennwart gut bezahlte, um sie anschließend auf einem kleinen, aber erlesenen Sammlermarkt als Sportsouvenirs zu verkaufen.
Anakin rollte sich herum und blickte nach oben. Der Blutcarver flog jetzt links von ihm. Die übrigen Wettbewerber waren nach ihnen abgesprungen, sodass das Rennen nun trotz allem seinen regulären Verlauf nahm. Der Tunnelmeister musste zu dem Schluss gelangt sein, dass die Störung den Sport nur noch interessanter machte.
Anakin fiel keine bessere Methode ein, das Rennen zu gewinnen, als sich außerhalb der Reichweite des Blutcarvers zu halten, dem Rennwart die eine Wurmschuppe zu präsentieren und in den Tempel zurückzukehren, ehe jemand bemerkte, dass er verschwunden war. Er konnte seine Übungen mit Obi-Wan binnen einer Stunde wieder aufnehmen, und er würde heute Nacht sehr gut schlafen. Ohne böse Träume, erschöpft und in seinem tiefsten Innern zufrieden, ein Bereich, der noch nicht von der Disziplin der Jedi durchdrungen war.
Natürlich würde er die Wunde an seinem Handgelenk verbergen müssen. Die Verletzung schien bei oberflächlicher Betrachtung (mehr war während des Fluges nicht möglich) nicht allzu schlimm zu sein.
Es war an der Zeit, dass er sich seine Öffnung aussuchte, sich zusammenrollte und abermals wie ein Stein in die Tiefe fiel – wie ein Stein unter vollständiger Kontrolle.
Und genau das war es, was Anakin sich immer gewünscht hatte.
Obi-Wan rappelte sich von der ausgedehnten gewölbten Oberfläche des Schilds auf und prüfte mit den besonderen Gaben des Jedi seine körperliche Verfassung. Er war zerschunden und enttäuscht – rasch unterdrückte er dieses Gefühl, denn Enttäuschung konnte schnell zu sinnlosem Zorn führen –, hatte sich jedoch keine Knochenbrüche eingehandelt. Außerdem war er außer Atem, erholte sich jedoch schnell, während er sich nach den anderen Teilnehmern des Rennens umsah.
Anakin kreiste in einer allmählich ansteigenden Spirale etwa hundert Meter über der Mitte des Schilds. Eine zweite, goldene Gestalt führte wiederum hundert Meter über Anakin eine Abwärtsspirale aus, wie ein fallendes Blatt. Nummer drei und vier beschrieben währenddessen weite Bögen um den Rand der Grube.
Obi-Wan richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf Anakin. Er machte gerade seine Flügel für einen neuen Start bereit, als er sah, wie sein Padawan wie ein Taucher kopfüber durch die zentrale Öffnung des Schildes verschwand.
Obi-wan rannte zum Rand der nächsten Öffnung, die ungefähr zwanzig Meter entfernt war. Er überzeugte sich davon, dass seine Flügel richtig zusammengelegt waren und leicht entfaltet und ausgebreitet werden konnten. Seine Füße sanken in zähflüssig anmutende Traktorfelder auf dem gewölbten Boden des Schilds ein. Die Luft knisterte. Seine Eingeweide fühlten sich an, als marschiere er durch den schlimmsten Orkan auf dem brutalsten aller Gasriesen-Planeten.
Verwehungen gefrorener Feuchtigkeit stoben im Kielwasser eines Müllbehälters auf, der unter Getöse weniger als fünfzig Meter rechts von ihm entfernt durch eine Öffnung rauschte. Der an einen Wirbelsturm erinnernde Aufwind hob ihn beinahe von den Füßen und er hatte keine Ahnung, ob er genug Kraft aufbringen würde, um sich angesichts der Feldlinien hier unten noch einmal auf den Beinen halten zu können.
Obi-Wan Kenobi hielt ebenso wenig von Erziehung durch Bestrafung wie Qui-Gon Jinn. Die Einsicht des jungen Delinquenten in das eigene Fehlverhalten reichte fast immer aus. Trotzdem sah er sich jetzt – und er schämte sich dafür – in einem dunklen Winkel seines Verstandes, über strenge Worte, außergewöhnliche Prüfungen und viele, viele Strafarbeiten für Anakin Skywalker nachsinnen, die nicht nur der Verbesserung der Lebensperspektive seines Padawan- Schülers dienen sollten.
Anakin empfand eine Art reiner Freude, als er die Flügel spreizte und auf der nächst tieferen Ebene ein Feld erwischte. Die Schönheit der Ionenspuren, die Blitze, die unausgesetzt zwischen den Rauchfahnen der Entladungen hin und her zuckten und die fernen Wände der Grube erhellten, die dröhnenden Trommelschläge der Müllbehälter, die alle fünf Sekunden aufstiegen … all das war wunderschön und, was noch bedeutsamer war, es rief ihm mit einer fast lebendigen Stimme eine Herausforderung zu, die größer war als alles, was er auf Tatooine erlebt hatte. Einschließlich des Boonta-Abend-Kapselrennens.
Dies war ein Ort, den die meisten wohl eher furchtbar finden und an dem die meisten Lebewesen mit ziemlicher Sicherheit sterben würden. Und er war nur ein Junge, bloß ein Kind und ehemaliger Sklave, der sich jetzt weniger auf sein Jedi-Training als auf seine unverfälschte, angeborene Tapferkeit verließ. Er war allein, und er war froh, allein zu sein! Er hätte liebend gerne den Rest seines Lebens in dieser Art unmittelbarer Gefahr verbracht, wenn er darüber die Fehlschläge der Vergangenheit hätte vergessen können, die ihn bei Nacht heimsuchten, wann immer er zu schlafen versuchte. Die Fehlschläge – und das schreckliche Gefühl, etwas in sich zu tragen, das sich seiner Kontrolle entzog.
Jene dunklen, leeren Stiefel, die durch die schlimmsten seiner nächtlichen Albträume stapften.
Wieder suchte er sich eine Öffnung aus, diesmal dicht bei der Mitte des Schilds, wo nur wenige Behälter durchkamen. Er spürte das Pulsieren der riesigen Lafette unter diesem tiefsten Schild. All seine Sinne richteten sich auf den Rhythmus dieser rotierenden Startvorrichtung, die größer war als der gesamte Jedi-Tempel. Anakin lauschte auf das Verzögern, die kurze Stille, auf die das tiefe Mahlen und Fauchen folgte, das ertönte, bevor ein neuer Ring aus Müllbehältern geladen und abgefeuert wurde. Es wäre natürlich am besten, sich während der Pause zwischen zwei Abschüssen durch eines der Löcher fallen zu lassen; und dies in einiger Entfernung von einer Öffnung, die erst kürzlich ein Müllbehälter passiert hatte, um dessen Schweif von Gasen, Aufwinden, Blitzen und blauen Ionenspuren zu entgehen.
Bevor Anakin seine Entscheidung traf, staunte er über ein Phänomen, von dem ihm bisher nur andere Rennflieger in ehrfürchtigem Tonfall berichtet hatten: aufsteigende Kreise aus Plasmasphären, die in der Leere über dem ersten Schild schwebten, als verfolgten sie ein bestimmtes Ziel. Die Plasmakreise glühten orange und blaugrün, und Anakin konnte sogar ihr wildes Knistern hören. Sie zu berühren bedeutete auf der Stelle gebraten zu werden. Er sah, wie einer der aus Plasmasphären gebildeten Kreise mit kaum hörbaren Knallgeräuschen explodierte. Dort, wo der Kreis sich gerade noch befunden hatte, zuckte ein besonders greller Blitz auf wie ein Speer, der durch einen Reifen fliegt.
Seine Nackenhaare richteten sich in einer Weise auf, die durch die statische Entladung allein nicht zu erklären war. Es war, als würde er den primitiven Göttern der Abfallgrube ins Auge schauen, den wahren Herren dieses Ortes. Aber so etwas auch nur einen Augenblick lang zu denken widersprach seiner gesamten Ausbildung. Die Macht ist allgegenwärtig und fordert nichts, weder Gehorsam noch Ehrfurcht.
Doch das musste er natürlich erst erleben, um zu vergessen. Er musste auf eine Stufe absoluter Wildheit hinabsinken, bis zu jenem Ort, wo er seinen Namen, seine Erinnerung, sein Selbst hinter sich ließ, wo Unheil verkündende Schatten wohnten und wo man von einem Augenblick zum nächsten von der Hellen Seite der Macht zur Dunklen Seite wechseln konnte, ohne recht zu wissen, dass es überhaupt einen Unterschied zwischen den beiden Seiten gab.
Anakin, nur noch Instinkt, ein Staubkorn im Spiel, legte einmal mehr seine Flügel an und ließ sich durch die zentrale Öffnung des Schilds fallen.
Er bemerkte nicht, dass der Blutcarver, der fünfzig Meter hinter ihm lag, es ihm nachmachte.
Die Lafette war zweihundert Meter unter dem Schild auf ihrem erhöhten Sockel montiert und durchlief ihre automatisierten Bewegungssequenzen. Von allen Seiten wurden ihr auf Schienen neue volle und scharf gemachte Müllbehälter zugeführt, die jeder in eine der Feuerkammern fielen, bis nur noch die gewölbte Spitze herausschaute. Die Daten ihres jeweiligen Transportprogramms wiesen jedem Behälter eine besondere Bestimmung zu, eine spezielle Flugbahn durch die vier Schilde, wobei es vier Möglichkeiten gab, ihn in eine Umlaufbahn zu katapultieren. Der an der Unterseite jedes Müllbehälters angebrachte Zündstoff würde diesen nur die ersten dreihundert Meter weit bis zu dem ersten Schild tragen. Danach übernahmen die Traktorfelder und die Magnetpulsmotoren. Die Anlage war eine ausgeklügelte, wenngleich jahrhundertealte Konstruktion: robust und langlebig; auf ganz Coruscant gab es unzählige solcher Anlagen.
Die Luft über der rotierenden Lafette konnte man kaum atmen. Der Rauch der explodierenden Ladungen – einfacher chemischer Zündstoff – konnte nicht schnell genug abgesaugt oder umgewandelt werden, um die Bildung einer giftigen Dunstglocke unter dem ersten Schild zu vermeiden. Zu dem fortwährenden Gestank nach verbranntem Gummi kamen noch die Dämpfe aus dem mit Silikonschlamm gefüllten Bassin unter der Lafette.
Hier unten lebten die primitivsten – nicht zu vergessen auch die größten – auf Coruscant vorkommenden Lebewesen und entledigten sich ihrer Aufgabe im ewigen Zwielicht. Ihre einzige Lichtquelle war das unbeständige Glimmen der Arbeitslampen, die von den Stützen und Streben an der Unterseite der Lafette herabhingen. Die größten Würmer waren mehrere hundert Meter lang und maßen drei oder vier Meter im Durchmesser.
Anakin schwebte auf eine Seite der untersten Ebene hinüber und landete schließlich auf einer Stütze der Lafette. Er konnte die Drehbewegung und die Abschüsse der Müllbehälter unter seinen Füßen fühlen. Die gewaltige Masse der Ferrokarbonkonstruktion erzitterte unter seinen Fliegersandalen.
Er hatte den größten Teil seines Treibstoffs für diesen Moment aufgespart. Die Traktorfelder unterhalb der Lafette waren schwach, gerade so stark, dass sie die Würmer davon abhielten, an die Oberfläche zu kommen und an den Stützen zu saugen. Sobald er eine der glasartigen Wurmschuppen abgelöst hatte, würde er zum ersten Schild hinauf schießen, sich an den Aufwind eines Müllbehälters hängen und sich durch eine Öffnung in den Zwischenraum über dem ersten Schild ziehen lassen müssen.
Ein geradezu irrsinnig schwieriges Unterfangen.
Umso besser. Mit weit geöffneten Augen beobachtete Anakin das undeutliche Gewimmel der Würmer unter ihm. Er klinkte kurz einen seiner Flügel ein, befreite einen Arm und verhüllte Mund und Nase mit einer Atemmaske. Dann nutzte er die Gelegenheit, befestigte die optische Linse, legte eine Schutzbrille an, die seine Augen vor Silikonspritzern schützen sollte. Dann straffte er die Muskeln zum Sprung.
Doch er hatte den Kardinalfehler aller Jedi-Schüler gemacht und seine gesamte Aufmerksamkeit auf ein einziges Ziel oder Objekt gerichtet. Konzentration war eine Sache, eine eingeschränkte Wahrnehmung jedoch war eine andere – und Anakin hatte alles ignoriert, was sich über ihm befand.
Er fühlte ein Prickeln seiner Sinne und wandte gerade noch rechtzeitig den Kopf zur Seite, sodass der auf seine Schläfe zielende Schlag stattdessen seine Schädeldecke streifte. Der Blutcarver sauste an ihm vorbei, landete auf der nächsten Stütze und sah befriedigt zu, wie der junge Jedi kopfüber auf die zuckende Masse der Würmer zustürzte.
Dann setzte der Blutcarver ihm mit weit vorgestrecktem Hals und zu einem Keil zusammengeklappten Nasenlappen nach und glitt näher, um sein Tagwerk zu beenden.
Anakins Sturz wurde von einer der Inseln aus dichtem, stinkendem Schaum gedämpft, die überall auf dem Wurmsee trieben. Er versank langsam darin und setzte dabei neue stinkende Gase frei, bis eine heftige Aufwallung von Ammoniak plötzlich seine benebelten Sinne halbwegs wiederbelebte. Seine Augen brannten. Der Schlag gegen den Kopf hatte seine Schutzbrille und die Atemmaske verschoben.
Eins nach dem anderen. Er spreizte die Flügel und schnallte das Geschirr los; dann rollte er sich so herum, dass er sein Gewicht gleichmäßig auf beide Flügel verteilte. Sie wirkten auf dem Schaum wie Schneeschuhe und er sank langsamer. Die Flügel waren ohnehin verbogen und nutzlos, selbst wenn es ihm gelang, sie aus der schäumenden Brühe zu ziehen.
Der Blutcarver hatte ihn soeben getötet. Dass der Tod sich bis zum endgültigen Eintritt viel Zeit lassen würde, änderte nichts daran, dass er mit Sicherheit kommen würde. Die breite blassgelbe Insel schwappte mit den Bewegungen der Wurmkörper auf und ab. Ringsum waren unaufhörlich knackende Geräusche zu hören: platzende Blasen im Schaum. Und falls das überhaupt möglich war, vernahm er auch einen noch unheimlicheren Laut: das tiefe, leise Schlürfen der Würmer, die über-, unter- und aneinander vorbei glitten.
Anakin konnte kaum etwas sehen. Ich bin erledigt. Wenn er versuchte, Verbindung mit der Macht aufzunehmen, mochte dies seine Not lindern, doch er war in seiner Ausbildung noch nicht so weit fortgeschritten, dass er sich aus eigener Kraft über die Oberfläche hätte heben können, zumindest nicht weiter als ein paar Zentimeter.
Anakin Skywalker fühlte sich durch seinen Mangel an Aufmerksamkeit in Wahrheit so gedemütigt und war so beschämt über sein Verhalten, das ihn überhaupt erst an diesen Ort, in diese Grube geführt hatte, dass ihm sein Tod angesichts weit größerer Misserfolge eher nebensächlich vorkam.
Er war offenbar nicht zum Jedi geschaffen, was auch immer Qui-Gon Jinn von ihm gehalten haben mochte. Yoda und Mace Windu hatten die ganze Zeit Recht gehabt.
Doch das ätzende Bewusstsein seiner eigenen Dummheit bedeutete keineswegs, dass er weitere Erniedrigungen so einfach hinnehmen würde. Er spürte den lautlosen Flug des Blutcarvers wenige Meter über sich und zog beinahe beiläufig rechtzeitig den Kopf ein, um einem zweiten Hieb auszuweichen.
Ein Jedi dachte niemals an Rache. Doch Anakins Gehirn lief jetzt auf Hochtouren; sein Denken klärte sich durch den Schmerz in seinem Schädel und das dumpfe Pochen in seinem Arm. Der Blutcarver wusste, wer er war, wo er herkam. Dass er ihn einen Sklaven genannt hatte, konnte hier, so weit entfernt von den gesetzlosen Randsystemen, wo Sklaverei nichts Besonderes war, kein Zufall sein. Irgendjemand hatte es auf Anakin selbst oder auf die Jedi-Ritter im Allgemeinen abgesehen.
Anakin bezweifelte, dass er in seinem kurzen Leben schon allzu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte oder dass ein Attentäter es für lohnend halten würde, sich speziell mit ihm abzugeben. Es war wesentlich wahrscheinlicher, dass der Tempel unter Beobachtung stand und dass irgendeine Fraktion darauf hoffte, die Jedi einen nach dem anderen ausschalten zu können, indem sie sich zuerst die Schwächsten und die Verwundbarsten vornahm.
Das wäre dann wohl ich!
Der Blutcarver stellte für die Leute, die Anakin aus der Sklaverei befreit, ihn mitgenommen und ihm ein neues Leben fern von Tatooine ermöglicht hatten, eine ernste Bedrohung dar. Und wenn er schon niemals ein Jedi oder auch nur erwachsen werden würde, konnte er diesen tapferen und unabdingbaren Orden zumindest von einer Bedrohung befreien.
Er rückte die Atemmaske zurecht, nahm einen tiefen Zug gefilterter Luft und prüfte den schwankenden Untergrund, auf dem er stand. Er konnte eine Strebe aus einem Flügel brechen und sie als Waffe über dem Kopf schwingen. Vorsichtig beugte er sich nach vorne, balancierte sein Gewicht aus und packte die schlanke Strebe. Obwohl sie im Flug gehalten hatte, gab die Stange unter seinem seitlich von der Mitte ausgeübten Druck nach. Er bog sie so lange vor und zurück, bis sie abbrach. Er verbog auch das gegenüberliegende Ende, dort wo die Flügel in ihrem Drehgelenk saßen, stampfte kurz mit einem Fuß auf, riss das Ende der Strebe ab und entfernte mit einem Ruck die dünne Hülle für das Schmiermittel. Das Kugellager des Drehgelenks gab eine gute Keule ab.
Alles in allem wogen die Flügel weniger als fünf Kilogramm, die Keule nur ungefähr hundert Gramm. Er würde schon mit aller Kraft ausholen müssen, um einen wirkungsvollen Schlag zu landen.
Der Blutcarver stieß wieder auf ihn herab. Er hatte die Beine zurückgezogen und die dreigelenkigen Arme hingen vor seinem Körper wie die Fühler eines Klauenseglers auf Naboo.
Seine gesamte Aufmerksamkeit war auf den jungen Padawan gerichtet.
Und er machte damit den gleichen Fehler wie Anakin vor ihm.
Anakins Herz machte vor Freude und Hoffnung einen Sprung, als er Obi-Wan über dem Blutcarver auftauchen sah. Der Meister des Jungen fuhr die Klinge seines Lichtschwerts aus, landete mit beiden Füßen auf den Flügeln des Angreifers und zerknickte sie wie Strohhalme.
Zwei Hiebe mit der summenden Klinge, und die Flügelspitzen des Blucarvers trudelten davon.
Der Blutcarver stieß einen erstickten Schrei aus und kippte auf den Rücken. Der Treibstoff in den Tanks seiner Flügel fing Feuer, die Motoren wirbelten ihn herum wie ein flammendes Feuerrad und ließen ihn zwanzig Meter in die Höhe schießen, ehe sie stotternd erstarben.
Er fiel ohne einen Laut, plumpste ein Dutzend Meter weiter in den Tümpel und ließ eine glitzernde Fontäne aus schmierigem Silikonschlamm aufschäumen. Einen Moment lang wirbelten Schleier aus brennendem Methan über ihm.