The Rising of the Shield Hero – Light Novel 01 - Kugane Maruyama - E-Book

The Rising of the Shield Hero – Light Novel 01 E-Book

Kugane Maruyama

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Beschreibung

Beim Stöbern in der Bibliothek entdeckt der Nerd Naofumi Iwatani ein alt aussehendes Buch mit der Aufschrift "Traktat der Waffen der vier Heiligen". Nur wenige Augenblicke später verliert er das Bewusstsein. Als er wieder zu sich kommt, befindet er sich in einer mittelalterlich anmutenden Welt. Diese steht kurz vor ihrem Untergang und laut einer Prophezeiung sollen allein vier legendäre Helden in der Lage sein, den bevorstehenden Angriffswellen der Monster aus anderen Dimensionen Einhalt zu gebieten. Naofumi ist einer von ihnen – der Held des Schildes. Allerdings genießt seine auf Verteidigung spezialisierte Waffe wenig Ansehen in der Welt, die ihn an ein Videospiel erinnert. Von Argwohn, Verachtung und Verrat umgeben, steht Naofumi nun vor seiner größten Aufgabe: Der Held zu werden, den bisher niemand in ihm sieht!

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1:Eine herrschaftliche Einladung
Kapitel 2:Die Helden
Kapitel 3:Die Helden beraten sich
Kapitel 4:Spesengeld
Kapitel 5:Die wahre Natur des Schildes
Kapitel 6:Der Verrat
Kapitel 7:Falsche Anschuldigungen
Kapitel 8:Gesunkenes Ansehen
Kapitel 9:Was man einen Sklaven nennt
Kapitel 10:Das Kindermenü
Kapitel 11:Die Früchte der Sklaverei
Kapitel 12:Was dein ist, ist auch mein
Kapitel 13:Medizin
Kapitel 14:Was es heißt, ein Leben zu nehmen
Kapitel 15:Die Besonderheiten von Subhumanoiden
Kapitel 16:Der zweiköpfige schwarze Hund
Kapitel 17:Vorkehrungen gegen die Welle
Kapitel 18:Die Barbarenrüstung
Kapitel 19:Die Drachensanduhr
Kapitel 20:Das Schwert
Kapitel 21:Die Welle des Untergangs
Kapitel 22:Das Paradoxon von Schild und Lanze
Kapitel 23:Die ersehnten Worte
Epilog
Extrakapitel:Die Kapriolen des Lanzenhelden
Extrakapitel:Die Flagge im Kindermenü

Kapitel 1: Eine herrschaftliche Einladung

»Hm?«

Ich hatte die Stadtbibliothek aufgesucht, um zu lesen.

Ich, Naofumi Iwatani, war Student im zweiten Jahr und eindeutig ein viel größerer Nerd als alle anderen an der Uni. Seit ich mit der Otaku-Kultur, Videospielen, Animes und so weiter, in Berührung gekommen war, verbrachte ich mehr Zeit damit als mit dem Studium.

Meine Eltern hatten mich schnell aufgegeben. Meinen kleinen Bruder jedoch nicht. Aus ihm sollte etwas werden. Also hatten sie ihn zu einer angesehenen Nachhilfeschule geschickt.

Er kam aber irgendwann mit dem Prüfungsstress nicht mehr klar und so rutschte mein hochgeschätzter Bruder ab; blondierte sich die Haare, hing nur noch zu Hause herum und fluchte, was das Zeug hielt. Eine Zeit lang herrschte deswegen eine miese Stimmung bei uns.

Doch dann kam ich – der Erlöser!

Ich führte mit meinem mir gegenüber stets verächtlich klingenden Bruder ein offenes Gespräch und empfahl ihm ein beliebtes Dating-Game.

»Was ist denn das für ein Scheiß?!«

»Komm schon, probier’s doch einfach mal aus.«

Ich wusste, warum mein Bruder sich derart negativ verändert hatte. Im Gegensatz zu mir hatten unsere Eltern ihm nie alles gekauft, was er sich wünschte. Doch er wollte sein Leben einfach nur genießen, genau wie ich. Deshalb ließ er sich schließlich auch auf meine Empfehlung als Spezialist für Spaß ein. Und letztendlich begeisterte es ihn ebenso wie mich – wie er mir später gestand.

Das Resultat: Die Welt war um einen Nerd reicher.

Heute ist sein ganzes Zimmer voller Dating-Games, die ich ihm gezeigt habe.

Nachdem er sich mental von seiner Prüfungsmüdigkeit erholt hatte, wurde er von einer Schule aufgenommen, die sich damit rühmte, dass ihre Schüler stets direkt den Sprung auf die Uni schaffen – er schien richtig Gas zu geben.

Da ich dabei so eine wichtige Rolle gespielt hatte, ließen unsere Eltern bei mir immer öfter Fünfe gerade sein und ich konnte das Unileben in vollen Zügen genießen.

Nun habe ich aber ganz schön weit ausgeholt …

Ich saß also an jenem Tag in der Bücherei und wollte lesen.

Von meinen Eltern bekam ich zwar monatlich zehntausend Yen* für Spesen, die sind aber schnell weg, wenn man mit seinen Freunden Sex-Games, Pornohefte, Light Novels, Manga und so weiter kauft. Ich verdiente mir noch etwa fünfzigtausend dazu. Aber auch damit kam ich nicht weit, wenn ich zu verschiedenen Festen im Sommer und Winter gehen und an regionalen Feiern teilnehmen wollte.

Meine Eltern ließen jedoch öfter mal eine Übernachtung nahe des Veranstaltungsorts für mich und meinen Bruder springen.

Ich vermutete, dass sie damit seine Teilnahme unterstützen wollten, da mein Bruder ohne mein Zutun nie zu solchen Festen gegangen wäre … Na ja, aber sie brauchten selbst auch Geld zum Leben und konnten daher natürlich nicht alles bezahlen. Es reichte, dass sie für die Studiengebühren, Kleidung und Essen aufkamen.

Deshalb lebte ich sparsam, las stehend in Antiquariaten, wenn ich knapp bei Kasse war, oder ging in die Bibliothek. Ich hätte stattdessen auch in meiner Freizeit im Netz zocken können, aber wenn man gut werden will, geht bei so etwas unfassbar viel Zeit verloren.

Ich war sowieso eher der Typ, der sich vielem widmete, aber nur oberflächlich und zum Spaß. Statt aufzuleveln, konzentrierte ich mich darauf, Geschäfte zu machen, und verkaufte im Shop Charaktere und seltene Gegenstände. Daher hatte ich im realen Leben reichlich Zeit zur Verfügung.

Ich war also dort.

Und dann geschah es.

Ich sah mich gerade in der Ecke um, wo die alten Romane standen.

Genau wie die Menschheitsgeschichte reicht die Geschichte der Fantasy weit zurück. Die Bibel ist, wenn man mal drüber nachdenkt, im weitesten Sinne auch nur ein Fantasy-Roman.

»Traktat der Waffen der vier Heiligen?«

Aus irgendeinem Grund war ein alt aussehendes Buch aus dem Regal gefallen. Der Titel war gerade noch lesbar. Wahrscheinlich hatte es jemand nachlässig ins Regal zurückgestellt und hatte sich dann einfach verdrückt.

Das fühlte sich für mich wie ein Zeichen an. Ich setzte mich auf einen Stuhl, schlug das Traktat der Waffen der vier Heiligen auf und fing an zu lesen.

Ich blätterte … und blätterte …

Die Geschichte begann mit einer Beschreibung der Welt.

Kurz gesagt, handelte es sich um eine Alternativwelt, deren Untergang bereits vorhergesagt worden war. Wellen des Untergangs drohten, schon bald alles zu vernichten. Um dies abzuwenden, beschwor man Helden aus anderen Welten und ersuchte sie um Hilfe.

Hmm … Ziemlich abgenudelte Story. Aber es war ja auch ein alter Schinken, vielleicht ist die Idee damals noch frisch gewesen.

Die herbeigerufenen vier Helden besaßen jeweils eine Waffe: Schwert, Lanze, Bogen und Schild.

Seit wann ist ein Schild eine Waffe? Ich lächelte gequält und las weiter.

Um sich zu stählen und ihr Können zu verfeinern, begaben sich die Helden auf eine Reise.

Ich gähnte.

Mist, so viel Edelmut machte einen ganz müde.

In so einem altmodischen Buch kam natürlich auch keine hübsche Heldin vor.

Immerhin gab es eine Prinzessin, aber die ging mir auf die Nerven. Sobald sie die vier Helden sah, verwandelte sie sich in eine richtige Schlampe.

Was wirfst du allen Helden verliebte Blicke zu? Entscheide dich gefälligst für einen!

Es gab den entschlossenen Schwerthelden, den treuen Gefährten mit der Lanze und den Bogenschützen, der keine Verfehlung verzieh.

Immerhin war jede Figur auf ihre eigene Weise cool. Anders als in den meisten neueren Geschichten kamen sie mir alle wie Hauptrollen vor.

Aha? Jetzt ging es mit dem Helden des Schildes weiter …

»Hä?«

Ich hatte umgeblättert und meine Verwunderung unwillkürlich laut geäußert.

Ab der Stelle, wo die Erzählung mit dem Helden des Schildes weitergehen sollte, waren die Seiten leer. So oft ich auch hinsah, nur weißes Papier. Die Geschichte ging nicht weiter.

»Was soll das?«

Während ich mich noch wunderte, wurde mir plötzlich schwummrig.

»W… Was?«, murmelte ich. Dann wurde mir schwarz vor Augen.

Nicht im Traum wäre ich darauf gekommen, dass ich dabei war, in eine andere Welt überzutreten.

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Kapitel 2: Die Helden

»Oh …«

Als ich die erstaunte Stimme vernahm, kam ich wieder zu mir.

Verschwommen blickte ich die Männer an, die in Mönchskutten vor mir standen und verblüfft aussahen.

»Was ist das hier?«

Ich wandte mich in die Richtung, aus der die Worte gekommen waren, und sah drei junge Männer, die, genau wie ich, noch nicht verstanden zu haben schienen, was gerade geschehen war.

Ja, was war hier eigentlich los?

Gerade hatte ich mich noch in der Bücherei befunden, und jetzt … Wo war ich hier?

Als ich mich umsah, erkannte ich, dass wir von Wänden umgeben waren.

War das ein Backsteingebäude? Es kam mir nicht bekannt vor. Die Bibliothek war es jedenfalls nicht.

Als ich meinen Blick senkte, entdeckte ich auf dem Boden ein geometrisches Muster, das anscheinend mit fluoreszierender Farbe gezeichnet worden war. Es schien eine Art Kultstätte zu sein. Das Zeichen wirkte wie ein magisches Siegel. So eines, wie es oft in fantastischen Geschichten vorkam.

Und auf jener Kultstätte standen wir.

Moment mal … Woher hatte ich plötzlich diesen Schild?

Er war erstaunlich leicht und lag gut in der Hand. Ich verstand beim besten Willen nicht, woher er kam, aber als ich ihn auf dem Boden ablegen wollte, löste er sich nicht von meinem Arm.

»Wo bin ich hier?«, fragte der Mann mit dem Schwert vor mir die Männer in den Kutten. Genau wie ich hatte er offensichtlich keine Ahnung, was gerade vor sich ging.

»Oh, die Helden sind da! Wir flehen Euch an, rettet unsere Welt!«

»Wie bitte?«, riefen wir wie aus einem Mund.

»Was soll das bedeuten?«

Was war das denn für ein Satz? Ich hatte das Gefühl, ihn irgendwo schon mal gelesen zu haben, vielleicht im Internet.

»Die Umstände sind kompliziert. Lasst es mich so ausdrücken: Wir haben Euch, die Helden, mit einem uralten Ritual beschworen, und nun seid Ihr hier!«

»Beschworen …«

Genau. Das musste es sein! Höchstwahrscheinlich spielte uns jemand einen Streich, aber erst mal blieb uns wohl nichts anderes übrig, als uns alles anzuhören. Es mochte ein Streich sein, aber vielleicht würden die Opfer ja am meisten Spaß dran haben?

Ich war begeistert! Wer dachte sich so was aus?

»Diese Welt schwebt zwischen Fortbestehen und Untergang. Bitte, werte Helden, leiht uns Eure Stärke!«

Die Kuttenmänner verneigten sich tief und ich wartete gespannt, was sie noch zu sagen hatten. Da redeten jedoch schon die anderen drei dazwischen.

»Na, drüber sprechen kann man ja mal …«

»Mir passt das alles gar nicht.«

»Seh ich auch so.«

»Wir können doch in unsere Welt zurück, oder? Das sollten wir zuerst klären.«

Was? Wie konnten diese Typen sich nur derart benehmen, obwohl die Männer sich so ernsthaft vor uns verbeugten? Sie hätten sich ruhig erst alles anhören und dann ihre Entscheidung verkünden können.

Als ich die drei schweigend anstarrte, wandten sie sich mir zu.

Grinsten diese Kerle etwa? Spürten sie nicht die Spannung, die in der Luft lag?

In Wahrheit freut ihr euch doch!

Wenn das hier real war, dann ging doch gerade ein Traum in Erfüllung: Sie bekamen die Chance, in einer fremden Welt Abenteuer zu erleben … Klar, es war überaus klischeehaft, aber konnten sie es sich nicht wenigstens mal durch den Kopf gehen lassen?

»Wie findet ihr es, dass die uns gegen unseren Willen einfach hergeholt haben?«, fragte der Typ mit dem Schwert. Er sah aus wie ein Highschool-Schüler. Nachdem er mir einen kurzen Blick zugeworfen hatte, richtete er seine Waffe auf die Kuttenmänner.

»Angenommen, der Frieden kehrt wieder in dieser Welt ein, dann schickt ihr uns zurück und wir haben umsonst für euch gearbeitet«, stimmte der Typ mit dem Bogen zu und funkelte die Männer an.

»Habt ihr euch mal gefragt, was wir wollen? Vergesst eins nicht: Je nachdem wie das Gespräch verläuft, könnten wir auch zu euren Feinden werden!«

Darum ging es ihnen also: Sie wollten herausfinden, welchen Status sie hier hatten, und stellten sicher, dass sie später eine Belohnung erhielten.

Wie willensstark die waren! Ich fühlte mich irgendwie unterlegen.

»Wenn wir Euch bitten dürften, erst einmal eine Audienz bei unserem König wahrzunehmen? Dort werden wir über Eure Belohnung sprechen.« Feierlich öffnete der Sprecher die Tür und wies uns den Weg.

»Da kann man wohl nichts machen.«

»Sieht ganz so aus.«

»Aber wir geben nicht nach, egal mit wem wir es zu tun bekommen!« Und damit setzten sich die drei entschlossen in Bewegung.

Mir blieb nichts anderes übrig, als ihnen zu folgen.

Wir verließen das düstere Zimmer und gingen einen gemauerten Korridor entlang.

Was war das nur? Die Luft erschien mir irgendwie besonders – anders konnte ich es nicht beschreiben. Die richtigen Worte zu finden, war noch nie meine Stärke gewesen.

Als wir durch ein Fenster einen Blick auf die Landschaft werfen konnten, verschlug es allen den Atem – Himmel, wohin man blickte, und die Aussicht auf eine Stadt, die aus einer Broschüre für Europareisen hätte stammen können. Viel Zeit hatten wir jedoch nicht, um die Häuserreihen zu bestaunen. Wir wurden weiter durch den Korridor geführt und hatten bald den Thronsaal erreicht.

»Oho, sind das etwa die vier legendären Helden?«

Der alte Mann, der dort so stolz auf dem Thron saß, musterte uns abschätzend.

Einen guten ersten Eindruck machte er nicht gerade … Für Leute, die auf andere herabblicken, hatte ich gar nichts übrig.

»Wir sind der König dieses Landes, Aultclay Melromarc der XXXII. Ihr Helden, zeigt Uns eure Gesichter!«

Guckt hier irgendwer nach unten?, wollte ich einwerfen, unterdrückte jedoch den Impuls, meine Gedanken laut auszusprechen. Als König stand er nun einmal über allen.

»Alsdann, zuerst wollen Wir euch Unsere Situation erklären. Dieses Land, ja unsere ganze Welt, blickt dem Untergang entgegen.«

Er sprach, wie man es von einem König erwartete.

»Na, es muss ja auch schon was in der Größenordnung sein, wenn ihr uns dafür extra aus einer anderen Welt ruft.«

»Ja, oder?«

Zusammengefasst erzählte uns der König Folgendes: Es gab eine Prophezeiung, die das Ende dieser Welt verkündete. Welle auf Welle würde über die Welt hereinbrechen, und wenn es nicht gelänge, sie abzuwehren, brächten die damit einhergehenden Katastrophen das Ende.

Laut der Prophezeiung sollte all dies dieses Jahr beginnen und, wie vorhergesagt, hatte offenbar der Sand einer uralten Drachensanduhr zu rieseln begonnen.

Die Uhr sagte die Wellen vorher und warnte immer einen Monat im Voraus. Der Überlieferung nach würde zwischen den Wellen daher immer mindestens ein Monat liegen.

Anfangs hatte die Bevölkerung dieses Landes die Prophezeiung nicht ernst genommen. Dann jedoch war in dem Moment, als der Sand der Drachenuhr erstmals vollständig durchgerieselt war, wie vorhergesagt, das Unheil gekommen.

Im Land Melromarc hatte sich ein Riss zu einer anderen Dimension aufgetan, und unzählige furchterregende Ungeheuer waren hindurchgekrochen. Es war den Rittern und Abenteurern des Landes nur mit knapper Not gelungen, die Ungeheuer zu bezwingen, doch die nächste Welle würde noch kraftvoller sein. Das Übel abzuwenden, würde unter diesen Umständen ein Ding der Unmöglichkeit darstellen.

Daher hatten die Entscheidungsträger des Landes der Überlieferung gemäß die Heldenbeschwörung durchgeführt. Und das war eigentlich auch schon alles.

Übrigens hatten wir es wohl unseren legendären Waffen zu verdanken, dass wir die hiesige Sprache verstanden.

»Okay, ich hab’s geschnallt: Ihr habt uns Helden beschworen, und jetzt sollen wir die Arbeit machen. Stimmt’s?«

»Ist ja sehr praktisch für euch.«

»Stimmt! Ihr sagt uns nicht, was wir zu tun haben! Wenn es eure Bestimmung ist, unterzugehen, dann geht eben unter! Das ist nicht unsere Baustelle.«

Insgeheim freuten sie sich riesig, das konnte ich ihnen ansehen. Was redeten sie also so unverschämt daher? Vielleicht sollte ich aber lieber mitspielen …

»Wir sind ganz sicher nicht verpflichtet, euch zu helfen. Wir machen die ganze Arbeit und wenn dann Frieden herrscht, sagt ihr nur Tschüss und schickt uns nach Hause. Wisst ihr überhaupt, wie ihr uns wieder heimschicken könnt? Wie sieht’s damit aus?«

»Hm …« Der König warf seinen Untergebenen einen Seitenblick zu.

»Natürlich steht den Helden eine angemessene Belohnung zu.«

Die Helden, mich eingeschlossen, ballten die Hände zu Fäusten.

Geschafft! Wir waren mit unserer Verhandlung einen Schritt weiter.

»Auch für Eure Ausgaben kommen wir selbstverständlich auf. Bitte, tapfere Helden, verteidigt unsere Welt! Wir sind gewillt, alle hierfür nötigen Vorkehrungen zu treffen!«

»Tja … Dann bräuchten wir das noch schriftlich.«

»Und glaubt nicht, dass ihr uns vollends auf eurer Seite habt. Solange wir uns einig sind, werden wir aber für euch kämpfen.«

»Würde ich auch so sagen.«

»Ja, oder?«

Warum redeten diese Typen die ganze Zeit so von oben herab? Wie die Dinge standen, hätten doch wohl sie die größeren Probleme, wenn sie es sich mit dem König verscherzten. Doch auf lange Sicht würde es uns wohl zugutekommen, wenn wir jetzt standhaft blieben.

»Alsdann, tapfere Helden, verkündet Uns eure Namen.«

In dem Moment fiel es mir auf: War das nicht alles ziemlich genau wie in dem Buch, in dem ich zuvor geschmökert hatte, dem Traktat der Waffen der vier Heiligen?

Schwert, Lanze, Bogen und Schild.

Auch wurden wir Helden genannt. Vielleicht hatten wir uns in die Welt aus dem Buch verirrt.

Während ich noch darüber nachdachte, trat der junge Mann mit dem Schwert nach vorn und stellte sich vor.

»Mein Name ist Ren Amaki. Ich bin 16 Jahre alt und gehe auf die Highschool.«

Held des Schwertes, Ren Amaki. Er war gutaussehend. Sein Gesicht trug ebenmäßige Züge und er war eher klein, vielleicht 160 cm? Er war der hübsche, androgyne Typ, den man für ein Mädchen halten würde, würde er Frauenkleider anziehen. Sein schwarzes Haar trug er kurz und mit seinen schmalen Augen und seiner weißen Haut wirkte er sehr cool auf mich. Der typisch zart gebaute Schwertmeister.

»Dann will ich mal als Nächstes. Ich heiße Motoyasu Kitamura, bin 21 Jahre alt und Student.«

Held der Lanze, Motoyasu Kitamura. Er schien so was wie ein fröhlicher älterer Bruder zu sein. Sein Gesicht war ebenso attraktiv wie das von Ren. Er machte einen umgänglichen Eindruck, wie jemand, der gut ein, zwei Freundinnen hätte haben können. Schätzungsweise mochte er so 170 cm groß sein. Die Haare hatte er sich zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, was ihm gut stand, obwohl er ein Mann war. Er schien der fürsorgliche Typ zu sein.

»Jetzt ich, ja? Ich heiße Itsuki Kawasumi, bin 17 Jahre alt und gehe auf die Highschool.«

Held des Bogens, Itsuki Kawasumi. Dieser Junge strahlte die Ruhe eines Klavierspielers aus. Wie sollte man das beschreiben? Er wirkte eitel auf mich, strahlte aber auch eine gewisse Stärke aus. Schwer einzuschätzen. Mit seinen 155 cm war er von uns allen der Kleinste. Zudem hatte er gewelltes Haar, vielleicht eine Dauerwelle, und wirkte wie ein stiller, kleiner Bruder.

Alle schienen Japaner zu sein. Es würde mich jedenfalls sehr überraschen, wenn sich einer von ihnen später als Ausländer entpuppte.

Hoppla, ich bin dran!

»Zuletzt ich. Mein Name ist Naofumi Iwatani. Ich bin 20 Jahre alt und Student.«

Während der König mich musterte, lief es mir kalt den Rücken hinunter.

»Hm. Ren, Motoyasu und Itsuki, ja?«

»König, Sie haben mich vergessen.«

»Verzeihung. Und Naofumi.«

Mann, was für ein zerstreuter Opa. So was … Ich schien zwar irgendwie nicht so recht hineinzupassen, aber vergessen musste er mich deswegen noch lange nicht.

»Nun denn, werte Helden, bestätigt bitte euren Status und schätzt euch selbst objektiv ein.«

»Bitte?« Was meinte er mit Status?

»Ähm, wie genau sollen wir das machen?«, erklang schüchtern Itsukis Stimme.

»Leute«, sagte Ren, als könne er unsere Unkenntnis nicht fassen. »Habt ihr’s etwa nicht gleich gemerkt, als ihr hier angekommen seid?«

Woher sollten wir das wissen? Er machte ein Gesicht, als wüsste er alles.

»Ich meine, habt ihr nicht im Augenwinkel das Icon gesehen?«

»Was?«

Doch jetzt, wo er es sagte, fiel auch mir das Zeichen am Rand meines Gesichtsfeldes auf – man musste einfach nur seine Aufmerksamkeit darauf lenken.

»Und jetzt versucht mal, euch bewusst darauf zu konzentrieren.«

Ich hörte ein leises Piepsen, und dann, ganz so, als würde man ein Browserfenster öffnen, vergrößerte sich das Icon, bis es sich über mein komplettes Gesichtsfeld zog.

Naofumi Iwatani
Klasse: Held des Schildes, Level 1
Ausrüstung: Small Shield (legendäre Waffe)
Kleidung der anderen Welt
Fähigkeiten: keine
Magie: keine

Die Liste ging noch lange weiter.

Hierum ging es also bei dieser Statusgeschichte?

Was war das denn? Wie in einem Videospiel!

»Level 1 … Macht einen nervös, oder?«

»Absolut. Keine Ahnung, ob wir so überhaupt kämpfen können.«

»Was soll das alles sein?«

»Gibt es das nicht in eurer Welt? Das nennt man Statusmagie. In dieser Welt verfügt ein jeder darüber.«

»Tatsächlich?«

Sich den eigenen Körper in Zahlen anschauen zu können, war hier etwas ganz Normales? Wie erstaunlich!

»Und was jetzt? Diese Werte sind auf jeden Fall beunruhigend.«

»Nun ja, ihr Helden solltet euch nun auf eine Abenteuerreise begeben, euch stählen und eure legendären Waffen aufleveln.«

»Aufleveln? Sind unsere Waffen nicht von Anfang an stark genug?«

»Nein. Es heißt, die beschworenen Helden müssten die legendären Waffen selbst schrittweise entwickeln.«

»Sollten wir nicht lieber erst mal andere Waffen verwenden, bis diese stark genug sind, um ihren Zweck zu erfüllen?«, fragte Motoyasu und drehte dabei seine Lanze in den Händen.

Da hatte er recht. Für mich mit meinem Schild, der kaum als Waffe dienen konnte, war das besonders wichtig.

»Darum kümmern wir uns später«, sagte Ren. »Jetzt trainieren wir erst mal, wie der König gesagt hat.«

Wir waren als Helden in eine fremde Welt gerufen worden, wie aufregend! Es war ein bisschen wie in einem Manga – welchem Otaku hätte dabei nicht das Herz höhergeschlagen? Ich konnte mein Glück kaum fassen, und die anderen sahen ebenso hingerissen aus wie ich.

»Und wir vier bilden jetzt eine Gruppe?«

»Wartet bitte, Helden!«

»Hm?«

Gerade hatten wir zu unserem Abenteuer aufbrechen wollen, da sprach der König weiter: »Jeder Held soll seine eigenen Gefährten anwerben und sich mit ihnen der Quests annehmen.«

»Warum das?«

»Der Überlieferung nach hemmen sich die legendären Waffen gegenseitig in ihrer Entwicklung, sollten die Helden nur gemeinsam aktiv sein.«

»Stimmt das wirklich? Falls ja, bedeutet das, dass wir nicht stärker werden, wenn wir zusammen losziehen.«

Was war das denn? Ich entdeckte, dass ich Informationen darüber abfragen konnte, wie man meine Waffe benutzte.

Die anderen schienen es ebenfalls bemerkt zu haben.

Achtung: Wenn die Träger der legendären Waffen gemeinsam kämpfen, treten Gegenwirkungen auf. Bitte möglichst einzeln operieren!

»Scheint tatsächlich zu stimmen …«

Was war das wieder für eine videospielmäßige Anleitung? Es schien wirklich so, als wären wir in ein Game hineingeraten. Na ja, aber ein derart realistisches Spiel gab es nicht. Dies waren lebendige Menschen, daher war das logisch gesehen auch alles real. Das dachte ich mir jedenfalls.

Vor mir sah ich eine gründliche Beschreibung meiner Waffe, doch im Augenblick hatte ich nicht die Ruhe, mir das alles durchzulesen.

»Dann müssen wir also zuerst Gefährten anheuern, hm?«

»Wir möchten euch hierbei unterstützen. Die Sonne steht bereits tief. Ruht euch heute aus. Es wird am besten sein, wenn ihr morgen aufbrecht. Wir werden bis dahin nach geeigneten Talenten suchen, die euch begleiten können.«

»Vielen Dank.«

»Ja, danke.«

Nachdem wir uns alle bedankt hatten, wurden wir zu einem Gästezimmer geführt, das der König für uns bereitgestellt hatte, um dort die Nacht zu verbringen.

Kapitel 3: Die Helden beraten sich

Wir saßen auf den luxuriösen Betten in unserem Gästezimmer. Jeder starrte seine Waffe an und behielt dabei die eigene Statusanzeige im Auge.

Als ich zum Fenster hinübersah, waren mehrere Stunden vergangen, und die Sonne war untergegangen. So konzentriert hatten wir die Erläuterungen gelesen.

Die legendären Waffen erforderten keinerlei Wartung und waren multifunktional. Zum Level des Benutzers und der Waffe ließ sich ein Waffenbuch aufrufen, in dem die Anzahl der besiegten Monster verzeichnet war. Es schien eine Übersichtstafel darzustellen, anhand der man ablesen konnte, in was man die Waffe verwandeln konnte.

Ich öffnete über das Waffenicon das Waffenbuch.

Zzzzzzip!

Über das Fenster hinaus wurden Waffenicons angezeigt. Sämtliche Formen waren als nicht verfügbar gekennzeichnet.

Soso, man konnte seine Waffe also aufleveln, um an die besonderen zu gelangen. Ja, es war genau wie das Skill-Diagramm in einem Onlinegame. Um Fähigkeiten zu bekommen, musste man erst die anderen Transformationen freispielen … Wie in einem echten Videospiel.

»He, das ist ja wie in einem Spiel!«

Offenbar war ich nicht der Einzige, der die Hilfefunktion aufgerufen hatte. Das bestätigte meine Entdeckung.

»Ein Spiel also? Mit denen kenn ich mich aus«, prahlte Motoyasu.

»Aha?«

»Na ja, das ist wie in diesem einen bekannten Onlinespiel. Kennt ihr das nicht?«

»Ich bin auch ein ziemlicher Otaku, aber mir sagt’s nichts.«

»Naofumi, kennst du’s auch nicht? Das hier ist wie in Emerald Online!«

»Was soll das sein? Hab ich noch nie von gehört.«

»Naofumi, bist du sicher, dass du ein Gamer bist? Das Spiel kennt doch jeder!«

»Ich kenne Odin Online und Fantasy Moon Online. Die sind ja wohl auch berühmt.«

»Was sollen das für Spiele sein? Von denen hör ich zum ersten Mal.«

»Hä?«

»Was?«

»Was redet ihr da? Diese Welt ist nicht wie irgendein Onlinegame, sondern eher wie ein Konsolenspiel!«

»Motoyasu, Itsuki, das stimmt doch nicht! Meint ihr nicht, es ist eher ein VRMMO*?«

»Was?«, fragte Motoyasu. »Mal angenommen, wir befinden uns wirklich in der Welt eines Onlinegames, spielt man die nicht mit einer Maus oder einem Joypad?«

Ren legte den Kopf schief, dann klinkte er sich erneut in das Gespräch ein. »Maus? Joypad? Von was für Antiquitäten sprecht ihr da bitte? Heutzutage denkt man bei Onlinegames doch zuerst an VRMMO!«

»VRMMO? Meinst du Virtual-Reality-MMO? So weit ist die Technik nicht, das gibt’s nur in Science-Fiction-Storys. Du träumst wohl!«

»Was?!«, rief Ren laut aus.

Mir fiel wieder ein, dass er als Erster die Statusmagie entdeckt hatte. Irgendwie schien er mit all dem vertraut zu sein. Vielleicht wusste er ja irgendwas?

Da hob Itsuki die Hand. »Ähm … sagt mal, ihr geht also alle davon aus, dass ihr das Spiel kennt?«

»Brave Star Online.«

»Emerald Online.«

»Keine Ahnung. Sind wir überhaupt in einer Spielwelt?«

Es kam mir zwar auch so vor, aber gehört hatte ich von so einem Spiel noch nie.

»Also, ich glaub übrigens, dass es die Welt aus dem Konsolengame Dimension Wave ist.

Jeder nannte Spiele, die die anderen nicht kannten.

»Wartet mal«, sagte Motoyasu plötzlich und fasste sich mit der Hand an die Stirn. »Lasst uns erst mal unsere Informationen ordnen.«

»Ren, du bleibst dabei, dass dies ein VRMMO ist?«

»Allerdings.«

»Itsuki, Naofumi, ihr beide wisst, was das bedeutet, richtig?«

»Ich kenn so was nur aus Science-Fiction-Geschichten.«

»Ich meine mich zu erinnern, so was mal in einer Light Novel gelesen zu haben.«

»Ja, mir geht‘s genauso. Also, Ren, du sagst, dies ist wie bei Brave Star Online? Und das ist so ein VRMMO?«

»Ja, das Spiel, das ich ständig gespielt hab, heißt Brave Star Online. Diese Welt erinnert mich total daran.«

Rens Worten zufolge musste er aus einer Welt stammen, in der diese Art von Technologie selbstverständlich war. Dort konnte man offenbar mit Gehirnströmen allein in eine erfundene Computerwelt eintauchen.

»Sagen wir mal, du hast recht. Gibt es denn in deiner Welt solche alten Onlinespiele wie die, von denen wir erzählt haben?«

Ren schüttelte den Kopf. »Und ich kenn mich eigentlich mit der Geschichte von Computerspielen aus. Von euren hab ich jedoch noch nie was gehört. Eurem Verständnis nach sind das wohl berühmte Titel?«

Motoyasu und ich nickten.

Dass er sich mit Onlinespielen auskennen wollte und von denen noch nie gehört hatte, war seltsam. Es war natürlich möglich, dass wir einfach alle einen begrenzten Horizont hatten, aber wenigstens die bekanntesten Titel konnten wir doch wohl beim Namen nennen!

»Dann geht’s jetzt mal um Allgemeinwissen. Ihr kennt ja bestimmt den Namen des gegenwärtigen Premierministers.«

»Klar.«

»Okay, alle gleichzeitig!«

Jetzt wurde es spannend …

»Masado Yuta.«

»Gotaro Yawara.«

»En‘ichi Odaka.«

»Shigeno Ichifuji.«

Wir blickten einander sprachlos an.

Ich kannte keinen der Namen, die die anderen genannt hatten. Nicht einmal im Geschichtsunterricht hatte ich je von ihnen gehört.

Als Nächstes sprachen wir über bekannte Jargons und Seiten im Netz und befragten einander zu berühmten Spielen. Und wieder kannte keiner etwas von dem, das die anderen nannten.

»Sieht so aus, als käme jeder aus einem anderen Japan.«

»So sieht’s aus. Völlig unmöglich, dass wir aus demselben Japan kommen.«

»Aber das heißt ja, dass es in anderen Welten auch ein Japan gibt, oder?«

»Wir hätten auch aus verschiedenen Zeiten stammen können, aber da ja rein gar nichts zusammenpasst, muss es dann wohl so sein.«

Vier überaus merkwürdige Gesellen hatten sich hier versammelt. Eins hatten wir aber gemeinsam: Wir waren alle Otakus. Daher mussten wir uns wohl keine Sorgen machen.

»Wenn das so ist, dann müsste ja jeder aus einem anderen Grund hier sein.«

»Ich quatsch nicht gern lange sinnlos rum, aber wir sollten unsere Informationen abgleichen.« Ren sprach in einem angeberischen Ton, als müsste er allen beweisen, wie cool er sei. »Ich hatte Pech und bin auf dem Heimweg von der Schule in einen Überfall hineingeraten. Da war ein Riesenlärm auf der Straße.«

»Soso. «

»Ich weiß noch, dass ich den Verbrecher packen wollte, um einen Freund zu beschützen, mit dem ich unterwegs war.« Während Ren erzählte, rieb er sich die Seite.

Ich wollte ihn schon fragen, was für ein toller Held er sei, dass er seinen Freund verteidigt hat, ließ es dann aber doch bleiben.

Sollte seine Geste andeuten, dass ihn der Verbrecher bei dem Gerangel in die Seite gestochen hatte?

Ich verbuchte ihn als wenig vertrauenswürdig. Als jemanden, der sich aufspielte und einem ins Gesicht log. Aber schließlich war er mein Heldengefährte, daher ließ ich ihn gewähren.

»Und dann war ich mit einem Mal in dieser Welt.«

»Echt? Tolle Sache, wie du deinen Kumpel beschützt hast!«

Auf mein Kompliment hin gab er sich cool und grinste. Langsam reichte es mir.

»Jetzt ich«, sagte Motoyasu leichthin und deutete auf sich selbst.

»Also, ich geh mit vielen Mädchen aus, okay?«

»War ja klar.«

Er wirkte wie ein fürsorglicher großer Bruder. Jemand, auf den die Mädchen standen.

»Und dann …«

»Hattest du zwei, drei gleichzeitig am Start und wurdest abgestochen?«, mutmaßte Ren verächtlich.

Und was machte Motoyasu? Er blinzelte, und dann nickte er.

»Bei Mädchen muss man echt vorsichtig sein …«

»Verdammt noch mal!« Ich verdeutlichte meinen Ärger, indem ich ihm den Mittelfinger zeigte. Das Arschloch konnte meinetwegen draufgehen. Aber scheinbar war ja genau das passiert, und darum war er jetzt hier, oder?

Itsuki räusperte sich und legte sich die Hand auf die Brust. »Ich war auf dem Nachhauseweg von der Nachhilfeschule. Gerade ging ich über einen Zebrastreifen, da kam plötzlich mit voller Geschwindigkeit ein Kipplaster um die Ecke …«

Wir starrten ihn nur an.

Aller Wahrscheinlichkeit nach war er überfahren worden … Was für ein elendes Ende. Moment! Wie passte ich eigentlich da rein?

»Hm … Muss ich unbedingt erzählen, wie ich in diese Welt gekommen bin?«

»Na, hör mal, wir haben’s schließlich alle gemacht.«

»Stimmt auch wieder. Ähm … Es tut mir leid, aber ich war nur in der Bücherei und hab so ein abgegriffenes Buch gelesen, als plötzlich …«

Schweigen.

Die drei blickten mich kalt an.

Was denn? Gehörte ich nicht mehr zu ihnen, nur weil ich nicht durch einen Unglücksfall in diese Welt gekommen war?

Die drei begannen, miteinander zu tuscheln. Ich verstand nicht, was sie sagten.

»Aber … dieser Typ … und sein Schild …«

»Also war’s bei dir auch so, Motoyasu? Ich wusste es!«

»Ja …«

Ich bekam irgendwie das Gefühl, dass sie sich über mich lustig machten. Zeit, das Thema zu wechseln.

»Also haben wir alle eine recht genaue Vorstellung davon, wie das System dieser Welt funktioniert?«

»Jepp.«

»Wenn man so oft zockt …«

»Schon, so einigermaßen.«

So war das also … Ich war der einzige Anfänger?! Wie unfair!

»H… He … Könnt ihr mir dann vielleicht ein bisschen was erklären? Wie man hier kämpft und so? In meiner Welt gibt’s ja so was nicht!«

Ren blickte mich kalt an, aber Motoyasu und Itsuki betrachteten mich auf eine gutmütige Weise.

»Na gut, Motoyasu und ich bringen dir das Wichtigste bei.«

Motoyasu sah mich merkwürdig heuchlerisch an und hob eine Hand. »Dann will ich zuerst von dem Spiel erzählen, das ich kenne: Emerald Online. Du bist ein Shielder … Bei der Charakterklasse dreht sich alles um den Schild.«

»Okay.«

»Anfangs ist deine Verteidigung sehr hoch, das ist nicht schlecht. Aber später steckt ein Shielder ganz schön Schaden ein …«

»Okay …«

»In den höheren Leveln gibt es kaum noch welche, da ist die Klasse völlig nutzlos.«

»Oh neiiiiiiiiiiiiiiiiiin!«

Das hatte ich nun echt nicht hören wollen! Was für eine Hiobsbotschaft! Ich war also von Anfang an dazu bestimmt, nicht gebraucht zu werden? Moment mal!

»Und Updates? Gab’s da nie mal ein Update?«

Bedeutete die Balance zwischen den Klassen denn gar nichts?

»Nee, das war sowohl vom System als auch von den Spielern her eine hoffnungslose Klasse. Da hat sich einfach keiner mehr drum gekümmert.«

»Konnte man die Klasse nicht wechseln?«

»Was meinst du? Wenn der Charakter stirbt oder was?«

»Nein, ich meine, einfach die Klasse wechseln.«

»Nein, in dem Spiel kannst du nicht wechseln.«

Was?! Ich blickte auf meinen Schild hinab. Ich stecke echt in dieser schwierigen Klasse fest? So finster ist also meine Zukunft?

»Und wie denkt ihr darüber?«, fragte ich und blickte Ren und Itsuki an. Sie wichen meinem Blick aus.

»Sorry …«

»Ich seh’s genauso …«

Verdammt! Ich hatte also tatsächlich die Niete gezogen?

Ich saß nur noch gedankenverloren da. Sie warfen mir hin und wieder Seitenblicke zu und unterhielten sich dabei lebhaft über ihre Spiele.

»Und die Map und so?«

»Die Namen sind anders, aber sonst unterscheidet sie sich nicht groß. Höchstwahrscheinlich sind die stärkeren Monster auch ähnlich verteilt.«

»Die Waffen eignen sich für unterschiedliche Jagdreviere. Wir sollten besser nicht die gleichen Orte aufsuchen.«

»Ja, Effizienz ist wichtig.«

Hieß das, dass sie alle die Tricks kannten? Kam mir ganz so vor!

Ja, so schwach, wie ich war, sollte ich mich wohl lieber auf meine Gefährten verlassen.

Ich hatte verschiedene Optionen. Wenn ich trotz allem einfach mitkämpfte, würde ich natürlich stärker werden. In einer fremden Welt, Seite an Seite mit meinen Gefährten in der Schlacht, würde sich eine tiefe Verbindung zwischen uns entwickeln. Das war der Königsweg, richtig?

Es wäre gut, wenn mich als Gefährtin auch ein Mädchen begleiten würde. Mit meinem Schild würde ich die Angriffe der Gegner abwehren. In meiner Heimatwelt hatte ich keinen Umgang mit Mädchen gepflegt, aber vielleicht würde ich ja hier eins kennenlernen …

»Hm … also gut, jetzt sind wir schon mal hier. Ich bin vielleicht schwach, aber irgendwie werde ich schon zurechtkommen!«

Ich hatte das Gefühl, dass sie mich ansahen, als wäre ich etwas Erbärmliches … aber davon durfte ich mich nicht beirren lassen, sonst hatte ich schon verloren. Und überhaupt war das hier kein Spiel. Ich mochte zwar nur meinen besonderen Schild haben, aber ich konnte ihn sicher loswerden und stattdessen eine Waffe benutzen.

»Na dann!«, rief ich kraftvoll. »Geben wir unser Bestes!«

»Werte Helden, der Tisch ist gedeckt.«

Ach? Es sah ganz so aus, als würde man uns etwas zum Abendessen servieren.

»Ah!«

Unsere Geleitperson öffnete die Tür zum Rittersaal und bat uns hinein. Ein Speisesaal wie der eines Schlosses aus einem Fantasyfilm offenbarte sich uns. Auf dem Tisch standen alle möglichen Speisen, von denen sich jeder bedienen konnte.

»Setzt Euch und nehmt Euch, was Euch schmeckt.«

»Was? Soll das etwa heißen, wir essen gemeinsam mit den Rittern?«, murrte Ren.

Wie unhöflich, sich darüber zu beklagen.

»Nein, diese Speisen sind eigens für die Helden vorbereitet worden. Die Ritter kommen erst herein, wenn Ihr fertig seid.«

Ich blickte mich um. Diejenigen, die hier für den Lärm verantwortlich waren, waren offenbar die Köche. So war das also: Es gab hier eine Rangfolge, und die Ritter würden bekommen, was wir übrig ließen.

»Na dann, vielen Dank.«

»Essen wir.«

»Genau.«

Und so durften wir die Speisen einer fremden Welt genießen.

Mysteriös: Es gab nichts, was uns nicht schmeckte. Es gab jedoch ziemlich viele eigenartige Speisen. Zum Beispiel etwas, das wie Omelett aussah, aber nach Orangen schmeckte.

Als wir fertig waren und uns wieder auf unserem Zimmer befanden, breitete sich in uns allen die Müdigkeit aus.

»Kann man hier etwa kein Bad nehmen?«

»Dies ist eine mittelalterliche Welt … da haben sie bestimmt so was wie Waschzuber.«

»Ich glaub, das bereiten die nur vor, wenn wir was sagen.«

»Na, einen Tag wird’s auch mal so gehen, oder?«

»Genau«, sagte Motoyasu. »Ich bin müde und morgen geht das Abenteuer los, also sollten wir lieber schnell schlafen.«

Alle nickten und legten sich hin. Wir dachten noch eine Weile über alles nach, was uns bevorstehen mochte, dann schliefen wir ein.

Morgen würde mein großes Abenteuer beginnen!

*Virtual Reality Massive Multiplayer Online

Kapitel 4: Spesengeld

Der nächste Morgen.

Wir konnten es kaum erwarten, dass uns der König nach dem Frühstück endlich zu sich rief. Jetzt? Jetzt?