The Rising of the Shield Hero – Light Novel 12 - Kugane Maruyama - E-Book

The Rising of the Shield Hero – Light Novel 12 E-Book

Kugane Maruyama

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Beschreibung

Der Sieg über die Invasoren, die im ersten Moment unsterblich erschienen, wurde errungen. Darüber hinaus ist es Naofumi gelungen, Ren Amaki, den Schwerthelden, zu bekehren. Endlich herrscht wieder friedlicher Alltag – doch der währt wie immer nicht lange. Ein neues Teammitglied, ein kleiner Drache, sorgt für jede Menge Wirbel. Als Naofumi nur eine Sekunde nicht aufpasst, verschluckt der Racker einen Gegenstand, der dem Drachen den Verstand raubt und zudem einen Gegner auf den Schlachtplan ruft, der über unfassbare Kräfte verfügt!

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Inhaltsverzeichnis

Prolog: Die Vormittage des Schildhelden

Kapitel 1: Spontanes Aufblühen

Kapitel 2: Die Alchemistin

Kapitel 3: Filolials und Drachen

Kapitel 4: Stardust Blade

Kapitel 5: Klopfstreiche

Kapitel 6: Der Level-Drain

Kapitel 7: Das verseuchte Land

Kapitel 8: Der Dämonendrache

Kapitel 9: Erzwungenes Hochrüsten

Kapitel 10: Reinigung

Kapitel 11: Perfect Hidden Justice

Kapitel 12: Gerechtigkeit gegen Gerechtigkeit

Kapitel 13: Wiedergutmachung

Kapitel 14: Die geheime Basis

Kapitel 15: Alles Sein ist Leere

Prolog: Die Vormittage des Schildhelden

Im Allgemeinen begann mein Tag früh. Ich stand noch eher auf als die Sklaven. Es sei denn, ich hatte bis in die Nacht Arzneien hergestellt oder irgendwelche Aufgaben erledigt.

Mein Name ist Naofumi Iwatani. Eigentlich war ich ein Universitätsstudent im Japan der Gegenwart, doch als ich in einer Bibliothek im Traktat der Waffen der vier Heiligen gelesen hatte, war ich unglücklicherweise in eine andere Welt beschworen worden – als der Held des Schildes.

Mein Auftrag war es, die Vernichtung der Welt durch die sogenannten »Wellen« aufzuhalten, bei denen es sich um ein Weltenverschmelzungsphänomen handelte – wie ich mittlerweile herausgefunden hatte. Anfangs hatte ich geglaubt, ein Traum sei wahr geworden: Ich war ja schließlich in eine andere Welt beschworen worden. Doch man hatte sich grausam gegen mich gewandt, mich verleumdet und mich ohne eine Münze davongejagt.

Dadurch war ich zu einem Sonderling geworden, der niemandem mehr traute. Mir war selbst bewusst, wie schlimm das war. Allerdings hatte es sich etwas gelegt, nachdem die Verschwörung ans Licht gekommen war und man die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen hatte.

Es hatte sich dann noch allerhand ereignet. Ich war daran gescheitert, mich mit den anderen Helden gutzustellen, und durch das Auftauchen der Geisterschildkröte hatten wir verschiedene Probleme lösen müssen. Immerhin hatte sich so die Zeit bis zur nächsten Welle beträchtlich verlängert.

Ich hatte beschlossen, die Zeit zu nutzen, um eine Privatarmee aufzubauen, angeregt von Kizuna Kazayama und ihren Gefährten, die wir in einer anderen Welt kennengelernt hatten.

Im Augenblick baute ich Raphtalias Heimatdorf wieder auf – Raphtalia war meine rechte Hand und ich so etwas wie ihr Ziehvater. Wir hatten die in die Sklaverei geratenen Bewohner zurückgeholt und mit ihrer Ausbildung begonnen, aber auch danach hatte es wieder alle möglichen Schwierigkeiten gegeben.

Im Dorf hatten wir jetzt aber alles so weit im Griff, und der Wiederaufbau ging gut voran.

»Na dann.«

Ich blickte aus dem Fenster. Die Sonne ging gerade erst auf, und es war noch dämmrig.

»Ho! Ha! Hepp!«

Ren schwang enthusiastisch sein Schwert herum. Der hatte sich jetzt übrigens bei uns im Dorf niedergelassen. Er war der Held des Schwerts und war aus einem anderen Japan beschworen worden, in dem es VRMMOs1 gab: Spiele, bei denen man virtuell ganz in die digitale Welt eintauchen konnte.

Damals bei der Beschwörung hatte er den Coolen gespielt, aber dann war alles Mögliche passiert, und mittlerweile legte er eine ernsthaftere Einstellung an den Tag.

Hätte er zu dieser Uhrzeit noch faul im Bett gelegen, hätte ich ihm was geflüstert. Aber offenbar hatte er bei unserem Gespräch neulich nicht gelogen und wollte wirklich einen Neuanfang machen.

Ich trat aus dem Haus.

»So früh schon am Trainieren?«

»Naofumi? Morgen! Tja, ich muss mich anstrengen, damit ich stärker werde.«

Er und die anderen beiden Helden hatten gegen die Geisterschildkröte verloren. Im Anschluss daran hatten wir sie in unsere Obhut genommen, aber dann waren sie spurlos verschwunden.

Zuerst hatten wir versucht, Motoyasu, den Lanzenhelden, mit der Hilfe Elenas, einer seiner früheren Gefährtinnen, wieder einzufangen. Doch das war schiefgegangen. Auf dem Heimweg waren wir dann Ren begegnet und hatten versucht, ihn unter unsere Fittiche zu nehmen. Doch jene von Grund auf böse Hexe, die mich damals verleumdet hatte, hatte ihn mit honigsüßen Worten getäuscht und war mit ihm geflohen.

Immerhin hatte Motoyasu so ihren wahren Charakter erkannt, und wir hatten ihn unter unseren Schutz bringen können. So weit, so gut, aber dann hatte Filo versucht, den deprimierten Lanzenhelden aufzumuntern, was bei ihm zu einer höchst merkwürdigen Veränderung geführt hatte – und seitdem hatte Filo einen Stalker.

Ich erzähle nur, wie das alles passiert ist, stelle dabei aber gerade selbst fest, wie absurd das klingt.

Jedenfalls war Motoyasu komisch geworden. Wir waren dann mit dem Teleportationsskill vor ihm geflohen.

Ein paar Tage waren ohne größere Zwischenfälle verstrichen, doch dann hatten Räuber angefangen, auf meinem Lehen ihr Unwesen zu treiben. Natürlich brachen wir auf, um sie zur Rechenschaft zu ziehen. Aber dann fanden wir heraus, dass Ren der Anführer der Bande war. Witch hatte ihn betrogen, und nun hatte ein Fluch von ihm Besitz ergriffen.

Und dann … Ach, eigentlich mag ich gar nicht daran zurückdenken … Motoyasu, der ja selbst wirr im Kopf war, hatte Ren hervorgelockt – seiner Aussage nach um Filo und mir in der Not zu helfen. Anfangs hatte sich Ren gewehrt, und es war unmöglich erschienen, ihn umzustimmen. Aber dann hatte Eclair ihn zu einem Schwertkampf herausgefordert und es geschafft, zu ihm durchzudringen. Danach war Ren für seine Bestimmung erwacht, und seither verweilte er in meinem Herrschaftsgebiet, unter Eclairs Führung.

Motoyasu hingegen … war uns leider durch die Lappen gegangen. Immerhin hatte er die Hochrüstmethoden angewandt, die ich ihm erklärt hatte. Somit käme er in Zukunft hoffentlich ein bisschen besser zurecht. Aber die Kämpfe, die uns noch bevorstanden, würden bestimmt nicht leichter. Daher hatte ich den Entschluss gefasst, mir den Stil der Unvergleichlichen Veränderung beibringen zu lassen. Den unterrichtete die alte Schachtel, die damals von ihrer schweren Krankheit auf verblüffende Weise genesen war, nachdem ich ihr auf einer meiner Handelsreisen ein Medikament eingeflößt hatte. Eclair war ihre Schülerin, und sie hatte mithilfe dieses Stils gegen Ren gewonnen. Ich würde jedoch auf spezielle Weise üben müssen, getrennt von den anderen.

»Naofumi, musst du nicht anders trainieren als Eclair oder ich?«

»So ist es.«

»Dann streng du dich auch an.«

»Ich soll mich anstrengen? Das sagst ausgerechnet … Ach, vergiss es.«

Als wir versucht hatten, Ren in Sicherheit zu bringen, hatte er mehrmals Skills der Curse Series angewandt, wofür er nun den Preis zahlte.

Der Habgier-Fluch sorgte dafür, dass Rens Glück sank und er kein Vermögen zusammenhalten konnte. Das schien auch seine Ausrüstung zu betreffen: Die billige Rüstung, die er getragen hatte, war völlig zerlumpt und nicht mehr zu gebrauchen.

Mein Skill Blood Sacrifice ließ sich ebenfalls nicht umsonst anwenden: Er fügte mir schwere Verletzungen zu und senkte meine Werte. Nun litt auch Ren an den Folgen eines Fluchskills. Für die Anwendung von Gold Rebellion hatte er offenbar mit all seinem Geld bezahlt. Die Nachwirkung war, dass alles, was er berührte, in seinem Wert gemindert wurde; auch Drop-Items, die er fand, waren von schlechter Qualität.

Beim Kampf gegen Eclair hatte sich bei ihm zudem auch noch der Fluch der Völlerei gezeigt, und auch die Rechnung für die Nutzung von dessen Skills war umgehend eingetrudelt. Bevor er gegen Eclair verloren hatte, war er angeblich Level 95 gewesen. Nun war sein Level auf 85 gesunken. Offenbar hatte er also für den Einsatz des Skills mit seinem Level bezahlt. In dieser Verfassung konnte man ihn nicht einfach kämpfen lassen, so motiviert er auch sein mochte

»Na, bis später.«

»Jupp.«

Damit nahm Ren sein Schattenfechten wieder auf. Ich winkte ihm zu und ging los. Im Stall angekommen, versorgte ich die Monster aus der Futterkiste und machte ein leichtes Training mit ihnen – was bedeutete, dass ich mit ihnen spielte. Eigentlich hatte ich den Sklaven aufgetragen, sich um die Monster zu kümmern, aber morgens tat ich es aus eigenem Antrieb.

»Aaalso, was machen wir denn heute Schönes?«

Die Monster gaben fröhliche Laute von sich.

In der Regel spielten wir so etwas wie Stöckchenholen oder Fangen. Die Sklaven, die mitmachen wollten, hatten ihre Vorbereitungen schon früh abgeschlossen und standen bereit – natürlich nur die, die nicht auf Verkaufstour mussten. Die Dunes, regenwurmartige Monster, die für die Vorbereitung des Erdbodens zuständig waren, waren jedes Mal mit von der Partie. Sie verstanden sich gut mit den Sklaven der Lumo-Art.

»Wau, wau! Bruder! Noch mal!«

Kiru kam zu mir zurück, den Stock im Maul, den ich geworfen hatte – ein Hund, wie er im Buche stand. Eigentlich war sie eine Subhumanoide, die wie Raphtalia ihre Eltern verloren hatte. Aber sie besaß die Fähigkeit, sich in einen Tiermenschen zu verwandeln. Seit Sadina ihr beigebracht hatte, wie das ging, verbrachte sie viel Zeit in ihrer Tiergestalt. Sie ähnelte dem Welpen eines sibirischen Huskys. In letzter Zeit hatte ich das deutliche Gefühl, dass sie sich immer mehr in einen Hund verwandelte.

Anschließend machte ich Frühstück, wenn mir danach war. Heute waren die Essensvorbereitungen schon erledigt, also half ich den Sklaven, die Küchendienst hatten, das Essen an die Dorfbewohner auszugeben.

Die Zahl der Kindersklaven im Dorf hatte übrigens zugenommen. Als ich unterwegs gewesen war, war ein Untergebener des Sklavenhändlers vorbeigekommen und hatte welche dagelassen. Sie stammten zwar nicht aus diesem Dorf, aber wir hatten immer noch viel zu wenige Helfer für das, was auf uns zukam. Gerade kam die Bewirtschaftung des Lehens so richtig in Schwung, das Dorf inbegriffen. Außerdem mussten wir uns auf die nächste Welle vorbereiten, und jedes bisschen Kampfkraft zählte. Im Augenblick durften wir also nicht wählerisch sein.

Sobald die Neulinge ihr Sklavensiegel hatten, kamen sie in Kirus Hände. Mittlerweile musste ich sie nicht mehr unter meine Fittiche nehmen: Die Älteren paukten den Neuankömmlingen die Regeln ein. Das Kommando hatten Kiru und die anderen ursprünglichen Sklaven, angeführt von Raphtalia.

Sie leisteten gute Arbeit, Ausschimpfen eingeschlossen, daher hatte ich es recht bequem.

»Herr Naofumi, guten Morgen.«

»Raph.«

»Oh, Raphtalia, Raphi. Morgen.«

Raphtalia war mit den anderen Sklaven zum Frühstück erschienen.

Auf sie konnte ich mich stets verlassen. Ursprünglich war sie meine Sklavin gewesen, aber mittlerweile war sie eine Heldin: Das Vasallenkatana einer anderen Welt hatte sie erwählt. In dieser Welt hatte sie als Erste an mich geglaubt. Ich war für sie so etwas wie ein Elternersatz. Wenn ich mit irgendetwas falsch lag, kam mit Sicherheit ein Kommentar von ihr … Wir waren wohl wirklich wie Vater und Tochter.

»Raph.«

Raphi war ein Shikigami – etwas, das man in dieser Welt Gehilfe nannte. In der anderen Welt war Raphtalia verschollen gewesen, und um sie wiederzufinden, hatte ich Raphi aus ihrem Haar gemacht. Sie sah niedlich aus, irgendwas zwischen Tanuki und Waschbär, und machte immer bei allem mit. Ich wollte sie gern verhätscheln, aber es gefiel Raphtalia nicht, wenn ich mich zu viel mit ihr befasste. Aus irgendeinem Grund schien sie ihr nicht ganz geheuer zu sein.

»Herr Naofumi, guten Morgen!«

Jetzt kam auch Atla angelaufen, ihren Bruder Fohl im Schlepptau. Die beiden hatte ich bekommen, als ich mir in Zeltoble neue Sklaven zugelegt hatte. Atla war Fohls kranke Schwester; eigentlich hatte ich ihn gewollt, und sie hatte es mit dazu gegeben.

Sie waren Subhumanoide wie Raphtalia, gehörten aber zur Hakuko-Art. Diese war selbst in Schildwelt berühmt, einem Reich, das den Schildhelden verehrte, und nahm unter den Subhumanoiden einen hohen Rang ein. Obwohl Atla dieser edlen Art angehörte, hatte sie an einer Erbkrankheit gelitten und eigentlich nur noch kurze Zeit zu leben gehabt. Als ich ihr jedoch vom Yggdrasil-Elixier zu trinken gegeben hatte, hatte sich ihre Verfassung rasch gebessert. Zuvor hatte sie nicht einmal gehen können, aber auch das ging mittlerweile. Ihr ganzer Körper war bandagiert gewesen, ihre Haut voller Schwären. Auch die waren durch die Medizin geheilt worden, und nun war Atla das hübscheste Mädchen im Dorf. Ehemals blind, bettlägerig und dem Tode nahe hatte sie sich wieder erholt – unglaublich.

»Ah, Atla … Wo ist denn Sadina?«

Sadina war eine Orca-Frau, die sich ständig betrank. Sie konnte sich verwandeln und befand sich gewöhnlich in ihrer Tiermenschenform. Im Dorf übernahm sie die Rolle einer großen Schwester, auf die sich alle verlassen konnten. Sie hatte reichlich Kampferfahrung: In der Arena in Zeltoble hatte sie uns sehr zu schaffen gemacht.

Es hieß, Sadina wolle einen Mann, der viel Alkohol verträgt. Mich machte er nicht betrunken, und seit sie das spitzgekriegt hatte, rückte sie mir bei jeder Gelegenheit auf die Pelle.

Atla und Sadina mochten mich beide, daher sah ich sie oft zusammen.

»Das weiß ich nicht. Lieber Bruder, bitte lass meine Hand los und geh schnell nach ihr suchen!«

»Das geht nicht, Atla! Wenn ich dich loslasse, läufst du ja bloß wieder zu ihm!«

Beim Kauf war ich eigentlich davon ausgegangen, dass er unsere Truppe verstärken würde. Heidi immer mit seinem Schwesternkomplex … oder sagen wir, seiner großen Liebe zu seiner kleinen Schwester. Jedenfalls ließ Fohl sich von Atla gehörig an der Nase herumführen. Im Augenblick gehörte er zu den älteren Sklaven im Dorf.

»Bruder, schau, dort am Himmel«, sagte Atla beiläufig.

»Hm?«

Als Fohl nach oben blickte, stieß sie ihm einen Finger in den Bauch.

»Ha!«

»Uff …«

Fohl hatte sich überrumpeln lassen. Er wankte, als stünde er kurz vor der Ohnmacht. Atla hatte von den beiden das größere Kampftalent – das bildete ich mir ganz bestimmt nicht nur ein. Der alten Schachtel zufolge nahm sie ihre Umgebung aufgrund ihrer Blindheit umso genauer wahr. Sie nahm Qi oder Magie wahr, besaß unter anderem ein exzellentes Gehör und erspürte präzise den Schwachpunkt ihrer Gegner. Resultierend daraus hatte sie sich offenbar aufs Piksen spezialisiert.

»Ich lass dich … trotzdem nicht los!«

»Bruder, du bist so stur!«

Die beiden waren in vielerlei Hinsicht ein merkwürdiges Geschwisterpaar.

»Trödelt hier nicht ewig rum. Esst auf und macht euch auf den Weg. Atla, für dich geht’s nach dem Frühstück ans Training.«

»Ich freue mich schon!«

»Jaja. Fohl, du levelst und trainierst auch fleißig weiter. Sonst hängt dich deine Schwester noch ab.«

»Grrr … Ja, schon gut!«

Fohl funkelte mich böse an, nickte aber.

Zuvor hatten die beiden unter dem Einfluss von Motoyasus Skill gelitten – oder vielmehr nur Fohl. Die Erinnerung, wie der große Bruder seine kleine Schwester umklammert hatte, war noch frisch. Na ja, immerhin hatte er sie nur am Weglaufen gehindert. Aber das hatte stark danach ausgesehen, als wären da mehr als nur brüderliche Gefühle im Spiel gewesen.

Außerdem gab es noch Filo, doch die war Melty besuchen gegangen und noch nicht wieder zurück. Filo war meine zweite Gefährtin. Eigentlich war sie ein Vogelmonster namens Filolial, aber sie konnte eine menschliche Gestalt annehmen. Dann sah sie aus wie ein kleines blondes Mädchen mit blauen Augen, dem Flügel auf dem Rücken wuchsen.

Für Filolials war es die größte Freude, Kutschen zu ziehen, doch wenn ein Held sie aufzog, entwickelten sie sich auf besondere Weise. Filo hatte ein gutes Kampfgespür und half uns wieder und wieder, brenzlige Situationen zu überstehen. Sie war ein argloser kleiner Fresssack.

Im Augenblick war sie leider in einer blöden Situation: Seit sie Motoyasu getröstet hatte, bedrängte er sie ständig mit Liebesschwüren. Und dann hatte er ihr auch noch ihre geliebte Kutsche geklaut. Deswegen war sie in letzter Zeit mies drauf.

»Sooo, Jungs und Mädels«, rief ich, »wenn ihr aufgegessen habt, fangt mit eurer heutigen Arbeit an.«

Ein Mädchen trat auf mich zu. Es hatte verschlafene Augen und zwei … Begleiter.

»Hm …«

Sie hieß S’yne und war eine Vasallenwaffenträgerin aus einer anderen Welt als dieser oder der, in der Kizuna lebte. Was war sie noch mal? Die Heldin der Nähwerkzeuge? Jedenfalls kämpfte sie mit Garnknäuel und Schere.

Sie war uns unter dem Ringnamen Murder Pierrot begegnet, als Kontrahentin in einer Arena in Zeltoble. Und aus irgendeinem Grund musste ich mich um sie jetzt auch noch kümmern.

Sie hatte silbernes Haar und wirkte auf den ersten Blick wie fünfzehn. Sie war eher klein, eigentlich auch ganz niedlich, aber darauf achtete ich nicht groß, denn so gut kannten wir uns nicht.

Die Welt, aus der sie stammte, war untergegangen, und diejenigen, die dafür verantwortlich waren, waren in diese Welt gekommen, um den vier heiligen Helden nach dem Leben zu trachten. Im Augenblick war S’yne so etwas wie meine Leibwächterin.

»Guten Morgen, Herr Iwatani«, sagte an ihrer Stelle eins der Stofftiere, die sie begleiteten. Sah sie so müde aus, weil sie die Nacht über an ihnen gebastelt hatte? Vermutlich konnte sie diese Puppen als Gehilfen in ihren Dienst nehmen.

Vielleicht lag es daran, dass Nähen ihre Spezialtechnik war, aber mit ihren Puppen stimmte immer irgendetwas nicht. Es war damit losgegangen, dass sie ein Raphi-Stofftier hatte sprechen lassen – als wäre sie nicht ganz bei Trost. Denn gerade darum war Raphi doch so niedlich: Weil sie immer nur »Raph« machte! Wenn sie plötzlich fließend sprechen konnte, war der halbe Reiz verflogen. Als ich sie darauf hingewiesen hatte, hatte sie die Puppe verstummen lassen. Jetzt saß sie auf meinem Bett, neben dem Kopfkissen.

Die neue Puppe war nach Kirus Tiermenschenform gestaltet. Nannten wir sie mal Kiru Nr. 2.

»Guten Mor…«

In S’ynes Worte mischte sich immerzu Rauschen. Als ihre Welt untergegangen war, musste die Übersetzungsfunktion ihrer Vasallenwaffe Schaden genommen haben.

»Ja, Morgen. Sag mal, deine Puppe kann ja ziemlich flüssig sprechen.«

»Und deshalb werde ich sie vertreten«, sagte Kiru Nr. 2 und zeigte auf ein Accessoire, das an ihrem Halsband hing. »Der Gefährte des Todfeindes meiner Herrin, den Ihr besiegt habt, hatte ein Accessoire mit Übersetzungsfunktion. Sie hat es seiner Leiche abgenommen und für mich verwendet.«

Ich hatte es ja schon angesprochen: Eindringlinge aus einer anderen Welt waren in diese Welt gekommen, um die vier heiligen Helden umzubringen. Zwei von denen hatten uns angegriffen. Sie profitierten anscheinend gewaltig davon, andere Welten zu vernichten. Deswegen hatten sie nicht mit sich verhandeln lassen wie zuvor Kizuna und ihre Freunde. Durch die Zerstörung einer Welt hatten sie die Fähigkeit erlangt, wie in einem Videospiel wieder zum Leben zu erwachen: Als wir sie getötet hatten, waren sie wieder aufgetaucht. Sie hatten zudem beeindruckende Kampftechniken gezeigt und uns hart zugesetzt. Zum Glück jedoch hatten sie unter den herrschenden Bedingungen während des Kampfs nicht sofort wiederbelebt werden können, und so hatten wir sie dann doch endgültig bezwungen.

Und dieses Accessoire hatte S’yne also der zurückgebliebenen Leiche abgenommen.

»Das würde ich gern mal analysieren …«

»Soll ich es Euch überlassen?«

S’yne schien es nicht für sich allein beanspruchen zu wollen. Aber ohne das Ding konnte ich nicht vernünftig mit ihr reden. Dank des Gehilfen war es jetzt deutlich leichter. Außerdem befasste ich mich im Moment ohnehin vorrangig mit den Accessoires, die ich aus Kizunas Welt mitgebracht hatte. Es wäre sicher praktisch, wenn wir dieses Übersetzungsitem besser verstünden, aber für mich übernahm das Dolmetschen der Schild. S’yne war die Einzige, die Verwendung für das Ding hatte, also war es wohl nicht besonders dringend, dass ich mich damit auseinandersetzte.

»Wenn ich’s brauche, sag ich Bescheid. Bis dahin kannst du’s behalten.«

»Verstanden. Dann betrachte ich es als Dauerleihgabe.«

»Kann S’yne es nicht selbst benutzen?«

»Es verträgt sich nicht mit der Vasallenwaffe«, sagte Kiru Nr. 2. »Wir können froh sein, dass ich es verwenden kann.«

Hm … Das Item war also nützlich, aber unpraktisch in der Verwendung. Wenn es bei S’yne nichts brachte, würde ich wohl auch nichts damit anfangen können.

»Verstehe. Na schön. S’yne, du willst bestimmt auch was essen.«

Sie nickte und hielt mir ihren Teller hin. Nachdem ich ihr etwas darauf gehäuft hatte, setzte sie sich an einen Tisch und begann schweigend zu essen.

Tja, bei uns war mittlerweile allerhand los.

1 Virtual Reality Massively Multiplayer Online (Role Playing Game)

Kapitel 1: Spontanes Aufblühen

Nachdem die Sklaven aufgegessen hatten, machten sie sich an ihre diversen Aufgaben: Sie trainierten, studierten Magie, gingen auf Handelstour, halfen beim Wiederaufbau – und vieles mehr.

Ich befasste mich je nach Tag mit ganz unterschiedlichen Sachen. Nach dem Frühstück fingen meine Übungen mit Atla an. Fohl war zum Leveln auf Monsterjagd gegangen. Raphtalia hatte Atla beim Wachdienst abgelöst.

Verschiedene Umstände hatten dazu geführt, dass ich jetzt mit Atla trainierte. Es hatte damit begonnen, dass ich die alte Schachtel mit ihrem Stil der Unvergleichlichen Veränderung ins Dorf gerufen hatte.

»Hey, Oma, ich würde auch gern bei deinen Übungen mitmachen.«

Rishia und Eclair erzielten sichtliche Erfolge, deswegen hatte ich den Wunsch, auch ernsthaft mit dem Training zu beginnen. »Oma« klingt vielleicht etwas unhöflich, aber das hatte sich bei uns eben so eingebürgert.

»Einverstanden. Aber ehe Ihr nicht gelernt habt, das Qi zu spüren, hat es keinen Sinn.«

»Ah … Dann müssen wir wohl doch damit anfangen …«

»Ich nehme es mittlerweile ein klein wenig wahr«, sagte Raphtalia.

»Oh ja, Schülerin Raphtalia scheint es allmählich zu begreifen!« Das sah die alte Schachtel offenbar mit einem prüfenden Blick. »In dem Fall solltest du dich jetzt mit Übungen befassen, die eine Stufe schwerer sind!«

»Heißt das, ich muss wieder in den Bergen meditieren?«, murrte ich. »Vielleicht bleibt mir nichts anderes übrig, als auch Lebenskraftwasser einzuschmeißen …«

Dass ich geduldig üben musste, war mir natürlich klar. In letzter Zeit hatte es hier jedoch am laufenden Band irgendwelche Scherereien gegeben. Deswegen hätte ich es lieber sofort gekonnt … Aber so leicht würde ich es wohl nicht haben.

»Nun, es mag eine etwas drastische Maßnahme sein, aber ich wüsste womöglich eine gute Methode für Euch, Heiliger.«

»Na, wenn das so ist, raus damit. Macht mir nichts aus, wenn’s ein bisschen weh tut.«

Es kam schließlich vor allem darauf an, dass ich schnell stärker wurde.

»Es gibt hier jemanden, der noch besser geeignet ist – jemand mit einem exzellenten Gespür fürs Qi. Übt Ihr mit ihr, so werdet Ihr es gewiss begreifen.«

»Meinst du Atla? Ich hab ja schon gehört, dass sie Talent haben soll.«

Eclair hatte mir davon erzählt. Angeblich sah die alte Schachtel keine Notwendigkeit darin, Atla zu unterrichten.

»So ist es.«

Fohl stand auch dabei. Als die alte Schachtel ihn ansah, warf er einen wachsamen Blick zu Atla hinüber.

»Nanu?«, fragte sie. »Was ist denn?«

»Sie wird Euch bestimmt helfen können, das Qi zu meistern.«

»Na ja, als wir letztes Mal auf Jagd waren, kam sie mir stärker vor als Fohl.«

»Was?!«, rief Fohl. »Ich bin doch wohl klar der Stärkere!«

»Bruder, hör bitte auf, mich vor Herrn Naofumi kleinzureden.«

Sie pikste Fohl in die Seite.

»Aua!!« Fohl krümmte sich. »Verd…«

»So sieht’s eben aus, Fohl. Im Moment bist du schwächer als Atla. Wenn du daran was ändern willst, üb mit der Oma.«

»Trotzdem danke für alles, Bruder.«

Er hatte sich durchgehend um sie gekümmert, und das war ihr ganzer Dank? Ich war sprachlos.

»A… Atla?! Grrr … Na schön. Ich werde auf jeden Fall stärker, du wirst schon sehen!«

Plötzlich loderte er ja förmlich vor Kampfgeist. Atla motivierte ihn, Fortschritte zu machen. In dem Sinne war ihre Art ihm gegenüber vielleicht gar nicht so verkehrt.

»Und ich werde zusammen mit Herrn Naofumi trainieren!«

Atla klammerte sich an meinen Arm. Darauf hätte ich verzichten können, aber sie war meine Übungspartnerin, also machte ich gute Miene zum bösen Spiel.

»Na dann. Raphtalia, geh du schon mal mit der Oma …«

»Nein!«, protestierte Raphtalia.

Was war denn nun los? Sie hatte doch so große Lust auf die Übungen gehabt.

»Hm … Nun, vielleicht ist ein bisschen Konkurrenzkampf zwischen den Schülerinnen ja ganz förderlich«, lenkte die alte Schachtel ein. »Eine Rivalin zu haben, fördert den Wunsch, sich zu verbessern.«

Tatsächlich? Na ja, ich hatte in Manga schon ähnliche Sachen gelesen.

»Alsdann, werter Heiliger, stellt Ihr bitte das Seelenheilwasser bereit. Und um ernsthaft zu üben, sollten wir wohl tatsächlich mal wieder in die Berge gehen. Ich bitte darum, dass Ihr auch dies umgehend bewilligt.«

Ursprünglich hatten wir tief in den Bergen unsere Übungen machen sollen, aber das Seelenheilwasser hatte es uns ermöglicht im Dorf, ja sogar in der Stadt zu trainieren. So hatten auch Eclair und Rishia fleißig mitmachen können.

Ren würde wohl zusammen mit Eclair bei der alten Schachtel üben, und ich wusste nicht, wie viel Seelenheilwasser sie brauchten. Angeblich hätte er wohl auch mit mir trainieren können, aber er wollte es sich mit dem Stärkerwerden offenbar nicht leicht machen. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, wenn er mit Eclair übte. So konnten sie sich gegenseitig antreiben.

So war es jedenfalls gekommen, dass Raphtalia und ich nun zusammen mit Atla trainierten. Zuallererst mussten wir lernen, das Qi wahrzunehmen.

»So, Atla, dann mach mal den Angriff, um den ich dich gebeten hab. Aber stärker und schneller.«

»Verstanden!«

Ich blockte ihren Stoß. Ich hörte ein sattes Knistern. Zugleich drang irgendetwas in meinen Körper ein und prallte darin hin und her. Es fühlte sich genauso an wie die Technik, die die alte Schachtel auf mich losgelassen hatte. Zum Glück hatte ich fürs Training einen schwächeren Schild angewählt. Mit einem zu gut hochgerüsteten wäre ich hierbei wohl ernsthaft verletzt worden.

»Gnnn …«

Ich lenkte meine Magie in das fremde Element, das da in mir wütete, und lenkte es mit Gewalt aus. Der alten Schachtel zufolge war das jedoch die falsche Vorgehensweise.

»I… Irgendwie geht’s, aber es ist schwierig. Los, kämpfen wir weiter.«

»Dann lege ich jetzt los! Ha! Ha! Ha!«

Die alte Schachtel hatte mir einige Anweisungen an die Hand gegeben, wie ich zu trainieren hatte. Ich sollte nicht bloß abwehren, sondern richtig mit Atla kämpfen: das habe einen besseren Trainingseffekt. Auch Raphtalia hatte Anweisung, mit Atla in den Ring zu treten.

»Herr Naofumi …«

»Wenn ich Atlas Angriffe abwehre, lerne ich, das Qi zu sehen, sagt die Oma. Es muss wohl sein.«

So wehrte ich also weiter ab, bis ich irgendwann erschöpft zu Boden sank, um zu verschnaufen.

»Als Nächstes du, Raphtalia«, sagte Atla und winkte sie harsch zu sich.

Warum war sie so provokativ? Raphtalia reagierte in charakteristischer Weise. Mit starrer Miene wählte sie ein Holzkatana an.

»Dann fange ich an«, sagte Atla

»Wenn ich dich lasse«, erwiderte Raphtalia.

Während des Schlagabtauschs sprühten Funken zwischen den beiden. Es lag eine Anspannung in der Luft, als wäre dies ein echter Kampf. Die beiden machten richtig Ernst! Sollte ich mich ebenso reinhängen?

»Haaa!«

Im Nu war Raphtalia bei Atla und ließ das Holzkatana niederfahren, doch die wich um Haaresbreite aus und stieß hart mit den Fingern zu. Raphtalia entging ihr ebenso knapp, indem sie sich zurückbog. Dann schwang sie das Katana seitwärts nach ihrer Gegnerin. Die duckte sich und versuchte, die kurze Blöße zu nutzen. Es knallte, als Raphtalia die Attacke mit dem Holzschwert blockte.

»Jetzt pass auf!«

Den nächsten blitzschnellen Stoß parierte Raphtalia, indem sie den Arm beiseite fegte, dann ließ sie das Katana zur Gegenattacke herunterschnellen.

»Bist ja ganz schön hartnäckig!« Atla brachte sich mit einem Flickflack in Sicherheit. »Lass dich einmal treffen, dann ist es vorbei. Anschließend musst du natürlich eine Weile still zusehen, wie ich mit Herrn Naofumi trainiere!«

»Daraus wird nichts! Lass du dich lieber von meinem Katana treffen, dann darfst du Herrn Naofumi und mir zusehen!«

Raphtalia hielt eine Hand über die Krümmung ihrer hölzernen Waffe. Ließ sie irgendetwas hineinströmen? Ich konnte kein Qi sehen, daher hatte ich keinen Schimmer.

»Motiviert bist du ja«, stichelte Atla.

»Das Kompliment kann ich nur zurückgeben!«

Kurz blickten die beiden sich an – dann schossen sie aufeinander zu. Funken stoben auf, als sie aufeinanderprallten. Das hier war doch nur ein Trainingskampf, oder? Beachtlich, wo sie nicht einmal ernst machten.

»Du stehst ja immer noch?«

»Du aber auch.«

Einen merkwürdig energiegeladenen Kampf bekam ich hier geboten. Aber der alten Schachtel zufolge bestand meine Übung darin, den beiden zuzusehen, also würde ich auch genau das tun.

Irgendwann war Mittag, und ich bereitete das Essen zu. Lieber hätte ich Zeit gehabt, um den ganzen Tag zu üben.

»Du hast wieder so lecker gekocht, Bruder!«

Vor Aufregung verwandelte sich Kiru in ihre Tiergestalt und wedelte mit dem Schwanz. Wie sie sich freute, die kleine Hündin mit dem Lendenschurz. Na, meinetwegen. Es ging ja nichts über eine hohe Motivation.

»So, jetzt sind wir satt. Wollen wir dann heute mal beim Waffenhändler vorbeischauen?«

»Gern«, sagte Raphtalia.

»Ja, sehr gern!«, pflichtete Atla ihr bei.

Wir ließen es für heute mit den Übungen bewenden und sprangen mit meinem Teleportationsskill in die Schlossstadt.

Kapitel 2: Die Alchemistin

Als wir den Waffenladen betraten, stand Imiyas Onkel hinter dem Tresen.

»Ah, der Held des Schildes!«

»Hi. Wie läuft’s?«

»Wir bauen und bauen und machen guten Umsatz. Ein Teil wird in Eure Ausrüstung gesteckt.«

Oh! Na, das war doch super. Irgendwie war bei mir schmale Kasse. Ich war immer noch nicht flüssig genug, um Ausrüstung zu kaufen. Wenn ich in dieser Lage Sachen billiger bekommen konnte, weil Imiyas Onkel hier arbeitete, dann war das doch sehr schön.

»Danke, das hilft. Imiya und ihr seid alle so geschickt, aber ich lasse euch ganz schön schuften.«

»Was redet Ihr? Ihr gebt uns Arbeit, die von Wert ist. Wir haben Euch zu danken!«

Imiyas Onkel gehörte zu der Lumo-Art. Das waren Tiermenschen, die Maulwürfen ähnelten.

Imiya hatte ich vom Sklavenhändler, und weil sie so fingerfertig gewesen war, hatte ich mir später noch mehr von der Sorte dazugekauft. Darunter war auch Imiyas Blutsverwandter gewesen. Für mich war er einfach Imiyas Onkel. Er hatte zwar auch einen richtigen Namen, aber wie lautete der noch gleich? Die hatten alle so lange Namen …

Jedenfalls stand Imiyas Onkel dem Waffenhändler nah. Sie hatten früher beim selben Meister gelernt. Ich hatte ihn vor Kurzem zu ihm gebracht, damit er beim Waffenhändler in die Lehre gehen konnte: Er sollte später im Dorf Waffen und Rüstungen für mich bauen. Dabei hatte sich jedenfalls herausgestellt, dass die beiden alte Bekannte waren.

»Wir haben Tag und Nacht diesen Berg aus Materialien erforscht, und irgendwann haben wir uns in die Wolle gekriegt. Gestern Abend flogen sogar die Fäuste.«

»Das ist ja krass.«

Am Vorabend hatten sie sich noch gestritten und geprügelt; schon heute war nichts mehr davon zu spüren, und Imiyas Onkel stand wieder im Laden. Daran merkte man deutlich, wie sehr die beiden einander trauten.

»Was gibt’s denn?«

Der Waffenhändler kam aus den hinteren Räumen dazu. Er hielt einen Hammer in der Hand, an dem er wohl gerade gearbeitet hatte.

»Oh, du, Jungchen? Wie sieht’s denn in letzter Zeit bei dir aus?«

»Wird so nach und nach … Wir machen gerade verschiedene Übungen. Aber erzähl mir lieber, wie’s mit der Ausrüstung aussieht.«

»In den paar Tagen sind wir nicht viel weitergekommen. Bist du bloß deswegen heute hier?«

Als er mich so direkt fragte, dachte ich eine Weile nach. Langsam wanderte mein Blick zu Raphtalia und Atla, die ich mitgebracht hatte.

»Ähm …«

Ich hatte zwar kein Geld, aber mit der Fürsprache von Imiyas Onkel durften wir bestimmt anschreiben. Sollte ich den Händler um etwas bitten, worüber ich mir schon länger Gedanken machte?

»Sag mal, Alterchen, du hast mir doch mal diesen Siderite Shield gezeigt.«

»Hm? Was ist damit? Kannst du damit irgendwie noch stärker werden?«

»Nee, das meine ich nicht. Der Skill Shooting Star Shield ist übrigens ziemlich klasse.«

Seit ich den gelernt hatte, war er mir im Kampf ehrlich eine große Hilfe. Bisher schien mir das ein ziemlich allmächtiger Schild zu sein, den ich eine lange Zeit würde benutzen können. Mit Accessoires könnte man auf eine noch größere Wirkung hoffen.

»Ich hab mich bloß gefragt, ob der Siderite Shield für dich vielleicht eine besondere Bedeutung hat, oder warum du sonst so an ihm hängst …«

»Hm … Ich will ihn bloß ungern verkaufen, weil er aus sehr seltenen Stoffen gefertigt wurde. Aktuell liegt er aber nur im Lager rum. Was ist damit?«

»Ach, tatsächlich? Kann ich dich dann um etwas bitten?«

»Worauf willst du hinaus, Jungchen? Schieß los.«

Ich warf einen Blick zu Raphtalia hinüber, dann unterbreitete ich ihm mein Anliegen.

»Könntest du den Siderite Shield einschmelzen und … ein Siderite Katana oder so was daraus machen?«

Der Waffenhändler und Raphtalia verstanden im selben Moment und nickten.

»Auf ihr Katana hab ich schon oft mal einen Blick geworfen. Ist das eine ähnliche Waffe wie dein Schild?«

Mit einem Mal ging mir auf, dass ich dem Waffenhändler noch gar nichts von Raphtalias Katana erzählt hatte. Sie zog es aus der Scheide und zeigte es ihm.

»Das ist eine Vasallenwaffe aus einer anderen Welt, wahrscheinlich eine Entsprechung unserer sieben Sternwaffen.«

»Verstehe. Und du gehst davon aus, dass die junge Dame ebenfalls eine besondere Kraft anwenden kann, wenn ich den Siderite Shield zu einem Katana umschmiede.«

»Genau. Würdest du das machen?«

»Raphtalia, du bekommst eine Waffe von Herrn Naofumi?«, fragte Atla. »Ach, da werd ich ja neidisch. Ich hätte auch so gern eine.«

Ich beachtete sie nicht weiter. Wer mit bloßen Händen kämpfen konnte, brauchte keine Waffe.

»Unmöglich wär’s nicht«, sagte der Alte.

»Dann machst du’s?«

»Ach, das Ding hat Seltenheitswert, aber das ist auch schon alles. Ich hab mich sowieso bereits gefragt, was ich damit anfangen soll. Wenn’s euch nützt, soll’s mir recht sein.«

»Soll ich den Schild dann später zum Schmelzofen bringen?«, fragte Imiyas Onkel.

Der Waffenhändler nickte. »Aber ein Katana …«

Er richtete den Blick gedankenverloren in die Ferne. Auch Imiyas Onkel wirkte nachdenklich, schien in Erinnerungen versunken.

»Was ist?«

»Werter Held des Schildes, Katanas zu schmieden war die Stärke unseres Lehrmeisters.«

»Nun, es war sein Hauptgeschäft, aber er hat auch andere Sachen gemacht.«

»Aha …«

Ich meinte schon gehört zu haben, dass Waffenschmiede sich spezialisierten. Im Europa meiner Welt, vor sehr langer Zeit, waren die Vorrechte und so was angeblich genau festgelegt gewesen. Aber das hier war eine fremde Welt, da mochte sich das System unterscheiden. Mein Waffenhändler schien fast alles zu können, deswegen verließ ich mich sehr auf ihn. Aber vielleicht waren er und Imiyas Onkel auch einfach besonders vielseitig.

»Der Meister hat mich in alle Geheimnisse seiner Kunst eingeführt. Ich glaube aber nicht, dass ich ihn schon übertroffen hätte, offen gesagt.«

»Hm …«

Ich erinnerte mich, was sie mir zuvor von diesem Meister erzählt hatten: dass es wegen irgendwelcher Frauengeschichten Probleme gegeben hatte. Er war wohl ein schwieriger Typ gewesen, hatte aber wohl einiges auf dem Kasten gehabt. Und die Stärke dieses Meisters waren also Katanas gewesen.

»Das Material haben wir, und es wird wohl auch nicht allzu lange dauern. Komm in zwei, drei Tagen wieder vorbei.«

»Alles klar. Und wegen der Bezahlung …«

»Du kaufst es doch eh nicht, oder? Bisschen Übung kann nicht schaden. Wenn sie’s nur mal in die Hand nimmt, kostet es dich nichts.«

Das war ein starker Charakterzug von ihm. Es half mir wirklich, dass er so großzügig war. Deswegen wollte ich mich auch unbedingt erkenntlich zeigen.

»Danke. Beim nächsten Mal bestell ich hier für viel Geld Ausrüstung für die Dorfbewohner.«

»Na klar.«

»Und wenn du mal irgendwelche seltenen Erze oder so brauchst, sag Bescheid. Also … Man sieht sich.«

»Bis dann.«

»Auf Wiedersehen.«

»Jungchen, bei dir herrscht ja mittlerweile ganz schön Trubel. Das macht auch mir Spaß.«

Wir verließen das Geschäft und kehrten rasch nach Lurolona zurück.

»Meister, Schwestern, da seid ihr jaaa!«

Oh? Filo war wieder im Dorf. In ihrer Filolialform kam sie auf mich zugelaufen.

»Ah, Held des Schildes, gut, dass Ihr zurück seid!«, begrüßte mich die Sklavin, die sich für Monster interessierte. Das war ja ungewöhnlich. »Schildheld, es ist jemand gekommen, der sich nicht abwimmeln lässt.«

»Hä?«

Hinter ihr kamen Eclair und Ren angelaufen. Eclair sah auch ein wenig gestresst aus. Was war nur passiert?

»Immer mit der Ruhe«, sagte Eclair. »Wir bewachen sie ja.«

»Sie wäre uns ein paar Mal schon fast abgehauen!«, rief Ren.

»Was ist hier los?«, fragte ich ihn.

»Weiß ich auch nicht genau, aber sieht aus, als hättest du Besuch.«

»Den hättest du doch auch für mich empfangen können.«

»Kann sein, aber … Na ja.«

Auch Ren verhielt sich eigenartig …

»Unser Gast ist ein klein wenig sonderbar, Herr Iwatani. Und sie erbittet umgehend eine Unterredung mit Euch.«

Ich seufzte. »Um wen geht es denn überhaupt?«

»Eine Alchemistin, die in Faubrey alle möglichen Schwierigkeiten verursacht haben soll.«

Wie bitte? Faubrey war doch das Großreich, das die vier Helden so schätzte. Von dort war eine Alchemistin gekommen?

»Auch ich habe es neulich von der Königin gehört: Man soll sie in Faubrey zur Häretikerin erklärt und verbannt haben. Daraufhin ist sie wohl nach Melromarc gekommen.«

Was für eine Person war das wohl?

»Wir haben’s nicht nötig, mit solch verdächtigen Gestalten zu reden. Jagt sie doch einfach davon!«

»Die Königin hat gesagt, auch ein Gift wird zur Arznei, wenn man’s geschickt einsetzt«, steuerte Ren bei. »Jedenfalls dachten wir, wir sollten erst dich fragen.«

Hm, ganz falsch war das nicht.

»Jedenfalls will sie Eure Monster sehen. Sie sagt, sie müsse sie unbedingt überprüfen …«

»Oho … Ist das der berühmte Göttervogel?«

Unbemerkt war eine fremde Frau aufgetaucht und tätschelte Filo.

»Wa…Wa…Wa… Was?!«

»Uah!«

»Seit wann ist die denn da?! Ich hab sie gar nicht bemerkt!«

»Was für ein Kunststück …«, sagte Atla. »Ebenso schnell hat mein Bruder mich gepackt, als er verrückt geworden ist.«

»M… Meisteeer!«, schrie Filo, ähnlich beunruhigt wie bei Motoyasu.

»Oh, sie versteht die Menschensprache? Dann gehört sie wohl zur Unterart der Filolial-Königinnen? Ich habe schon Legenden über sie gehört.«

Die Fremde hatte platinblondes langes Haar und dunkelbraune Haut. Dem Aussehen nach war sie ein Mensch, etwa Mitte Zwanzig. Unter ihrem weißen Laborkittel zeichneten sich ihre Kurven ab. Nach den Maßstäben meiner Welt gehörte sie zum Typ sexy große Schwester. Aber die Rolle war eigentlich schon mit Sadina besetzt.

»Das Gefieder ist aber dicht. Was für Organe sie wohl hat?«

Die Alchemistin sperrte mit Gewalt Filos Schnabel auf und packte ihre Zunge. Filo versuchte, sich zu wehren, aber die Frau handhabte sie so lässig, als würde sie einem Baby den Arm umdrehen.

»Hmpf!«

Jetzt steckte sie ihren Kopf tief in den Schnabel, aber Filo flatterte wild mit den Flügeln und spuckte sie aus.

»Wenn du zappelst, kann ich dich nicht untersuchen. Halt still!«

Ehe Filo die Fremde wegstoßen konnte, hielt die plötzlich eine Spritze in der Hand und warf sie. Filo konnte nicht mehr ausweichen, und die Spritze blieb in ihrem Maul stecken.

»Wa…« Sie sank zu Boden. »I… Ich fühl mich so schlapp …«

»H… Hey …«, setzte ich an.

»Einen Moment bitte. Ich bin mitten in der Untersuchung.«

»Es ist mir als Besitzer aber nicht recht, dass du das einfach so machst.«

»Was …?«

Als die Alchemistin das hörte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit von Filo ab.

»Ihr seid der Schildheld?«

»Äh … Ja, schon. Und du?«

»Ich? Ich bin Ratotille Anthreya. Freunde nennen mit Rato.«

»A… Aha. Ich heiße Naofumi Iwatani. Naofumi ist mein Vorname.«

»Naofumi also … Sehr erfreut.« Rato heftete den Blick erneut auf die betäubte Filo. »Dürfte ich die Kleine dann kurz untersuchen?«

»M… Meister! Ich will niiicht!«

Hm … Wenn ich es ihr erlaubte, ließe sich vielleicht Filos Rätsel lüften. Ich befürchtete jedoch, dass das für Filo unangenehm würde.

Ich seufzte. »Erst mal nicht.«

»Ach, schade.«

Filo schien sich erholt zu haben und stand langsam auf.

»Herrje. Wenn ich sie untersuchen will, brauche ich wohl ein stärkeres Mittel, was?«

»Neiiin! Hilfe, Meeel!«

Filo rannte weg. Die würden wir wohl eine Weile nicht wiedersehen.

»Und du wolltest mich sprechen? Was gibt’s?«

»Ja. Ich hab mir schon einiges zeigen lassen: die Pflanzen aus einem gewissen Dorf, Eure Monster und so …«

Ich seufzte.

»Das interessiert mich alles wahnsinnig. Ich möchte unbedingt damit herumspielen.«

»›Herumspielen‹? Also, ich …«

Was hatte die überhaupt vor? Sogar über die Bio Plant wusste sie Bescheid. Ich musste wohl davon ausgehen, dass sie gründlich recherchiert hatte.

»Und du bist diese Alchemistin, die in Faubrey alle möglichen Probleme verursacht hat?«

»Probleme? Keinesfalls! Die wissen nur nicht, wie unfähig sie sind, und verstehen meine Forschung nicht.«