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Das historische Werk aus dem Jahr 1952 bringt die bewegte Geschichte des Predigers und Revolutionärs Thomas Münzer, der im 16. Jahrhundert für die Freiheit und Rechte der Bauern kämpfte, eindrucksvoll auf die Bühne. Begleiten Sie Münzer und seine Gefährten auf ihrem mutigen Weg gegen die Unterdrückung und für soziale Gerechtigkeit. Entdecken Sie die menschlichen und politischen Konflikte, die das Herz des Widerstands schlagen lassen. Tauchen Sie ein in das dramatische Geschehen des Bauernkrieges von 1525, das die Menschen in Aufruhr versetzte und einen mutigen Anführer hervorbrachte. Diese zeitlose Erzählung vereint historische Genauigkeit mit kraftvoller Dramatik und zeigt den unermüdlichen Kampf eines Mannes gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Lassen Sie sich von Münzers Visionen, Hoffnungen und unerschütterlichem Willen mitreißen, während er den revolutionären Geist einer Ära verkörpert.
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Seitenzahl: 152
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Friedrich Wolf
Thomas Münzer
Der Mann mit der Regenbogenfahne
Ein Schauspiel
ISBN 978-3-68912-042-9 (E–Book)
Das Schauspiel ist von 1952 und wurde 1956 von der DEFA verfilmt.
Das Titelbild wurde mit der KI erstellt.
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Das Land zerrissen und die Bauern bluten,
Der Städter schließt sich in die Mauern ein,
Der Landsknecht jagt den Landsmann durch die Ruten
Und über allem fromme Litanein …
Da – der Thomas Münzer aufstand,
Seine Sendboten streiften durchs Land
Nach Süden und Westen von Ort zu Ort,
Und über ganz Deutschland flammte das Wort
Heller als Brände und Flammenzeichen:
Auf, lasst uns den Brüdern überm Main die Hände reichen!
Der Bauer hört’s, er begann wieder zu schnaufen,
Der Städter hört’s, er rief Münzern heran,
Der Geyer rief seinen Schwarzen Haufen,
Schwarz weht über Deutschland die Bauernfahn …
Und des Münzers Herz ist entbrannt
Eine Fackel überm Land,
Von Osten nach Westen von Ort zu Ort
Über ganz Deutschland flammt jetzt das Wort
Heller als Brände und Flammenzeichen:
Auf, lasst uns den Brüdern überm Main die Hände reichen!
Da erschraken vor den Bauern die großen Hansen,
Sie kamen mit Verträgen perückenverstaubt,
Und der Bauer vertraute den edlen Wanzen,
Die saugten sein Blut an Fuß und Haupt …
Und der Münzer aufwarf
Den Fahn und sein Schwert scharf,
Nachdem verraten war das Wort,
Für die Gesellen im Lande hier und dort;
Doch sie fielen schon unter der Landsknecht’ Streichen
Hier und dort und konnten sich nicht mehr die Hände reichen.
Und wieder ist zerrissen das Land, es blutet
Die alte Wunde, und wieder droht
Die Landsknechtstrommel; doch es glutet
Durchs Blutrot heut ein Morgenrot …
Der Münzer neu aufstand,
Und über alle Grenzen im Land
Von Osten gen Westen, von Süd gen Nord
Über ganz Deutschland flammt heute sein Wort
Heller als Brände und Flammenzeichen:
Auf, lasst uns den Brüdern überm Main die Hände reichen!
thomas münzer, Pfarrer in Allstedt und Mühlhausen
otti, seine Frau, frühere Nonne
theres, deren Mutter
simon haferitz, Altpfarrer in Allstedt, Lutheraner
Heinrich pfeiffer, Prediger in Mühlhausen
markus stübner, Student aus Wittenberg
Baumgarten, I. Bürgermeister in Mühlhausen
othera, Syndikus in Mühlhausen
qualm,Ratsmann in Allstedt
Gestalten aus dem plebejisch-bäuerlichen Lager
bartel krumbach, Bauer aus dem Mansfeldschen
apel wynmeister, Bauer aus dem Mansfeldschen
hans buss, Bergknappe aus dem Mansfeldschen
veit jentsch, Bergknappe aus dem Mansfeldschen
Jörg peschke, Gerbergeselle aus Allstedt
mattes, alter Fuhrmann aus Allstedt
schwabenhannes, Sendbote zwischen Süden und Norden
die schwarze gret, junge Bäuerin, dann beim „Hellen Haufen“
hauptmann krumpe, beim „Hellen Haufen“
Fähnrich,beim „Hellen Haufen“
Gestalten aus dem fürstlichen Lager
Herzog Johann von sachsen, Regent in Weimar
Kurprinz Johann Friedrich, sein Sohn
Doktor brück, Kurfürstlicher Kanzler
amtmann zeys, Herzoglicher Beamter
Bauern, Bergknappen, Handwerker, Landsknechte
Einige .Nebenrollen können zusammengelegt werden
Zeit: Ostern 1523 bis Ende Mai 1525
Ort: Das Mansfeldsche Gebiet – Thüringen – Oberschwaben
Geschrieben 1952 in Lehnitz
Schenke vor Allstedt in der „Goldnen Aue“, im März vor Ostern 1523. – In dem Wirtsraum sprechend und zechend Bergknappen, Bauern und ein alter Fuhrmann. Vorn an einem Tisch sitzen der alte Luthersche Pfarrer Haferitz aus Allstedt und der Wittenberger Student Markus Stübner, der aus voller Kehle das Vagantenlied anstimmt.
stübner:
Wo soll ich mich hinkehren,
Ich tumbes Brüderlein?
Wie soll ich mich ernähren?
Mein Gut ist viel zu klein.
Als ich ein Wesen han,
So muss ich bald davon.
Was ich soll heuer verzehren,
Das ward mir längst vertan …
Während ein paar Bergknappen die letzten Verse mitgesungen haben, hat sich der Pfarrer Haferitz mehrfach kopfschüttelnd zum Studenten gewandt.
pfarrer haferitz: Wisst Ihr nichts Besseres zu singen, Herr Studiosus?
stübner: Wenn das Wahre zugleich das Gute ist, dann nichts Besseres, Herr Pfarrer. Singt weiter.
Ich bin zu früh geboren.
Ja, wo ich heut hinkumm,
Mein Glück kommt mir erst morgen,
Hätt ich das Kaisertum …
haferitz: Gleich das Kaisertum müsst’s sein?
stübnertrinkt ihm lachend zu: Ich tät’s auch für ’ne gute Pfründe, Herr Pfarrer, oder für die Badestuben meines Alten, der mich indes hinauswetterte, weil meine beiden Augen, so wie sie Gott geschaffen hat, die schönen Weiblein bis ins Wasser begleiteten.
haferitz: Dafür wart Ihr also nit zu früh geboren?
stübner: Ich denk, dafür ist’s immer rechte Zeit.
haferitz: Und wofür zu früh? Gibt’s nit grad heut einen Haufen zu verrichten?
bauer vom Nebentisch: Stimmt, den Mist und Unrat der großen Hansen zu verrichten.
alter Fuhrmann bei ihm: Hat alles seine Ordnung, Bartel. Ohne Mist keine Frucht. Stopft sich die Pfeife. Und doch, zu Adams Zeiten war’s besser.
haferitz: Warst wohl mit Adam recht bekannt, Alter?
alter Fuhrmann: Bekannt und nit bekannt, aber was Adam tat, tat er für sich und sein Weib; davon ward ihm nichts genommen.
Bergknappe: Und braucht auch nit für den Mansfeld ins Bergwerk steigen und ward nit beschissen um die paar Kröten Lohn und könnt sich frei bewegen überall im Paradiesm …
haferitz: Bis er draus vertrieben ward.
stübner: Probatum! Trinkt. Vivat Adamus et expulsio ex paradiso! Denn hätt man ihn nit daraus verjagt, Brüder, so säßen wir hier nit vor unsern Krüglein, sondern spazierten barfuß bis zum Hals im Gottesgarten, allzeit gewärtig, uns am verbotnen Apfelbaum zu versündigen.
rauer bartel: Gleich fing’s mit dem Verbotnen an.
alter Fuhrmann sein Pfeifchen schmauchend: Wenn’s bloß stimmt?
haferitz zu Stübner: Das kommt vom Vulgarisieren!
bergknappe zum Fuhrmann: Und ich frag Euch – warum hat Gott denn die Welt nit besser gemacht, wenn er allmächtig ist?
alter Fuhrmann: Jaja, da hat’s ein Loch.
haferitz: Leut, was sind das für Reden?
stübner: Darf ich Herrn Pfarrer etwas katechisieren?
haferitz gereizt: Wohl, ob Gott allmächtig sei?
stübnerwohlgelaunt: Erraten.
haferitz: Gibt’s da eine Frage?
stübner: Und wenn Gott selbst in uns die Frage stellt, da er uns ja erschaffen hat … – während alle näher heranrücken – denn so kam’s bei einem Disput in Wittenberg heraus, dass ein Magister Gellarius Gottes Allmacht fragwürdig befunden habe, und zwar mit solchem Hinweis: Wenn Gott allmächtig sei, so könne er einen so großen Stein schaffen, dass er ihn selbst nit zu heben vermöge; also sei Gott nit allmächtig.
bauer bartel: Sakra, das ist ein Pfiff!
haferitz: Satans Seiltänzerei ist’s!
alter Fuhrmann: So müsst man ihn wohl vom Seil stoßen helfen.
haferitz eifernd: Dich hat man grad zur Hilf gerufen! Zu Stübner. Seht Ihr, wohin solch Disputatio führt? Sagt nit Gott selbst: Meine Gedanken sind nit eure Gedanken und meine Werke sind nit eure Werke?
Von den Disputierenden unbemerkt war schon bei Stübners Lied ein Reisender im Mantel mit zwei Frauen – einer älteren und einer jüngeren – eingetreten.
haferitzerregt: Wenn also Gott etwas schaffen will, so wird er nit Euch fragen, ob er’s soll oder nit!
der reisende: Und wenn wir ihn fragen?
haferitz sich wendend: Wie?
der reisende: Dass er uns Antwort geben muss.
haferitz: Muss? Ihr wollt Gott zwingen?
der reisende: Fraget, so wird man euch antworten; klopfet an, so wird euch aufgetan.
haferitz: Bittet, so wird euch gegeben! heißt’s. Man soll am Wort nit deuteln! sagt uns der Luther.
der reisende: Man soll das Wort bei seinem Sinn fassen.
bauer bartel: Recht so!
die junge frau leise zum Reisenden: Streit nit wieder, Thomas!
haferitz zu Stübner: Ist wohl einer der Schwarmgeister?
der reisende: Liebe Brüder, ich seh hier keinen Schwarmgeist, ich seh hier nur derbe Werkleut. So sprächet ihr von Gott – verzeiht, wenn ich dreinrede – und was in dieser Welt unter Gottes Hand sei.
bauer bartel: Und dass die Hand nit grad gütig sei.
alter Fuhrmann: Solang wir schon seit Adams Zeiten auf seine Güte warten …
der reisende plötzlich: Warten, warten … – wieder ruhiger – du musst seine Hand in deine nehmen, ihn stützen.
haferitz: Gott stützen?!
stübneraufstehend: Das klingt ja lieblich.
die junge frau dazwischen: Wir müssen weiter, Thomas!
die ältere frau ebenso: Es dämmert schon!
Der Reisende wendet sich.
alter Fuhrmann hält ihn: Setzt Euch, Herr, die Gäule brauchen Wasser und ’s Verschnaufen.
Der Reisende setzt sich mit den Frauen an einen Seitentisch.
stübnerzum Reisenden: Ihr seid wohl Prädikant und auf Fahrt zum Kollegium?
Der Reisende schaut vor sich hin.
stübner: Die Zung ist ihm vertrocknet. – Wirt, drei Krüglein Bier! Der Herr reiset gen Wittenberg, ich seh’s ihm an; mög’s ihm wohl bekommen und nit wie dem Pfarrer Aquila in meines Vaters Badestuben; denn Ihr müsst wissen …
haferitzmissmutig: Wieder eine Eurer Geschichten?
alter Fuhrmann: Wir hören gern Geschichten.
Bergknappe: Lasst sie heraus, wenn sie lustig sind!
stübner: Lustig und ohrenkitzlig. ZumWirt, der mit dem Bier kommt. Dorthin zu unserm Gast! Den schweigsamen Reisenden fixierend. Denn da war auch solch fahrender Prädikant, der nach Wittenberg kam. Und weil alle Herberg voll waren bis ans Dach, schickt man den frommen Mann zu meinem Vater, dem Badstübner. Der nahm ihn also in seines Herzens Güte auf und wies ihn zur Reinigung ins Bad, wo nun viele Männlein und Weiblein saßen wie von Gott erschaffen …
haferitz: Ich sag Euch, lasst das!
stübner unbeirrt: Wie von Gott erschaffen …
Bergknappe lachend: „Wie von Gott erschaffen“ – was kann da Schlimmes sein?
stübner: Und auch der fromme Prediger fand nix dabei, desgleichen nit die Männlein und Weiblein, ist auch keines blind davon geworden. Bloß, als der Prädikant am nächsten Tag im Collegium theologicum die Güte seines Hauswirts und des Bades lobte und von den vielen schönen Töchtern sprach, da tadelten ihn die ehrwürdigen Confratres und riefen: Babylon! Babylon! Non des mulieri potestatem animae tuae – Gib dem Weibe keine Gewalt über Deine Seele! Und kamen am gleichen Abend viele Confratres selbst ins Bad, den sündigen Bruder zu retten …
bauer bartel: Haben da wohl schwere Arbeit verrichtet?
Bergknappe: Vielleicht träfen wir auch den Mansfeld dort, unsern Grafen?
stübner: Probatum! Auf den Reisenden. Schließt Euch dem stummen Herren an und grüßet meinen lieben Vater und alle Kreatur daselbst, so wie sie Gott geschaffen hat.
alter Fuhrmann sinniert: „Wie sie Gott geschaffen hat …“ ja, ja, zu Adams Zeiten war’s besser; da musst kein Fuhrmann für Grafen und Herren ohn Lohn schirren und fahren und froh sein, wenn er nit eins übers Ohr bekam. Klopft sein Pfeifchen aus. Dann schon lieber nackt im Paradies.
Draußen Lärm. – Hereingeschleppt wird von zwei bewaffneten Knechten ein blutig geschlagener Gefesselter.
der gefesselte: Ich geh nit zurück! – Brüder, helft!
Bergknappeaufspringend, zum Gefesselten: Hans, was ist?
erster knecht: Entlaufen ist er!
stübner vor ihm: Wohl nit ohne Grund?
Bergknappeebenso: Da gibt’s mehr Gründ als Kupferstein. Er ist im Bergwerk des Mansfeld Knappe wie ich, – legt die Hand auf die Schulter des Gefesselten – der Hans Buss, hatt stets ’nen guten Schlag im Stollen und ’nen guten Kopf auf der Schulter fürs Recht … bloß, ein etwas schnelles Maul hatt er auch.
erster knecht: Das ihm durchging wie die Beine.
zweiter knecht: Da er rottische Reden geführt.
hansheftig: Weil uns der Mansfeld ums halbe Gedinge betrügt, weil er uns den Einschlag im Gemeindewald versagt … Kein Holz, keinen Groschen, kein Brot …
stübner: Deshalb müsst ihr ihn binden?
erster knecht: Mischt Euch nit ein! Das halbe Dorf hat er aufgeregt!
Bergknappe zu den Knechten: Lasst ihn! Ich, der Veit Jentsch, bürg, er sei entlaufen.
zweiter knecht: Er hat auch den Hauszins nit zahlt.
bauer bartel: Und wohl auch den Zehnten nit, den Todfall nit, vielleicht auch nit die Luft, die er schnaufet – schau mich nur an, das sagt dir der Bauer Bartel Krumbach.
stübner zu den Knechten: Weg die Strick!
erster knecht zieht sein Schwert: Ist das die Meinung?
der reisende schnell dazwischen: So nit, Brüder! Durchs Wort ist die Welt erlöset worden, durch Christi Wort wird sie frei sein.
bauer bartel: Ob wir auch heut und hier erlöset sind und frei durch Jesu Christ, das wolln wir wissen!
haferitz: Ja, Brüder! Ihr seid auch heut und hier erlöset; grad das sagt Christus: frei im geistlichen Reich. Für das Fleisch und das weltliche Reich aber gilt sein Wort: Ein jeglicher sei untertan der Obrigkeit mit Furcht und Zittern!
stübner: Ähnlich sagt’s uns der Luther in Wittenberg.
bauer bartel: So wird uns von da kein Hilf.
Bergknappe veit: Und werden wir Knecht bleiben und geschundne Leut?
erster knecht: Ihr seht, Ordnung muss sein. Will den Gefesselten fortziehen.
der reisende vor ihm: Ein Wort, Gesell! Du sagst: „Ordnung muss sein.“ Das klingt nit schlecht. Doch ich sag dazu: Ordnung muss erst werden.
bauer bartel zu Veit: Heiland, klingt das nit besser?
der reisende: Versteht mich recht, Brüder, wir all stehn zu Christi Ordnung und seinem Wort, das aus seinem innigen feurigen Herzen kommt. Doch was lest ihr im Evangelio: dass Christus mit den Fürsten und großen Hansen zu Tische saß oder mit den Zöllnern und gemeinen Leuten? Waren Grafen und Edelleut seine Jünger oder arme Fischer, Winzer, Bauern und Handwerksmänner?
bauer bartel zu Veit: So hört man’s neu.
erster knecht zögernd: Wenn’s wirklich in der Schrift steht?
stübner zu Haferitz: Steht’s drin, Herr Pfarrer?
haferitz: Es steht. Zum Reisenden. Und wie steht’s mit der Ordnung?
der reisende: Vielleicht erklärt Ihr mir’s selbst, lieber Bruder, ob’s Christi Ordnung sei, wenn der Große dem Kleinen das Fell über die Ohren zieht? Und so der gemeine Mann dann Klag erhebt, die doch nur Wahrheit ist, gleich wird er gestriemt und gebunden, nach der Ordnung. Und die, welche der Ordnung sollten fürstehn – darum sie auch Fürsten heißen –, verteidigen ihre edlen Vettern und sprechen aus dem Bart. Gott aber verachtet die großen Hansen. Ach, wüsst das der arme verworfene Bauer, es wäre ihm ganz nütz.
bauer bartel: Was nützt’s, wenn wir nit dagegen sollen?
haferitzzum Reisenden: Also wär’s christliche Ordnung, wenn man sich gegen das Gesetz stellt?
der reisende aufbrausend: Das Gesetz! Wieder beherrscht. Das Gesetz ist ein wichtig Ding; bloß darf es nit gegen den Menschen sein.
haferitz: Ich dächt, Gesetz ist Gesetz, oder es ist keins!
der reisende: Ei, lieber Bruder, ich nehm an, Ihr selbst wäret ein Bergknappe, dem man Gewalt antut und der, während er um seiner Kinder Leben ringt, das Gesetz lobet? Und diese beiden Knechte – tritt zwischen sie und den Gefesselten –, derweil man sie zwingt, ihren Bruder zu schinden und einst beim Jüngsten Gericht dafür Rede zu stehn, loben das Gesetz? Und auch der Ackersmann – zieht den Bauern heran –, dem der große Herr Wiese und Feld verdirbt, er wird das Gesetz loben, das ihm Steine gibt statt Brot?
bauer bartel: Verdammt, so ist’s! Steine sind die Gesetze!
haferitz zum Reisenden: Ihr gebraucht harte Worte, Bruder; sie knirschen einem zwischen den Zähnen. „Steine statt Brot“ – richtig. Beides ist da, der starre Stein und das treibende Korn. Beides ist not. Zu beiden hat Christus ja gesagt.
der reisende mit innerem Feuer: Bloß, wenn’s zum Streit käm zwischen beiden, wie denkt Ihr, schöbe nit das Korn den Stein beiseit kraftvoll und stetig? Gedenket Ihr nit, wie in Markus, Kapitel 2, der Herr mit seinen Jüngern am Sabbat durch die Felder ging, wie die Jünger Ähren rauften und die Pharisäer zu Christus sagten, weshalb jene entgegen dem Gesetz am Sabbat Ähren pflückten? Und Christus antwortete ihnen, dass David entgegen dem Gesetz im Tempel die Schaubrote aß. Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nit der Mensch um des Sabbats willen! sprach Christus. So denk auch ich: Ein Gesetz, das gegen den Menschen ist, das Gesetz ist kein Gesetz mehr, und wenn Ihr’s mit goldnen Ketten an die Schloßtürm hängt oder droben an die Kirchturmspitz nagelt!
haferitz: Seltsam, Bruder, man spürt etwas in Euch, so was Feuereifriges, dem auch ich alter Mensch nit widerstreben kann. Gibt ihm die Hand.
bauer bartel zu Veit auf den Reisenden: Der Mann sollt bei uns predigen.
bergknappe veit: Da würd’s ’nen Zug tun.
alter Fuhrmann: Schön habt Ihr gesprochen, werter Herr, und gar verständlich. Nur wüsst ich gern, gab’s auch zu Adams Zeiten schon Gesetze, weil auch im Paradies Verbotnes war?
haferitz: Lass das, Alter! Zum Reisenden. Mir scheint, Ihr solltet mit dem Mansfeld reden; er ist auch ein Mensch.
der reisende überlegend: Versuchen müsst man’s.
haferitz: Vielleicht, dass Eure Fürsprach den Gefangenen freibekommt?
Alle wenden sich nach dem Gefesselten; er ist verschwunden, ebenso der Studiosus Stübner.
erster knecht: Das war der Sinn?! sein Schwert.
zweiter knecht gegen den Reisenden: Wir sprechen uns noch!
Beide wollen hinaus. Der Bauer Bartel und einige Bergknappen vertreten ihnen den Weg.
bauer bartel:Wollt ihr wieder ins Unrecht treten?
bergknappe veit: Habt Christi Wort nit verstanden?
erster knecht gegen den Reisenden: Der Mann da hat uns gebannet mit seinem Wort.
zweiter knecht ebenso: Das war dein Fürsprach für den Gefangenen?
der reisende furchtlos: Für ihn und für dich.
zweiter knecht: Gut! So kannst du sie heut noch vor dem Mansfeld halten! Will Hand an ihn legen. Mit einem müssen wir hin.
veitdazwischen: Nit mit dem!
bartel ebenso: Eher mit uns allen!
junge frau: Und nit ohne sein Weib! Was hat er Schlimmes getan?
haferitz: Auch ich denk, Christi Wort ist kein Verbrechen.
erster knecht: Wir müssen’s büßen.
der reisende: Keine Sorg, Gesell, ich steh für mein Wort, auch vor dem Grafen.
zweiter knecht ihn musternd: Du? Wer bist denn du, wenn man uns fragt, wer zu uns gesprochen?
der reisende: Wenn man euch fragt, wer zu euch gesprochen, so sagt, der Thomas Münzer war’s, der Münzer, ab Ostern Pfarrer in Allstedt.
haferitz: Wie?! Bruder Thomas? Salve confrater! Gibt ihm beide Hände. Ich hätt’s gleich merken sollen! Bin Euer Amtsbruder in der Neustadt, der Pfarrer Simon Haferitz. Ihr bleibt doch bei mir die Nacht, Ihr – zu den Frauen – und Eure Frau …
münzer auf die Ältere: Und meine Frau Mutter.
haferitz: Ich bitt euch alle, eh’s dunkelt!
Die Frauen nehmen ihr Gepäck auf.
münzer tritt schnell noch zu den beiden Knechten: Ich halt mein Wort. Erzählt alles nach der Wahrheit dem Grafen! Wir sehn uns noch. Gibt ihnen die Hand und geht dann mit den Frauen und Haferitz hinaus.
Die Zurückgebliebenen schauen einen Augenblick perplex Münzer nach.
erster knecht: Donner, der Kerl hat Pulver im Hirn!
zweiter knecht: „Wir sehn uns noch“, hat er gesagt; bloß ob’s ihm dann lieblich sein wird?
alter Fuhrmann erregt: Leut, ich wett zwei Krüglein, der Mann hätt den Adam an der Paradiespfort noch gegen den Erzengel verteidigt! Doch der Graf ist ’ne ärgre Sort. Sinniert. Ob man ihn nit zurückhalten sollt … den Pfarrersmann?
veit: Den hält niemand.
Rückwand von Münzers Haus am Wiprechtsturm in Allstedt. Garten. Herbst 1523. Münzer hat sich nach der Predigt in die geschützte Gartenecke zurückgezogen; er legt gerade seine Schaube ab, die Otti, sein Weib, nimmt. Um einen Tisch sitzen bereits Bartel Krumbach und ein dicker Bauer, ferner der Bergknappe Veit Jentsch, der befreite Hans Buss und Markus Stübner, der Student, der älter erscheint mit Schnurrbart und Ansatz von Backenbart; gegen ihn vor allem wendet sich jetzt Otti.
otti: Könnt ihr ihm nit Ruh geben nach der Predigt? Von früh bis spät belagert ihr den Mann wie ’ne Festung.
stübner: Ihr habt gut reden, Frau Otti, nachdem die Festung von Euch im Sturm genommen ward.
Münzer lächelnd: