Thomas Münzer - Friedrich Wolf - E-Book

Thomas Münzer E-Book

Wolf Friedrich

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Beschreibung

Tauchen Sie ein in ein mitreißendes Epos über die dramatischen Umwälzungen der deutschen Reformation und den Bauernkrieg des 16. Jahrhunderts. Friedrich Wolf entfaltet in seinem Filmszenarium ein kraftvolles Panorama aus Vision und Revolution: Von den leidenschaftlichen Predigten Thomas Münzers gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit bis hin zu den erbitterten Kämpfen der Bauernbewegungen. Im Zentrum steht Münzer, der unerschrocken für eine gerechtere Welt kämpft und dabei nicht nur gegen Fürsten und Adlige, sondern auch gegen die inneren Widersprüche seines Glaubens und seiner Überzeugungen antritt. Vom Schachspiel der Mächtigen bis zu den flammenden Aufständen des Volkes, von den Schwabenhaufen bis zur Kanzel in Allstedt – das Werk zeigt eindrucksvoll die Dynamik zwischen Glaube, Macht und Revolution. Ein zeitloses Zeugnis über Mut, Verrat und die Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit, das die Geschichte Europas bis heute prägt. Das Szenarium wurde 1956 von der DEFA verfilmt.

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Impressum

Friedrich Wolf

Thomas Münzer

Filmszenarium

ISBN 978-3-68912-387-1 (E–Book)

Geschrieben im Jahre 1953, 1956 von der DEFA verfilmt.

Das Titelbild wurde mit der KI erstellt.

© 2024 EDITION digital®

Pekrul & Sohn GbR

Godern

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

Tel.: 03860 505788

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.edition-digital.de

PERSONEN

Thomas Münzer, Pfarrer in Allstedt und Mühlhausen, 35 Jahre alt

Otti, sein Weib, frühere Nonne, 25 Jahre alt

Heinrich Pfeiffer, Prediger in Mühlhausen, 40 Jahre alt

Simon Haferitz, Altpfarrer in Allstedt, 60 Jahre alt

Markus Stübner, Student, 25 Jahre alt

Gestalten aus dem plebejisch–bäuerlichen Lager

Bartel Krumbach, Bauer aus dem Mansfeldschen

Apel Wynmeister, Bauer aus dem Mansfeldschen

Hans Buß, Bergknappe aus dem Mansfeldschen

Bärbel, seine Schwester, Stübners Freundin

Veit Jentsch, Bergknappe aus dem Mansfeldschen

Jörg Peschke, Gerbergeselle aus Allstedt

Mattes, alter Fuhrmann aus Allstedt

Schwabenhannes, Sendbote zwischen Süden und Norden

Die Schwarze Gret, junge Bäuerin, dann beim Hellen Haufen

Feldhauptmann des Schwäbischen Haufens

Hauptmann Krumpe vom Schwäbischen Haufen

Fähnrich vom Schwäbischen Haufen

Gestalten aus dem bürgerlichen Lager

Baumgarten, Bürgermeister in Mühlhausen

Wettich, Ratsmeister in Mühlhausen

Othera, Syndikus des Rates von Mühlhausen

Qualm, Ratsmann in Allstedt

Gestalten aus dem fürstlichen Lager

Kurfürst Friedrich von Sachsen, Regent in Dresden

Herzog Johann von Sachsen, Regent in Weimar

Kurprinz Johann Friedrich, sein Sohn

Dr. Brück, kurfürstlicher Kanzler

Amtmann Zeyß, herzoglicher Beamter

Bauern, Bergknappen, Handwerker, Landsknechte, Waffenknechte der Städte, Ritter – Bäuerinnen, Bürgerinnen

Die Einteilung nach Nummern im Manuskript entspricht den einzelnen örtlichen und zeitlichen Episoden, nicht der Kadrierung des Drehbuches

1. Eine Kette Wildenten

zieht im Frühherbst 1514 über Deutschland nach Süden. Man sieht aus der Höhe der Zugvögel von Norden nach Süden das deutsche Land – Berge, Wälder, Seen, Felder, Ströme (also wie auf den Bildern von Altdorfer und Dürer). Doch wie die Wildenten jetzt tiefer und tiefer streichen …

2. Über den Harz

und „die goldene Aue“ bei Frankenhausen, werden deutlich fronende Bauern sichtbar, die eingeschirrt im Joch wie Tiere Holzstämme durch eine Waldschneise zerren. Hinüber von den Nachbarfeldern klingen Jagdhörner und der Hussaruf des Grafen Mansfeld und seiner Kumpane, die mitten durch die reifen Kornfelder galoppieren, während ihnen einzelne Bauern, auf ihre Sensen gestützt, drohend nachschauen und ein Bauer, zu den nach Süden ziehenden Wildenten aufschauend, zu dem andern sagt: „Es gibt ’nen frühen Winter …“

3. Und im Kupferbergwerk

des Grafen Mansfeld wehrt sich ein Bergknappe gegen die Hiebe des Aufsehers; er schlägt ihn, zum Entsetzen der umstehenden Knappen, mit seinem schweren Bergmannshammer wütend zu Boden und flieht – eine blutende Strieme über Stirn und Wange; jetzt wird er von den berittenen Knechten des Grafen draußen wie ein Wild durchs Unterholz eines Waldes gejagt, springt unerreichbar für die Reiter ins dichte sumpfige Röhricht eines Sees …

4. Und weiter gen Süden

fliegen die Zugvögel übers deutsche Land, über Ströme, Berge und Wälder. Schwere Abendwolken wälzen sich übers Gebirge. Man ahnt: Das Land kommt in Bewegung …

5. Und in der Hütte

eines Gebirgsdorfes in Schwaben sitzen zur Nacht beim Schein einer kleinen Lampe seltsame Gestalten – Bauern mit Narrenkappen, Pritschen und Geckennasen – um einen Tisch, auf dem ein großes altes Buch liegt. Auf der aufgeblätterten Titelseite liest man: „Das ehrsame Narrengericht des gemeinen Mannes in Schwaben über die großen Hansen.“ Jetzt klopfen zwei Gestalten draußen ans Fenster und flüstern die Parole: „Sag an, Gesell, was hast du für ein Wesen?“ – „Der gemeine Mann mag nit mehr genesen!“, antworten die drinnen. „Bundschuher! Aufgemacht!“, öffnen sie jetzt den Freunden draußen die verriegelte Tür. – Und während sich der eine Bundschuher, ein alter geblendeter Bauer, mit ausgebrannten leeren Augenhöhlen, an der Hand eines jüngeren in die Hütte tastet: „Wo sind wir, Gesellen?“, antwortet ein Breitschultriger aus der Hüttengruppe, indem er die Geckennase abnimmt: „Beim Schwabenhannes … beim ,Armen Konrad‘ in Schwaben.“ Und der Alte: „Bist du der Arme Konrad?“ Der Schwabenhannes: „Der sind wir all.“

Schon hat der jüngere Begleiter des Blinden eine um den Leib gewickelte schwarze Bundschuhfahne hervorgezogen und über den Tisch geworfen, während einer der Konrader die blaue Fahne des „Armen Konrad“ mit dem gekreuzigten Christus nimmt und sie halb darüberlegt. Zugleich ziehen die anderen aus ihren Narrenpritschen die kurzen Bauernschwerter. Einer der Konrader hebt jetzt die zerschlissene schwarze Bundschuhfahne mit dem blutrot darauf gemalten Bundschuh und dem ebenfalls rot geschriebenen Spruch: „Nichts denn die Gerechtigkeit Gottes …“

6. Im Frühlingssturm

1519 fliegt eine Kette Wildenten über Ströme und Berge zurück vom Süden nach Norden …

7. Und im Nonnenkloster

bei Weißenfels an der Saale kniet im Beichtstuhl die Novize Ottilie vor dem jungen Beichtvater Bruder Thomas, der sie fragt: „Ihr habt ihn im Traum gesehen, Schwester Otti?“ – Die junge Nonne nickt bestätigend. – Und Bruder Thomas: „Einen Mann?“ – Otti, erregt: „Kein junger Mann, Bruder Thomas, bei allen Heiligen! Mein Vater war’s, dem der Graf Mansfeld die Zunge abschnitt wegen rottischer Reden …“

Während der Bruder Thomas eine Klappe am Beichtstuhl öffnet, um besser zu hören, und jetzt der Kopf der Nonne groß vor dem seinen auftaucht, stößt Otti hervor: „Rache! sprach er … Gerechtigkeit!“ – Bruder Thomas: „Gerechtigkeit … Rache?“ – Otti: „Verzeiht, Bruder Thomas; ich weiß, Gott wird Gerechtigkeit üben … beim Jüngsten Gericht, am Ende der Welt.“ – Bruder Thomas, leidenschaftlich: „Und wenn ER das Jüngste Gericht hält, schon hier und heute?“

8. Über eine Landstraße

im Sommer 1519 zieht von Wittenberg nach Leipzig eine Schar zum Teil bewaffneter Studenten und Magister – unter ihnen der alte Pfarrer Haferitz, der Student Stübner und der Prädikant und Beichtvater der Weißenfelser Nonnen, Thomas Münzer; sie begeben sich zur Disputation des Dr. Luther mit dem papstgetreuen Dr. Eck. Sie marschieren über die breite Landstraße zwischen sommerlichen Feldern. Überall flammen gleichzeitig Gespräche auf. „Er wird uns befreien, der Luther, von den römischen Blutsaugern und Ablasskrämern!“, sagt der Student Stübner, die Faust am Schwert, zu dem alten Pfarrer Haferitz, der erwidert: „Lasst Euer Eisen am Ort, Herr Studiosus! Es wird in Leipzig fein säuberlich zugehen nach der Heiligen Schrift und eine große Disputatio werden mit dem päpstlichen Dr. Eck.“ – Und ein anderer Student dazwischen: „Unser Luther wird der römischen Eule schon einheizen!“ – Und ein dritter: „Ein jedermann könne Priester sein, ein Schuster, ein Schmied, ein Bauer, und seien all wie geweihte Bischöfe!“ Einzelne Bauern mit ihren Sensen und Heugabeln sind hinzugetreten; einer von ihnen meint lachend: „Hoho, so schnallt eure Wänstlein ab, ihr Pfäfflein, wenn der Bauer als Bischof eilt!“ – Und ein zweiter Bauer: „So brauchten wir auch nit mehr zu fronen für die römischen Marder?“ – Dritter: „Das sagt der Luther?“ – Und wieder der erste: „Es heißt, er gehör zum Bundschuh; der gemeine Mann soll frei und erlöst sein?“ – Der Altpfarrer, schnell dazwischen: „Doch nit mit Gewalt, Brüder! Denn im Leiblichen sind wir Knechte! sagt der Luther.“ – Von hinten hat sich der junge Bergknappe mit der breiten roten Narbe über Stirn und Wange zwischen den Disputierenden hindurchgezwängt; er erwidert jetzt heftig auf des Altpfarrers beschwichtigende Worte: „Und sollen denn weiter gestriemt werden von des Mansfeld Vögten?!“ – Erster Bauer, hinzu: „Wer bist du?“ – Der Bergknappe: „Bin ein Bergknapp des Mansfeld … der Hans Buß.“ – Erster Bauer: „Und musst jetzt laufen vor ihm?“ – Zweiter Bauer: „So wird uns auch hierzuland kein Recht.“ – Jetzt ist der Prädikant Münzer lebhaft vorgetreten. „So der Luther hierzuland kämpft gen Papst und Betrug, so kämpft er auch für euer Recht!“ – Erster Bauer, bitter auflachend: „Am Nimmerleinstag, dadrüben …“ – Zweiter Bauer: „Wenn wir tot sind!“ – Münzer, heftig: „Jetzt und hier, Brüder, hier und jetzt!“

Ein Trupp bewaffneter Studenten zieht singend vorüber:

„Der Luther für uns alle streit’,

Für Bürger und Bauersmann,

dass Deutschland sei von Rom befreit,

Das ganze Land tritt dir zur Seit,

Luther, schreit uns voran!“

9. Und wieder in dem Nonnenkloster

sitzt der Prädikant und Beichtvater mit der Novize Otti, die auf einer Wachstafel nach Münzers Anleitung etwas geschrieben hat. Sie liest: „Veni creator spiritus …“ Und jetzt zu Münzer aufschauend: „Oder wie Ihr’s ins Deutsche gebracht:

Komm, Du Tröster, Heiliger Geist!

Aus Deines Lichtes Brunn’ uns leist’

Einen durchleuchtigen Strahl …

Wie gut das klingt in unsrer Sprach!“ – Münzer, nickt lächelnd: „Und dass jedermann es verstehe!“

10. An der Schlosskirche

in Meißen ist im Herbst 1520 die Bannbulle des Papstes mit der Exkommunikation Luthers angeschlagen. Bürger, Bauern und Studenten stehen davor und studieren den Text. Ein Bauer zornig zu dem andern: „Der Luther soll in die Höll? Eher der Papst und die Pfaffen!“ Er reißt den Anschlag von der Kirchentür. Zu spät suchen einzelne der Ehrbarkeit ihn daran zu hindern. Schon ruft der Studiosus Stübner: „Kommilitonen, der Luther war unser Magister! Er schrieb von der Freiheit des Christenmenschen!“ – Zweiter Bauer: „Dass der gemeine Mann frei sei!“ – Stübner nimmt den herabgerissenen Anschlag der Bannbulle vom Boden, reißt sie in Fetzen und wirft sie in den Wind …

11. Und im Bischofspalais

zu Worms, am 17. April 1521, zeigt der päpstliche Legat Aleander dem jungen Kaiser Karl V. die Bannbulle, der sie überfliegt. Eifernd dringt der Legat in den jungen Kaiser: „Und wollen Eure Majestät einen Ketzer, der unter des Papstes Bann steht, weiter freies Geleit sichern?!“ – Kaiser Karl, dem Legaten die Bannbulle zurückgebend, unschlüssig: „Das ganze Land ist auf seiner Seite …“ – Und der Legat, erregt: „Die Fürsten sind es, die den Luther unterstützen, die Fürsten! Sie begehren das Eigentum der Kirche und wollen die Macht Eurer Majestät geschwächt sehen!“ – Kaiser Karl: „So würde ich, wenn ich über den Wittenberger Mönch die Reichsacht ausspräch, auch die Fürsten zügeln?“ – Der Legat, zugreifend: „Die Fürsten zügeln und die Freundschaft mit dem Heiligen Vater bekräftigen, der Euch in Österreich, Deutschland und Spanien stärken wird.“

12. In einem anderen Gemach

des Palais pokulieren die weltlichen Fürsten von Sachsen, Hessen und der Kurpfalz. Es gibt auch hier nur das eine Gespräch. Der junge schlanke Landgraf Philipp von Hessen ist aufgesprungen; er hebt seinen Pokal. „Und ich frage Euch, Ihr lieben fürstlichen Vettern, hat je einer dem Papst so aufgegeigt? Vivat, Bruder Martinus!“ – Der Pfalzgraf vom Rhein, ein dicker älterer Herr, meint bedächtig: „Doch der Kaiser zog ein gar verdrießlich Gesicht.“ – Und hiergegen sanguinisch der junge Landgraf: „Weil er den Papst braucht in Spanien und Österreich!“

Jetzt gemahnt Friedrich der Weise, der Kurfürst von Sachsen, ein massiger Asthmatiker, mit einer Geste zur Ruhe. „Und in Deutschland gegen uns, die Fürsten …“ – „Und weil er dem Luther freies Geleit zugesagt …“, ergänzt der dicke Pfalzgraf. Und wieder haut der junge Philipp von Hessen dazwischen: „Das er jetzt nit mehr halten wird! Doch, so wahr ich Landgraf von Hessen bin, ich sage Euch, geliebte Vettern …“ Er klemmt sich zwischen beide und flüstert ihnen etwas zu, während von draußen durch das Fenster dumpfer Lärm dringt. – Der Pfalzgraf vom Rhein lacht befriedigt auf und füllt sich nochmals den Pokal; zu dem Kurfürst von Sachsen sich wendend: „Probatum, Vetter Sachsen, Ihr gewährt dem Mönchlein sicheres Geleit und nehmt das Vöglein in Eure Hut!“

Der Landgraf, dem Kurfürsten ebenfalls zutrinkend: „Auf Euer Wohl und auf Eure Wartburg!“ – Der Kurfürst von Sachsen: „Still, ich bitt Euch …“ – Der Landgraf, schon etwas weintoll: „Und ich sage Euch, Vetter Sachsen, man wird das Vöglein hören! Dort im grünen Käfig auf Eurer Burg wird die Wittenberger Nachtigall gar lieblich unser Liedlein singen, Vettern!“ Ihnen zutrinkend: „Auf unsre Nachtigall!“

Und wieder dringen von draußen Rufe und Waffenlärm in das Gemach. Der Landgraf von Hessen ist zum Fenster gesprungen; er öffnet es, während die beiden anderen Fürsten ihm folgen.

13. Und vor dem Schloss

schlagen sich drunten die spanischen Söldner und Landsknechte mit den deutschen heruntergekommenen Rittern. Die spanischen Landsknechte rufen: „Sódoma! Al fuego, porco tesdesco! Ins Feuer mit dem Ketzer!“ – Die Ritter schlagen dagegen: „Raus aus unserm Deutschland, ihr römischen Ratten! An den Luther kommt ihr uns nit!“

Plötzlich hört man mitten auf dem Platz wie eine Losung ein dumpfes „Mu–uh! Mu–uh!“ und „Bundschuh! Bundschuh!“. Ein Bauernhaufen mit Handwerksgesellen drängt sich vor und drängt die spanischen Söldner zurück. Zugleich schreibt während des Tumultes einer an den Palast mit Kohle groß und breit: „Bundschuh!“

14. Und wieder ziehen

die Zugvögel über das deutsche Land, diesmal von Süden nach Norden, über ein Land, das in der Frühlingsblüte steht …

15. Und im Nonnenkloster bei Weißenfels hat die Novize Ottilie von Gersen – umgeben von der Äbtissin und einigen älteren Nonnen – ihre Nonnentracht abgelegt – Haube und schwarzes Gewand – sie hakt grade ihr helles, buntes Mieder zu. Die Äbtissin steht vor ihr und fragt sie dumpf: „Bedenke! Du willst zurück in das sündige Leben?“ – Otti, sie anschauend, ruhig: „In das Leben, das Gott mir gegeben hat.“ – Und die Äbtissin: „Das spricht der Prediger Münzer!“

Jetzt tritt Münzer reisefertig hinzu; er meint frohgemut: „So spricht Gott, der Herr: ,Auf, lasset uns den Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei!‘ Und Gott schuf den Menschen, einen Mann und ein Weib, und sprach zu ihnen: ,Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde!‘“

Während dieser Worte sind die Nonnen mit der Äbtissin entsetzt zurückgewichen und verschwunden. Nur einige junge Novizen drängeln sich an einer kleinen Fensterluke und schauen sehnsüchtig, wie der Prediger Münzer mit der jungen Otti und ihrem Gepäck auf einem Wägelchen in den sonnigen Frühlingstag hinausfährt.

Und während über dem beginnenden kurzen Gespräch des alten Fuhrmanns mit Münzer das von Otti gesungene Lied liest:

„Der Winter ist vergangen,

Ich seh des Maien Schein,

Ich seh die Blümlein prangen,

Des ist mein Herz erfreut.

So fern in jenem Tale,

Da ist gar lustig sein,

Da singt die Nachtigalle

Und manch Waldvögelein …“,

wendet der alte Fuhrmann den Kopf halb zu Münzer. „Nach Allstedt soll’s gehn, Herr Pfarrer?“ – Und Münzer, den Arm um Ottis Schulter: „Nach Allstedt.“ – Der alte Fuhrmann: „Ist unruhig Volk da, Herr Pfarrer.“ – Münzer, der inzwischen ein paar Takte zu Ottis Lied mitgesummt hat, lächelnd: „Mir ist unruhig Volk lieber als lammfrommes.“