Und ich lieb dich doch - Toni Waidacher - E-Book

Und ich lieb dich doch E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Die Nachtschicht wollte einfach kein Ende nehmen. So oft Christine Brückner auch auf die Uhr schaute, die Zeiger schienen nicht weiterzurücken. Hinzu kam, daß es in dieser Nacht besonders ruhig auf der Station war, und die beiden Krankenschwestern kaum etwas zu tun hatten. Dabei waren sie eigentlich froh über diese Ruhe. Schlimmer war es, wenn nachts Notfälle eingeliefert wurden, und die anderen Patienten dann auch noch Hilfe brauchten. Aber heute wartete Christine ganz besonders auf die Ablösung durch die Tagschicht, denn es waren die letzten Stunden vor ihrem Urlaub. Die Vierundzwanzigjährige setzte ein letztes Mal Kaffee auf und stellte saubere Tassen auf den Tisch. Die Tür zum Schwesternzimmer öffnete sich, und Dr. Volkmann kam herein. Schnüffelnd hob er die Nase und sah Christine erwartungsvoll an. »Gibt's für mich auch einen?« fragte er bittend. Sie lächelte. »Selbstverständlich, Herr Doktor.« Der Arzt strahlte über das ganze Gesicht und zog eine Tüte hinter dem Rücken hervor. »Dafür spendiere ich die frischen Semmeln«, sagte er. »Ich hab' sie grad unten in der Küche stibitzt.« »Dann bekommen Sie sogar zwei Tassen«, lachte Christine und holte Butter und Marmelade aus dem Kühlschrank. »Ach, ich sterbe vor Hunger!« seufzte Kathrin Rother, die gerade hereinkam. »Wenn uns jetzt nicht noch ein Notfall dazwischen­kommt, können wir ja in aller Ruhe frühstücken. Herrlich!« Dr. Volkmann sah Christine fragend an. »Sie haben Urlaub, nicht wahr? Wohin soll's denn gehen?« Die drei hatten sich an den Tisch gesetzt. Der frische Kaffee duftete in den Tassen, und die Semmeln waren noch warm. Die Butter schmolz fast, als Christine sie aufstrich. »Ich fahre in die Berge«,

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Der Bergpfarrer – 147–

Und ich lieb dich doch

Wenn verlernt wurde, zu vertrauen ...

Toni Waidacher

Die Nachtschicht wollte einfach kein Ende nehmen. So oft Christine Brückner auch auf die Uhr schaute, die Zeiger schienen nicht weiterzurücken. Hinzu kam, daß es in dieser Nacht besonders ruhig auf der Station war, und die beiden Krankenschwestern kaum etwas zu tun hatten. Dabei waren sie eigentlich froh über diese Ruhe. Schlimmer war es, wenn nachts Notfälle eingeliefert wurden, und die anderen Patienten dann auch noch Hilfe brauchten. Aber heute wartete Christine ganz besonders auf die Ablösung durch die Tagschicht, denn es waren die letzten Stunden vor ihrem Urlaub.

Die Vierundzwanzigjährige setzte ein letztes Mal Kaffee auf und stellte saubere Tassen auf den Tisch. Die Tür zum Schwesternzimmer öffnete sich, und Dr. Volkmann kam herein. Schnüffelnd hob er die Nase und sah Christine erwartungsvoll an.

»Gibt’s für mich auch einen?« fragte er bittend.

Sie lächelte.

»Selbstverständlich, Herr Doktor.«

Der Arzt strahlte über das ganze Gesicht und zog eine Tüte hinter dem Rücken hervor.

»Dafür spendiere ich die frischen Semmeln«, sagte er. »Ich hab’ sie grad unten in der Küche stibitzt.«

»Dann bekommen Sie sogar zwei Tassen«, lachte Christine und holte Butter und Marmelade aus dem Kühlschrank.

»Ach, ich sterbe vor Hunger!« seufzte Kathrin Rother, die gerade hereinkam. »Wenn uns jetzt nicht noch ein Notfall dazwischen­kommt, können wir ja in aller Ruhe frühstücken. Herrlich!«

Dr. Volkmann sah Christine fragend an.

»Sie haben Urlaub, nicht wahr? Wohin soll’s denn gehen?«

Die drei hatten sich an den Tisch gesetzt. Der frische Kaffee duftete in den Tassen, und die Semmeln waren noch warm. Die Butter schmolz fast, als Christine sie aufstrich.

»Ich fahre in die Berge«, antwortete sie.

»Wirklich?«

Der Arzt schien begeistert.

»Toll«, sagte er. »Wandern und Bergsteigen. Hab’ ich schon eine Ewigkeit net mehr gemacht. Früher, als ich noch studiert hab’, da war ich jede Ferien in den Alpen unterwegs. Aber inzwischen…«

Er zuckte die Schultern.

»… meine Frau fährt lieber an die See«, fuhr er fort. »Und die beiden Kinder, die sind längst alt genug, daß sie alleine Urlaub machen, wo es ihnen gefällt.«

Schwester Kathrin wiegte ihren Kopf hin und her.

»Berge?« meinte sie zweifelnd. »Ach, ich weiß net. Für mich wär’ das nix. Ich muß Trubel um mich haben, Leute kennenlernen.«

»Also, da sollten S’ sich aber net täuschen!« Der Arzt schüttelte den Kopf.

»Was glauben S’ wohl, was da manchmal so los ist! Besonders, wenn man mit mehreren oben auf einer Hütte ist. Da geht’s aber ab, da würden S’ staunen.«

Christine hatte schweigsam ihre Semmel verzehrt.

»Da, wo ich hinfahre, ist kein Trubel«, erzählte sie. »Jedenfalls hat das der Mann im Reisebüro gesagt. Und ich muß das auch net haben. Ein bissel wandern und vielleicht eine Bergtour, ja. Ansonsten bin ich froh, wenn ich meine Ruh’ hab’ und mich erholen kann.«

Über die Unterhaltung war die Zeit dann doch schnell vergangen. Einmal mußten sie nach einer Patientin sehen, die am Tag zuvor operiert worden war, dann kamen auch schon die Kollegen von der Tagschicht und lösten sie ab.

»Einen schönen Urlaub«, wünschte Kathrin. »Und wer weiß – vielleicht lernst’ ja einen feschen Burschen kennen.«

Den letzten Satz hatte sie mit einem Augenzwinkern gesagt. Christine hingegen antwortete nicht darauf. Sie setzte sich in ihr Auto und fuhr nach Hause. Erst einmal ins Bett und ausschlafen, dann Einkäufe machen und alles für die Fahrt morgen vorbereiten.

Hoffentlich kann ich mich schnell wieder auf den anderen Rhythmus einstellen, überlegte sie, während sie vor dem Haus parkte.

Seit einem halben Jahr arbeitete sie nun als Nachtschwester. Freiwillig hatte sie sich für diesen Dienst gemeldet.

Oder doch nicht ganz freiwillig, sondern aus dem Zwang heraus, der Einsamkeit zu Hause zu entgehen, die sie ganz besonders abends und in den Nachtstunden befiel, wenn sie an Wolfgang denken mußte.

Noch immer war es ihr nicht gelungen, ihn aus ihrem Herzen zu verbannen. Dabei wollte sie ihn vergessen, ihn und alles, was er ihr angetan hatte.

Vielleicht, hoffte sie, gelang es ihr im Urlaub, wenn sie Neues kennenlernte, andere Eindrücke sammelte, und die schlimme Zeit, die hinter ihr lag, endlich verblaßte.

*

Sebastian Trenker war schon in aller Herrgottsfrühe aufgestanden. Die Sonne zeigte sich noch nicht am Horizont, als der gute Hirte von St. Johann das Pfarrhaus bereits verließ. Angetan mit wetterfester Kleidung, einen Rucksack mit Proviant auf dem Rücken, hatte er das Dorf durchquert, war durch den Höllenbruch zur Hohen Riest aufgestiegen und jetzt, zwei Stunden später, hatte er sich zur ersten Rast an einem Berghang niedergelassen, von dem aus er einen herrlichen, weiten Blick hinunter ins Tal hatte.

Wie immer war die Brotzeit mehr als ausreichend. Sophie Tappert, die gute Seele des Pfarrhaushalts, hatte Sebastian mehrere Päckchen mit belegten Broten zubereitet, dazu eine große Thermoskanne mit Kaffee. Während er es sich schmecken ließ, dachte der Geistliche an die Aufregungen, die in den letzten Tagen und Wochen im Wachnertal geherrscht hatten. Dabei kam ihm in den Sinn, daß sein Leben ohnehin nicht der Vorstellung glich, die die meisten Leute von dem beschaulichen Dasein eines Landpfarrers hatten. Sebastian Trenker wich nicht nur äußerlich davon ab. Sportlich und durchtrainiert, das markante Gesicht von vielen Aufenthalten im Freien stets leicht gebräunt, erweckte er eher den Eindruck, ein prominenter Sportler oder Schauspieler zu sein. Jedesmal waren die Leute überrascht, wenn sich bei ihrer ersten Begegnung herausstellte, daß es sich bei ihm um einen Pfarrer handelte.

Aber Sebastian war viel mehr als nur das. Immer wieder wurde er mit Problemen anderer konfrontiert und setzte alles daran, den Menschen beizustehen und diese Probleme zu lösen.

Die Geschichte, an die er gerade dachte, hatte sich erst vor geraumer Zeit zugetragen. Blasius Eggensteiner, sein Amtsbruder aus der Nachbargemeinde Engelsbach, hatte in einer alten Heimatchronik gestöbert und war dabei auf einen Hinweis gestoßen. Demnach gab es irgendwo in seiner Kirche ein Bild des bekannten alpenländischen Malers Ewald Bruckner. Der Geistliche fand es tatsächlich in einer Abseite, oben bei der Orgel. Blasius konnte sein Glück kaum fassen, bis es jedoch schon bald einen Dämpfer bekam. Der hinzugezogene Gutachter bescheinigte dem Bild einen geringen Wert und gab dem Pfarrer den Rat, es für ein paar Hundert Euro zu verkaufen. Indes ahnte Blasius Eggensteiner zu diesem Zeitpunkt noch nicht, daß es sich bei Anton Gruber um einen gerissenen Ganoven handelte. Der ehemalige Kunstprofessor, der in das kriminelle Milieu abgerutscht war, stahl das Gemälde und verschwand auf Nimmerwiedersehen.

Kurz darauf kam es zu einem erneuten Diebstahl, und diesmal im Pfarrhaus von St. Johann. Sebastian Trenker hatte zwei Bilder in seine Obhut genommen, die der Familie Hollacher gehörten. Deren Tochter Franzi hatte die frühen Werke des Malers Urban Brandner auf dem heimischen Dachboden entdeckt, wo sie jahrelang aufbewahrt wurden, ohne daß jemand um ihren wahren Wert wußte.

Walter Hollacher, Franzis’ Vater, war auf einen gerissenen Betrüger hereingefallen, der ihm bei einer Geldanlage hohe Rendite versprach. Indes kam es nie zu der Fusion zweier Firmen, durch die deren Aktien steigen sollten. Nun forderte der Mann, er hieß Herbert Wilde, das vorgestreckte Geld auf einmal zurück und drohte damit, das Haus der Familie Hollacher zwangsversteigern zu lassen.

Franzi, die sich in einen jungen Burschen verliebt hatte, erinnerte sich an die Bilder auf dem Dachboden. Zusammen mit Jens Sommer, dessen Vater ein angesehener Galerist war, stöberten die Gemälde auf, und es stellte sich heraus, daß sie einen beträchtlichen Wert darstellten.

Als der Familienvater, glücklich darüber, daß die Zwangsversteigerung abgewendet schien, sich an seinen Gläubiger wandte und von dem Fund berichtete, ahnte er nicht, daß es sich bei Herbert Wilde um einen Komplizen des von der Polizei gesuchten Anton Gruber handelte. Der stieg auf Wildes Geheiß im Pfarrhaus von St. Johann ein und stahl die dort untergestellten Bilder. Von einem Moment auf den anderen, standen die Hollachers wieder vor einem schier unlösbaren Problem.

Diesmal allerdings ging Franzi aufs Ganze. Sie überredete Jens mit ihr nach München zu fahren und verschaffte sich dort Zutritt zum Haus des Finanzmaklers. Dabei kam ihr eine Angestellte Wildes zur Hilfe. Als auch noch Pfarrer Trenker eingriff, dauerte es nicht mehr lange, bis die beiden Ganoven dingfest gemacht, und die gestohlenen Bilder wieder an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben waren.

Nachdem Blasius Eggensteiner ›seine‹ Madonna zurückerhalten hatte, wurde das Gemälde nun von einem seriösen Fachmann restauriert und sollte schon bald mit einem feierlichen Hochamt in der Kirche der Öffentlichkeit präsentiert werden. Die beiden Gemälde Urban Brandners blieben im Besitz der Familie Hollacher. Es hatte sich herausgestellt, daß Herbert Wilde Franzis’ Vater gehörig übers Ohr gehauen hatte, und der dem Gauner nicht einen Cent schuldete.

Im Nachhinein konnte der gute Hirte von St. Johann mit der positiven Entwicklung der Dinge recht zufrieden sein, und das war auch der Grund, weshalb er an diesem Morgen sich endlich wieder einmal Zeit für eine seiner geliebten Bergtouren nahm, die ihn diesmal auf die Kandereralm führte. Dort lebte der alte Franz Thurecker und stellte den besten Käse weit und breit her. Sebastian freute sich schon darauf, den Senner zu begrüßen und ein wenig mit ihm zu plaudern.

Indes ahnte er nicht, welche Herausforderung das Schicksal schon bald wieder für ihn bereithielt…

*

»Grüß Gott, Frau Brückner, und herzlich willkommen in der Pension Stubler«, begrüßte Ria die junge Krankenschwester. »Hatten S’ eine gute Fahrt?«

»Vielen Dank«, nickte Christine. »Ja, es ging alles ganz wunderbar.«

»Ach, das freut mich. Da können S’ ja ganz entspannt Ihren Urlaub antreten und genießen. Ich zeig’ Ihnen gleich das Zimmer.«

Die Wirtin nahm einen Schlüssel vom Brett und ging voran, die Treppe hinauf.

»So, da sind wir schon«, sagte sie und schloß auf. »Ich hoff’, es gefällt Ihnen.«

»Aber ja«, antwortete Christine begeistert. »Es ist herrlich!«

Sie schaute auf die rustikale, im typisch alpenländischen Stil gehaltene Einrichtung. Das Zimmer war recht geräumig. Fernseher und Telefon waren selbstverständlich, durch eine große Glastür konnte man hinaus auf den umlaufenden Balkon, und das Badezimmer erwies sich als groß genug, daß man sich darin drehen und wenden konnte, ohne irgendwo anzustoßen.

»Frühstücken können S’ ab sechs Uhr«, erklärte Ria. »Es sei denn, Sie wollen eine Bergtour unternehmen und schon früh los. Dann sagen S’ mir am Abend vorher Bescheid, damit ich Ihnen eine Brotzeit richten kann.«

Sie nickte Christine freundlich zu und wünschte noch einen angenehmen Aufenthalt, ehe sie hinausging.

Die Krankenschwester packte gleich die beiden Reisetaschen aus und verstaute ihre Sachen im Kleiderschrank.

Es ist immer dasselbe, dachte sie, während sie die Toilettenartikel ins Bad brachte, man nimmt viel zuviel mit.

Allerdings hatte sie für jedes Wetter Kleidung mitgebracht. Darunter auch solche, die zum Wandern gedacht war.

Nachdem sie fertig war, ging Christine auf den Balkon und schaute zu den Bergen hinüber. Die schneebedeckten Gipfel schienen zum Greifen nahe. Irgendwo da oben gab es bestimmt auch Sennerhütten, zu denen man eine Wanderung machen konnte, und die hatte sich die Krankenschwester ganz fest vorgenommen.

Aber zunächst wollte sie St. Johann erkunden und sich bei einer Tasse Kaffee in die Prospekte vertiefen, die sie im Reisebüro mitbekommen hatte.

»Das ist wirklich ein idealer Ort, wenn Sie in Ruhe urlauben wollen, ohne den ganzen Trubel, wie er sonst in den Städten und Dörfern herrscht, die zu den sogenannten Touristenhochburgen gehören«, hatte der Mann gesagt, der sie bediente.

Und Trubel wollte Christine nun ganz bestimmt nicht haben. Lieber sollte es ruhig und beschaulich zugehen, und wenn sie hin und wieder etwas unternahm, dann wollte sie für sich sein und nicht viel mit anderen Leuten zu tun haben. Immerhin wollte sie sich in diesem Urlaub von dem erholen, was hinter ihr lag.

St. Johann entsprach genau ihren Vorstellungen. Die Bilder in den Prospekten waren nicht geschönt. Es war ein kleiner Ort mit hübschen Häuschen, deren Fassaden bemalt waren. Es gab kaum moderne Bauten, abgesehen von dem kleinen Einkaufszentrum, das in der Mitte des Dorfes lag. Imposant fand Christine die Kirche, deren schlanker Turm mit der zwiebelförmigen Kuppel, in den blauen Himmel ragte. In Gedanken notierte sie, die Kirche unbedingt zu besichtigen. Doch erstmal war Kaffeepause angesagt. Zu dem Hotel, an dem sie vorübergekommen war, gehörte ein Kaffee- und Biergarten. Die auf der Straße aufgestellte Tafel versprach herrliche Kuchen und Eisspezialitäten. Christine hingegen begnügte sich mit einem Milchkaffee nach französischer Art, den sie bestellte, nachdem sie sich einen Platz gesucht hatte.

Offenbar war der Kaffeegarten ein bei den Urlaubern und Einheimischen beliebter Aufenthaltsort, denn es gab kaum einen Tisch, der nicht besetzt war. Die Krankenschwester hatte allerdings Glück und fand einen, der gerade frei wurde. Ein junger Mann legte ein paar Geldstücke neben seine leere Kaffeetasse und stand auf. Er nickte ihr freundlich zu, als Christine Platz nahm.

Einen Moment starrte sie ihn beinahe irritiert an. Der Mann war groß und schlank. Er hatte ein markantes Gesicht, das auf den ersten Blick sympathisch wirkte. Seine Kleidung wirkte leger, aber dennoch irgendwie interessant. Unter den dunklen Haaren schauten zwei blaue Augen hervor, die zu lächeln schienen.

Es war dieser Blick, der Christine in die Wirklichkeit zurückrief und ihr bewußt machte, daß sie den Mann regelrecht angestarrt hatte.

Sie murmelte eine Entschuldigung, aber da hatte sich der Unbekannte schon umgedreht und war auf dem Weg zum Ausgang.

Die Krankenschwester nippte an ihrem heißen Milchkaffee und lehnte sich behaglich zurück. Sie konnte es noch gar nicht glauben, daß sie jetzt hier saß, die Sonne genoß und an nichts denken mußte. Gestern war der Tag noch in einiger Hektik vergangen. Nachdem sie bis zum frühen Nachmittag geschlafen hatte, stellte Christine fest, daß ihr noch viel mehr Sachen für die Reise fehlten, als sie schon notiert hatte. Also machte sie sich zu einem stressigen Einkauf auf. Stressig deshalb, weil die Straßen verstopft und die Geschäfte voll waren. Dann wurde gepackt, und am Abend verbrachte sie zwei Stunden bei der Nachbarin, die während ihrer Abwesenheit die Blumen goß und sich darum kümmerte, daß der Briefkasten nicht überquoll. Von guten Wünschen für einen schönen Urlaub begleitet, ging Christine dann schlafen. Zumindest wollte sie es, aber sie merkte schnell, daß es nicht so ging, wie sie es sich vorgestellt hatte. Noch immer war ihre innere Uhr auf Nachtschicht eingestellt, und sie wußte, daß es mindestens noch ein, zwei Tage dauern würde, bis sie sich an den anderen Rhythmus gewöhnt hatte.

Schließlich war sie irgendwann doch eingenickt und fühlte sich am Morgen wie gerädert, als sie aufstand. Indes weckten zwei Tassen Kaffee ihre Lebensgeister, und nach einem rasch bereiteten Frühstück ging die Reise los.

Und jetzt sitze ich tatsächlich hier, dachte sie. Also los, Christine, genieße die zwei Wochen. Sie gehen schneller vorbei, als du denkst!

*