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Eine genaue Beobachtungsgabe und die Liebe zu den Menschen unseres Landes sprechen aus den Gedichten von Jürgen Köditz. Auf ganz eigene Weise, mit überraschenden Bildern und Ideen, versteht es der junge Autor, das Besondere des Arbeitsalltages zu entdecken. So ist es nicht verwunderlich, dass die Gedichte, die das enge Verhältnis des Autors zum Arbeitsbereich widerspiegeln, den zentralen Platz in dieser Auswahl einnehmen. Doch auch die Liebe, die Natur und die Zukunft sind literarischer Gegenstand seiner Verse.
Jürgen Köditz, geboren 1939 in Jena, war nach dem Besuch der Grundschule bis 1985 Schlosserlehrling in einem privaten Handwerksbetrieb. Anschließend arbeitete er als Schlosser in volkseigenen Betrieben: seit 1968 ist er Betriebsschlosser im VEB Carl Zeiss Jena. Mit dem Schreiben begann Köditz 1964 als Mitglied des Zirkels schreibender Arbeiter bei Zeiss. 1969 delegierte ihn der Zirkel zum Fernstudium an das Institut für Literatur "Johannes R. Becher" in Leipzig: ab 1970 absolvierte er ein dreijähriges Direktstudium am gleichen Instiut. Köditz veröffentlichte bisher - überwiegend Gedichte - in der Presse und in Anthologien. Er ist Träger der Ehrennadel für Verdienste im künstlerischen Volksschaffen.
Verlag Tribüne Berlin, 1976
Die vielen hervorragenden Referenzen als junger Arbeiter-Dichter waren für die Katze. Als verbotener Autor wurden sogar diese Gedichte von der Stasi laut Geheim-Akte als klassenfeindlich eingestuft. Zuerst gefördert, dann ins gesellschaftliche Abseits befördert.
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Veröffentlichungsjahr: 2015
So betitelte ich mein geheimes Eingabe-Rekord-Guinness-Buch.
Wie ich zur DDR-Berühmtheit wurde
In der ganzen DDR wurde ich bekannt, wie ein bunter Hund, weil ich als schreibender Arbeiter und Volksdichter mit meinen vielen Gedichten, überall in zentralen Zeitschriften, Anthologien, Neuen Deutschen Literatur, ja sogar in der SED-Parteizeitung, Neues Deutschland, veröffentlicht wurde.
Unentwegter Schleifer
Übern Magnettisch
Immer schneller
dreht sich die Schmirgelscheibe -
mein Sekundenprobeller.
Das Werkstück glättet sich,
wird zum Stahlspiegel-
zeigt mein Gesicht.
Auch an mir muß ich glätten
manchen Gedanken-Grat.
Doch werde ich trotzdem nicht so glatt
wie ein Mustercharakter
fürs Kaderblatt.
Immer hab` ich beizeiten
neue Unebenheiten
Dieses problematische Gedichte, welches im Neuen Deutschland veröffentlich wurde, da gab es beim Literatur-Institut, Leipzig wieder heftige ideologische Auseinandersetzungen und klassenfeindliche Beschuldigungen. Ich hatte Glück, der neue Parteisekretär, beantragte kein Diszipilnarverfahren, sondern ließ darüber im Kursus der Fernstudenten, eine Arbeit schreiben. Bei seinem Vorgänger bekam ich sogar ein Disziplinarverfahren, wegen Klassenfeindlichkeit.
Sieger im literarischen Wettbewerb
Meine Berühmtheit als Naturtalent, steigerte sich als ich im Zentralen Wettbewerb„ Ein gutes Wort zur guten Tat„, zu den Arbeiterfestspielen in Dresden von vielen tausenden Einsendungen ausgewählt wurde und für mein Arbeiter-Schwank „Querflöte„, den ersten Preis bekam. Mehre Theater interessierten sich für mein Stück, besonders die Dramaturgen der Bühnen von unserer damaligen Bezirkhauptstadt Gera. Diese waren begeistert von meinem Manuskript. Später stellte es sich heraus, dass diese falsch begeistert waren.
Berüchtigt wurde ich als kritischer Eingabeschreiber
Einst stachelten mich einige Arbeitskollegen vom VEB Carl Zeiss Jena an: „Dichter als schreibender Arbeiter, mu du endlich mal unsere unzähligen Missstände aufs Korn nehmen!„ So begann meine unaufhörliche Eingabenschreiberei. Gesetzliche Bestimmungen in der DDR legitimierten selbst gesellschaftskritische Eingaben. Diese mußten im Gegensatz zur BRD innerhalb von 14 Tagen beantwortet werden. Für viele strammen SED-Genossen war das ein stolzes Zeugnis für sozialistische Demokratie. Jedoch selbst unser treusozialistischer Zirkeldoktor, W. Schütz, so nannte ich unseren Leiter, der schreibenden Arbeiter, war da sehr skeptisch. Er mahnte:„ Jürgen, du bist ein Don Quichotte, du rennst gegen Windmühlen an. Du machst dich zum Gerechtigkeitsnarren. Das ist nichts negatives. Auch in mir steckt einer, aber ich betrachte unsere Probleme historisch, distanzierter, aus der Sicht von vielen Epochen. Unser Sozialismus hat heute noch viele Kinderkrankheiten!„