Verfolgt - deportiert - überlebt - Bernd A. Weil - E-Book

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Bernd A. Weil

4,9

Beschreibung

Die Zeit heilte keine Wunden, sie ließ aber in den Jahrzehnten nach der NS-Diktatur die Täter weitestgehend ungeschoren davonkommen. Es gab auch keine "Stunde Null", aber eine "zweite Schuld" der Verdrängung und Verleugnung der nationalsozialistischen Verbrechen. Nahezu lückenlos wurden die NS-Täter in die Nachkriegsgesellschaft wieder eingegliedert, während die überlebenden Opfer, die angesichts des Entsetzens oft selbst schwiegen, lange Zeit ignoriert wurden. Die Recherchen zu dieser Dokumentation haben sich über viele Jahre erstreckt, weil irrtümlicherweise angenommen wurde, dass fast alle Dokumente vernichtet oder verloren gegangen seien. Hier wird erstmals die vollständige Geschichte einer jüdischen Familie während des "Dritten Reiches" und der Nachkriegszeit umfassend dargestellt. Dazu wurden mehr als achtzig Archive in neun Ländern ausgewertet. Besonderen Stellenwert nahmen die Wiedergutmachungsakten im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden und bei der Bezirksregierung in Düsseldorf ein. Die exemplarische "Personalisierung" des Holocaust am Beispiel der Familie Aumann soll den Lesern die unfassbaren Verbrechen stärker ins Bewusstsein rücken. Damit wir nicht die Augen vor der Vergangenheit verschließen, soll die noch immer zu beobachtende gesellschaftliche Verdrängung endlich einer kollektiven Verantwortung weichen. Dazu werden vom Autor nicht nur die Opfer, sondern auch die zahlreichen Täter genannt.

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Für Jeany und Michael

Für den Triumph des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun.

(The only thing necessary for the triumph of evil is for good men to do nothing.)

Edmund Burke (1729–1797)

Das Vergessen der Vernichtung ist Teil der Vernichtung selbst.

Jean Baudrillard (1929–2007)

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.

Paul Celan (1920–1970): Todesfuge (Mai 1945)

Den Hass nicht zu erwidern, das ist unser Glück;

Und hassen andre uns, wir hassen nicht zurück.1

Buddha: Sukha (Glück), Vers 197 des Dhammapada

 

1Pali:

Susukhaṃ vata jīvāma, verinesu averino;

Verinesu manussesu, viharāma averino.

Neue Dokumente zum Schicksal derEisenbacher jüdischen Familien

Inhalt

Vorwort

Stammbaum der Familie Aumann

Übersichtskarte zum Schicksal der Familie Aumann

Einweihung des Gedenksteins für die Familie Aumann

Einweihung der Gedenktafel für die Familie Aumann

Rosalie und Gustav Aumann

Siegmund Aumann

Bertha Aumann und Siegfried Straus

Otto Aumann

Albert Aumann

Rosa Fromm, geb. Aumann

Strafanzeige gegen Rosa Aumann wegen Beleidigung

Rosa und Selma Aumann in Düsseldorf

Stammbaum der Familie Aumann-Udoff

Mathilde Mannheimer, geb. Aumann

Sally, Berta, Judis und Josia Aumann

Sally Aumanns Aufenthaltsorte

Schlussbemerkungen

 

Anhang

Opferliste der Familie Aumann

Maßnahmen der Nationalsozialisten gegen Juden 1933 bis 1945

Medienberichte und Lesermeinungen zum ersten Band

Quellen-, Archiv- und Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Register

Vorwort

"Das Vergessen der Vernichtung ist Teil der Vernichtung selbst", schrieb der französische Medientheoretiker, Philosoph und Soziologe Jean Baudrillard (1929–2007).2 Wie sollte und soll man mit den Verbrechen des Nationalsozialismus nach 1945 umgehen, ohne sich die von Ralph Giordano (1924–2014)3 zu Recht angeprangerte "zweite Schuld" der Verdrängung und Verleugnung, des "großen Schweigens", auf sich zu laden?4 Enttäuscht stellte der streitbare Journalist, Publizist und Regisseur Giordano im August 1987 fest: "Wohl war Hitler militärisch, nicht aber ideologisch geschlagen. […] Kern ist das, was in diesem Buch der »große Frieden mit den Tätern« genannt wird – ihre kalte Amnestierung durch Bundesgesetze und durch die nahezu restlose soziale, politische und wirtschaftliche Eingliederung während der ersten zehn Jahre der neuen Staatsgeschichte."5

Bis zum Jahr 1958 gab es eine nahezu lückenlose Wiedereingliederung der NS-Täter in die Nachkriegsgesellschaft. Der deutsche Journalist und Autor Wilhelm Freiherr Speck von Sternburg (* 1939)6 nannte dazu als Beispiel: "Am 11. Mai 1951 beschloss der Bundestag7 mit Inkraftsetzung der »131er-Gesetze«8 die Übernahme der Nazibeamten in den öffentlichen Dienst der Bundesrepublik."9 Über die "unbewältigte Vergangenheit der deutschen Justiz" finden sich in Dr. jur., Dr. phil. Ingo Müllers profund recherchiertem Buch "Furchtbare Juristen" zahlreiche Beispiele: "In Westfalen beispielsweise hatten 93 Prozent des Justizpersonals der NSDAP oder ihren Nebenorganisationen angehört. Im Oberlandesgerichtsbezirk Bamberg waren von 309 Juristen 302 Pateigenossen gewesen, am Amtsgericht Schweinfurt gleich alle. In ihrer Enklave Bremen fanden die Amerikaner ganze zwei Richter, die als unbelastet gelten konnten."10 Wie wenig sich am System geändert hatte, musste auch der amerikanische Landeskommissar von Bayern erkennen, weil "dort 1949 von 924 Richtern und Staatsanwälten genau 752, also 81 Prozent ehemalige Nazis waren".11

Ignatz Bubis (1927–1999), der ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, schrieb in seinem Buch über die Juden in Deutschland: "Nach 1945 schwiegen Täter und Opfer. Erstere verleugneten und verdrängten das in ihrem Namen und unter ihrer vielfachen Mitwirkung Geschehene, Letztere ließ das Entsetzen verstummen. Es lebten nur noch wenige Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland, ihre einst so aktiven Gemeinden waren zerstört und vernichtet. Erst Ende der fünfziger Jahre begann eine neue Generation Fragen zu stellen, sich mit den Ungeheuerlichkeiten des Dritten Reiches auseinanderzusetzen."12 Die zahlreichen Exilierten, die nach der sogenannten "Machtergreifung" Adolf Hitlers Deutschland verließen, wurden nach dem Ende der "braunen Macht" von vielen Medienvertretern nach wie vor sehr rüde behandelt, beschimpft und verspottet. Daher kehrte kaum ein Emigrant in das Nachkriegsdeutschland zurück13 und wenn, dann in der Uniform der Alliierten wie zum Beispiel Klaus Mann,14 der älteste Sohn Thomas Manns.

Fest steht: Es gab keine "Stunde Null", nicht 1945 und nicht 1989! Die Schuldfrage lässt sich auch nicht mit würdevollen Nachrufen auf die Opfer beiseite wischen. Noch immer würden allzu gerne zahlreiche Zeitgenossen – angesichts eines neu aufkeimenden Antisemitismus15 in Europa (vor allem in Frankreich und Deutschland) – das Vergessen des Holocaust praktizieren, aber den Opfern zuliebe und den Tätern zum Groll kann man dies nicht zulassen! Es gibt keine Last, Deutscher zu sein, wenn man sich zu seiner Geschichte bekennt und sie nicht zu leugnen versucht. Über die Nazis in der eigenen Region zu forschen und zu publizieren, stellt jedoch eine Besonderheit dar, denn es fällt schwerer, sich den NS-Verbrechen zu stellen, je näher das Geschehen und die Täter an die persönliche Realität rücken.

Die von Hannah Arendt exzellent beschriebenen "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft"16 können wir nicht verstehen, solange wir dahinter eine gute und eine böse Seite des Menschen vermuten. In seiner am 29. Mai 1945 in Washington, D.C. in englischer Sprache gehaltenen Rede "Deutschland und die Deutschen" betonte der Nobelpreisträger Thomas Mann (1875–1955), dass "es nicht zwei Deutschland gibt, ein böses und ein gutes".17 Auch sein ehemaliger Privatsekretär Konrad Kellen (1913–2007),18 der als Emigrant mit seiner Frau Patricia (* 1925) im kalifornischen Pacific Palisades lebte, betonte in zahlreichen Gesprächen mit mir, dass diese Pseudotrennung doch nur die stets gleiche Seite einer Medaille abbilde.

Um die vielfältigen faschistischen Bewegungen19 und die besondere Herrschaftsform des nationalsozialistischen "Doppelstaates"20 begreifen zu können, benötigen wir die von der Psychoanalytikerin und Ärztin Margarete Mitscherlich-Nielsen (1917–2012) geforderte "Erinnerungsarbeit".21 Diese bleibt jedoch durch die zusammen mit ihrem Mann Alexander Mitscherlich (1908–1982) im Jahr 1967 beschriebene "Unfähigkeit zu trauern"22 im kollektiven narzisstischen Lamentieren über irgendwie geartete böse Zustände stecken. "Die Unfähigkeit zur Trauer um den erlittenen Verlust des Führers ist das Ergebnis einer intensiven Abwehr von Schuld, Scham und Angst. […] Die Nazivergangenheit wird derealisiert, entwirklicht."23 Die Beiden stellen in ihrer viel diskutierten und bewusst provokanten Untersuchung eine Abwehrhandlung des Individuums und der Masse gegenüber Schuld und Mitschuld an politischen Verbrechen fest. Die Deutschen verdrängten nach 1945 ihre Schuldgefühle aus reinem Selbstschutz. "Es ist unsere Hypothese, dass wir in Massen einer Melancholie verfallen wären, wenn wir die Realität, wie sie war, »zur Kenntnis genommen« hätten."24 Treffend sogar noch für unsere Gegenwart gilt: "Die Zeit heilt nicht nur die Wunden, sie lässt auch die Täter sterben."25

Die Verdrängung der Schuld spielt sogar heute bei den Nachgeborenen wieder vermehrt eine Rolle. Georg M. Hafner und Esther Schapira formulierten in ihrem aktuellen Buch "Israel ist an allem Schuld" die These, dass es noch immer einen "über Generationen weitergegebenen Hass auf Juden, gespeist aus deutscher Schuldabwehr, Ignoranz und mangelnder Empathie" gibt.26 Das bedeutet natürlich nicht, dass es verboten sei, jegliche Politik der israelischen Regierung kritisieren zu dürfen.

Nach 1945, als die Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus noch bei vielen als "Landesverräter" galten, hat man die meisten Nazi-Verbrecher ungeschoren davonkommen lassen. In der hastig absolvierten "Entnazifizierung" in den drei Westzonen wurden fast 90 Prozent der Verdächtigen als "Mitläufer" oder "Minderbelastete" eingestuft. Nur 1,4 Prozent der Täter wurden als Hauptschuldige oder "Belastete" meistens recht mild bestraft oder sehr schnell wieder begnadigt. An den NS-Morden waren mehr als 500.000 Deutsche beteiligt, aber nur etwa 900 Täter wurden überhaupt verurteilt. Das sind nur rund 0,18%! Und dennoch machte sich bei der Mehrheit der Deutschen schnell das Gefühl breit, genug gebüßt zu haben, gemäß der Forderung des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer (1876–1967) in seiner ersten Regierungserklärung am 20. September 1949, "Vergangenes vergangen sein zu lassen".27

Die Justiz, "die in der jungen Bundesrepublik noch immer von braunen Seilschaften geprägt war",28 wurde provoziert und teilweise entlarvt von dem großen Juristen und furchtlosen Humanisten Dr. jur. Fritz Bauer (1903–1968),29 der als Generalstaatsanwalt von Hessen den ersten Frankfurter Auschwitzprozess (1963–1965)30 gegen 22 ehemalige NS-Schergen und gegen erhebliche Widerstände vieler Alt-Nazis auf den Weg brachte. Die 21 Angehörigen der Waffen-SS und ein Funktionshäftling hatten bis dahin "in Deutschland unbehelligt ein ganz normales Leben führen können".31 Die meisten Juristen hatten bis zu diesem Prozess vor dem Landgericht das Wort "Auschwitz" noch nie gehört! Nun musste sich auch die Bevölkerung mit dem Ungeheuerlichen und Unfassbaren auseinandersetzen. Kritisch fügte jedoch Hannah Arendt zum Auschwitz-Prozess an: "Aus den ungefähr zweitausend SS-Männern, die zwischen 1940 und 1945 in Auschwitz Dienst taten und von denen noch viele am Leben sein müssen, hat man eine »Handvoll unerträglicher Fälle« herausgefischt und des Mordes angeklagt."32 Zur Zeit des Auschwitz-Prozesses war beispielsweise noch jeder dritte Abgeordnete im Hessischen Landtag ein ehemaliges NSDAP-Mitglied.33

Zwar gibt es keine kollektive Schuld, aber ein kollektives Verdrängen und eine kollektive Verantwortung.34 Verantwortlich für die nationalsozialistischen Verbrechen, die in ihrer Art unvergleichbar bleiben,35 war nicht nur ein kleiner Kreis um Adolf Hitler, sondern eine Vielzahl an direkt oder indirekt beteiligten "Volksgenossen". Der Staatsanwalt Dr. jur. Adalbert Rückerl (1925–1986), der Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg, beklagte im Dezember 1978 in einer Dokumentation: "Mit Ablauf des 31. Dezember 1979 verjähren nach geltendem Recht alle NS-Mordtaten, sofern nicht die Verjährung unterbrochen worden ist."36 Die Vergangenheit verjährt allerdings nicht! Deshalb geht die Verantwortung für die Erinnerung und das Gedenken an die Verbrechen des Holocaust37 noch heute uns alle an, und dieser Prämisse soll auch der zweite Band meiner Darstellung des Schicksals der Familie Aumann dienen. Ähnlich drückte es Bundespräsident Richard Karl Freiherr von Weizsäcker (1920–2015) im Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn anlässlich des 40. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1985 in seiner legendären Rede aus: "Wir alle, ob schuldig oder nicht, ob alt oder jung, müssen die Vergangenheit annehmen. Wir alle sind von ihren Folgen betroffen und für sie in Haftung genommen. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. […] Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird."38

Die Gemeinde Eisenbach (heute Selters im Taunus) liegt im "Goldenen Grund" zwischen Bad Camberg und Limburg an der Lahn einen Kilometer abseits der Bundesstraße B 8 (früher Reichsstraße R 8). Eisenbach war zwar kein sogenanntes "Nazi-Dorf",39 es gab jedoch genügend fanatisierte Einzeltäter. Außerdem beherbergte die Gemeinde während der Zeit des Zweiten Weltkrieges ein Unternehmen auf einem alten Gutshof ("Hof zu Hausen"40), das von Zwangsarbeit profitierte. Das sogenannte Eisenbacher "Zivilarbeiterlager" wurde von den Westalliierten im "Catalogue of Camps and Prisons in Germany and German Occupied Territories 1939–1945" erfasst,41 in dem Lager, Haftstätten, Außenkommandos, Orte und Arbeitsstätten sowie rund 2.500 Firmen verzeichnet sind, bei denen Zwangsarbeiter beschäftigt waren (insgesamt über 13.000 Einträge).

Meine Recherchen haben sich über viele Jahre erstreckt, wobei ich mehr als achtzig Archive in neun Ländern (Deutschland, Großbritannien, Israel, Luxemburg, Österreich, Polen, Schweden, die Tschechische Republik und die Vereinigten Staaten von Amerika) intensiv und zum Teil erstmals ausgewertet habe.42 Besonderen Stellenwert im zweiten Band meiner Darstellung der Geschichte der Familie Aumann nimmt die umfassende Aufarbeitung der Bestände der Wiedergutmachungsakten im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden ein.43 Obwohl sich die Begriffe "Wiedergutmachung" und "Entschädigung" in der Fachwelt durchgesetzt haben,44 so sind sie im Zusammenhang mit dem NS-Unrecht dennoch umstritten und bedenkenswert, denn "die Auflösung des Rechts in Angst und Schrecken, die bis zum millionenfachen Mord gesteigerte Verfolgung lassen sich nicht ungeschehen oder rückgängig und in diesem Sinne niemals »wieder gut« machen".45

Das zentrale Ziel der beiden Bände über das Schicksal der jüdischen Familie Aumann ist die exemplarische "Personalisierung" des Holocaust. Damit sollen die zahlenmäßig unfassbaren und anonymisierten Verbrechen stärker in das Bewusstsein der Menschen gerückt werden. Diese Intention teilen mit mir auch die noch lebenden Mitglieder der Aumann-Familie: Jeany und Michael Udoff (New York) sowie deren Kinder.46

Der israelische Finanzminister Yair Lapid (* 1963)47 sagte am 20. August 2014 bei seinem Besuch der Gedenkstätte Gleis 17 am Bahnhof Berlin-Grunewald:48 "Die Shoah stellt uns alle vor dieselbe Frage: Was hätte ich getan? Was hätte ich getan, wenn ich als Jüdin oder Jude 1933 in Berlin gelebt hätte, als Hitler an die Macht kam? Wäre ich geflohen? Hätte ich mein Haus oder mein Geschäft verkauft? Meine Kinder mitten im Schuljahr von der Schule genommen? Oder hätte ich mir gesagt: es wird vorbeigehen, das ist nur ein vorübergehender Wahn, Hitler sagt all diese Dinge nur, weil er Politiker ist und eine Wahl gewinnen will. Ja, er ist ein Antisemit, aber wer ist das nicht? Wir haben Schlimmeres durchlebt als das. Besser, wir warten ab und halten uns still. Es wird vorbeigehen." Und er ergänzte in seiner international viel beachteten Rede, auf die mich Michael Udoff aufmerksam machte,49 den kritischen Satz: "Ich denke, ich kenne die Antwort. Ich denke, Sie auch."50 – Wir alle sind heute wieder aufgerufen, wachsam zu sein, um Zeichen und Entwicklungen von Intoleranz, Gewalt und Verfolgung wahrzunehmen. Michael Udoff schrieb mir dazu aus New York: "Hopefully, speeches as this, and books such as yours will contribute to this vigilance."51 ("Hoffentlich tragen Reden wie diese und Bücher wie Ihres zu dieser Wachsamkeit bei.")

Die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main,52 wo ich vor mehr als vierzig Jahren vor allem bei dem renommierten Zeithistoriker Professor Dr. Klaus Hildebrand (geb. 1941)53 mit meinen Studien zum Nationalsozialismus und zum Zweiten Weltkrieg begann,54 wurde durch das Nazi-Regime in den 30er Jahren sehr schnell in den braunen Sog gezogen. Bereits 1933 wurde ein Drittel der Professoren verjagt – so viele wie an keiner anderen Hochschule des "Reiches". Im Jahr 1935 wurde unter der Leitung des Mediziners, Humangenetikers und Zwillingsforschers Otmar Freiherr von Verschuer (1896–1969)55 in Frankfurt ein neuer Lehrstuhl für "Erbbiologie und Rassenhygiene" eingerichtet. An diesem Institut promovierte Anfang 193856 mit der Höchstnote der Mediziner und Anthropologe Josef Mengele (1911–1979),57 der vom Mai 1943 bis zum Januar 1945 Lagerarzt des Vernichtungslagers Auschwitz war (Spitzname "Todesengel").58

Zum Schluss meines Vorworts noch eine wichtige Anmerkung: Sämtliche Einnahmen vom Verkauf dieses Buches (wie auch des ersten Bandes) sowie aus Lesungen, Interviews und Präsentationen etc. werden in vollem Umfang ohne jeden Abzug jüdischen Hilfsorganisationen wie zum Beispiel dem 2010 eröffneten israelischen Altenheim für verarmte Holocaust-Überlebende in Haifa zur Verfügung gestellt, um diesen Menschen zu helfen, ihren Lebensabend in Würde zu verbringen.59

 

2 Vgl. Wikipedia: Jean Baudrillard: http://de.wikipedia.org/wiki/Jean_Baudrillard (2015)

3 Vgl. Wikipedia: Ralph Giordano: http://de.wikipedia.org/wiki/Ralph_Giordano (Juli 2015)

4 Vgl. Giordano, Ralph: Die zweite Schuld oder Von der Last Deutscher zu sein, Köln 22008, S. 17

5 Ebd., S. 17

6 Vgl. Wikipedia: Wilhelm von Sternburg: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_von_Sternburg

7 Das "Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen" (BGBl. I S. 307) wurde von allen Parteien (auch von KPD und DRP) bei nur zwei Enthaltungen beschlossen. Danach konnten öffentlich Bedienstete, wenn sie nicht als Hauptschuldige galten, wieder eingestellt werden.

8 Der auf den Artikel 131 des Grundgesetzes zielende umgangssprachliche Begriff "131er" meint alle Staatsdiener, die infolge der NS-Zeit beschäftigungslos geworden waren, aber Anspruch auf Weiterbeschäftigung erhoben.

9 Sternburg, Wilhelm von: Warum wir? Die Deutschen und der Holocaust. Berlin 1996, S. 25

10 Müller, Ingo: Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit der deutschen Justiz. Berlin 2014, S. 256

11 Ebd., S. 257

12 Bubis, Ignatz: Juden in Deutschland; hrsg. von Wilhelm von Sternburg, Berlin 1996, S. 9

13 Vgl. u. a. Gay, Ruth: Das Undenkbare tun. Juden in Deutschland nach 1945. München 2001 oder: Treuenfeld, Andrea von: Zurück in das Land, das uns töten wollte. Jüdische Remigrantinnen erzählen ihr Leben. Gütersloh 2015

14 Vgl. Weil, Bernd: Klaus Mann: Leben und literarisches Werk im Exil, Frankfurt am Main 1983, S. 85ff.

15 Vgl. dazu u. a.: Benz, Wolfgang: Antisemitismus in Deutschland. Zur Aktualität eines Vorurteils. München 1995 und: Greive, Hermann: Geschichte des Antisemitismus in Deutschland, Darmstadt 1983

16 Vgl. Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, Totalitarismus. München 82001

17 Mann, Thomas: Essays, Bd. 5: Deutschland und die Deutschen; hrsg. von Hermann Kurzke und Stephan Stachorski, Frankfurt am Main 1996, S. 280

18 Vgl. Weil, Bernd A.: Abschied: Konrad Kellen (1913–2007); in: Die Welt, 13. April 2007, S. 28; online: http://www.welt.de/welt_print/article807056/Konrad-Kellen-1913-2007.html

19 Vgl. dazu den folgenden Überblick: Weil, Bernd A.: Faschismustheorien. Eine vergleichende Übersicht mit Bibliographie. Frankfurt am Main 1984

20 Vgl. Fraenkel, Ernst: Der Doppelstaat. Recht und Justiz im »Dritten Reich«. Frankfurt am Main 1974 (Amerikanische Originalausgabe: The Dual State, New York 1941)

21 Vgl. Mitscherlich, Margarete: Erinnerungsarbeit. Zur Psychoanalyse der Unfähigkeit zu trauern. Frankfurt am Main 1987

22 Vgl. Mitscherlich, Alexander und Margarete: Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens. München 181986

23 Ebd., S. 34

24 Ebd., S. 58

25 Ebd., S. 58

26 Hafner, Georg M. / Schapira, Esther: Israel ist an allem Schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wird. Köln 2015, Klappentext

27 Zit. nach: Der Spiegel, H. 45, 3.11.2014, S. 110

28 Steinke, Ronen: Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht, München / Zürich 2013, Klappentext

29 Vgl. Wikipedia: Fritz Bauer: http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Bauer (Juli 2015)

30 Vgl. Wikipedia: Auschwitzprozesse: http://de.wikipedia.org/wiki/Auschwitzprozesse (25.07.2015)

31 Bickel, Rolf / Wagner, Dietrich: Auschwitz vor Gericht. Strafsache 4 Ks 2/63. 2 DVDs; hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) in Bonn; Fritz-Bauer-Institut, Frankfurt am Main 2014, Klappentext

32 Arendt, Hannah: Nach Auschwitz. Essays & Kommentare. Hrsg. von Eike Geisel und Klaus Bittermann, Berlin 22014, S. 99

33 Vgl. Nassauische Neue Presse (NNP) vom 19. Februar 2013 und vom 20. Juni 2014

34 Vgl. Sternburg: Warum wir?, a. a. O., S. 21ff.

35 Der angeblichen Unvergleichbarkeit der NS-Verbrechen widersprach der in Berlin-Karlshorst geborene Zeithistoriker und Autor Joachim Clemens Fest (1926–2006) in seinem Aufsatz: Die geschuldete Erinnerung. Zur Kontroverse über die Unvergleichbarkeit der nationalsozialistischen Massenverbrechen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Nr. 199, 29.08.1986, S. 23f.

36 Rückerl, Adalbert: Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen 1945–1978. Eine Dokumentation. (Recht – Justiz – Zeitgeschehen [RJZ], Bd. 31) Heidelberg / Karlsruhe 1979, S. 5

37 Die Bezeichnung "Holocaust" leitet sich vom griechischen Adjektiv ὁλόκαυστον (holókauston) ab und bedeutete ursprünglich "vollständig verbrannt". Gemeint war damit ein vollständig auf dem Altar verbranntes Tieropfer.

38 Quelle: Ansprache des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker im Plenarsaal des Deutschen Bundestages in Bonn anlässlich des 40. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1985. Online unter: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Richard-von-Weizsaecker/Reden/1985/05/19850508_Rede.html;jsessionid=C3F8B3D203E2E9A378853CBDDBBE0700.2_cid285 [14.06.2015])

39 Vgl. Weil, Bernd: Die historische und politische Entwicklung der Gemeinde Eisenbach von 1848 bis 1945; in: Heimatbuch: 750 Jahre Eisenbach, Gemeinde Selters (Taunus), 1234–1984. Meinerzhagen 1984, S. 32

40 Vgl. dazu: Weil, Bernd: Die Geschichte des Hofes zu Hausen; in: Heimatbuch, a. a. O., S. 120–123

41 Vollständig abgedruckt in: Weinmann, Martin (Hrsg.): Das nationalsozialistische Lagersystem, Frankfurt am Main 31999 (Eisenbach: S. 542)

42 Die öffentliche Nutzung von Archivgut ist in Hessen durch das Hessische Archivgesetz (HArchivG) vom 26. November 2012 (GVBl. I S. 458) geregelt, das laut § 22 HArchivG am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist und bis zum 31. Dezember 2017 gültig sein wird: Hessisches Archivgesetz (HArchivG) vom 26. November 2012, verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Archivwesens und des Pflichtexemplarrechts vom 26. November 2012 (GVBl. I S. 458).

In § 12 HArchivG heißt es: "(1) Das Recht, öffentliches Archivgut zu nutzen, steht jeder Person zu, soweit durch Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. […] (2) Der Zweck der Nutzung, der persönlicher, amtlicher, wissenschaftlicher, pädagogischer, publizistischer oder gewerblicher Art sein kann, muss dargelegt werden."

Die Schutzfristen des Archivguts regelt § 13 HArchivG: "(1) Für öffentliches Archivgut gilt im Regelfall eine Schutzfrist von 30 Jahren nach Entstehung der Unterlagen. […] (2) Unbeschadet der generellen Schutzfristen darf Archivgut, das sich seiner Zweckbestimmung oder seinem wesentlichen Inhalt nach auf eine oder mehrere natürliche Personen bezieht (personenbezogenes Archivgut), im Regelfall erst zehn Jahre nach dem Tod der betroffenen Person oder der letztverstorbenen von mehreren betroffenen Personen durch Dritte genutzt werden. Ist das Todesjahr nicht festzustellen, endet die Schutzfrist 100 Jahre nach der Geburt der betroffenen Person oder der Geburt der letztgeborenen von mehreren Personen, deren Todesjahr nicht festzustellen ist. Ist weder Geburts- noch Todesjahr der betroffenen Person oder einer der betroffenen Personen mit vertretbarem Aufwand festzustellen, so endet die Schutzfrist 60 Jahre nach Entstehung der Unterlagen."

43 Mein besonderer Dank gilt Herrn Thomas Flach von der Entschädigungsbehörde beim Regierungspräsidium Darmstadt, Postfach 4809, 65038 Wiesbaden.

44 Vgl. Wikipedia: Deutsche Wiedergutmachungspolitik: https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Wiedergutmachungspolitik (18.06.2015)

45 Hockerts, Hans Günter: Wiedergutmachung in Deutschland 1945–1990. Ein Überblick. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) [Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament"], Jg. 63, Nr. 25-26/2013, 07.06.2013 (Thema: Wiedergutmachung und Gerechtigkeit); online unter: http://www.bpb.de/apuz/162883/wiedergutmachung-in-deutschland-19451990-ein-ueberblick?p=all

46 Vgl. Michael Udoffs E-Mail an Dr. Bernd A. Weil vom 29. August 2014: "To »personalize« the Holocaust […] was one of your major objectives in writing about the Aumann family." ("Die Massenvernichtung zu »personalisieren« […], war eines Ihrer Hauptziele beim Schreiben über die Aumann- Familie.")

47 Vgl. Wikipedia: Yair Lapid: http://de.wikipedia.org/wiki/Yair_Lapid (29.05.2015)

48 Vgl. Wikipedia: Bahnhof Berlin-Grunewald: http://de.wikipedia.org/wiki/Bahnhof_Berlin-Grunewald (29.05.2015)

49 Vgl. Michael Udoffs E-Mail an Dr. Bernd A. Weil vom 29. August 2014

50 Quelle: Rede von Finanzminister Yair Lapid an der Gedenkstätte Gleis 17 in Berlin-Grunewald, 20. August 2014, S. 1; Originalrede als Video im Internet unter: http://embassies.gov.il/berlin/NewsAndEvents/Pages/Finanzminister-Yair-Lapid-in-Deutschland.aspx und als PDF-Datei online in deutscher Übersetzung unter: http://embassies.gov.il/berlin/NewsAndEvents/NewsDokumente/20140820_Lapid_Gleis_17.pdf

Originalausschnitt in englischer Sprache: "The Holocaust causes us all to ask of ourselves the same question: What would I have done? What would I have done if I was a Jew in Berlin in 1933, when Hitler rose to power? Would I have run? Would I have sold my house, my business? Removed my children from school in the middle of the year? Or would I have said to myself: it will pass, it is just momentary madness, Hitler says all these things because he is a politician seeking election. Yes, he’s anti-Semitic, but who isn’t? We’ve been through worse than this. It’s better to wait, to keep my head down. it will pass. […] I think I know the answer. I think you do too."

51 Michael Udoffs E-Mail an Dr. Bernd A. Weil vom 29. August 2014

52 Vgl. Goethe-Universität Frankfurt am Main: http://www.uni-frankfurt.de

53 Vgl. u. a. Hildebrand, Klaus: Das Dritte Reich (Oldenbourg-Grundriss der Geschichte, Bd. 17), München / Wien 1979 (Neubearbeitete Auflage: 2003) und: ders.: Reich – Großmacht – Nation. Betrachtungen zur Geschichte der deutschen Außenpolitik 1871–1945. (Schriften des Historischen Kollegs: Vorträge 42) München 1995 sowie: ders.: Wer dem Abgrund entrinnen will, muss ihn aufs genaueste ausloten. Ist die neue deutsche Geschichtsschreibung revisionistisch? In: Die Welt, Nr. 272, 22.11.1986, S. 10 Zur Person vgl. auch: Wikipedia: Klaus Hildebrand: http://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Hildebrand

54 Vgl. Weil, Bernd: Faschismustheorien, a. a. O. sowie: ders.: General Dr. von Staat. Zum Verhältnis von Militär und Politik zwischen 1919 und 1945. Frankfurt am Main 1985; Internet-Katalog: http://www.bweil.de/werke.html

55 Vgl. Wikipedia: Otmar von Verschuer: http://de.wikipedia.org/wiki/Otmar_Freiherr_von_Verschuer

56 Josef Mengele aus dem schwäbischen Günzburg promovierte zum ersten Mal im Jahr 1935 bei dem Direktor des Münchner Anthropologischen Instituts Theodor Mollison (1874–1952) mit der Höchstnote über "Rassenmorphologische Untersuchung des vorderen Unterkieferabschnittes bei vier rassischen Gruppen" zum Dr. phil. (Doktor der Philosophie).

Vgl. Mengele, Josef: Rassenmorphologische Untersuchung des vorderen Unterkieferabschnittes bei vier rassischen Gruppen; in: Morphologisches Jahrbuch 79 (1937), S. 60–117 (zugleich: Universität München, Phil. Diss. vom 13. November 1935)

57 Vgl. Mengele, Josef: Sippenuntersuchungen bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalte; in: Zeitschrift für menschliche Vererbungs- und Konstitutionslehre 23 (1938), S. 17–42 (zugleich: Universität Frankfurt am Main, Med. Diss. vom 30. März 1938)

58 Vgl. Völklein, Ulrich: Josef Mengele, der Arzt von Auschwitz. Biographie. Göttingen 2003 und: Wikipedia: Josef Mengele: http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Mengele (August 2015)

59 Im Sommer 2010 wurde das erste israelische Altenheim für bedürftige Holocaust-Überlebende ("Home for Holocaust Survivors") in Haifa von der "International Christian Embassy Jerusalem" (ICEJ) eröffnet: Internationale Christliche Botschaft Jerusalem – Deutscher Zweig e. V., Motorstraße 36, 70499 Stuttgart; Internet: www.icej.de, E-Mail: [email protected]; IBAN: DE63 5206 0410 0004 0202 00, BIC: GENODEF1EK1 (Spenden sind steuerlich absetzbar.)

Einweihung des Gedenksteins für die Familie Aumann

Der deutsch-französische Arzt, Philosoph und Friedensnobelpreisträger (1952)60 Dr. Albert Schweitzer (1875–1965) aus Kaysersberg im Oberelsass, der von 1913 bis zu seinem Tod 1965 in Lambaréné (Gabun) gelebt und gewirkt hat, schrieb zum Thema "Erinnerung" einen nachdenkenswerten Aphorismus, der für seine Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben61 steht: "Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen der Mitmenschen." Aber auch ein würdevoller Gedenkstein hilft den Nachgeborenen, die Namen der jüdischen Mitbürger nicht zu vergessen.

Durch die Initiative des Eisenbacher Ehepaars Ingrid und Franz-Josef Rembser wurde am 15. November 2013 auf dem Friedhof in Selters-Eisenbach (Kirchhofstraße) ein Gedenkstein für die in der NS-Zeit deportierten und ermordeten Mitglieder der beiden Aumann-Familien errichtet. Die Gemeindeverwaltung Selters (Taunus) unter der Federführung des Bürgermeisters Bernd Hartmann (parteilos) beauftragte dazu – mit Unterstützung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Limburg e.V. (Christa Pullmann) – den Steinmetzbetrieb Hammerschmidt & Sohn in Niederselters (Emsstraße 5), auf einem großen Findling eine gegossene Bronzeplatte mit erhabener Schrift anzubringen. Der Gedenkstein befindet sich auf einer Grünfläche oberhalb des Haupteingangs des Friedhofs.

Gedenkstein für die Familie Aumann in Selters-Eisenbach62

Manuel Böcher, Christa Pullmann, Ingrid & Franz-Josef Rembser, Bürgermeister Bernd Hartmann und Rabbiner Dr. Shimon Großberg (v. l. n. r.)

Bernd Hartmann, Dr. Shimon Großberg und Dr. Bernd Weil

Martina Schuller mit Kindern und Jugendlichen aus Eisenbach

60 Der Friedensnobelpreis wurde Albert Schweitzer im Oktober 1953 rückwirkend für das Jahr 1952 zuerkannt. Der entschiedene Pazifist und Theologe nahm die internationale Auszeichnung am 4. November 1954 in Oslo entgegen.

61 Während einer Bootsfahrt auf dem Fluss Ogowe, der direkt an Lambaréné im westafrikanischen Gabun vorbeifließt, hatte Albert Schweitzer schon im Jahr 1915 beim Anblick einer großen Herde von Flusspferden das zentrale Motto seines ethischen Denkens gefunden: Die Ehrfurcht vor dem Leben. Diese Lehre umfasst Pflanzen, Tiere und Menschen gleichermaßen.

62 Alle Fotos zum Gedenkstein: Dr. Bernd A. Weil (Selters-Eisenbach, November 2013)

Einweihung der Gedenktafel für die Familie Aumann

Am Freitag, dem 14. März 2014, um 14:00 Uhr lud das Ehepaar Jutta und Bernd Weil aus Eisenbach alle interessierten Bürger und Pressevertreter zur feierlichen Enthüllung der von ihnen gestifteten Gedenktafel für die Familie von Rosalie und Gustav Aumann ein.

Camberger Anzeiger, 35. Jg., Nr. 11, 13. März 2014, S. 8

Die massive Bronzetafel63 wurde am heutigen Wohnhaus der Familie von Martina und Gerhard Schuller in der Eisenbacher Grabenstraße 24 angebracht, wo Rosalie ("Salchen") Aumann und ihre Tochter Bertha bis zu ihrer Deportation am 28. August 1942 als die beiden letzten jüdischen Personen des Kreises Limburg lebten.

Gedenktafel für die Familie Aumann in der Eisenbacher Grabenstraße 2464

Jeany Udoff, die heute in New York lebende einzige Tochter von Rosa Fromm, geborene Aumann, hat uns zusammen mit ihrem Ehemann Michael für diesen Anlass des gemeinsamen Gedenkens die folgende Grußbotschaft geschickt: "Die Schaffung dieser Gedenktafel ist das Ergebnis der inhumanen und grausamen Verbrechen gegen deutsche und andere europäische Juden, die niemals hätten geschehen und die sich niemals wiederholen dürfen."65

Bei der Enthüllung der Gedenktafel zu Ehren der Familie von Rosalie und Gustav Aumann wurde auch die letzte Strophe der im Mai 1945 entstandenen "Todesfuge"66 des deutschsprachigen Lyrikers Paul Celan (1920–1970)67 zitiert:

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts

wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland

wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken

der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau

er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau

ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete

er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft

er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete

dein aschenes Haar Sulamith

 

63 Die massive Bronzetafel hat die Maße 35cm x 25cm, die bronzebraun patinierte Grundfläche ist leicht strukturiert, die hell polierten Buchstaben sind 1,5mm erhaben und als Kapitälchen gegossen. (Idee, Entwurf und Realisierung der Gedenktafel: Jutta & Bernd Weil, Selters-Eisenbach)

64 Foto: Dr. Bernd A. Weil (14. März 2014)

65 E-Mail von Jeany und Michael Udoff (New York) an Dr. Bernd A. Weil im Februar 2014

66 Vgl. Wikipedia: Todesfuge: http://de.wikipedia.org/wiki/Todesfuge und: Die Welt vom 09.09.2010 Lesung der Todesfuge durch Paul Celan: Lyrikline: http://www.lyrikline.org/de/gedichte/todesfuge-66 Vgl. dazu: Ludwig, Martin: Analyse zu "Todesfuge" von Paul Celan (Universität Marburg 2009): http://ludwig.medienlinks.de/mal-todesfuge.pdf sowie: Lamping, Dieter (Hrsg.): Dein aschenes Haar Sulamith. Dichtung über den Holocaust. München 21993 (Erstauflage: 1992)

67 Vgl. Wikipedia: Paul Celan: http://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Celan (Juli 2015)

Rosalie und Gustav Aumann

Rosalie Marx (hier ein Portrait aus der Zeit um das Jahr 1930)68 wurde am 30. April 1861 in dem kleinen rheinhessischen Dorf Wallertheim nördlich von Alzey geboren.69 Ihre Eltern waren Salomon Marx (1821–1894) und Elisabetha Marx, geb. Metzger († 1862). Die kleine Rosalie lernte ihre Mutter gar nicht kennen, weil sie bereits verstarb, als das Baby gerade erst ein Jahr alt war. Die Familie unterstützte fortan den Vater mit Rat und Tat. Das Elternhaus von Rosalie Marx existiert schon seit langer Zeit nicht mehr.

Wallertheim ist heute Teil der rheinhessischen Verbandsgemeinde (VG) Wörrstadt im Landkreis Alzey-Worms und hatte im Jahr 2014 eine Einwohnerzahl von 1.809.70In dem 1250 erstmals urkundlich erwähnten Ort, der damals "Waldirtheym", "Waldtheym" oder "Walderthem" hieß,71 wurden bereits im Jahr 1555 zwei jüdische Einwohner genannt.72 In Wallertheim existieren noch immer zwei jüdische Friedhöfe und eine 1883/1884 aus Backsteinen errichtete Synagoge,73 in der sich seit dem Umbau in den Jahren 1952 und 1953 das Rathaus befindet (Neustraße 3).

Synagoge in Wallertheim (um 1950) [links] – Rathaus (2014)74

Eine bronzene Gedenktafel75 an dem heutigen Rathaus in der Wallertheimer Neustraße 3 weist auf das ehemalige jüdische Gebetshaus hin, das 1938 von den Nazis geplündert, in Brand gesetzt, aber wieder gelöscht wurde.76

Kartenausschnitt von Wallertheim (rote Marker v. l. n. r.): Alter jüdischer Friedhof, Synagoge, neuer jüdischer Friedhof77

Der alte jüdische Friedhof in Wallertheim wurde um das Jahr 1690 angelegt, um 1765 auf rund 700m2 erweitert78 und etwa 1840 aus Platzmangel geschlossen.79 Ein in Wörrstadt gefertigter Bauplan des Hessischen Vermessungsamtes vom 21. September 1928 zeigt im Maßstab 1:500 unter anderem die Lage des alten jüdischen Friedhofs (Flur 1, Flurstück Nr. 564 [heute Nr. 210]80) rechts neben einem Feldweg, der heutigen Mozartstraße.81 Die eingetragene "Straße Frei-Laubersheim – Oppenheim" heißt heute Neustraße und ist Teil der Kreisstraße K 18. Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurde der Friedhof im Jahr 1940 zerstört und abgeräumt. Bis 1945 "wurde das Gelände von einem privaten Eigentümer übernommen und in Ackerfläche umgewandelt".82 Seit Ende des Zweiten Weltkriegs liegt die Grasfläche brach, wie auf dem Foto weiter unten zu sehen ist.

Alter jüdischer Friedhof in Wallertheim(Neustraße [K 18] / Mozartstraße) [Lageplanausschnitt im Maßstab 1:500]83

Neuer jüdischer Friedhof in Wallertheim(an der Wörrstädter Straße [B 420])86

Rosalies Eltern Salomon und Elisabetha Marx wurden – wie einige andere Familienangehörige – auf dem neuen jüdischen Friedhof in Wallertheim bestattet.

Salomon Marx (1821–1894): Grabstein in Wallertheim87

Elisabetha Marx (gest. 1862): Grabstein in Wallertheim88

Am 13. November 1894 heiratete Rosalie Marx im Standesamt von Alzey den aus Eisenbach im Taunus stammenden jüdischen Kaufmann Gustav Aumann (1850– 1934)89 und zog mit ihm in das kleine Taunusdörfchen. Hier besaßen die Brüder Gustav und Hermann Aumann bereits seit Anfang des Jahres 189290 ein unter der Nummer "HRA. 33" im Handelsregister eingetragenes,91 gut florierendes Textil- und Gemischtwarengeschäft mit Vieh- und Fellhandel.92

Bescheinigung des Bürgermeisters Willi Köhler (1913–1984) vom 21. Juni 195793

Das gemeinsame Geschäft der "Gebrüder Aumann" wurde während des Ersten Weltkrieges im Jahr 1916 aufgegeben, war aber noch bis 1936 im Handelsregister Limburg – Zweigstelle beim Amtsgericht Camberg94 – eingetragen.95 Nach 1916 gingen die Brüder jeweils ihren eigenen Geschäften nach. – Im Jahr 1910 bauten Gustav und Rosalie Aumann in der Grabenstraße 24 ein zweigeschossiges massives Wohn- und Geschäftshaus.96

Wie Bürgermeister Willi Köhler am 21. Juni 1957 in einer Bescheinigung mitteilte, zahlte die Firma Gustav Aumann zwischen 1928 (114,- RM) und 1934 (118,- RM) bis zu einem Drittel des gesamten Gewerbesteueraufkommens der Gemeinde Eisenbach (z. B. 1932: 156,- RM). "Die Fa. Gustav Aumann war somit einer unserer höchsten Gewerbesteuerzahler in der Gemeinde, da das gesamte Gewerbesteueraufkommen RM 450,-- betrug."97 Im Jahr 1932 waren nur elf der 1.351 Einwohner98 von Eisenbach jüdischen Glaubens, also lediglich 0,81 Prozent,99 und hatten dennoch ein erhebliches ökonomisches Potential. In einer eidesstattlichen Versicherung vom 8. März 1962 zur Vorlage bei der zuständigen Entschädigungsbehörde in Wiesbaden schilderte Otto Aumann nähere Details über das Unternehmen seines Vaters Gustav.

Otto Aumanns eidesstattliche Versicherung vom 8. März 1962 (Ausschnitt)100

Der bis zum 1. April 1935 bei seinen Eltern in Eisenbach lebende und inzwischen in Frankfurt am Main wohnende Bezirksschornsteinfegermeister Johann Steinebach101 – ein ehemaliger guter Freund der Aumann-Söhne Siegmund, Otto und Albert – beschrieb am 13. Juni 1957 in einer notariell beglaubigten eidesstattlichen Erklärung den Viehhandel der Familie wie folgt:102

Die vier Aumann-Schwestern, Bertha, Selma, Mathilde und Rosa, "waren im Geschäft nicht beruflich tätig", der Bruder Siegmund nur bis zu seiner Erkrankung 1930/31, wie der Rechtsanwalt und Notar Dr. Ernst Reichmann aus Wiesbaden nach Auskunft durch Otto Aumann mitteilte.103 Die einfache und angesehene Familie von Rosalie und Gustav Aumann hatte zu den Nachbarn ein sehr gutes Verhältnis, woran sich noch heute zahlreiche Zeitzeugen erinnern. In einem Brief vom 6. November 2013 schrieb mir der Eisenbacher Pater Alfons Böß (1919–2014) aus Santiago de Chile: "Ich erinnere mich, dass wir als Kinder zur Zeit des »Matzen«-Essens dazu eingeladen wurden."104 Zum Pessach-Fest erhielten auch die nicht-jüdischen Nachbarskinder etwas Matze (ungesäuertes Brot),105 während Bertha und Mathilde Aumann eine Nachbarin schon mal um ein gebratenes Schweineschnitzel baten, was nach den jüdischen Speisegesetzen (Kaschrut)106 verboten ist. Die sehr gute Integration der jüdischen Mitbürger innerhalb der Eisenbacher Bevölkerung konnte das aufkommende Unheil dennoch nicht verhindern.

Während der Novemberpogrome 1938 wurden in der Zeit vom 7. bis 13. November 1938 im "Deutschen Reich" mindestens 400 Menschen ermordet oder in den Selbstmord getrieben.107 Mehr als 1.400 Synagogen, Betstuben oder andere jüdische Versammlungsräume sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden geschändet und zerstört.108 "Ab dem 10. November wurden ungefähr 30.000 Juden in Konzentrationslagern inhaftiert, von denen Hunderte ermordet wurden oder an den Haftfolgen starben."109

Zu dieser Zeit lebten von den beiden Eisenbacher jüdischen Familien nur noch Rosalie ("Salchen") Aumann110 mit ihren beiden Kindern Bertha und Otto in der Grabenstraße 24 (damals Hindenburgstraße 24). In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 ("Reichskristallnacht") ist ihre Einrichtung "von auswärtigen SA- Leuten zerstört worden",111 so der Bürgermeister Paul Zöller (1913–1990) am 22. Januar 1970 in einem Schreiben an die Wiesbadener Entschädigungsbehörde des Regierungspräsidenten. Von da an und in den folgenden Jahren wurde die Familie, die einen Vieh- und Fellhandel mit einem Manufakturwarenhandel betrieb, einem systematischen "legalisierten Raub"112 unterzogen, bei dem die Limburger Finanzbehörden sowie zahlreiche Bürger aus Eisenbach und den umliegenden Gemeinden eine nicht unerhebliche Rolle spielten.113 Die vollständige sogenannte "Entjudung des Grundbesitzes", das heißt der Verlust des zweigeschossigen massiven Wohnhauses mit Laden, Warenlager und Remise sowie eines Stalls und eines Nutzgartens der Familie von Rosalie und Gustav Aumann, war Ende August 1942 erreicht, wie im ersten Band meiner Darstellung des Schicksals der Aumann- Familie detailliert nachzulesen ist.114

Besonders die Zeit von der Pogromnacht im November 1938 bis zur Deportation im August 1942 muss für Rosalie Aumann und ihre Tochter Bertha schier unerträglich gewesen sein. Immer wieder waren sie Anfeindungen, Diffamierungen und Sachbeschädigungen ausgesetzt. Kinder verhöhnten sie auf der Straße, indem sie ihnen "Judd, Judd, Judd" nachriefen, Erwachsene zahlten häufig ihre Schulden nicht mehr zurück. Weil die Aumanns als Juden nicht in "arischen" Lebensmittelgeschäften einkaufen durften, wurden sie vereinzelt von nicht-jüdischen Familien unterstützt, die für sie heimlich Lebensmittel einkauften, um sie ihnen abends auszuhändigen, wie zum Beispiel Helene Böß (Kirchhofstraße 5), die Mutter des Paters Alfons Böß.115 Auch einige Eisenbacher Bauern wie Helenes Mann Jakob Böß (Dorfname "Ạnniwe Jaab") unterstützten die jüdischen Mitbürger entgegen dem Willen des Ortsbauernführers (OBF) Gattinger dadurch, dass sie ihnen heimlich Lebensmittel gaben oder verkauften.116Bertha Aumann wollte sich bei der Familie Böß unbedingt revanchieren und brachte ein Grammofon und einige Schreibtisch-Utensilien in die Kirchhofstraße 5.117

Am 28. August 1942118 wurden Rosalie Aumann und ihre Tochter Bertha im Rahmen "einer Zwangsevakuierung von jüdischen Einwohnern aus hiesiger Gemeinde"119 nach Frankfurt am Main gebracht. Zuvor hatte der in Frankfurt lebende Neffe Salchens, Sally Aumann, bei der dortigen Gestapo einen Antrag gestellt, "meine Tante und meine Kousine zu einem Transport von Eisenbach nach Frankfurt zu begleiten".120 Dies wurde ihm genehmigt, so dass er Rosalie (81 Jahre) und Bertha Aumann von Eisenbach auf dem landwirtschaftlichen Fuhrwerk des Bauers Jakob Böß121 zum Bahnhof nach Niederselters und von dort weiter mit dem Zug nach Frankfurt geleiten konnte. Der Fahrpreis war laut Schnellbrief der Geheimen Staatspolizei Frankfurt vom 21. August 1942 "von den Juden selbst zu bezahlen".122

Luftaufnahme der Großmarkthalle in Frankfurt am Main123

Zusammen mit Siegfried Straus – Berthas Ehemann – wurden die beiden Frauen Rosalie und ihre Tochter mit dem Zug Nummer "Da 509" am Dienstag, dem 1. September 1942, von der Frankfurter Großmarkthalle nach Tschechien deportiert. Am nächsten Tag erreichten sie den Mitte des Jahres 1938 amtlich umbenannten Bahnhof "Terezín-Bohušovice nad Ohří" (deutsch: "Theresienstadt-Bauschowitz an der Eger"), der an der Eisenbahnstrecke Praha – Ústí nad Labem (deutsch: Aussig an der Elbe) lag.124 Von hier aus wurden sie in das zweieinhalb Kilometer nördlich am Zusammenfluss von Elbe und Eger gelegene Ghetto Theresienstadt (tschechisch: Terezín)125 in Nordböhmen gebracht,126 das aus der durch die Eger getrennten Kleinen (Malá pevnost) und der Großen Festung (Velká pevnost) mit einer Gesamtfläche von 67 Hektar bestand und seit dem 24. November 1941 als "Transitghetto" diente. "Alle ankommenden und abgehenden Transporte wurden bis Juni 1943 auf dem Bahnhof Bohušovice abgefertigt. Die in Bohušovice ankommenden Menschen mussten mit ihrem Gepäck die etwa 2,5km lange Strecke bis zum Ghetto unter der Bewachung von Gendarmen marschieren, Kranke und Gebrechliche wurden auf Lastwagen transportiert. In dieser Zeit herrschte für die Bevölkerung des Ortes Ausgangssperre. Kontakt mit den Mitgliedern des Transportes war strikt verboten."127

Stadtplan von Theresienstadt (Sommer 1944)128

Rosalie Aumann, geb. Marx, wurde in Theresienstadt in der Postgasse Nr. 8 (Zimmer 116) untergebracht. Direkt daneben in der Postgasse 6 (Gebäude Q 806/06) lebte ihre Tochter Bertha, verheiratete Straus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die deutschen Straßenbezeichnungen getilgt. Die ehemalige Postgasse heißt heute Revoluční.

Theresienstadt: Postgasse Nr. 6 und 8 (erstes und zweites Haus rechts)129

Rosalie Aumann: Theresienstadt, Postgasse 8 (heute Revoluční)

Von Anfang an wurde von der NS-Propaganda der Eindruck erweckt, als handele es sich lediglich um ein seit November 1941 eingerichtetes "Sammellager" oder "Altersghetto", wo die Menschen arbeiten, lesen, musizieren, malen oder Theater spielen konnten. Theresienstadt war aber in Wirklichkeit ein KZ wie alle anderen auch, wo Menschen hungerten, erkrankten, erniedrigt und gequält wurden, bis sie endlich starben oder in ein Vernichtungslager wie Auschwitz gebracht wurden.

Der 1940 im kalifornischen Monterey geborene Psychologe und Autor Frido Mann130 (Foto mit dem Verfasser),131 der Enkel des Schriftstellers und Nobelpreisträgers Thomas Mann, sprach von "Lüge, Vertuschung und Schönfärberei"132 und der international anerkannte Historiker Prof. em. Wolfgang Benz (* 1941) nannte Theresienstadt "eine Geschichte von Täuschung und Vernichtung".133 Im "Theresienstädter Gedenkbuch" heißt es: "Fast die Hälfte der Häftlinge aus den deutschen Transporten (41.900; BW), genau 20441, starb in Theresienstadt."134 Insgesamt wurden 140.920 Menschen aus der Tschechoslowakei (75.661), Deutschland (41.900), Österreich (15.266), den Niederlanden (4.894), Polen (1.260), Ungarn (1.150), Dänemark (476), Luxemburg (310) und Frankreich (3) nach Theresienstadt deportiert, darunter waren etwa 15.000 Kinder und Jugendliche (ca. 11.000 unter 15 Jahren).135 33.950 Häftlinge starben hier an Hunger, Krankheiten oder Entkräftung, 88.196 Menschen wurden in Vernichtungslager wie Treblinka, Majdanek, Sobibór und vor allem nach Auschwitz deportiert, wo die Sterberate bei etwa 86% lag. Nur etwa 19.000 Personen überlebten das KZ Theresienstadt; darunter waren nachweislich lediglich 132 Kinder.136

In der umfangreichen Opfer-Datenbank des ehemaligen Konzentrationslagers Theresienstadt findet sich für Rosalie Aumann der folgende Eintrag:137

Geboren 30.04.1861

Transport XII/2, č. 1006 (02.09.1942 Frankfurt am Main Theresienstadt)

Ermordet 12.08.1943 Theresienstadt

Im "Theresienstädter Gedenkbuch" sind mehr als 42.000 Schicksale verzeichnet,138 darunter auch mehrere Mitglieder der Familie Aumann. In der ersten Zeile steht in Fettdruck der Nachname und der Vorname, in der zweiten Zeile ist hinter dem jüdischen Stern das Geburtsdatum angegeben, in der dritten Zeile folgen in kursiver Schrift die Transportangaben nach Theresienstadt und in der vierten Zeile steht hinter einem schwarzen Dreieck das Todesdatum in Theresienstadt oder in Kursivschrift der Transport von Theresienstadt zu einem weiteren Zielort.139

Rosalie Aumann im Theresienstädter Gedenkbuch140

Die römische Ziffer XII erhielten als Kennung alle Transporte von Frankfurt am Main nach Theresienstadt, gefolgt von einer chronologisch fortlaufenden arabischen Nummer (hier der zweite Transport). Diese Chiffren von der römischen I für Berlin bis XXVI für die Slowakei141 wurden den jeweiligen Transporten erst am Ziel zugewiesen.142

Am 12. August 1943 starb Rosalie Aumann um 10:30 Uhr vormittags im Lager Theresienstadt (Terezín), Postgasse 8, Zimmer 116.143 Ihr Leichnam wurde nur auf einem Brett (Sargunterteil) in dem außerhalb der Festung gelegenen Krematorium am Jüdischen Friedhof in der Südstraße verbrannt.144 Die Asche wurde in einer festen Kartonschachtel als Urne im Kolumbarium (Urnengewölbe) mit Tausenden anderen registriert und aufbewahrt. Im Oktober / November 1944 mussten Häftlinge die inzwischen mehr als 22.000 Aschebehälter auf Traktoren an den Fluss Eger (tschechisch: Ohře) fahren und dort hineinschütten. Ein Denkmal erinnert heute an die jüdischen Opfer.145

Denkmal am Fluss Eger in Tschechien146

Sterbeurkunde für Rosalie Aumann, geb. Marx, vom 16. Juli 1958147

Laut Erbschein des Amtsgerichts in Camberg (Nassau) vom 25. Mai 1950 (Az.: VI 30/50) wurden Rosa Fromm, geb. Aumann, und ihr Bruder Max Otto Aumann (beide wohnhaft in New York 34, 686 W. 204. Str.) je zur Hälfte als alleinige Erben ihrer ebenfalls durch das Amtsgericht in Camberg (Az.: B.R. II 15/49) für tot erklärten Mutter Rosalie Aumann, geb. Marx, ausgewiesen.

Erbschein für Rosalie Aumann148

Nachdem Otto Aumann bereits am 5. November 1949 beim Amt für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung (Anmeldebehörde) in Wiesbaden (Friedrichstraße 49) seinen ersten Entschädigungsantrag gestellt hatte149, richtete er am 2. April 1951 – vertreten durch den Wiesbadener Rechtsanwalt und Notar Dr. Ernst Reichmann (Wilhelmstraße 20; später: Luisenstraße 37) – erneut eine "Anmeldung von Ansprüchen gemäß Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts" vom 10. August 1949 an die Zentralmeldestelle beim Hessischen Ministerium des Innern (Abt. VI: Wiedergutmachung) in der Wiesbadener Wilhelmstraße 24 (Register-Nr. 22360).150 Darin gab Otto als Beruf "Sorter of Skins & Furs" ("Sortierer von Häuten & Fellen") an und bezifferte den in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 in der Grabenstraße 24 entstandenen Gesamtschaden auf 4.000,- RM, darunter Schmucksachen im Wert von 2.000,- RM. Otto beantragte aufgrund des Entschädigungsgesetzes (§§ 17-20) einen "Ersatz des Schadens in Höhe von R.Mk. 4.000,-".151 Detailliert gab Otto an, dass die folgenden Einrichtungen und Gegenstände durch Plünderung oder Zerstörung verloren gingen.152

Desweiteren wurden in der Pogromnacht auch Schmuck und Bargeld geraubt, die ebenfalls von Otto Aumann in einem Beiblatt aufgelistet wurden.153

Am 28. Februar 1957 stellten Otto und Rosa Aumann als Erben ihrer Mutter Rosalie bei der Entschädigungsbehörde des Regierungspräsidenten in Wiesbaden unter der Registernummer W 31403 einen "Antrag auf Grund des Bundesgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz – BEG)154 vom 29. Juni 1956 (BGBl. I S. 559)".155

Die Firma der Familie Aumann bestand schon seit Ende des 19. Jahrhunderts und wurde ursprünglich (bis 1916) von den Brüdern Gustav und Hermann Aumann gemeinsam geleitet.156 Der weit bekannte Vieh- und Fellhandel sowie der Gemischtwarenhandel mit Manufaktur- und Kurzwaren erzielte nach Rosa und Otto Aumanns Angaben einen jährlichen Gesamtumsatz von etwa 50.000,- bis 60.000,- RM. Der Gewinn betrug ca. 8.000,- bis 10.000,- RM pro Jahr.157 "Der Vieh- und Fellhandel wurde im Jahr 1935 auf Grund parteiamtlicher Verordnungen verboten, waehrend das Gemischtwarengeschaeft nach der sogenannten Kristallnacht im November 1938 geschlossen wurde."158

Weil ihre Mutter "Inhaberin der Firma Gustav Aumann, Viehhandlung, Fellhandlung und Gemischtwarengeschaeft"159 gewesen ist, nach Theresienstadt verschleppt und dort ermordet wurde, forderten die einzigen überlebenden Kinder als Erbengemeinschaft eine Entschädigung für Rosalie Aumann. Juristisch vertreten wurden sie wieder durch den Wiesbadener Rechtsanwalt und Notar Dr. Ernst Reichmann (Luisenstraße 37). Rosas und Ottos Ansprüche bezogen sich auf den von ihrer Mutter erlittenen Schaden an Leben, Freiheit, Eigentum (§§ 51–55, 146 BEG) und Vermögen (§§ 56–58, 146 BEG) sowie auf den Schaden im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen (§§ 64–137 BEG).160

Laut Bescheid der Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt am Main vom 28. Februar 1958 wurden den Erben Max Otto Aumann und Rosa Fromm, geb. Aumann, gemäß Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG)161 "für entzogene Möbel und Einrichtungs- sowie Metallgegenstände Schadensersatzansprüche in Gesamthöhe von DM 4900,- zuerkannt".162

Ein zweiter Bescheid der Entschädigungsbehörde beim Regierungspräsidenten in Wiesbaden (Wilhelmstraße 32) vom 22. Dezember 1958 hat den Geschwistern Rosa und Otto nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) vom 29. Juni 1956 (BGBl. I, S. 559) für ihre Mutter Rosalie Aumann "zur gesamten Hand wegen Schadens an Freiheit (Freiheitsbeschränkung und Freiheitsentziehung) eine Entschädigung in Höhe von 3.300,-- DM" zuerkannt.163

Nach teils schwierigen juristischen Auseinandersetzungen mit den deutschen Behörden erhielten Rosa und Otto Aumann nach mehr als neun Jahren eine Gesamtentschädigung in Höhe von DM 8.200,- für ihre Mutter Rosalie Aumann.

Der Vater, Gustav Aumann (* 1850), war bereits am 19. November 1934 in seinem Haus in der Eisenbacher Grabenstraße 24 (damals Hindenburgstraße 24) im Alter von 84 Jahren verstorben. Gustav galt als fleißiger, ehrlicher Geschäftsmann und war sehr angesehen, wie die gesamte Familie Aumann. "Wie sie geachtet waren, ergibt sich aus der Tatsache, dass an der Beerdigung des Herrn Gustav Aumann ein grosser Teil der christlichen Bevölkerung von Eisenbach teilnahm, obwohl die Beerdigung schon einige Zeit nach der Machtübernahme stattfand", so der Bezirksschornsteinfegermeister Johann Steinebach aus Eisenbach 1957 in einer eidesstattlichen Erklärung.169

Erbschein für Gustav Aumann170

Gemäß dem vom Amtsgericht Camberg ausgestellten Erbschein für Gustav Aumann (Az.: VI 99/49) erbten die sieben Kinder je ein Siebtel des Erbes, die Ehefrau Rosalie "war nicht Erbin des Mannes geworden".171 Ihr "stand bis zu ihrem Tode […] die Leibzucht nach vormals Nassauischem Privatrecht zu".172 Unter "Leibzucht"173 (mhd.: lîpzuht)174 oder "Leibgedinge" versteht man die Verpflichtung, Naturalleistungen wie Wohnung, Nahrungsmittel, Hege und Pflege gegenüber einer Person bis zu deren Ableben zu erbringen. Das Leibgeding im engeren Sinn (lat.: dotalitium) ist "der Unterhalt, welchen die Witwe als Aequivalent für das eingebrachte Heiratsgut aus dem Vermögen des Mannes erhält".175 Verwandte Begriffe sind Nießbrauch, Nutznießung, Altenteil (Auszug), Witwengut und Wittum.176

Auch für Gustav Aumann stellten die einzigen überlebenden Kinder Rosa und Otto – wiederum vertreten durch den Wiesbadener Rechtsanwalt und Notar Dr. Ernst Reichmann – am 24. März 1958 bei der Entschädigungsbehörde des RP in Wiesbaden einen Entschädigungsantrag.177 Dieser Termin war von besonderer Bedeutung, weil nach § 189, Abs. 1 des Bundesentschädigungsgesetzes die Frist zur Einreichung von Entschädigungsansprüchen mit dem Datum des 31. März 1958 ablief.178 Entscheidend war der ausgefüllte und unterzeichnete Mantelbogen des jeweiligen Antrages.179

Die Kinder Rosa und Otto Aumann erhielten weder für den unter den Nazis erlittenen Berufsschaden ihres Vaters Gustav noch für die zu Schleuderpreisen abzugebenden Gegenstände samt einem Pferd ("Verschleuderungsschaden") irgendeine Entschädigung oder Wiedergutmachung.

Die Entschädigungsforderung für den der Mutter Rosalie Aumann entstandenen Berufsschaden180 wurde von den beiden Erben Otto und Rosa am 26. Februar 1962 wieder zurückgenommen,181 obwohl Zeugen – wie zum Beispiel der Bezirksschornsteinfegermeister Johann Steinbach (Frankfurt am Main, Roseggerstraße 17)182 – schriftlich bestätigten, dass "Salchen" das gut frequentierte Geschäft für Berufs- und Arbeitskleidung, Wäsche, Bettfedern, Stoffe und Kurzwaren nach dem Tod ihres Mannes allein weiter führte.183 (Diese Aussage ist im Wesentlichen nicht korrekt, wie ich im Kapitel über Otto Aumann noch detailliert darstellen und belegen werde.)

Während den schwierigen Auseinandersetzungen um Entschädigungsfragen kamen zwei Mitarbeiter (Kürzel: Et/We) der Entschädigungsbehörde in Wiesbaden auf die haarsträubende Idee, am 4. November 1958 schriftlich bei Otto und Rosa in New York nachzufragen, ob die verfolgte Rosalie Aumann überhaupt jüdischer Abstammung gewesen sei!

Schreiben der Entschädigungsbehörde an den Wiesbadener Rechtsanwalt Dr. Ernst Reichmann vom 4. November 1958 (Ausschnitt)184

 

68 Das Foto wurde mir freundlicherweise von Rosalie Aumanns einziger Enkelin Jeany Udoff und ihrem Ehemann Michael (New York) zur Verfügung gestellt.

69 Quelle: Geburtsregister des Standesamtes in Wallertheim, Nr. 15/1861

70 Quelle: Internetseite der Gemeinde Wallertheim: http://www.wallertheim.de/gemeinde

71 Vgl. Geschichte Wallertheims: http://www.wallertheim.de/geschichte

72 Vgl. Alemannia Judaica: http://www.alemannia-judaica.de/wallertheim_synagoge.htm (08.06.2015)

73 Zur Geschichte der am Freitag, dem 5. September 1884, eingeweihten Synagoge von Wallertheim: vgl. Arnsberg, Paul: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder – Dokumente. Darmstadt 1973, S. 195 sowie: Alemannia Judaica: www.alemannia-judaica.de/wallertheim_synagoge.htm (08.06.2015)

74 Fotoquelle der Synagoge in Wallertheim (um 1950): http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2059/Wallertheim%20Synagoge%20003.jpg

Foto des heutigen Rathauses in der Neustraße 3: Dr. Bernd A. Weil (2014)

75 Foto: Dr. Bernd A. Weil (2014)

76 Vgl. Alemannia Judaica: http://www.alemannia-judaica.de/wallertheim_synagoge.htm (08.06.2015) Die diesbezüglichen Dokumente befinden sich heute im Landesarchiv Speyer (Bestand H 51).

77 Straßenkarte von Google Maps: http://maps.google.de (08.06.2015) [Bearbeitung: Dr. Bernd Weil]

78 Vgl. Ternieden, Hendrik: Streit um jüdische Begräbnisstätte: Herr Korsch und sein Friedhof; in: Spiegel Online vom 22.10.2012: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/juedischer-friedhofwallertheim-matthias-korsch-a-860104.html

79 Vgl. Alemannia Judaica: Die jüdischen Friedhöfe in Wallertheim; Internet: http://www.alemanniajudaica.de/wallertheim_friedhof.htm (08.06.2015)

80 Vgl. ebd.

81 Quelle: Alemannia Judaica (08.06.2015): http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20302/Wallertheim%20Friedhof%20p010.jpg

82 Ternieden, Hendrik: Streit um jüdische Begräbnisstätte: Herr Korsch und sein Friedhof; in: Spiegel Online vom 22. Oktober 2012: http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/juedischer-friedhofwallertheim-matthias-korsch-a-860104.html

83 Quelle des Lageplans: Alemannia Judaica: http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20302/Wallertheim%20Friedhof%20p011.jpg Foto der Grasfläche in Wallertheim: Dr. Bernd A. Weil (2014)

Fotos: Dr. Bernd A. Weil (2014)

84 Vgl. Kolatch, Alfred: Jüdische Welt verstehen. 600 Fragen und Antworten. Wiesbaden 22011, S. 365

85 Vgl. Alemannia Judaica: Die jüdischen Friedhöfe in Wallertheim; Internet: http://www.alemanniajudaica.de/wallertheim_friedhof.htm

86 Fotos: Dr. Bernd A. Weil (2014)

87 Fotos: Dr. Bernd A. Weil (2014)

88 Foto: Dr. Bernd A. Weil (2014)

89 Quellen: Heiratsbuch des Standesamtes in Alzey (Hessen), Register-Nr. 98/1894 vom 13. November 1894 und: HHStAW 518-27045, Bl. 23: Heiratsurkunde für Alfred Mannheimer und Mathilde, geb. Aumann, des Standesamtes Wiesbaden, Nr. 2/41 vom 2. Januar 1941, S. 2

90 Quelle: Hausfreund für den Goldenen Grund, Camberg, Jg. 1892, Nr. 2: Handelsregistereintrag der "Firma Gebrüder Aumann Eisenbach"

91 Quelle: HHStAW 518-44289, Bd. 1, Bl. 231: Bescheinigung des Amtsgerichts Camberg vom 24. September 1959 (Az.: AR 558/59)

92 Quelle: HHStAW 518-53745: Wiedergutmachungsakten der Rosalie Aumann

93 Quelle: HHStAW 518-53738, Bd. 1: Bescheinigung 1 des Bürgermeisters Willi Köhler vom 21. Juni 1957

94 "Das Amtsgericht Camberg wurde zum 1.10.1879 durch Abgliederung der Gemeinden Camberg, Dombach, Eisenbach, Erbach, Schwickershausen, Niederselters, Oberselters und Würges vom Amtsgericht Idstein (Abt. 469/13) begründet und dem Landgericht Wiesbaden unterstellt. Das Gesetz vom 30.5.1893 (PrGSlg. S. →) überwies ihm außerdem die bisher zum Amtsgericht Usingen (Abt. 469/29) gehörenden Gemeinden Haintchen und Hasselbach. Ab 1.4.1923 unterstand es dem Landgericht Limburg. 1943 wurde es Zweigstelle des Amtsgerichts Limburg und 1968 aufgehoben." (Arcinsys: Amtsgerichte: https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction.action?detailid=b5444)

95 Quelle: HHStAW 518-44289, Bd. 1, Bl. 231: Bescheinigung des Amtsgerichts Camberg vom 24. September 1959 (Az.: AR 558/59)

96 Vgl. Weil, Bernd A.: Unvergessene Nachbarn. Das Schicksal der Eisenbacher jüdischen Familien. Norderstedt 2013, S. 25

97 Quelle: HHStAW 518-53738, Bd. 1: Bescheinigung 2 des Bürgermeisters Willi Köhler vom 21. Juni 1957

99 Vgl. Weil, Bernd: Die historische und politische Entwicklung der Gemeinde Eisenbach von 1848 bis 1945; in: Heimatbuch, a. a. O., S. 32

100 Quelle: HHStAW 518-55252: Otto Aumanns eidesstattliche Versicherung vom 8. März 1962, S. 1 (Ausschnitt)

101 Anschrift: Johann Steinebach, Roseggerstraße 17, Frankfurt am Main (Quelle: HHStAW 518-53738, Bd. 1)

102 Quelle: HHStAW 518-53738, Bd. 1: Eidesstattliche Erklärung von Albert Aumanns etwa gleichaltrigem Freund und Schulkamerad Johann Steinebach vom 13. Juni 1957, S. 1 (Ausschnitt)

103 Quelle: HHStAW 518-53738, Bd. 1, Bl. 7: Dr. Ernst Reichmanns Abänderung der Klagebegründung gegen das Land Hessen vom 16. März 1960 (Az.: 1.0. [Entsch.] 214/59), S. 1 (Zu: I 6 W/ 32313/00/A/-/ Au.)

104 Quelle: Pater Alfons Böß (1919–2014) in einem Brief vom 6. November 2013 aus Santiago de Chile an Dr. Bernd A. Weil

106 Vgl. Böhm: Begriffe des Judentums, a. a. O., S. 63 (3) und: Wikipedia: Jüdische Speisegesetze: https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdische_Speisegesetze (01.07.2015)

107 Vgl. Reichskristallnacht – Novemberpogrome 1938: http://www.ashkenazhouse.org/kndefger.htm

108 Vgl. Schwarz, Meier: Die "Kristallnacht"-Lüge: http://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/holocaust/ausschreitungen-und-judenpolitik-seit-1935/176.html

109 Wikipedia: Novemberpogrome 1938: http://de.wikipedia.org/wiki/Novemberpogrome_1938#cite_note-2 (August 2015)

110 Quelle: Central Database of Shoah Victims' Names (NS-Opfer-Listen von Yad Vashem, Jerusalem): http://namesfs.yadvashem.org/YADVASHEM/Hall%20Of%20Names/4010/1933785_1.JPG und: http://namesfs.yadvashem.org/YADVASHEM/14031810_334_4010/208.JPG (Foto neu bearbeitet und optimiert durch den Autor Dr. Bernd A. Weil)

111 Quelle: HHStAW 518-44289, Bd. 2, Bl. 430: Schreiben des Bürgermeisters Paul Zöller vom 22. Januar 1970 an die Wiesbadener Entschädigungsbehörde

112 Fluck, Dieter: "Legalisierter Raub" in Limburg; in: Rhein-Lahn-Zeitung vom 14. Januar 2008

113 Vgl. Meinl, Susanne / Zwilling, Jutta: Legalisierter Raub. Die Ausplünderung der Juden im Nationalsozialismus durch die Reichsfinanzverwaltung in Hessen. Frankfurt am Main 2004, S. 378f.

114 Vgl. Weil: Unvergessene Nachbarn, a. a. O.

115 Quelle: Brief des Paters Alfons Böß vom 6. November 2013 aus Santiago de Chile an den Verfasser

116 Vgl. Weil: Unvergessene Nachbarn, a. a. O., S. 31

117 Quelle: Brief des Paters Alfons Böß vom 6. November 2013 aus Santiago de Chile an den Verfasser

118 Quelle: HHStAW 518-44289, Bd. 2, Bl. 370, S. 1, Punkt 4: Sally Aumanns eidesstattliche Versicherung vom 3. Juni 1967

119 Quelle: HHStAW 518-44289, Bd. 2, Bl. 318: Schreiben des Bürgermeisters Paul Zöller (Eisenbach) vom 25. Juni 1965 an die Entschädigungsbehörde in Wiesbaden

120 Quelle: HHStAW 518-44289, Bd. 2, Bl. 370, S. 1, Punkt 4: Sally Aumanns eidesstattliche Versicherung vom 3. Juni 1967

121 Vgl. Weil: Unvergessene Nachbarn, a. a. O., S. 91

122 Quelle: HHStAW 425–432: Schnellbrief der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) Frankfurt am Main vom 21. August 1942

123 Fotoquelle: Institut für Stadtgeschichte (ISG) Frankfurt am Main (Bildarchiv)

124 Vgl. Gottwaldt, Alfred / Schulle, Diana: Die »Judendeportationen« aus dem deutschen Reich 1941–1945. Eine kommentierte Chronologie. Wiesbaden 2005, S. 261

125 "Theresienstadt (tschechisch Terezín) liegt am Zusammenfluss von Elbe und Eger (tschechisch Labe und Ohře), ca. 60km nördlich von Prag. Im Oktober 1780 legte Kaiser Josef II. den Grundstein zum Bau der Festung, die das Eindringen des preußischen Heeres auf dem Landweg oder dem nahen Wasserweg der Elbe verhindern sollte. Die Festung, einer der Glanzpunkte des damaligen Festungsbaus, wurde in ca. 10 Jahren errichtet und nach der Mutter des Kaisers benannt." (Kamhuber, Kurt: Kinder in Theresienstadt. Zeichnungen und Texte von Kindern aus dem KZ Theresienstadt. Oberösterreich, Januar 2012, S. 4; online unter: http://www.erinnern.at/bundeslaender/oberoesterreich/lehrgangpadagogik-an-gedachtnisorten/abschlussarbeiten/kurt-kamhuber-kinder-in-theresienstadt.-zeichnungen-und-texte-von-kindern-aus-dem-kz-theresienstadt)

126 Vgl. Weil: Unvergessene Nachbarn, a. a. O., S. 41–48

127 Theresienstadt-Lexikon: Ghetto Theresienstadt 1941–1945. Ein Nachschlagewerk.

Internet: http://www.ghetto-theresienstadt.info/pages/b/bohusovicebahn.htm

128 Bildquelle: Kamhuber: Kinder in Theresienstadt, a. a. O., S. 5

129 Die Fotos vom März 2015 wurden mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Stanislav Lada (Guide-Manager in Terezín). Die Häuser werden heute privat genutzt und können nicht ohne Weiteres besichtigt werden.

130 Frido Manns Website lautet: http://www.frido-mann.de

131 Fotoquelle: Dr. Bernd A. Weil (mit Frido Mann in Limburg an der Lahn am 13. Februar 2008)

132 Vgl. Mann, Frido: Terezín oder Der Führer schenkt den Juden eine Stadt. Eine Parabel. Münster / Hamburg 1994, S. 9

133 Benz, Wolfgang: Theresienstadt. Eine Geschichte von Täuschung und Vernichtung. München 2013

134 Quelle: Theresienstädter Gedenkbuch. Die Opfer der Judentransporte aus Deutschland nach Theresienstadt 1942–1945. Hrsg. vom Institut Theresienstädter Initiative, Prag 2000, S. 11

135 Zu dem Thema "Kinder in Theresienstadt" vgl. vor allem: Benz: Theresienstadt, a. a. O., S. 173–185 und: Kamhuber: Kinder in Theresienstadt, a. a. O., S. 11–40

136 Vgl. Kacer, Kathy: Die Kinder aus Theresienstadt, Ravensburg 2003

137 Quelle: Theresienstadt-Archiv: Opferdatenbank: http://www.holocaust.cz/de/victims/PERSON.ITI.264096

138 Quelle: Theresienstädter Gedenkbuch, a. a. O., S. 13

139 Vgl. ebd., S. 11

140 Quelle: Theresienstädter Gedenkbuch, a. a. O., S. 575

141 Quelle: Theresienstädter Gedenkbuch, a. a. O., S. 55–89

142 Vgl. Gottwaldt / Schulle: Die »Judendeportationen« aus dem deutschen Reich 1941–1945, a. a. O., S. 280

143 Vgl. Weil: Unvergessene Nachbarn, a. a. O., S. 52

144 Vgl. Theresienstadt-Lexikon: http://www.ghetto-theresienstadt.info/pages/k/krematorium.htm

145 Vgl. Weil: Unvergessene Nachbarn, a. a. O., S. 56f.

146 Quelle: Fotogallerie der Gedenkstätte Theresienstadt (Terezín Memorial): http://www.pamatnikterezin.cz/en/photogallery/memorial-site-by-the-ohre-river?lang=en

147 Quelle: HHStAW 518-53745, Bl. 44; dito in: HHStAW 518-55252, Bl. 21

148 Quelle: HHStAW 518-53745, Bl. 8: Erbschein des Amtsgerichts in Camberg für Rosalie Aumann (Az.: VI 30/50) [beglaubigte Abschrift für Otto Aumann vom 25. Mai 1950]; dito in: HHStAW 518–55252, Bl. 27 sowie in: HHStAW 518-53738, Bd. 1

149 Register-Nr. WI / WSB / A / 1601 IIb

150 Quelle: HHStAW 518-53745, Bl. 9: Otto Aumanns Antrag vom 2. April 1951

151 Ebd., S. 2

152 Quelle: HHStAW 518-53745, Bl. 10: Anlage zu Otto Aumanns Antrag vom 2. April 1951

153 Quelle: HHStAW 518-53745, Bl. 19: Beiblatt zu Otto Aumanns Antrag vom 2. April 1951

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