Vergiss, was geschehen ist - Patricia Vandenberg - E-Book

Vergiss, was geschehen ist E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Dr. Daniel Norden war Arzt mit Leib und Seele und immer bereit zu helfen, wo Hilfe nötig war, auch wenn es um Menschen ging, die er gar nicht kannte. Am schlimmsten traf es ihn deshalb, wenn es keine Hilfe mehr geben konnte und ganz besonders an diesem Tag, als sein knapp neunjähriger Danny mit kreidebleichem Gesicht vor ihm stand und ihn mit schreckensvollen Augen anblickte. Es war ein Dienstag, mittags halb ein Uhr. Dr. Norden war gerade von der Praxis heimgekommen, und als er aus dem Wagen stieg, sah er Danny schon angelaufen kommen. Der Junge musste erst Luft holen, bevor er die Frage seines Vaters beantworten konnte, warum er denn so schnell renne. »Bitte, komm, Papi, komm schnell. Im Wäldchen liegt ein Mädchen. Es rührt sich nicht.« Daniel Norden stellte vorerst keine Fragen. Er saß schon wieder im Auto. »Steig ein, Danny, zeig mir die Stelle«, sagte er. »Aber hinschauen möchte ich nicht mehr, Papi«, schluchzte der Junge auf. »Brauchst du nicht. Wieso warst du im Wäldchen?« »Wegen dem Baumsterben. Mit der Lehrerin sind wir gegangen, mit Frau Diepold«, stammelte der Junge. »Aber die ist auch ganz fertig. Halb ohnmächtig, Papi, bin so froh, dass ich dich gleich getroffen habe.« Er war halt ein Arztsohn und trotz seiner jungen Jahre der Geistesgegenwärtigste gewesen. Man hatte sich auch auf ihn verlassen, weil sein Vater eben der Dr. Norden war. Und die arme Frau Diepold, nicht mehr die Jüngste und auch nicht die Gesündeste, wie Dr. Norden wusste, da Frau Diepold seine Patientin war, saß bebend auf einem Baumstumpf, umgeben

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Dr. Norden Bestseller –215–

Vergiss, was geschehen ist

Patricia Vandenberg

Dr. Daniel Norden war Arzt mit Leib und Seele und immer bereit zu helfen, wo Hilfe nötig war, auch wenn es um Menschen ging, die er gar nicht kannte.

Am schlimmsten traf es ihn deshalb, wenn es keine Hilfe mehr geben konnte und ganz besonders an diesem Tag, als sein knapp neunjähriger Danny mit kreidebleichem Gesicht vor ihm stand und ihn mit schreckensvollen Augen anblickte.

Es war ein Dienstag, mittags halb ein Uhr. Dr. Norden war gerade von der Praxis heimgekommen, und als er aus dem Wagen stieg, sah er Danny schon angelaufen kommen.

Der Junge musste erst Luft holen, bevor er die Frage seines Vaters beantworten konnte, warum er denn so schnell renne.

»Bitte, komm, Papi, komm schnell. Im Wäldchen liegt ein Mädchen. Es rührt sich nicht.«

Daniel Norden stellte vorerst keine Fragen. Er saß schon wieder im Auto. »Steig ein, Danny, zeig mir die Stelle«, sagte er.

»Aber hinschauen möchte ich nicht mehr, Papi«, schluchzte der Junge auf.

»Brauchst du nicht. Wieso warst du im Wäldchen?«

»Wegen dem Baumsterben. Mit der Lehrerin sind wir gegangen, mit Frau Diepold«, stammelte der Junge. »Aber die ist auch ganz fertig. Halb ohnmächtig, Papi, bin so froh, dass ich dich gleich getroffen habe.«

Er war halt ein Arztsohn und trotz seiner jungen Jahre der Geistesgegenwärtigste gewesen. Man hatte sich auch auf ihn verlassen, weil sein Vater eben der Dr. Norden war. Und die arme Frau Diepold, nicht mehr die Jüngste und auch nicht die Gesündeste, wie Dr. Norden wusste, da Frau Diepold seine Patientin war, saß bebend auf einem Baumstumpf, umgeben von den ängstlichen Kindern.

»Ich dachte, dass wir hier warten müssen«, flüsterte sie. »Gut, dass Sie gekommen sind, Herr Doktor. Da drüben liegt sie. Damit konnte ich doch nicht rechnen.«

»Der Jocki ist drübergestolpert«, sagte ein Junge, »aber Danny hat gleich gesagt, dass er seinen Papi holt.«

Dr. Norden meinte für sich, dass man da vor allem die Polizei holen müsste, aber daran hatte in der Aufregung wohl niemand gedacht.

»Vielleicht ist sie bloß eingeschlafen, Papi«, flüsterte Danny. »Sie ist ja zugedeckt mit einer Decke.«

Die leblose Gestalt lag ein paar Meter entfernt im Gebüsch. Für Dr. Norden genügte ein Blick, um festzustellen, dass er da nicht mehr helfen konnte.

»Gehen Sie mit den Kindern von hier weg, Frau Diepold«, sagte er rau. »Rufen Sie die Funkstreife, und du, Danny, sagst Mami Bescheid. Ich bleibe hier, falls noch jemand vorbeikommt.«

Er wollte, dass die Kinder entfernt wurden. Jetzt waren sie verängstigt, aber er wusste, dass sie neugierig werden würden, wenn die Polizei kam. Aber er wusste auch, dass hier nichts verändert werden durfte, denn die junge Frau war erschossen worden. Sie war attraktiv und konnte noch nicht lange tot sein. Auch das konnte der erfahrene Arzt ohne eingehende Untersuchung feststellen.

Vielerlei Gedanken gingen Dr. Norden durch den Sinn, während er auf die Polizei wartete. Aber dann kamen sie, und nach einem kurzen Funkspruch erschien auch die Mordkommission.

Frau Diepold hatte sich so weit wieder gefangen gehabt, dass sie an den Ort dieser grausamen Tat zurückkehren konnte, nachdem sie die Kinder heimgeschickt hatte.

Dr. Norden konnte sich vorstellen, wie schnell sich die Tragödie herumsprechen würde. Er wurde nicht mehr gebraucht. Die weitere Arbeit gehört zum gerichtsmedizinischen Institut. Auch Frau Diepold konnte nicht viel sagen, und die Kinder brauchte man erst recht nicht zu befragen. Begegnet waren sie niemandem in diesem Teil des Waldes und vorher nur ein paar harmlosen älteren Leuten.

*

Fee Norden war sehr bestürzt gewesen, als Danny von diesem Erlebnis berichtete, aber viel sagte sie nicht. Er war sensibel und neigte auch nicht dazu, etwas aufzubauschen oder gar auszuschmücken.

Fee wartete nun auf die Rückkehr ihres Mannes. Daniel war die Betroffenheit dann auch anzusehen, aber beim Mittagessen wurde nicht über dieses Drama gesprochen. Auch Danny wollte sich anscheinend nicht damit befassen. Felix und Anneka wurden noch in dem Glauben gelassen, dass die Kinder eine Schlafende im Wald gefunden hatten.

»War es Mord?«, fragte Fee beklommen, als sie mit ihrem Mann dann allein war.

»Nichts anderes denkbar. Sie wurde in den Rücken geschossen. Eine Waffe wurde nicht gefunden. Kein Sexualverbrechen. Keine Papiere. Etwa Mitte zwanzig, sehr hübsch, sehr gut gekleidet. Das ist alles, was ich dir erzählen kann.«

»Danny hat gesagt, sie war zugedeckt. Ist sie vielleicht erst dorthin gebracht worden?«, fragte Fee nachdenklich.

»Auch nicht denkbar«, erwiderte er. »Es ist ein ganz schmaler Tretpfad. Wir sind da auch schon oft gegangen. Ein Auto käme nicht mal nahe an das Dickicht heran. Frau Diepold wollte den Kindern auch den noch gesunden Teil des Waldes zeigen. Sie bereut es jetzt.«

»Aber sonst wäre diese arme Person wohl lange nicht gefunden worden«, sagte Fee leise. »Könnte es nicht sein, dass der Täter wusste, wie wenig begangen dieses Waldstück ist?«

»Vermuten kann man viel, Fee, aber mach dir den Kopf nicht heiß. Sie ist kein Dutzendtyp. Man wird ihre Identität feststellen.«

Aber so einfach schien das doch nicht zu sein, obgleich schon am nächsten Tag ein Foto von der Toten veröffentlicht und ihre Kleidung genau beschrieben wurde. Man konnte auch lesen, dass die junge Frau höchstens drei bis vier Stunden tot gewesen war und keine Spuren eines Kampfes festgestellt werden konnten. Nun suchte man Zeugen, die die Unbekannte gesehen hatten oder gar kannten, auch Zeugen, die möglicherweise Beobachtungen gemacht hatten, die mit dieser Tat in Verbindung stehen könnten.

*

Ein junges Paar traf sich an diesem Nachmittag im Café-Restaurant eines Kaufhauses in der Stadt. Das hübsche blonde Mädchen saß schon etwa zehn Minuten am Tisch und hatte einen Kaffee bestellt, als der schwarzhaarige junge Mann nahte, sich umblickte, und dann an dem Tisch stehen blieb.

»Gestatten Sie, dass ich mich zu Ihnen setze«, fragte er höflich, nicht laut, aber deutlich.

Das Mädchen blickte kurz auf und nickte. »Ich muss gleich gehen.« Dann schob sie unauffällig einen Zettel über den Tisch.

Wir treffen uns um sechs Uhr bei Dr. Ulbricht, stand darauf. Und schon erhob sie sich. Schnell ging sie an der Bedienung vorbei, die gekommen war, um nach den Wünschen des neuen Gastes zu fragen, der aber so verwirrt war, dass er nach der Speisekarte griff und auf englisch sagte, dass er noch nicht gewählt hätte.

Das blonde Mädchen hatte das Kaufhaus schnell verlassen, eilte durch die Fußgängerzone und suchte zielstrebig einen Coiffeur auf.

Dort wurde sie beinahe stürmisch von einem zierlichen Persönchen empfangen.

»Janine, wie schön, dich mal wiederzusehen. Ich bin ganz happy, dass du zu uns kommst. Paolo wollte dich immer schon kennenlernen, und ich muss gestehen, dass ich schon dachte, du würdest mit einer Freundin, die Friseuse geworden ist, nichts mehr zu tun haben wollen.«

»So was darfst du nicht denken, Michi. Ich habe nicht so viel Geld, mir einen teuren Haarschnitt zu leisten. Da musste ich erst sparen.«

Ein nachdenklicher Blick aus nachtdunklen Augen traf sie. »Du bekommst ihn umsonst von deiner Freundin Michi, Janine«, sagte Michaela Costella. »Aber jetzt nehmen wir mit Paolo erst einen Drink.«

»Ich habe um sechs Uhr eine wichtige Verabredung, Michi«, sagte Janine Polacek leise, »aber ich wäre dir sehr dankbar, wenn du sagen würdest, dass ich bis sieben Uhr bei dir gewesen bin.«

»Was hast du zu fürchten, Janine?«, fragte Michi tonlos.

»Ich weiß es nicht. Ich brauche einen guten Schnitt und deine andere Tönung.«

»Aber dein wundervolles Blond«, sagte Michi erschrocken. Da nahte Paolo Costella, blendend aussehend, charmant, ein vollendeter Kavalier, der Janine mit einem Handkuss begrüßte.

»Welch große Freude, endlich Michis beste Freundin kennenzulernen«, sagte er. »Und welch herrliches Blond!«

»Janine möchte eine andere Tönung«, sagte Michi beklommen.

»Das wäre ein Frevel«, sagte Paolo. »Solch ein Blond schafft nur die Natur.«

»Ich werde mit Michi sprechen«, sagte Janine.

*

Dass Michaela Volkmann mit mittlerer Reife das Gymnasium verlassen hatte, um Friseuse zu werden, hatte schon genug Aufsehen erregt. Dass sie dann aber auch noch einen italienischen Figaro geheiratet hatte, kaum dass sie mündig geworden war, hatten Janines Eltern als eine Katastrophe bezeichnet für Michaelas bedauernswerte Eltern, die ja eine Rolle in der Hautevolee spielten.

Dass sie zu einer Künstlerin ihres Fachs geworden war, erlebte Janine nun an diesem Nachmittag. Eigentlich hatte sie ja nie vorgehabt, ihr langes Haar abschneiden zu lassen und schon gar nicht, auch noch einen intensiveren Farbton zu wählen, aber gewisse Umstände hatten sie dazu veranlasst.

Michi war nicht neugierig. Sie sprach temperamentvoll davon, wie glücklich sie mit ihrem Paolo sei und ihre vornehme Familie ihr gestohlen bleiben könnte.

»Man muss nur den Mut haben, die Konsequenzen zu ziehen, Janine«, sagte sie. »Mann kann sich sein Leben nicht vorschreiben lassen. Man muss es so leben, dass man Freude daran hat, und ich habe sie. Was sich meine Eltern vorgestellt haben, tangiert mich nicht mehr, aber ich gebe auch zu, dass ich kein Leben in Armut verbringen wollte, aber das brauche ich ja auch nicht. Eine Leuchte der Wissenschaft, wie es Vater sich erträumt hat, wäre ich nie geworden, aber wenn ich mir vorstelle, dass wir jetzt mehr verdienen als er jemals im Monat verdient hat, dann fühle ich mich schon sehr gut. Und du hockst immer noch auf der Schulbank. Das ist aber nicht abfällig gemeint. Ich denke nur, dass es doch ein bisschen heikel ist, wenn man sein Taschengeld einteilen muss.«

»Und wie heikel«, sagte Janine. »Aber wenn ich das Abi habe,

Michi …« Sie unterbrach sich. »Bei mir ist es halt schwieriger, weil Mama krank ist. Da muss ich Rücksicht nehmen.«

»Was fehlt ihr?«, fragte Michi mitfühlend.

»Da kommt keiner dahinter. Sie wird immer weniger. Und meinen Vater kennst du ja. Er sagt, dass sie hysterisch ist. Damit ist für ihn alles klar. Lassen wir das. Du, das sieht ja ganz toll aus, was du da aus mir machst, da bin ich ja ganz verändert.«

»Willst du das sein, Janine?«, fragte Michi. »Und für wen?«

»Denk nur nichts Schlimmes. Bobby werde ich vielleicht gar nicht gefallen …« Sie hielt erschrocken inne.

Michi beugte sich zu ihr herab.

»Warum soll ich dir ein Alibi geben, Janine?«, fragte sie leise. »Du kannst dich auf mich verlassen, besonders dann, wenn du Hilfe brauchst.«

Janine schloss die Augen. »Ich habe einen Freund, Michi. Ich habe ihn sehr gern, aber ich habe auch das Gefühl, dass mein Vater mich beobachten lässt. Er will mich mit Peter Reichert verkuppeln.«

»Der ist doch doppelt so alt wie du«, sagte Michi.

»Das interessiert doch meinen Vater nicht.« Janine blickte auf die Uhr. »Du, ich muss mich jetzt beeilen. Sei mir nicht böse. Ich komme bald wieder vorbei. Was bekommst du?«

»Vergiss es, Janine, aber vergiss nicht, dass du eine Freundin hast. Verflixt noch mal, lass dein Geld in der Tasche. Mach bloß keine Dummheiten. Und besuch uns mal privat. Hier hast du unsere Karte. Wenn du mal nicht weißt wohin, bei uns ist immer Platz.«

»Du meinst das ernst, Michi?«, fragte Janine.

»Klaro, sonst würde ich es doch nicht sagen. Und was Paolo betrifft, Italiener haben viel Familiensinn.«

»Bobby ist Amerikaner«, sagte Ja­nine leise.

»Tourist oder Student?«, fragte Michi.

»Student, aber ein armer Student.« Sie schaute in den Spiegel. »Ihm war ich vorher sicher lieber, aber es musste sein.«

»Aber der Schnitt ist gut«, sagte Michi, »das musst du mir lassen.«

»Phantastisch«, bestätigte Janine. »Und die Tönung ist toll. Da muss ich fast selbst ›Sie‹ zu mir sagen.«

*

Der Rechtsanwalt Dr. Arnold Ul­bricht war Janines Onkel und Pate. Ein Mann von knapp fünfzig Jahren und der Bruder von Janines Mutter. Mit seinem Schwager Jan Polacek hatte er sich allerdings nie gut verstanden. Sie waren übers Kreuz gekommen, als der Finanzmakler Polacek ihn in riskante Geschäfte einspannen wollte. Und als Janine ihn dringend um Hilfe gebeten hatte, glaubte Dr. Ulbricht, dass es wieder mal um solche Unternehmen ginge, oder auch um den Gesundheitszustand seiner Schwester, der ihm Sorgen bereitete, obgleich Verena ihm immer wieder sagte, er solle sich keine Gedanken machen.

Dr. Arnold Ulbricht hielt den Atem an, als Janine erschien.

»Wie siehst du denn aus?«, fragte er staunend.

»Gefalle ich dir nicht?«, fragte sie.

»Flott und sehr erwachsen«, sagte er rau.

»Ist Bobby noch nicht da?«, fragte sie.

»Nein, und jetzt möchte ich erst mal hören, wer dieser Bobby ist«, sagte Dr. Ulbricht.

»Mein Freund. Ich habe dir doch gesagt, dass er mein Freund ist, Onkel Arnold. Und wir brauchen deine Hilfe.«

»Wieso? Bekommst du ein Kind?«

»Was ihr euch gleich immer denkt. Wir sind in einer Klemme«, erwiderte Janine. »Und wenn Papa davon erfährt, schmeißt er mich raus. Aber dann kann ich mich nicht mehr um Mama kümmern.«

»Jetzt sagst du mir erst, worum es geht.«

»Um den Rat eines gewieften Rechtsanwaltes, und das bist du doch.«

»Ist dein Freund mit den Gesetzen in Konflikt gekommen?«, fragte er zögernd.

»Wie kannst du bloß so etwas denken! Bobby doch nicht. Er studiert doch auch Jura. Aber wenn alles aufkommt …«

Sie kam nicht weiter, denn es hatte geläutet, und nun erschien Bobby Brown.

Er war blass und erregt. Und er sah zuerst nur Janine. »Was soll das bedeuten, Janine?«, fragte er. »Warum hast du mir nur den Zettel hingeschoben?«

»Einmal deshalb, weil wir nicht zusammen gesehen werden sollen und auch, weil ich zum Friseur musste.«

»Das soll einer verstehen«, sagte Bobby. »Wie siehst du denn aus?«

»Das habe ich auch gesagt«, warf Dr. Ulbricht ein. »Aber jetzt möchte ich wirklich wissen, worum es geht.«

»Um die unbekannte Tote. Habt ihr nicht Zeitung gelesen?«, fragte Janine tonlos.

»Dazu hatte ich noch keine Zeit«, erwiderte Dr. Ulbricht. »Das ist meine Abendbeschäftigung.«

»Was für eine Tote?«, fragte Bobby Brown konsterniert.

Janine nahm eine zusammengefaltete Zeitung aus der Tasche. »Um die«, sagte sie und tippte auf das Foto.

Die beiden Männer starrten das Foto an. »Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst, Janine«, sagte Bobby.

»Wir haben sie doch gesehen. Erinnerst du dich nicht?« Sie sah nun ihren Onkel an. »Ich habe nämlich die Schule geschwänzt, um mich mit Bobby zu treffen. Aber das dürfen meine Eltern nicht wissen, Onkel Arnold. Aber ich habe diese Frau auch schon früher mal gesehen, zusammen mit Peter Reichert. Und jetzt befinde ich mich in einem Gewissenskonflikt.«

»Inwiefern?«, fragte Dr. Ulbricht.

»Und was habe ich damit zu tun?«, fragte Bobby verwirrt.

»Du bist doch kein Trottel«, fuhr ihn Janine an. »Erinnere dich endlich. Wir haben uns gestern morgen am Birkenwäldchen getroffen. Da stand der Wagen, so ein Schlachtschiff, das man nicht übersehen kann, und sie stieg aus. Diese Frau. Sie hat mit einem Mann gestritten. Erinnerst du dich jetzt, was ich gesagt habe, Bobby?«

Er schlug sich an die Stirn. »Ja, jetzt erinnere ich mich. Die streiten auch, hast du gesagt.«

»Habt ihr auch gestritten?«, fragte Dr. Ulbricht.

»Nicht so direkt«, erwiderte Janine rasch. »Bobby hat nur gesagt, dass er diese Heimlichkeiten hasst und auch nicht will, dass ich die Schule schwänzte, wo das Abi sowieso vor der Tür steht.«

»Sehr vernünftige Einstellung«, sagte Dr. Ulbricht nun schon bedeutend freundlicher.

»Aber du kennst doch unsere Verhältnisse, Onkel Arnold. Und du weißt doch auch, dass Papa mich mit Peter Reichert verkuppeln will. Aber ich mache da nicht mit. Aber wenn Bobby nicht mit mir durchbrennen will, will ich ihm auch keine Schwierigkeiten bereiten.«

»Nun mal langsam, Kind«, sagte Dr. Ulbricht bedächtig. »Du kannst doch logisch denken, also, sage jetzt, worum es dir geht.«

»Es werden Zeugen gesucht, und wir haben den Wagen gesehen«, erklärte Janine. »Und ich habe die Frau erkannt.«

»Wie heißt sie?«, fragte der Anwalt.

»Das weiß ich nicht. Aber ich habe sie mit Peter Reichert gesehen, das musst du mir glauben.«

»Und sie hat mit ihm gestritten? Es war sein Wagen?«, fragte Dr. Ulbricht.

»Nein, es war nicht Peter Reichert, und es war nicht sein Wagen. Den Mann habe ich nie gesehen.«

»Worauf willst du hinaus, Janine?«, fragte Bobby.

»Ich habe ein Gewissen«, sagte sie. »Eine Frau ist ermordet worden. Man kennt ihren Namen nicht. Aber wir haben sie gestern Morgen gesehen. Ich habe dir doch gesagt, dass ich sie schon mal gesehen habe, Bobby.«

»Ja, das hast du gesagt«, gab er zu. »Aber sie ist wieder zu dem Mann eingestiegen, und wir sind weggegangen.«