Verjährte Schuld - Patricia Vandenberg - E-Book

Verjährte Schuld E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Ulrike Hermsdorf hatte den Tisch gedeckt, hübsch wie immer, und wie sie es von früheren guten Zeiten gewohnt war. Allzu viel war davon nicht geblieben, aber sie war darauf bedacht, dass ihre Tochter Nicola nicht alles entbehren sollte, woran sie bis vor einem Jahr gewöhnt gewesen war. Bis dahin war ihre Welt in Ordnung gewesen, aber dann bewahrheitete sich für sie das Sprichwort, dass ein Unglück selten allein kommt. Vor genau einem Jahr hatte Ludwig Hermsdorf bei einem schweren Autounfall sein Leben verloren, und darüber war Ulrike noch nicht hinweggekommen. Alles hätte sie mit ihm gemeinsam ertragen können, was sonst an Widrigkeiten noch auf sie zukam, aber der geliebte Mann, mit dem sie fünfundzwanzig glückliche Ehejahre verbracht hatte, hinterließ eine Lücke, die sich nicht schließen wollte. Ulrikes einziger Trost war Nicola, und dieses bezaubernde Mädchen, das nun die Wohnung betrat, neunzehn Jahre jung und voller Anmut, verstand zu trösten. Die Arme voller Frühlingsblumen, wirkte Nicola selbst wie der erwachende Frühling in Mädchengestalt. »Ich habe noch Blumen besorgt, Mami«, sagte sie. »Wir wollen doch nachher zum Friedhof fahren. Und ich habe Frau Dr. Norden getroffen. Sie hat mir auch noch einen Strauß mitgegeben. Sie ist so lieb, und ich soll dich auch ganz herzlich grü­ßen.« Nur mit Mühe konnte Ulrike die aufsteigenden Tränen unterdrücken. »Ja, sie sind sehr lieb, die Nordens«, sagte sie leise. »Ich soll dir auch sagen, dass du dir nicht solche Sorgen machen sollst, dass wir unser Häuschen aufgeben müssen, Mami. Die Versicherung muss jetzt bald zahlen. Frau Norden war ganz bestürzt, dass das noch immer

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Dr. Norden Bestseller – 210 –

Verjährte Schuld

Patricia Vandenberg

Ulrike Hermsdorf hatte den Tisch gedeckt, hübsch wie immer, und wie sie es von früheren guten Zeiten gewohnt war. Allzu viel war davon nicht geblieben, aber sie war darauf bedacht, dass ihre Tochter Nicola nicht alles entbehren sollte, woran sie bis vor einem Jahr gewöhnt gewesen war.

Bis dahin war ihre Welt in Ordnung gewesen, aber dann bewahrheitete sich für sie das Sprichwort, dass ein Unglück selten allein kommt.

Vor genau einem Jahr hatte Ludwig Hermsdorf bei einem schweren Autounfall sein Leben verloren, und darüber war Ulrike noch nicht hinweggekommen. Alles hätte sie mit ihm gemeinsam ertragen können, was sonst an Widrigkeiten noch auf sie zukam, aber der geliebte Mann, mit dem sie fünfundzwanzig glückliche Ehejahre verbracht hatte, hinterließ eine Lücke, die sich nicht schließen wollte.

Ulrikes einziger Trost war Nicola, und dieses bezaubernde Mädchen, das nun die Wohnung betrat, neunzehn Jahre jung und voller Anmut, verstand zu trösten.

Die Arme voller Frühlingsblumen, wirkte Nicola selbst wie der erwachende Frühling in Mädchengestalt.

»Ich habe noch Blumen besorgt, Mami«, sagte sie. »Wir wollen doch nachher zum Friedhof fahren. Und ich habe Frau Dr. Norden getroffen. Sie hat mir auch noch einen Strauß mitgegeben. Sie ist so lieb, und ich soll dich auch ganz herzlich grü­ßen.«

Nur mit Mühe konnte Ulrike die aufsteigenden Tränen unterdrücken.

»Ja, sie sind sehr lieb, die Nordens«, sagte sie leise.

»Ich soll dir auch sagen, dass du dir nicht solche Sorgen machen sollst, dass wir unser Häuschen aufgeben müssen, Mami. Die Versicherung muss jetzt bald zahlen. Frau Norden war ganz bestürzt, dass das noch immer nicht geschehen ist.« Sie strich sanft über das früh ergraute Haar der Älteren. »Ich weiß ja, was du denkst, Mami. Papi wird davon auch nicht lebendig.« Sie blickte zu dem Foto, das einen fröhlich lachenden Mann darstellte. »Mein lieber Papi«, sagte sie zärtlich. »Aber bitte nicht mehr weinen, Mami. Das würde ihm nicht gefallen.«

*

Am Nachmittag fuhren sie zum Friedhof. Ludwigs großen Wagen hatte Ulrike gegen einen kleinen eingetauscht. Als Vertriebsleiter einer großen Möbelfabrik hatte Ludwig Hermsdorf sehr gut verdient und es zu einem soliden Wohlstand gebracht, obgleich sie es am Anfang ihrer Ehe nicht leichtgehabt hatten. Sie stammten beide aus Beamtenfamilien, in denen es sparsam zugegangen war.

Immer wieder musste Ulrike daran denken, wie sie sich gemeinsam gefreut hatten, wenn sie sich wieder etwas für die Wohnung kaufen konnten, und immer hatten sie gespart für ein eigenes Haus. Und dann hatte Ludwig sich nur ein paar Jahre daran freuen können, als sie dieses Ziel erreicht hatten.

Es war viel über sie hereingebrochen in den letzten zwei Jahren. Die Möbelfabrik war nach dem Tode des Seniorchefs in andere Hände übergegangen. Erbschaftsauseinandersetzungen unter seinen Kindern hatten zur Folge, dass sie in Zahlungsschwierigkeiten geraten waren. Ludwig hatte sich mit dem Gedanken tragen müssen, eine neue Stellung zu suchen, aber für einen Mann von achtundvierzig Jahren war das auch nicht so einfach. Für die Firma war das Problem durch den tödlichen Unfall aus der Welt geschaffen, aber das Geld, das Ulrike und Nicola zugestanden hätte, bekamen sie nicht mehr. Und die Versicherungen klagten hin und her.

Das Haus war noch nicht abbezahlt, die Verbindlichkeiten liefen weiter.

Die Rücklagen schmolzen mehr und mehr zusammen, und Ulrike, die gern wieder gearbeitet hätte, fand auch keine Stellung mehr.

Nicola sollte ihre Ausbildung auf der Meisterschule für Mode nicht abbrechen, darauf bestand Ulrike. Das Mädchen war hochtalentiert, aber es blieb ihr nur wenig Zeit, ab und zu mal Geld mit einem Job dazuzuverdienen.

Ja, all diese Gedanken bewegten Ulrike, als sie am Grabe ihres geliebten Mannes standen. Sie wollte ja tapfer sein, aber gerade in den letzten Wochen ging es ihr auch gesundheitlich gar nicht gut. Das aber wollte sie vor Nicola verbergen.

Lange verharrten sie am Grab, ordneten die Blumen in die Vasen, bis alles so war, wie sie es sich vorstellten. Sie hielten sich umschlungen und beteten. Ulrike aber betete in diesen Minuten für die Zukunft ihrer geliebten Nicola.

Als sie zum Wagen gingen, waren Ulrikes Füße bleischwer. Ab und zu fuhr ein stechender Schmerz durch ihren Körper, und Angstschweiß bedeckte ihr Gesicht.

»Fahr du jetzt lieber, Nicky«, sagte sie leise, »du kommst ja sonst ganz aus der Übung.«

Den Führerschein hatte Nicola zum achtzehnten Geburtstag noch von ihrem Papi geschenkt bekommen, aber sie war sehr bemüht gewesen, die Kosten so gering wie möglich zu halten, und das hatte sie auch geschafft. Sie fuhr auch jetzt überlegt und sicher, obgleich sie für ihre Fahrten in die Schule stets die S-Bahn benutzte.

»Was fehlt dir, Mami?«, fragte sie besorgt, als sie zu Hause ankamen und sie bemerkte, wie fahl das Gesicht ihrer Mutter war.

»Ach, nichts«, erwiderte Ulrike. »Es ist dieser Tag. Es tut doch weh. Es war auch sechs Uhr, als sie mir die Nachricht brachten.«

»Und ich war bei Susi«, sagte Nicola leise. »Auf der Geburtstagsfeier. Wäre ich doch bei dir gewesen.«

»Es hätte auch nichts mehr geändert«, sagte Ulrike.

»Jetzt legst du dich hin, und ich mache einen Tee. Aber es ist vielleicht besser, wenn ich Dr. Norden anrufe.«

»Nein, nein«, wehrte Ulrike ab. »Es wird schon besser.«

Als sie im warmen Bett lag und den heißen Tee getrunken hatte, bekam ihr Gesicht wieder Farbe. Nicola saß bei ihr und streichelte ihre Hände.

»Wolltest du nicht zu Susi gehen und ihr zum Geburtstag gratulieren?«, fragte Ulrike.

»Ich habe ihr schon gratuliert. Sie hat jetzt doch einen Freund, da bin ich nicht mehr so wichtig, Mami.«

Und wenn Nicola nun auch ihr Herz verliert, ging es Ulrike durch den Sinn, was bleibt mir dann noch? Dennoch war der Wunsch in ihr, dass Nicola einen so guten, anständigen Mann finden würde, wie es Ludwig gewesen war. Nicht nur so einen, der sie dann sitzenlassen würde. Erinnerungen erwachten wieder in Ulrike, die sie quälten, obgleich diese sie selbst nicht trafen, nichts mit ihr und Ludwig zu tun hatten, bis auf das eine … Doch sie vernahm nun wieder Nicolas sanfte Stimme.

»Ich kann nächste Woche ganz schön Geld verdienen, Mami. Frobenius hat mir angeboten, seine Modelle bei der Modenschau vorzuführen.«

»Frobenius ...?«, fragte Ulrike sto­ckend.

»Der Modezar. Stell dir vor, sein Auge ist wohlwollend auf mich gefallen. Drei Tage, und für jeden zahlt er mir achthundert Euro.«

Ulrike richtete sich auf. »Du als Mannequin?«, fragte sie erregt.

»Ist doch nicht schlimm, Mami. Frau Dr. Norden findet auch nichts dabei.«

»Du hast mit ihr darüber gesprochen?«

»Ja, ich habe sie gefragt, was sie so als Mutter dazu sagen würde. Ich will es ja nicht als Beruf ergreifen, nur mal so. Er macht tolle Kleider.«

»Und wieso ist er auf dich verfallen?«, fragte Ulrike.

»Er hat sich halt umgeschaut, und da bin ich dazugekommen. Der gleiche Typ wie seine Frau sei ich, hat er gesagt. So was hat er sich vorgestellt.«

»Er ist also verheiratet«, sagte Ulrike erleichtert, und da lachte Nicola leicht auf. »Liebe Güte, du wirst doch nicht denken, dass er Hintergedanken hat. Du kannst ja mitkommen, Mami, und aufpassen. Er ist sehr seriös und viel zu alt für mich, und außerdem soll seine Frau noch vor ein paar Jahren das schönste Mannequin gewesen sein, das es je gab, hat mir Frau Gerlach gesagt. Und die hat, weiß Gott, genug gesehen. Aber wir können das Geld brauchen, und um mein Seelenheil brauchst du nicht bange zu sein. Ich verstehe ja nicht, dass er nicht die Silke genommen hat, die hat doch viel schönere Beine als ich und ist auch viel größer. Und wütend war sie auch, weil er mich gefragt hat.«

»Du brauchst das nicht zu machen, Nicky«, sagte Ulrike. »Wir haben noch ein bisschen Geld. Wir kommen schon über die Runden.«

»Ich will aber nicht, dass du dauernd rechnen musst, Mami. Es ist schnell verdientes Geld, und ich vergebe mir gar nichts dabei. Frau Norden kommt auch zu der Modenschau mit Frau Delorme, und Herr Frobenius wird mir sicher eine Karte für dich geben. Du brauchst doch auch mal ein bisschen Abwechslung.«

»Nun, wenn Frau Dr. Norden nichts dagegen hat, kann ich nicht nein sagen«, meinte Ulrike. »Sie kennt sich da besser aus als ich.«

*

Fee hatte es ihrem Mann erzählt, dass sie Nicola beim Gärtner getroffen hatte.

»Ich hab’ ihr ein paar Blumen mitgegeben. Heute ist der Todestag«, sagte Fee. »Von der Versicherung haben sie immer noch nichts bekommen.«

»Schweinerei«, knurrte Daniel. »Man könnte aus der Haut fahren. Wie geht es ihnen sonst?«

»Nicola wird immer hübscher. Frobenius möchte, dass sie bei seiner Modenschau vorführt.«

»Wie kommt er denn dazu?«, fragte Daniel. »Hast du nicht gesagt, dass Wien und Rom sein Eldorado sind?«

»Er hat Nicola wohl auf der Meisterschule gesehen. Denk nicht gleich was Falsches, Daniel, er ist mit einer schönen Frau verheiratet.«

»Was auch nicht vor Torheiten schützt!«

»Nicola hat Charakter«, sagte Fee. »Aber sie kann Geld verdienen, und das können sie brauchen. Du brauchst nicht gleich zu denken, dass sie unter die Räder kommt.«

»Das geht manchmal schneller als man denkt, wenn diese jungen Mädchen den Duft der großen weiten Welt geschnuppert haben.«

»Ich weiß ja, was du denkst, Daniel. Die einen werden Punker, die anderen drehen auf andere Weise durch, aber ein paar Vernünftige gibt es trotzdem, und dazu gehört Nicola. Sie ist blitzsauber, davon bin ich überzeugt.«

»Und dann wird sie in Samt und Seide und Pelze gehüllt, und gleich ist auch einer da, der dafür gleich die Brieftasche zückt. Das ist doch eine richtige Verführung.«

»Du brauchst deine Brieftasche nicht zu zücken. Ich schaue mir diese Schöpfungen gern an, aber wann hätte ich Gelegenheit, mal so eine zu tragen? Ein Dutzend Kittel, die ich brauche, kosten nicht soviel wie ein solches Gewand«, meinte sie mit einem bezwingenden Lächeln.

»Wir könnten ja mal wieder in ein Konzert gehen«, sagte er. »Kauf dir was Schönes, Feelein!«

»Wozu denn? Ich ziehe das Grüne an. Es ist immer noch in Mode, und wir gehen so selten aus, dass sich keiner mehr daran erinnert. Und im übrigen hat Katja den ganzen Schrank voll, und ich kann darauf zurückgreifen.«

»Du hast Humor«, sagte er.

»Fünf Kinder einzukleiden kostet genug«, meinte Fee gelassen.

»Aber du kannst ja tragen, was du willst. Du wirst immer die Schönste sein«, sagte er.

*

Zumindest fiel Fee auch in einem schlichten, schon oft getragenen Kleid bei der Modenschau auf. Katja Delorme, nach neuestem Pariser Schick gekleidet, erregte nicht dieses Aufsehen.

»Wer ist denn diese blonde Frau neben Katja?«, fragte Helga Frobenius ihren Mann.

»Es wird wohl Frau Dr. Norden sein«, erwiderte Herbert Frobenius.

»Katja hat gesagt, dass sie ihre Schwester mitbringt. Mach dich doch mit ihr bekannt, ich habe hinten zu tun.«

Auch Helga Frobenius konnte sich immer noch sehen lassen. Ihre Figur war vollkommen, und natürlich trug sie ein Kleid, das auf diese geschneidert war. Als sie auf Katja Delorme und Fee Norden zuging, stockte Fee jedoch nicht deshalb der Atem, sondern deshalb, weil Helga Frobenius eine so frappante Ähnlichkeit mit Nicola Hermsdorf hatte. Sie war viel älter, vielleicht sogar doppelt so alt, obgleich ihr ebenmäßiges Gesicht glatt und faltenlos war, aber Fee fragte sich, wie es solche Ähnlichkeit überhaupt geben konnte.

Mit der Grandezza einer Königin begrüßte Helga die beiden Damen. Mit Katja Delorme war sie auf Du und Du, und Fee bekam zu hören, dass sie niemals geglaubt hätte, dass eine Mutter von fünf Kindern noch eine solche Figur haben könnte.

»Sie haben keine Kinder?«, fragte Fee beiläufig.

»Nein, wir haben keine«, erwiderte Helga.

»Ich muss jetzt in die Garderobe. Ich hoffe, wir sehen uns noch. Deiner Schwester machen wir auch einen Sonderpreis, wenn ihr etwas gefällt, Katja.«

Und schon entschwand sie. Fee blickte ihr nach. »Seid ihr befreundet, Katja?«, fragte sie nachdenklich.

»Man kennt sich«, erwiderte Katja, »man muss solche Verbindungen nützen. Ich komme billig zu teuren Kleidern. Außerdem ist Adrian Frobenius unser Anwalt.«

»Jetzt verstehe ich nur noch Bahnhof«, sagte Fee.

»Adrian ist der Bruder des berühmten Modeschöpfers, liebste Fee«, sagte Katja nachsichtig. »Ach, da kommt er ja. So wirst du ihn gleich kennenlernen.«

Er war noch jung, und blendend sah er aus, und so hegte Fee sogleich die Befürchtung, dass das für Katja ausschlaggebend gewesen sein könnte. Sie machte ihren Mann David gern eifersüchtig. Außerdem war sie ein bisschen verwirrt, dass ein Modeschöpfer einen Bruder hatte, der Rechtsanwalt war.

Dr. Adrian Frobenius begrüßte die Damen höflich mit Handkuss, aber er hielt sich nicht lange auf.

»Ist auch bloß der Stiefbruder von Herbert«, sagte Katja, als Fee meinte, dass er noch recht jung sei. »Ungefähr so ein Verhältnis wie zwischen uns, nur dass bei uns die Ältere auch die Schönere ist. Und du weißt ja hoffentlich, wie sehr ich dich liebe, Fee.«

Das war echt, und es war echt Katja. Es waren keine leeren Worte. Mochte mancher sie für arrogant halten, sehr von sich überzeugt, Fee kannte ihre guten Seiten und wusste, dass manches an Katja Selbstschutz war.

»Dr. Frobenius sieht sehr gut aus«, sagte Fee.

»Und er ist ein verflixt schlauer Bursche«, sagte Katja lachend. »Dass es für mich nur David gibt, wirst du hoffentlich wissen.«

Unwillkürlich waren Fees Augen zur Tür gewandert. Da stand Ulrike Hermsdorf.

»Entschuldige, Katja. Nicolas Mutter ist gekommen, ich muss mich ein bisschen um sie kümmern.«

Und das war auch nötig, denn Ulrike fühlte sich unter dieser Eleganz fehl am Platze und traute sich gar nicht herein.

Sie war dankbar, als Fee auf sie zu kam.

»Nicola musste gleich in die Garderobe. Wir hatten uns ein wenig verspätet, weil noch jemand von der Versicherung bei uns war.«

»Geht das nun endlich in Ordnung, Frau Hermsdorf?«, fragte Fee.

»Noch immer nicht. Ich sollte mich mit einer einmaligen Entschädigung einverstanden erklären. Aber ich muss doch an Nicola denken.«

»Versuchen tun sie alles. Lassen Sie sich bloß nicht übers Ohr hauen«, sagte Fee.

Sie hatte Ulrike unter ihre Fittiche genommen und war froh, als auch Katja nett zu der Älteren war, die wie ein fremder Vogel unter diesen Leuten wirkte, die nun ungeduldig auf die Schau warteten.

Fee blieb gelassen, aber was hätte sie darum gegeben es mitzuerleben, als Helga Frobenius zum ersten Mal Nicola gegenüberstand.

*

Helga erstarrte. »Na, was sagst du nun, Darling?«, fragte Herbert Frobenius unbefangen. »Ich habe dein junges Pendant gefunden. Für die Entwürfe warst du mein Vorbild, aber da du nicht mehr auf den Laufsteg gehst, was ich natürlich auch nicht mehr will, musste ich mir ein Mädchen suchen, das dir ähnlich ist. Dass ich eines finden würde, das dir so ähnlich ist, konnte ich allerdings nicht ahnen. Ich stelle dir vor, die hochbegabte Meisterschülerin der Mode, Nicola Hermsdorf.«

Nicola war glühende Röte in die Wangen geschossen. Sie war genauso groß wie Helga, hatte die gleichen dunklen Augen, eine ebenso klassische Nase.

»Man könnte sie für deine Schwester halten, Helga«, sagte Herbert Frobenius, »aber meist sehen sich Schwestern nicht so ähnlich. Eine amüsante Laune der Natur, muss ich sagen. Erst jetzt wird es mir ganz bewusst.«

»Es ist ein großes Kompliment für mich«, sagte Nicola leise. »Ich darf die schönsten Kleider tragen. Hoffentlich mache ich nichts falsch. Ich mache das zum ersten Mal.«

Dann wurde sie schon wieder in die Garderobe zitiert. »Es war wirklich eine Überraschung, Herb«, sagte Helga mit rauchiger Stimme. »Wo hast du sie gefunden?«

»Auf der Meisterschule für Mode. Es war ein Zufall, mein Schatz. Mir blieb die Luft weg.«

»Willst du sie unter Vertrag nehmen?«, fragte Helga rau.

»Das würde ich gern. Aber dieses Mädchen hat das Ziel, mir einmal Konkurrenz zu machen, und ich glaube, dass sie das schafft. Wollen wir hoffen, dass sie als Mannequin genauso erfolgreich ist wie als Modeschülerin. Sie wird nächsten Monat fertig, und man wird sich um sie reißen.«

»Und du wirst ihr doch ein Angebot machen«, meinte Helga schleppend.

»Nur, wenn du auch einverstanden bist, meine Liebe.«