Wandel - Andreas Degkwitz - E-Book

Wandel E-Book

Andreas Degkwitz

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Beschreibung

WANDEL erzählt aus der Perspektive des Protagonisten Volker, wie Ideale und Träume seiner Familientradition mehr und mehr von aktuellen Veränderungen in der Gesellschaft wie auch im Privaten abgelöst werden. Dabei ist Volker zunächst darum bemüht, seine Vorstellungen zu leben, um den Entwicklungen, die er nicht versteht oder ablehnt, entgegenzuwirken. Doch insbesondere Extremismus, Digitalisierung, Obdachlosigkeit und Verwahrlosung stellen seine Ideen infrage. Schließlich bieten ihm die Partnerschaft mit Silvia und ein Aufenthalt im Obdachlosenmilieu Ansätze, um in der sich wandelnden Welt besser zurechtzukommen.

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Inhaltsverzeichnis

FAMILIE

VOM LAND

WELTLÄUFIG

CHANGE

WIE FRÜHER

AUSZUG

SILVIA

AUF DEM WEG ZU SICH?

SPIELREGELN

UNTERIRDISCH

KEINE KULTUR?

WOW!

OHNE ANGST

TRAUMREISE

ERWARTUNG

VERWICKELT

DAZWISCHEN

BEKEHRT

FAKE NEWS

GELEBTE TRÄUME

VERLORENE WELT

ABSCHIED VOM GESTERN

KINDERFRAGEN

AUF WANDERSCHAFT

EIN STADTFEST

PODCAST

PRÜGEL

AUF EIN NEUES

OHNE DACH ÜBERM KOPF

MIT RUCKSACK UNTERWEGS

ANDERS ALS GEDACHT

WILLKOMMEN

FAMILIE

„Schönen Feierabend!“, wünschte sich das Change-Team der Stadtverwaltung. Gemeinsam hatten die sechs Kolleginnen und Kollegen – die Projektmanagerin hatte einen anderen Termin – noch ein Bier getrunken, bevor sie mit diesem Wunsch auseinandergingen, um nach Hause zu gehen. Drei Kollegen wurden von ihren Familien erwartet, die drei anderen waren alleinstehend. Obwohl er sich die Stunde beim Bier mit den Kollegen gegönnt hatte, empfand Volker wenig Motivation, sich nun in den Familientrubel am frühen Abend zu stürzen, den er im Regelfall schon ab dem Spätnachmittag erlebte. Volker fühlte sich überfordert, wenn er die Tür zu seiner Drei-Zimmerwohnung öffnete und seine beiden Kinder auf ihn losstürmten. Kai, sein Sohn, und Selma, seine Tochter – fünf und vier Jahre alt – hielten sich an seinen Beinen fest, als wollten sie ihn für sich gefangen nehmen. Unter dem lauten Geschrei der beiden konnte er sich nicht von der Stelle bewegen.

„Was habt ihr denn mit mir vor?“, rief er in den Flur.

„Du musst mit uns spielen“, antworteten sie unisono, „das hast du uns versprochen.“

„Könnt ihr den Einkauf aus dem Auto holen“, tönte Sigrid, die Mutter, dazwischen, die in der Küche das Abendessen vorbereitete, „der Autoschlüssel liegt auf der Kommode im Flur, und der Wagen steht um die Ecke im Halteverbot. Beeil dich bitte, Volker!“

„Kann ich vorher Mantel und Tasche ablegen, Schatz? Ich stehe noch in der Tür.“

„Ich brauche das Auto heute noch. Bitte beeil dich!“

„Was hast du denn vor?“

„Elternabend im Kindergarten – das habe ich dir doch gesagt ...“

„… dafür brauchst du das Auto?“, unterbrach er sie.

„Ich hole noch zwei befreundete Mütter ab – schon wieder vergessen?“

„Kommt Kinder!“, sagte Volker resigniert, stellte die Tasche in den Flur, nahm Kai und Selma an die Hand, ohne den Mantel abzulegen, und ging mit den beiden die Treppe hinunter, um das Auto aus dem Halteverbot zu holen und Sigrids Einkäufe in die Wohnung hinaufzutragen. Die Familie ließ ihm weder Ruhe noch Zeit, zu Hause anzukommen – im Gegenteil! Mehr und mehr hatte er den Eindruck, dass er nach kurzer Pause von seinem ersten Job im Büro zu seinem zweiten Job in der Familie überging, auch wenn ein Bier mit den Kollegen dazwischenlag. Traf nur ihn dieser Stress? Oder standen diejenigen seiner Kollegen, die auch Väter waren, unter demselben Druck? Wie kam es dazu, galt doch Familie als etwas, das beglückte oder bereicherte? So hatte er jedenfalls das familiäre Leben mit seinen Eltern in Erinnerung. Was er jetzt mit Sigrid und den Kindern erlebte, war ihm fremd, obwohl es seine Familie war.

Volker hatte in den 2000er Jahren Philosophie in seiner Heimatstadt studiert. Gern dachte er an seine Studienzeit zurück. Er hatte sie in vollen Zügen genossen, mit durchdiskutierten und durchzechten Nächten, Partys und zahlreichen Flirts. Bei seinen Kommilitoninnen kam er gut an, er war nicht unattraktiv: von mittlerer Körpergröße, hellbraune Haare, die meistens kurz geschnitten waren, helle, aufgeweckte Augen und eine große Nase. Er wirkte feinsinnig, intellektuell und machte mit seiner gepflegten Erscheinung einen sehr kultivierten Eindruck. In Gesellschaft war er aufmerksam und mit seiner schönen, weichen Stimme äußerst kommunikativ. Volker war ein Einzelkind und hatte eine anspruchsvolle Erziehung genossen, sich allerdings oft auch an dem elterlichen Druck gestört, der auf ihn ausgeübt wurde, um ihren Erwartungen zu genügen. Doch diese Erfahrung wurde offenbar von seiner guten Erinnerung an diese Zeit verdrängt. Literatur, Kunst, Musik – dafür war Volker sehr empfänglich, das war sein vertrauter Kosmos, der ihm gefiel und den er auch für sein Familienleben mit Sigrid, Kai und Selma anstrebte. Mit Sigrid schien er sich darin einig zu sein; ihr Vater war kein Jurist wie seiner, in dessen Verantwortung die Rechtsabteilung einer großen Behörde lag. Ihr Vater leitete die Filiale eines Lebensmitteldiscounters. Ihre Mutter war dort Verkäuferin an der Fleisch- und Wursttheke. Volkers Mutter war als Grundschullehrerin tätig. Mit ihrer Beziehung zu Volker begann sich Sigrid für Kultur zu interessieren. Sie malte und bastelte mit Kai und Selma, wenn es auf Geburtstage von deren Großeltern, Onkeln und Tanten und auf hohe kirchliche Festtage zuging. Sigrid tat sich damit leichter als Volker, dem sie das abendliche Vorlesen überließ; denn sie spielte mit den Kindern, was Volker nicht gelang. Seine Versuche, Kai und Selma Kultur beizubringen, waren mit dem Anspruch und dem Druck verbunden, wie er ihn als Kind erlebt, aber inzwischen vergessen hatte. Doch um zu spüren, dass es ihm ernsthaft um kulturelle Bildung ging, brauchte er diesen Druck, ohne ihn wirklich zu wollen. Anders konnte er aber seinem Anspruch an sich selbst nicht genügen. Das war ihm nicht möglich und verhielt sich übrigens überall so, wo Volker arbeitete und wirkte, nicht nur bei der Erziehung seiner Kinder. In besonderer Weise sah er sich allerdings als Vater von Kai und Selma diesem Selbstanspruch verpflichtet, der auf die Tradition seiner Familie gründete.

Sigrid hatte sich als Ergotherapeutin ausbilden lassen und war seit Mitte zwanzig im Beruf. Sie war etwas größer als Volker, hatte eine schlanke, sportliche Figur, dunkle, braune Augen und lange brünette Haare. Sigrid war von energischer und zupackender Natur und wurde, hilfsbereit, pragmatisch, aber auch mit Sinn für Humor, sehr geschätzt. Mit ihrer klaren und unmissverständlichen Stimme wirkten ihre Gesichtszüge oft entschlossen und hart.

Sie war beruflich äußerst erfolgreich und verdiente gut, was bei ihrer Profession nicht selbstverständlich war. Sie verstand, sich durchzusetzen, und wurde ein Jahr nach ihrem Einstieg gefragt, ob sie Partnerin in der Praxis für Ergotherapie werden wolle – da sagte sie gern zu. Hätte ich mehr erreicht, wenn ich studiert hätte, fragte sie sich, warum hatte sie das nicht probiert? Daran dachte sie immer wieder, als habe sie sich dabei um eine Chance gebracht. Umso mehr freute sie sich, dass sie mit ihrer Arbeit beeindruckte, mehr noch geschätzt wurde, und viele Bekannte und Freunde hatte, die ihre Nähe suchten, wie auch Verehrer, die sie auf der Stelle geheiratet hätten, wenn sie damit einverstanden gewesen wäre. Doch plötzlich hatte sie sich in Volker verliebt, diesen sensiblen, smarten Studenten der Philosophie, der kurz vor dem Abschluss seines Studiums stand und mit Ende zwanzig im selben Alter war wie sie.

Vor gut zwei Jahren hatten sie sich in einem Café kennengelernt. Im Sommer waren sie sich dort auf der Terrasse begegnet – stets zur frühen Nachmittagszeit. Sie saßen an verschiedenen Tischen, genossen das gute Wetter und begannen sich zu begrüßen, als sie bemerkten, dass sie sich immer wieder hier trafen. War das tatsächlich Zufall? Die ersten Male ihrer Begegnungen auf der Terrasse waren das bestimmt. Doch dann schien es, als würden sie sich jeden zweiten oder dritten Tag treffen, ohne verabredet zu sein, um zu erleben, was sich mit ihnen tat. Nach dem fünften oder sechsten nicht abgestimmten Treffen ergriff sie das Wort:

„Um diese Zeit sehe ich Sie öfter hier. Sind Sie selbstständig, so dass sie es sich leisten können, am frühen Nachmittag hier Kaffee zu trinken?“

„Ja, das bin ich“, antwortete er, beglückt von ihr angesprochen zu werden, „ich studiere noch.“

„Ach so?“, sie lachte, „auf welchem Feld der Wissenschaft retten Sie denn die Welt?“

„Ich studiere Philosophie“, gab er zur Antwort und hob die Augenbrauen, „wenn Sie Fragen an die Welt haben, stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.“ Er lächelte.

„Sie machen mir Spaß“, rief sie ihm zu, „auf alle Fragen, die ich habe, geben Sie Antwort?“

„Auf alle Fragen nicht“, äußerte er schmunzelnd, „aber ganz bestimmt auf die meisten.“

„Was werden Sie mit Ihrem Studium machen? Können Sie diese Frage beantworten?“

„Ich werde Ihnen die Welt offenbaren. Was dachten Sie? Doch zuvor meine Frage: Was machen Sie beruflich?“

„Sie sind neugierig.“

„Wenn ich das bin, sind Sie es auch. Sie haben mich zuerst nach meinem Beruf gefragt.“

„Das stimmt“, gab sie zu, „ich bin Ergotherapeutin und Partnerin der Praxis, in der ich tätig bin.“

„Sie haben über Ergotherapie hinaus Gesundheitswissenschaften oder Betriebswirtschaft studiert – nein?“

„Ich habe gar nicht studiert; das brauchte ich nicht, um als Ergotherapeutin Erfolg zu haben …“

„… ich kann das gut nachvollziehen“, unterbrach er sie, „mich würde sehr freuen, wenn mir das passieren würde …“

„Einfach passiert ist es nicht. Ich bin tüchtig und weiß, was ich will.“

„Hätten Sie gern studiert? Ein Studium hätte Sie wahrscheinlich noch weitergebracht. Oder nicht?“

„Wohin hätte mich denn ein Studium gebracht? Wohin bringt es Sie?“

„Sehr weit“, sagte Volker schwärmerisch, „viel weiter, als Sie es sich vorstellen können! Ohne mein Studium wäre ich nichts.“

„Sie sind ein Schelm. Ohne Studium bin ich nichts für Sie?“

„Das auf keinen Fall! Im Gegenteil: Sie bedeuten mir so viel, dass ich stets hier bin, wenn Sie hier sind. Was ein Studium für Sie betrifft, die Sie in kurzer Zeit so viel erreicht haben: Stellen Sie sich vor, Sie hätten nun auch noch studiert. Ihre Erfolge wären nicht mehr zu toppen – einfach unglaublich.“

„Dann sollte ich doch noch studieren, wenn das so große Erfolge verspricht …“

„… oder Sie gehen mit mir eine Partnerschaft ein und verbinden das Nützliche mit dem Angenehmen. Wäre das eine gute Idee?“

„Dann hätten Sie und ich etwas davon. Aber Sie müssten sich schon sehr anstrengen, wenn Sie mir Universität sein wollen. Mit Philosophie bin ich einverstanden.“

„Ein super Vorschlag“, erwiderte er, „ein Wunschtraum geht für mich in Erfüllung …“

„… unterschätzen Sie meine Erwartungen nicht!“, fiel ihm Sigrid ins Wort, „für Sie bin ich eine Herausforderung. Doch etwas Anderes kommt für Sie wohl kaum in Betracht. Wollen wir uns nicht duzen? Wie heißt du eigentlich?“

„Ich bin Volker“, antwortete er etwas verlegen und zugleich erstaunt, dass sie ihn so direkt fragte.

„Ich bin Sigrid“, teilte sie mit, „du machst mir Spaß, Volker.“

Diese Form der Unbeschwertheit war kennzeichnend für die 2000er Jahre. In diesem Zeitraum sah sich die europazentrierte Welt des Westens noch als unangefochtener Mittelpunkt den Kulturen anderer Weltregionen weit überlegen. Jeder Fortschritt und alle Weiterentwicklungen schienen im „Westen“ zu starten und weltweit erfolgreich zu sein. Was außerhalb dieses „Westens“ geschah, fand entweder nur ein touristisches Interesse oder trug im Rahmen der Globalisierung zur Prosperität der eurozentrierten Wirtschaft bei. Ob deren Lösungen für Herausforderungen und Probleme weniger privilegierter Länder ausreichten und passten, blieb offen. Doch das schien weit genug weg zu sein, um der europäisch geprägten Welt gefährlich zu werden, sollte es zu Fehlentwicklungen oder Krisen kommen. Vor diesem Hintergrund einte Europas Vorreiterrolle die Gesellschaft und bot Zusammenhalt. Natürlich gab es soziale Abstürze, Risse und Unterschiede. Doch stets bestand die Hoffnung, dass dergleichen aufgefangen, ausgeglichen oder aufgelöst werden könne und sich am Ende alles zum Guten wende. Zugleich zerrten allerdings Ansprüche einzelner Personen oder Gruppen an den sozialen Systemen. Persönliche Wünsche und Vorlieben sorgten für individuelle, partikulare Entwicklungen. Die Erosion des Zusammenhalts ging vom Privatbereich aus und individualisierte die Solidargemeinschaft zu einer Koexistenz der „Singles“, die wenig später ihre Allmende im Internet fanden, ohne diese Entwicklung in ihrer Tragweite zu begreifen. Doch als Volker und Sigrid sich kennenlernten, bot Volker „Universität“ und nicht das Internet. Sein Curriculum führte über Philosophie hinaus auch zu Literatur, Kunst und Musik. Insgesamt war seine „Universität“ eine „tour d’horizon“ durch ein Europa vielfältiger Kulturen; das nahm Sigrid gern auf und genoss seine „lectures“.

Volker studierte in der Stadt, in der er wie Sigrid geboren und aufgewachsen war. Die alte, mittelgroße Stadt war für ihre Universität bekannt und in einer landschaftlich schönen Umgebung gelegen. Sein Studium der Philosophie knüpfte an die Tradition seiner Familie an und führte ihn mit seinem Magisterexamen an das Ende einer Lebensphase, die ihm diese Tradition alternativlos vorgeschrieben hatte. Nach Abschluss seines Studiums musste er eigene Wege finden und diese dann auch gehen; das begann mit der Suche nach einer beruflichen Tätigkeit, in die er sich mit seinem Abschluss in Philosophie erfolgreich einbringen konnte. Die Antwort auf Sigrids Frage, wohin ihn sein Studium bringe, fiel Volker nach dessen Abschluss viel schwerer, als er gedacht hatte. Er war in der Situation, einen Neubeginn zu starten, der ungewohnt für ihn war; denn eine Bemühung wie die, seine philosophische Qualifikation und Expertise auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anzubieten, war der familiären Tradition, die ihn prägte, fremd. Seine philosophischen Studien entweder als Wissenschaftler in einer akademischen Karriere fortzusetzen oder als Lehrer auf einem Gymnasium zu vermitteln, wäre ihm mit seinem familiären Hintergrund deutlich vertrauter gewesen. Doch für eine wissenschaftliche Laufbahn fehlten ihm die Voraussetzungen, für eine Tätigkeit als Lehrer umfasste sein Studium zu wenig Fachgebiete und keine didaktische und pädagogische Ausbildung. So bereiteten Volker seine Bewerbungen um eine Anstellung viel Mühe und verdeutlichten ihm, dass die Welt, in die er nun einen Einstieg als examinierter Philosoph suchte, eine ganz andere war als die, in der er sich bisher rundherum zufrieden bewegt hatte.

Sigrid, die schon länger „draußen“ unterwegs war, unterstützte ihn und erwies sich dabei als seine Beraterin. Zunächst suchte er nur in seiner Heimatstadt; denn dort hatte Sigrid einen guten Job. Die beiden waren mittlerweile ein Paar und planten, ein gemeinsames Leben zu führen und eine Familie zu gründen. Sie wollten weiterhin in den heimatlichen Gefilden bleiben; dort fühlten sie sich wohl und hatten Eltern, die sich später als Hilfe und Unterstützung für ihre Enkel anboten.

Doch Volker hatte mit seiner Suche nach einer geeigneten Tätigkeit dort keinen Erfolg: Für einen Philosophen außerhalb von Schule und Universität existierte in seiner Heimatstadt kein Arbeitsmarkt. Zu Sigrids Überraschung wurde die Praxis für Ergotherapie, in der sie Partnerin war, kurzfristig geschlossen. Der Besitzer der Praxis hatte sich von seiner Frau getrennt und auf Sigrid als neue Lebensgefährtin gesetzt. Als ihm klar wurde, dass dies vergeblich war, erklärte er ihr das Ende ihrer Geschäftspartnerschaft und die Schließung der Praxis, da er seinen Lebensmittelpunkt nun an einen anderen Ort verlegen wollte, um ein neues Leben ohne seine Ex und auch ohne Sigrid zu beginnen. Volker und Sigrid waren jetzt beide in der Situation, ihren vertrauten Lebensmittelpunkt aufzugeben und einen neuen zu finden. Zugleich entschlossen sie sich zu heiraten, da sich Nachwuchs ankündigte: Sigrid war schwanger. Da tat sich für Volker die Möglichkeit einer Tätigkeit als Konfliktmanager in dem Change-Projekt der Verwaltung einer Stadt auf, die deutlich größer war als seine Heimatstadt und weit von ihr entfernt lag. Neben ihm waren in dem Projektteam zwei IT-Experten, zwei Mitarbeiter aus der Verwaltung, eine Sozialpsychologin und eine Projektmanagerin beschäftigt. Die Verantwortung für das Vorhaben lag bei der Bürgermeisterin für innere Angelegenheiten, die zugleich den Oberbürgermeister vertrat.

Volker war glücklich über diese Zusage und freute sich auf die Tätigkeit des Konfliktmanagers, die er für interessant hielt und für die er sich gut gerüstet sah. Mit dem bevorstehenden Nachwuchs standen Sigrid und er vor der Gründung einer Familie, was für beide eine neue Erfahrung war, die sie wie die ebenfalls neue Erfahrung der Großstadt als aufregend und spannend empfanden. Volker verstand sich mit den Teamkollegen nach kurzer Zeit gut und sah deshalb dem gemeinsamen Vorhaben sehr optimistisch entgegen. Eine innenstadtnahe Drei-Zimmerwohnung hatten sie bald gefunden, so dass die junge Familie rasch unter einem gemeinsamen Dach versammelt war. Sigrid widmete sich erst Kai und nach eineinhalb Jahren Selma, bis sie in den Kindergarten ging; dann wollte sie wieder arbeiten – das war der Plan. So wurden sie zu einer Familie, in der Sigrid und Volker ihre Aufgaben und Rollen hatten, an die sie sich zunehmend gewöhnten; doch das fiel ihnen nicht immer leicht und führte oft zu Konflikten.

Immer willkommen waren Kai und Selma Besuche bei ihren Großeltern. Die Häuser, die Oma und Opa bewohnten, waren sehr unterschiedlich gelegen. Sigrids Eltern wohnten in einem Vorort, der sich am Stadtrand befand; dort wirkte die Stadt schon ländlich. Volkers Eltern hatten ihr Haus mehr in der Stadt, ganz in der Nähe eines sehr noblen Villenviertels und deshalb mit einem großen Garten. Beide Häuser boten viel Platz; das gefiel den Kindern, die in dem Garten – gern auch mit Kindern aus der Nachbarschaft – unermüdlich Verstecken spielten oder am Stadtrand auf Wiesen und Weiden wie auch in Waldstücken und an Wasserläufen die Welt entdeckten. Bei Sigrids Eltern gab es sogar einen Swimmingpool. Volkers Eltern hatten einen Kamin, der die Aufmerksamkeit von Kai und Selma vor allem im Winter auf sich zog. Die Besuche der beiden bei Oma und Opa boten zahlreiche Attraktionen, die sie beglückten.

Nicht erstaunlich war, dass die Großeltern ihre Enkel unterschiedlich verwöhnten. Bei Volkers Eltern wurden Märchen vorgelesen, Theaterstücke für Kinder besucht, Gespräche geführt und sogar gemeinsam gesungen. Oma und Opa sangen mit Kai und Selma in einem Chor, der die Nachbarschaft und sie selbst in große Freude versetzte. Anders war es bei Sigrids Eltern. Dort gab es viele Süßigkeiten, Eis zum Nachtisch bei jedem Mittagessen, Spielzeug in Hülle und Fülle, Fahrräder, Fernsehen und alles, was sonst noch Kindern Spaß machen konnte und Großeltern deshalb erfreute.

„Geht es euch bei Oma und Opa gut?“, fragte Sigrid die beiden, wenn sie für ein langes Wochenende oder zu Ferienzeiten ihre Eltern besuchten.

„Ja“, war die Antwort der beiden unisono, „da ist es immer schön.“

„… und bei Papas Eltern?“, wollte Sigrid wissen.

„Da singen wir manchmal ganz laut zusammen und bekommen von Oma und Opa viel vorgelesen.“

Oft besuchten Kai und Selma ihre Großeltern allerdings nicht; denn die große Stadt war weit von Sigrids und Volkers Heimatstadt entfernt, wo ihre Eltern wohnten. Das war schade für alle Beteiligten; denn Kai und Selma wie die Großeltern hätten sich über mehr Besuche gefreut, und Sigrid und Volker wären über mehr „freie“ Wochenenden oder den einen oder anderen Urlaub ohne die Kinder durchaus froh gewesen.

VOM LAND

Gernot, einer der beiden IT-Kollegen von Volker, kam nicht aus einer Stadt. Seine Herkunft war das Land mit Wäldern und Wiesen und sanften Gebirgshöhen, zwischen denen sich breite und schmale Täler mit Bächen und Wasserläufen erstreckten. Ein Fluss zog sich gemächlich durch Berge mit Felsabhängen und Höhlen. An beiden Ufern des Flusses drängten sich Häuser, Höfe und Scheunen zahlreicher Dörfer. Häfen fanden sich in den wenigen Kleinstädten, zu denen der Fluss seit Jahrhunderten mit Schiffen den Ab- und Zugang für Waren der Land- und Waldwirtschaft bot und deshalb immer die Prosperität der Region befördert hatte.

Ein rundes Gesicht mit oft geröteten Wangen hatte Gernot; er war blond, mittelgroß, etwas dicklich und außerordentlich praktisch veranlagt. Ein Intellektueller war Gernot nicht, aber ein Genießer, der gern und gut aß. Er brauchte sein eigenes Haus und hatte mit Linda eine mütterlich wirkende Ehefrau. Seinen regional geprägten Dialekt süddeutscher Herkunft konnte und wollte er weder ablegen noch verbergen; dieser gab seiner Sprache Wärme und seinen Worten besonderen Witz. Schon deshalb war er im Team nicht zu verwechseln und wurde von allen Kollegen sehr geschätzt. Denn wenn Gernot fehlte, war, so das Gefühl, dem Team die Seele genommen. Seine Eltern betrieben auf dem Land ein Hotel für Urlauber und Wanderer und einen Gasthof mit Biergarten, dessen Küche begeisterte und flussauf- und flussabwärts bestens bekannt war. Oster- und Sonnenwendfeuer, Geburtstage, Hochzeiten, Taufen und Leichenschmause – das Landhotel war wieder und wieder ein Ort gemeinsamen Feierns und Freuens, familiärer Begegnungen und des Wiedersehens und nicht zuletzt ein Ort der Erholung und des Genusses.

Warum war Gernot nicht dort auf dem Land geblieben? Hotel und Gasthof wurden nicht ihm, sondern seinem älteren Bruder übertragen. Seine beiden Schwestern machten mit ihren Ehen gute Partien; die eine heiratete in ein erfolgreiches Autohaus ein, die andere in einen großen Handwerksbetrieb. Was blieb Gernot als dem jüngsten Bruder anderes übrig, als Wege zu finden, die ihn dort herausführten, um mit einem Job auskömmlich zu verdienen? Er machte ein Informatikstudium und lernte Linda kennen, die Kindergärtnerin war. Die Stadt, deren Verwaltung er optimieren sollte, war weit weg von seiner Heimat; mit Linda fühlte er sich in dieser für ihn ungewohnten Umgebung dennoch wohl. Aber manchmal hatte er Heimweh, nicht weil er weit von der Familie entfernt war und nicht mehr so viel Umgang mit ihr hatte wie bisher. Ihm fehlte vielmehr die Atmosphäre, die ihn in seiner Heimat stark berührte, und ihr Flair, der ihn beglückte und bei ihm großes Wohlbefinden auslöste- – dergleichen konnte ihm selbst Linda nicht geben. Heimatgefühle wie diese kannte Volker nicht; denn seine Heimat war eine ganz andere.

Als IT-Experte verdiente Gernot genug, um sich eine Haushälfte mit Garten in einer Siedlung am Stadtrand zu leisten. Als glücklicher Zufall kam hinzu, dass im Kindergarten der Siedlung eine Stelle frei war, so dass Linda nach Abschluss der Elternzeit dort halbtags tätig sein konnte und ihre beiden Kinder Plätze im Kindergarten hatten. Nachteilig war die lange Anfahrt zu Gernots Arbeitsplatz, der sich in der Innenstadt befand und ein Auto erforderte, da die Siedlung noch keine Anbindung an Bus oder Straßenbahn zum Stadtzentrum hatte. Nicht weit von der Siedlung entfernt befand sich ein Schulzentrum, das auch Gymnasialklassen und eine Bibliothek umfasste und mit dem Fahrrad erreichbar war. Ein ebenfalls nah gelegenes Einkaufszentrum bot über große Lebensmittelläden hinaus auch Bau- und Gartenmärkte sowie Textil- und Schuhläden. In Verbindung mit einem Ärztezentrum waren eine Apotheke und ein Gesundheitsladen dort lokalisiert. Die Siedlung in ihrer Randlage hatte kurze Wege zu den Wiesen und in den Mischwald des flachen Landes wie auch zu einer ehemaligen Kiesgrube, die nun als Badesee zur Verfügung stand, aber noch immer Gefahren barg; dies war beim Fluss in Gernots Heimat nicht anders. Die Gemeinschaft der Siedlung, das Einkaufszentrum mit seinem riesigen Angebot, die kurzen Wege zur Schule und die nahe Natur – das alles vermittelte Gernot heimatliche Gefühle, auch wenn diese Umgebung mit seiner Heimat nicht zu vergleichen war. Doch dass er von der Siedlung nicht mehr erwarten konnte, war ihm klar. Mit seiner Familie fuhr er zu jedem Familienfest und zu allen kirchlichen Hochfesten nach Hause und genoss diese Zeit, in der er sich der Zugehörigkeit zu seiner Heimat immer wieder gern vergewisserte.

Das Ländliche ist häufig dabei, an Wertschätzung als Heimat zu verlieren. Dort leben mehr und mehr Zugereiste, die vermögend genug sind, um sich ein großzügig gebautes Haus mit Garten in landschaftlich attraktiver Gegend für ihre Wochenenden zu leisten – im Gegensatz zu denjenigen, die immer schon dort gelebt haben und sich oft abgehängt und verloren in der Abgeschiedenheit dörflicher Siedlungen fühlen. Fehlen die vermögenden Zugereisten, steht es oft schlecht um die alteingesessenen Dorfbewohner, die dem Niedergang ihrer dörflichen Gemeinschaft zusehen müssen und keine Chance auf Veränderungen haben, sondern alternativlos an ihren Lebensmittelpunkt angebunden sind, der kontinuierlich verfällt.

Auf dem Land ist Werden und Vergehen als Naturphänomen erlebbar- – nichts Abgehobenes, Abstraktes oder Artifizielles, sondern alles erfahrbar, spürbar, manifest und materialisiert, als sei alles „manufactured“; das kann das Ländliche zur Heimat machen, die weiterlebt, wie es bei Gernot der Fall war. Volker war diese Erfahrung unbekannt. Seine Heimat war ein Land, in dem Werden und Vergehen auf Ideen beruhten und deshalb nichts Manifestes hatten, um den Eindruck zu erwecken „manufactured“ zu sein – eben das Schöne, Wahre, Gute!

Auch wenn Volker mit Gernots Heimat-verbundenheit nur wenig anfangen konnte, gefiel ihm die Originalität, die in seiner Sprache zum Ausdruck kam. Manchmal musste er sich Wörter, die Gernot benutzte, von ihm übersetzen lassen, da sie ihm gänzlich fremd waren. Hin und wieder gingen sie miteinander Mittagessen, bei denen auch Familiäres zur Sprache kam.

„Hast du dich inzwischen hier eingelebt?“ fragte Volker, „in der großen Stadt, die weit von deinem Zuhause entfernt liegt?“

„Seit wir unser Haus am Stadtrand haben, geht es uns gut“, antwortete Gernot zufrieden in seinem Dialekt.

„Ist dir diese Siedlung nicht fremd? So etwas wie das Einkaufszentrum ist dir doch bestimmt vollkommen ungewohnt.“

„Solche Siedlungen gibt es in meiner Heimat nicht. Doch Einkaufszentren haben wir auch – vielleicht nicht so groß, aber wir haben sie.“

„Einkaufszentren zwischen Wäldern und Wiesen – lohnt sich das denn?“

„An dieser Stelle sind wir nicht weit weg von der Großstadt – Einkaufszentren sind praktisch und tragen sich meistens wirtschaftlich. Zahlreiche Angebote oder Produkte, die du in Einkaufszentren findest, überleben in Einzelhandelsläden der Dörfer oft nicht.“

„Deine Frau ist mit eurer Haushälfte zufrieden, deine Kinder sind glücklich mit den anderen Jungen und Mädchen, die in der Siedlung zu Hause sind?“

„Wenn ich es richtig sehe, ist es ganz genau so. Linda hat es nicht weit zu ihrer Arbeit. Für die Kinder sind Freunde und Schule gleich nebenan. Warum wohnst du nicht auch so wie wir? Eine Drei-Zimmerwohnung nahe dem Stadtzentrum ist doch nichts für junge Familien.“

„Für mich ist eine Siedlung am Stadtrand nichts“, antwortete Volker, „tut mir leid. Um ehrlich zu sein, ich brauche die Stadt …“

„… ist doch in Ordnung, Volker“, erwiderte Gernot, „wenn euch ein innenstadtnahes Leben gefällt …“

„Ich brauche die Stadt mit allem, was zu ihr gehört; deshalb wohne ich mittendrin.“

„Interessant“, äußerte Gernot, „darf ich dich fragen, was für dich zur Stadt gehört?“

„Gute Frage – nicht ganz leicht zu beantworten. Abwechslung, Chaos, Veränderung, Überraschung – immer was los, mitten im Leben; das gehört zur Stadt und das brauche ich ...“

„Bist du nicht Philosoph?“

„Ja, warum fragst du?“

„Was du für dich brauchst, steht für mich mit Philosophie in keinem Zusammenhang – deine Antwort auf meine Frage verstehe ich deshalb nicht. Braucht das auch deine Frau?“

„Die Wege sind kurz – auch der zu meiner Arbeit. Wir brauchen kein Auto. Der nahe gelegene Kindergarten meiner Kinder ist einer der besten in der Stadt. Was wollen wir mehr?“, gab Volker zur Antwort und wich damit Gernots Frage aus.

„Habt ihr darüber gesprochen, was für eine Wohnung ihr für eure Familie braucht? Wir hatten lange Diskussionen.“

„Das habe ich vergessen, ist schon so lange her – wahrscheinlich schon.“

„Du bist dir nicht sicher, Volker. Schafft dir das keine Probleme?“

„Ich habe es nicht leicht – jedenfalls nicht so leicht wie du.“

„Ich habe es leicht?“, erstaunte sich Gernot, „wer sagt das?“

„Das entnehme ich deinen Worten“, erwiderte Volker, „was du mir erzählst, lässt mich darauf schließen, dass dir Familie leichtfällt. Du hast ein Händchen dafür.“

„… und dir fällt Familie schwer?“

„Ein andermal, Gernot, für heute ist es genug.“

„Ein Kollege von mir, Gernot, ist ein richtiges Landei und fühlt sich mit seiner Familie in der Siedlung am Stadtrand wohl“, sagte Volker zu Sigrid, als sie zwei Wochen später bei einem Glas Wein und einer Pizza zusammensaßen, „verstehst du das?“

„Durchaus“, erwiderte Sigrid, „er findet dort, was ich hier bisweilen vermisse, ohne deshalb an den Stadtrand ziehen zu wollen. Aber dein Punkt ist nicht dieser, sondern dass Gernot ein Landei ist und dort zufrieden wohnt.“

„Richtig!“

„Die Mehrzahl derer, die nahe der Innenstadt wohnen, sind nicht so stadtbegeistert wie du – die leben in der Regel dort, da ihnen der Stadtrand zu teuer ist.“

„Bist du nicht von der Stadt begeistert?“

„Anders als du“, sagte Sigrid, „nicht so bildungsbeflissen oder romantisch. Du siehst in der Stadt eine höhere Lebensform, die du erfahren und füllen möchtest. Stadtrand ist für dich zu peripher, um deine Aufmerksamkeit zu verdienen. Für mich ist die Innenstadt praktisch – kurze Wege zu in der Tat jedem Bedarf, den ich habe; das gibt es so am Stadtrand nicht.“

„Glaubst du, dass ich die kurzen Wege nicht schätze?“

„Doch, kurze Wege sind dir wichtig. Aber für dich ist das Stadtzentrum ein Erlebnis, dem du Aufmerksamkeit schenkst und das du reflektierst. Du erlebst die Stadt als einen Kosmos, den nur du im Kreis deiner Kollegen erkennst.“

„Was ich hier in der Stadt erlebe, ist nur mein Erlebnis und nie eines von dir oder einem Kollegen? Mehr ist es nicht?“

„Du legst fest, was du erleben willst, du erlebst nur für dich – so bist du. Wenn du in eine Erlebnissituation gerätst, die du nicht oder nur eingeschränkt beeinflussen kannst, tust du dich damit schwer. Insofern sind es auch die kurzen Wege, die für dich eine innenstadtnahe Wohnung attraktiv machen. Aber darin erschöpft sich die Stadt für dich nicht, sie ist ein Erlebnispark für deine gedankliche Fantasie, in der du dich gern auf der Suche nach Abenteuern befindest.“

„Du sagst, dass ich die Stadt vor allem in meinen Gedanken und Vorstellungen erlebe – da hast du Recht. Aber ist das nicht mein Anspruch und möglicherweise auch deiner? Ich will mein Leben nicht verrichten, ich will es erleben – das bietet mir die Stadt. Ist das bei dir tatsächlich anders …?“

„… und wer verrichtet dein Leben, Volker?“

„Mache ich das nicht selbst?“

„Für dich machst du fast alles selbst, mein Lieber. Aber wer dein Leben gemeinsam mit meinem Leben und dem der Kinder als Familienleben verrichtet, bin ich. Allein ein Familienleben zu verrichten, das funktioniert nicht.“

„Tut mir leid! Davon verstehe ich nichts.“

„Das verstehst du durchaus, aber das hängt dir nicht hoch genug, um deine Wertschätzung zu erfahren – habe ich Recht?“

Man hätte glauben können, dass er den Umgang mit seinen Kindern für eine Verrichtung hielt. Das traf nicht zu – allerdings nur, wenn Volker festlegen oder vorgeben konnte, was er und seine Kinder gemeinsam erlebten. Seinen Anspruch an sich selbst wollte er offensichtlich weitergeben, ohne zu wissen, ob das Selma und Kai gefiel.

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