Was die Liebe sich ersonnen - Ludwig Weibel - E-Book

Was die Liebe sich ersonnen E-Book

Ludwig Weibel

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Beschreibung

Wie kann es sein, dass sich die Liebe zweier Herzen hinwegsetzt über alle gängigen Konventionen und damit die Vereinigung bewirkt in wunderbar beglückten Zeiten? Weil sie der Natürlichkeit verpflichtet ist, die leben will in dem, was ist und wozu sie die seelenvollen Sinne treiben.

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Meiner geliebten Carina gewidmet

Inhalt

Sahst du je ein zweiblättriges Klee

Nur Geister sind erwählt zu schauen

Fahr ich leis dir übers Haar

Wie fühle ich dein Wesen wieder¨

Ich sags dem wilden Gingsterbusch

Wie auf glühenden Kohlen

Welch herrliche Welt musste doch ein Ende nehmen

1

Sahst du je ein zweiblättriges Klee

Gossau, 19.6.1981

Mein zartes Täubchen sahst du je ◊ ein zweiblättriges Klee ◊ so wie' s in meine Finger kam ◊ und ich es mit nach Hause nahm ◊ das Kleinod dir zu zeigen ◊◊◊ Es hat, wie du begreifen wirst, zwei Öhrchen grün und fein ◊ und ist, sofern du's nicht verwirfst ◊ für alle Zeiten – dein. F.

Gossau, 20.6.1981

Deine Seele horcht ◊ was ich ihr sage ◊ durch den lieben, langen Tag ◊◊◊ Weiss sie auch ◊ wenn ich ihr klage ◊ was ich kaum verhehlen mag ◊◊◊ Traurig bin ich ◊ ohne sie ◊ herzlich nah zu sehn ◊◊◊ Dass mir ◊ hin und wieder wie ◊ heisse Tränen übergehn. F.

Genf, 24.6.1981

Mitternacht, behutsam kommst Du zur Tür herein. Ich schaue Dich an. Erschrecke nicht. Deine Seele liegt auf Deinem Gesicht. Und der Raum geht unter in einem hellen Schein.

Oh – dieses geliebte Angesicht, das ich mir tausendmal, und immer ähnlicher, erträumte, mit denselben – dem Schmerz und der Freude hingegebenen – Schatten, geboren aus dem Licht.

Was wär ich ohne Dich? ein Lied, das seine Melodie erwartet, ein sehnsuchtsschwerer Sommergarten, ein warmer Teich, der, in sich selbst versunken, unendlich grosse Himmel spiegelt.

Geliebte eines (kühlen, fernen) Fürsten, die ihre bangen, dunklen Wünsche, wie wilde Pferde zügelt.

Sieh, meine Lippen beben. Ich liebe Dich --- nimm hin ein Neues, ein Beginnendes: mein Leben.

Nein, ohne Dich kann ich nicht sein. Muss wachen, wachen, oh – meine Augen lachen und meine Hände verschenken Blumen in zierlicher Gebärde und werden nie müde beim Spiel.

Doch schau, mein Herz, es tropft rot in die tiefe Stunde der Nacht, fällt nieder aus der Runde der Sterne und will durch deine Türe treten, die wie ein Lächeln offen steht und will wieder lernen zu beten.

Gross kamst Du in meine Welt, in Deinem herrlichen, schweren Schicksalskleid und frugst mich: Bist du bereit?

Ja, Geliebter, denn Du, mit all diesen seltsamen und feierlichen Dingen, geleitest mich aus meiner Einsamkeit zur Ewigkeit. C.

Gossau, 25.6.1981

Ich habe Hunger und Heimweh nach Dir mit allem was ich bin, meine liebenswerte Carina. Die Zellen meines Körpers brennen in winzigen Flämmchen für Dich und erzeugen die Wärme, mit der ich Dir nah sein möchte, wie ausgegossen über Dich, dass ich den wunderfeinen Schauer der Erregung spüre, die Dich ergreift und die mir im Wiederklingen Sehnsüchte weckt von wundervoller Schöne. Paradiesische Liebesträume erfüllen meine Seele bis zum Rand, Gewirke reiner Lauterkeit, die sich verschenken und vergeben möchten.

Wie in ein Märchen getaucht sehe ich uns im Gedanken an das Vereintsein in Minne, zeitlos ohne jeden Tadel. In die Benedeiung glückseliger Stunden gesunken, atmen wir leise des anderen Atem und heben im selben, weittragenden Rhyth-mus die wärmende Brust. In vollkommenem Einklang eingebettet in die Harmonie der Welt, erlaben wir uns an den schönsten Früchten, die sie uns bietet und sind in der vollendeten Hingabe ein einziges, nicht mehr zertrennliches Paar. In wunderbarer Gelöstheit verweilend, sind wir reine Friedfertigkeit, deren Grazie das holdseligste Lächeln der Welt in sich schliesst und den Zauber der Anmut, dem alles gehorcht im natürlichen Reigen.

So leben und schweben wir in der beseligenden Huld, die uns zuteil wird in unserm, von liebendem Reichtum erfüllten, nie nimmer verblühenden Sein. F.

Gossau, 25.6.1981

Wer kann die zahllosen Seufzer ermessen ◊ die jäh sich entwanden der stöhnenden Brust ◊ nie nimmermehr mag ich vergessen ◊ die sich so sehnten nach Liebe und Lust ◊◊◊ Fern atmest du traut in den Morgen hinein ◊ reiner Frieden erfüllt deine Kammer ◊ dort liegst du verlassen so lieblich allein ◊ mir ist's ein verzehrender Jammer ◊◊◊ Wo wir uns doch könnten in Minne verstehn ◊ in der Zärtlichkeit lockenden Zügen ◊ für Stunden in hellem Entzücken vergehn ◊ in wundervoll weichem und zartem Sich-Fügen ◊◊◊ Wie schau ich dich nahe mein süsser Gespan ◊ bin innig von deinem Verlangen umschlungen ◊ und darf dich verwöhnen, soviel ich nur kann ◊ dass unser Herz helle Freuden gesungen. F.

Gossau, 27.6.1981

Liebevolle Carina, Deine Briefe tun mir so wohl, inmitten der bald mehr, bald weniger belastenden Pflichten, die ich zu erfüllen habe. „Doch schau mein Herz, es tropft rot in die tiefe Stunde der Nacht“ – in dieser Elegie erscheinst Du mir so edel, göttlich schön und liebeströmend, dass eine Herzensträne mir vom Auge perlt und sich dem Blatt vereint, aus dem Du sprichst und singst in Trautheit, die die Nacht Dir eingegeben.

So zieh denn mit dem fein gezognen Kreuz auf Deiner Stirne in die Zeit der Ferien, die uns wohl Trennung von der Nachricht, nicht aber des Getrenntseins Weh bedeutet, denn im Heiligtum des Innern sind wir uns unverbrüchlich nah, und näher noch, je mehr die Sehnsucht uns zu unseres Fühlens seligem Beisammensein beflügelt.

Leb wohl, Geliebte der tausend Freuden und Schmerzen, Blume der Nacht und versöhnendes Licht meiner Tage, in dem sich so viel von dem Sinn allen Lebens erfüllt. F.

Gossau, 28.6.1981

In pastellnen Himmeln bin ich daheim ◊ wenn beglückende Zeiten mich führen ◊ eratmen darf ich den strahlenden Schein ◊ und die Wärme der Spenderin spüren ◊◊◊ Ein dankendes Jubeln entspringt ◊ - weil ich Prächtiges schau - meiner Kehle ◊ elegisch in Wohllauten singt ◊ und erhabener Freud meine Seele ◊◊◊ Hoch zieh ich in schwerloser Leichte dahin ◊ hab von Säften der Fülle genossen ◊ es laben mir Wogen von Schönheit den Sinn ◊ die sich mir vor die Augen gegossen ◊◊◊ So weil ich vom Atem der Götter belebt ◊ und umflutet in äthrischen Reichen ◊ derweil mich das Glück dieser Stunde durchwebt ◊ und verklärt in der Herrlichkeit Zeichen. F.

Gossau, 29.6.1981

Was mich bewegt in tiefster Seele ◊ ist Dankbarkeit und liebendes Verstehn ◊ soviel, dass mir aus voller Kehle ◊ die Worte strömend übergehn ◊◊◊ Die Fülle, die mir's Leben beut ◊ ist so erhebend Tag für Tag ◊ dass ich, was mich zuinnerst freut ◊ noch kaum beim Namen nennen mag ◊◊◊ Beständig formte sich mein Sinn ◊ und dieser führt mich im Erkennen ◊ zu immer höh 'rer Formung hin ◊ ein Auferstehn möcht ich es nennen ◊◊◊ Als wie von dämmerhaftem Dösen ◊ zu allbeseligendem Licht ◊ in einem unbeschreiblichen Erlösen ◊ vor Gottes strahlen-dem Gesicht. F.

Gossau, 30.6.1981

Mir ist ich sei nur in der Welt erschienen ◊ um dir herzinnig gut zu sein ◊ mit liebevollem Tun dir treu zu dienen ◊ im wohlgestimmten Seelenreim ◊◊◊ Du bist mir vollends zugetan ◊ mit deines Wesens feinem Sehnen ◊ empfängst was ich dir geben kann ◊ in holder Anmut zartem Nehmen ◊◊◊ Und spendest wieder mir im Dank ◊ ein Lächeln so verklärter Schöne ◊ dass ich entzückt an deine Seite sank ◊ und selig dich mit Zärtlichkeit verwöhne. F.

Genf, 1.7.1981

Wir leben beisammen auf dem Stern der Poesie, wo Du die hohen Wellen meines Herzens mit Zauberworten zur Ruhe legst und alle dunklen Schatten, die sich uns nahen möchten, mit Deiner Dichtkunst beseitigst und soviel Licht und Schönheit schaffst, dass ich dauernd immer nur staunen kann und mich selig bei Dir niederlasse. Du bettest mich in die Gründe Deiner lichten Seele, der soviel Harmonie entströmt, und da darf ich den göttlichen Liedern lauschen, die sie mir singt. Frédéric, ich habe Dir nichts anderes zu schenken, als mein warmes Herz. Nimm es. C.

Genf, 2.7.1981

Abenddämmerung auf dem Salève. Das alte Bauernhaus wurde als Restaurant eingerichtet. Nebenan leben noch die Tiere. Es duftet so herrlich nach Stall, nach Heu. Man geht über den grob gepflasterten Hof. Überall wuchert das Gras in grossen Büscheln zwischen den Steinen. Ein Glöcklein bimmelt, halb verschlafen. Wem gehört es? Einem Kälblein, einer Ziege ... Ich spür mich von ECHTEM LEBEN umgeben. Diese derben Düfte der Natur ... 21 Uhr. Du. Sanft verfliessen die Hügel in den Abend hinein und auf dem einen stehst Du, riesengross und lächelst auf mich herab von weit oben. Ton visage – quelle tendresse – tu me fais mal mon amour. So lieb schaust Du mich an, mein Blick verliert sich in der Ferne. Mein Herz träumt. Leise, aber innig, sag ich Deinen Namen und weiss, Du hast es gehört.

Etwas später lausche ich der Stille. Man hört die Stille, sie steigt aus den dunklen Tannen, aus den Feldern, aus der Blumenwiese, kommt hernieder vom Himmel, ist rund um Dich, in Dir, füllt Dich aus. Du wirst zur Stille.

Seliges Weilen in Gottes mächtiger Hand, zu zweit, inmitten dieser verschwenderischen Natur, von Schönheit durchtränkt und voller Hoffen und Glauben.

Vereinzelt blinken ein paar Sterne zwischen blauweissen Wolken von grandiosen Formen, das Mt. Blanc Massiv ist verschwunden. Kein Vögelein piepst mehr. Es ist Nacht geworden. Auf dem Heimweg rennt ein Häslein vor dem Auto durch und bleibt geblendet im Lichte der Scheinwerfer stehen. Wil hält an und wir verbleiben so eine graume Zeit, bis es dem Tierchen wieder einfällt, im Zick-Zack quer übers Feld zu verschwinden.

Bald werden wir schlafen; aber unsere Seelen treffen sich, verbinden sich im Weltenall, um miteinander in innigster Traulichkeit, auf den geheimnisvollen Wegen der Nacht, schwebend den Morgen zu erwarten. C.

Genf, 3.7.1981

So durstig bin ich und hungrig nach Geistesnahrung. Frédéric ist ein wundervoller Führer. Er veranlasst mich, immer weiter zu gehen, von neuem zu suchen, Vorurteile abzulegen. ich wollte diese Vorträge gar nicht lesen. Aber jetzt fang ich an, zaghaft, ohne zu wissen, was dabei herauskommt.

Mysterium um mich, in mir; durch Nächte hindurch lesen, aufnehmen, versuchen zu verstehen, nicht nur Gefühlsmässig. Neue Welt, neues Leben, neues Glauben???

Gossau, 1.7.1981

Als ununterbrochener Wohlklang durchwebst Du die Welt meiner Gedanken und Gefühle und regst mich dazu an, Dir das Beste und Erhabenste was ich in mir finden kann, mitzuteilen, zu verschenken, um so einwenig von der Dankbarkeit abzutragen, die ich Dir schulde dafür, dass Du mir solche Freuden bereitest. Ich sehe mit immer grösserer Bestimmtheit das Hervorragende unseres Zu-sammentreffens genau in dieser Zeit, diesem Gran der Ewigkeit. Und ist es auch vielfach so in der Begegnung zweier Menschen, so können' s eben nur wenige sagen. Dass uns diese Gnade zuteil wird, ist das Aussergewöhnliche, das uns zu einem Paar macht, an dem noch viele ihre Phantasie erproben werden. Man erzählt von Minne-sängern, die mit Lautenklängen und schönstimmigem Gesang der Liebsten den Tribut erstatteten, von Romantikern die weiss was taten mit Gedichten und galanten Schreibereien, um das ach so schöne Feuer loh'n zu lassen. Und alle waren Menschen-paare wie wir, die durch das Wort die Zeiten überdauert haben und nicht nur unbeschadet, sondern Glanz gewinnend durch die Patina der Zeit, die ihnen wunderbar zu Ruhm verhalf und un-gebrochnem Leben.

So seh ich uns; Du hast die Würde einer Sand, und eines Kätchens, einer unnachahmlich in die Zeit gestellten Dame, an deren Esprit sich der Vielen Sinn ergötzt und an dem manche mit Bewundrung sich ein Beispiel nehmen. Dem Leben hingegeben und dem was es Dir beut, dem bis ins Mark geliebten, auf den Du wartetest mit allen Fibern und dem Du nun Dein Menschsein opferst, Dein Verlangen, Deine Ehre, jede Regung Deiner mädchenhaften Seele, ohne jede Sicherheit, hinaufgehoben ins Vertrauen, dessen Uner-messlichkeit Dir alles ist und ohne das zu Nichts, wie ein geborstnes Kartenhaus, das Hochgetürmte, Treffliche, zerfällt und Dich begräbt in einem klirren Haufen eisgewordner Tränen. Doch wer Dich hält, ist - so absurd es tönt - Du selbst, nicht ich, denn was Du in mir schaust ist nur das Spiegelbild des Trefflichen, das Du versendest und so ist es unmöglich, dass Du fällst und dass Dir etwas anderes entgegen-leuchtet, als was Du selbst versandtest, all das Zärtliche, das Du in kleine Päckchen legst in Brief und Brieflein, die Dich, umgewandelt neu erreichen, die Freude die Du reich verschenktest wiedergebend.

So ist's mit Dir. Und lang noch wird der frohe Lobgesang, zu dem wir uns erhoben, klingen im Reich der Ewigkeit, der Liebe und des schöpferischen Werdens. F.

Gossau, 3.7.1981

Du bist überall bei mir, schöne Carina und umfängst mich zärtlich im Stehen, Dein Köpfchen liebvoll an meine Brust gelehnt, hilfesuchend und froh, dass ich da bin. Unsere Liebe überschwebt wie ein Adlerpaar hoch in Lüften diejenige, die wir mit unseren Gatten führen. Du lässest die universelle Liebe in Dich einströmen und spendest sie mir wieder, die Schale bist Du die sie auffängt, und Du reichst Dich mir zum Trinken.

Und immer fühle ich wie Du bei mir bist. Ich beginne für Dich mit grosser Innigkeit die Mondscheinsonate zu spielen, so langsam, beinahe Ton um 'I'on, dass die Musik wahrhaftig Zwie-sprache hält mit der lauschenden Seele.

Es steht der volle Mond zwischen Wolkenschäfchen, von seinem fahlen Lichte durchströmt am nächtigen Gewölb. Kein Laut, kein Mensch weit und breit auf dem einsamen Landschloss. Die Tür zur Terrasse ist angelehnt. Zwei Kerzen am Flügel spenden milden Schein. Die laue Sommernacht ist vom Dufte der Blüten erfüllt, die den Raum und die Gärten zieren.

Frédérica, Du ruhst mir schräg gegenüber im Lehnstuhl, im hellen, luftigen Kleid, den linken Arm auf die Lehne gestützt und Dein Köpfchen in bergender Hand. Unsere Welt ist vom Atem unendlichen Friedens durchdrungen. Es fühlt sich eines getaucht in des anderen Seele und ruht im Empfangen der Töne die leise, so leis wie ein Hauch nur im Innern die zartesten Saiten berührn.

Und wieder schwebe ich geradezu in der süssen Gewissheit, dass unsere Gedanken sich finden und wir, in Sphären reinsten Durchdringens uns lieb sind und freundlich mit jeder Gebärde unseres Sehnens. Wir sind beflügelt vom Wehn bedingungslosen Vertrautseins zu jener vollendeten Hingabe, der herzinnige Freude entspringt und ein Schwingen der Seele im Wohlklang überstömenden Gefühls.

In diesem Verweilen im Zustand ineinander verwobener Gedanken, erkenne ich mählich, mählich die wahre Wirklichkeit unseres Seins, denn die Körper allein sind ja stumm und können nicht fühlen und nimmer sich rühren, wenn sie nicht belebt und beseelt sind von dem was zuerst unser Wesen ausmacht und in dem wir auch jetzt uns befinden. So ist das zärtliche sich aneinander Vergeben in Gedanken und Gefühl die erhabene Wirklichkeit, deren wir gewiss sein können und in deren Gefolge erst das Sichtbare erscheint, das wir Wirkliches nennen. F.

Genf, 3.7.1981

Dieses Buch (Das fünfte Evangelium von Rudolf Steiner) ist mir in jeder Hinsicht seelische Nahrung, ein Bad für den Geist, eine hoffnungsreiche Botschaft. Es spricht aus ihm die Sprache der Liebe und lässt uns vergessen all den Materialismus, dem dieses Jahrhundert so total verfallen ist und der bei unzähligen Menschen den Elan zur Grosszügigkeit jeder Art total verdorren lässt.

Dies ist eines der tiefsten, erschütterndsten, schmerzvollsten Steiner-Bücher. Ich vertiefe mich mit bewegter Seele in seinen Inhalt und zeichne Seite um Seite an, was mich im besonderen berührt und anspricht, wobei einige Forschungsergebnisse sich (zwangsläufig) wiederholen müssen.

Mein Gott, was ist mit mir geschehen? Noch vor ein paar Tagen hatte ich nicht die geringste Schwierigkeit, alles Geschilderte sofort aufzu-nehmen und zu verstehen und heute – es ist mir übel – fühle ich mich diesen Aufzeichnungen gegenüber so fremd. Mir scheint als wäre ich plötzlich ein anderer Mensch, als würden sich alle diese neuerdings liebgewonnenen Wesen aus dem 5. Evangelium und dem Lukas-Evangelium von mir abwenden, als dürfte ich nicht mehr fühlen, sondern nur kalt MATERIALISTISCH analysieren. Noch sagt mir mein Verstand – aber nur der Verstand – dass es sich hier um die Versuchung des Christus-Jesus in der Wüste handelt. Aber das lässt mich kühl und unberührt; es ist als ginge mich das gar nichts an, als wäre es einem anderen Menschen erzählt und nicht mir. Frédéric, hilf mir!! Was soll ich tun?? Mich friert’s in der Seele. Wer ist Christus? Ein Spuk?

Der böse Traum ist vorüber. Ich bin zutiefst aufgewühlt und eine grosse Ehrfurcht, sowie ein unbeschreibliches Weh hindern mich, dieses Kapitel zu kommentieren.

Frédéric, Lieber – das Lukas-Evangelium BLEIBT das Wunderbarste, das ich je lesen durfte. Vielleicht weil ich diese Botschaft der Liebe erst von mir wies und sie mich dann wie ein ungeheurer Strahl toleranten und positiven Anschauens durchflutet hat.

Das fünfte Evangelium kommt ihm aber so nahe und mehr denn je sage ich Dir: Dank für diesen strahlenden Lichterweg. C.

Gossau, 4.7.1981

Tränen der Sehnsucht berühren mein Herz, weil ich deiner so innig entbehre ◊ sie künden im Leben den liebenden Schmerz ◊ der im Fernsein sich täglich vermehre ◊◊◊ Er wallt wie die Woge des Meeres heran ◊ schon frühmorgens beim ersten Erwachen ◊ und schlägt mir in Wildheit den schaukelnden Kahn ◊ dass voll Angst ich will Hilfe erhaschen ◊◊◊ Da steigt in der Sonne allmächtigem Strahlen ◊ am Himmel der Liebe dein Bild vor mich hin ◊ und erlöst mich vom Bann der erduldeten Qualen ◊ in reichem zur Seele gesandten Gewinn ◊◊◊ Oh bleib' -am azurenen Bogen gehalten- ◊ mein Traum, über dräuenden Zeiten bestehn ◊ bis wir beide -in Reiche der Sonne gezogen- ◊ im lichtesten Glück aneinander vergehn. F.

Gossau, 5.7.1981

Da es kühl wird im abendlichen Wandel des Gestirns, verlasse ich das Bänklein, die schöne Stelle im grünenden Land, die ich mir und meinem Herzen zum Feierabend-Halten erwählt, damit es an dem majestätischen Gehaben der Sonne lerne, gelassener zu sein gegenüber den Ereignissen des Tages, die es mit ihrem vielgestaltigen Bedrängen zu beunruhigen suchten. Der Friede ist in mein Gemüt gezogen und begleitet mich auf dem Wege zum Daheim, in dem ich mich wohlgeborgen den Benedeiungen des Schlafes empfehle. F.

Gossau, 6.7.1981

Holde Anmut reizend schön ◊ seh ich dich im Schlummer liegen ◊ dass mir Wünsche auferstehn ◊ dich voll Zärtlichkeit zu lieben ◊◊◊ Hab ich dich da leis berührt ◊ mit der hingelegten Hand ◊ welche deine Wärme spürt ◊ unter bergendem Gewand ◊◊◊ Doch da trau ich nicht zu reisen ◊ fein mit ihr darüberhin ◊ in besänftigendem Kreisen ◊ meine süsse Schläferin ◊◊◊ Denn das Reich in dem du schwebst ◊ ist so heiter, unberührt ◊ von allem was du hier erlebst ◊ dass mich eine Ahnung führt ◊◊◊ Dich zu lassen, wo du bist ◊ noch für eine Weile ◊ eh ich, was mich heiss durchfliesst ◊ dennoch mit dir teile. F.

Genf, 9.7.1981

An diesem hellen Morgen nehm’ ich Dich an mein Herz. Spüre, wie alle meine innigsten Gefühle zu Dir fliegen. Früh hat sich meine Seele auf den Weg gemacht, um einen neuen Tag mit Dir zu verbringen. Wir sind in dauerndem Zwiegespräch, Frédéric; nur bitte ich Dich heute, mach mich stark, meine Sehnsucht ist zu gross. C.

Genf, 10.7.1981

Es war ein wunderschöner Tag heute, hier in Menthon, am Lac d’Annecy. Nur Du fehlst meinem Herzen.

Eine Entenmutter mit 3,6,9,11 – oh dort ist noch einer – zwölf kleinen, braunen Entchen.

Die Sonne zieht eine flammende, glitzernde, goldene Strasse über den See. Mir ist, ich könnte jetzt meinen Fuss darauf setzen und auf diesen lichtdurchtränkten Wellen bis in den Himmel tanzen.

Den ganzen Tag sind meine Gedanken bei Dir. Gottseidank versteht Kari meine Fröhlichkeit und meine Traurigkeit, die heute mit grösster Intensität durch meine Seele weben.

Ich fühle mich von einer mächtigen Hand durch die Zeit getragen und versuche, mein Karma zu verstehen. Seltsam ist der Weg, doch folg ich Deinem leisen Liede, das mir Samen des Glücks streut.

Halt mich fest! C.

Genf, 11.7.1981

Hab Dank, oh Du, für all diese Bücher.

Ich spüre, dass Morgenstern meiner Seele zu schaffen geben wird.

Frédéric, jetzt ist der Moment da, wo wir uns für einige Zeit nicht mehr sprechen können. Umso offener ist mein Herz, meine Seele, um aufzunehmen alles was Du mir täglich durch den Äther sendest.

In Dir sind meine Taten gross und gut, und meine Tage, oh wie hell und licht.

Auf Wiedersehn. C.

Gossau, 11.7.1981

Reine Liebe ist so spielend ◊ leicht und schön in ihrem Wesen ◊ und gar friedvoll ins Gemüte zielend ◊ ein Geschenk uns auserlesen ◊◊◊ Das dem Herzen reich erblüht ◊ wenn's in seligem Vergeben ◊ sich um's Wohl des andern müht ◊ in selbst-vergessenem Bestreben ◊◊◊ Sie lässt die Welt zum Glanz erstehn ◊ der ihr bestimmt seit Urgedenken ◊ lässt überall das Lichte wehn ◊ will sich in Menschenseelen senken ◊◊◊ Die wie die Blüten offen sind dem unermesslichen Azur ◊ der Zärtlichkeit, die wie der Wind ◊ die weiche Wange streichelt nur ◊◊◊ Was hat sie alles schon entfacht ◊ in ihrem lächelnden Umfangen ◊ und sanfte wieder gut gemacht ◊ wenn Hader angefangen ◊◊◊ Die Liebe ist ein ewiges Daheim ◊ es hat mein Herze still gesungen: ◊ gelobet sei was unser Sein ◊ mit soviel Seligkeit durchdrungen. F.

Gossau, 13.7.1981

Du bist ganz ◊ auf Meiner Weide ◊ in Sonnenglanz ◊ und Sterngeschmeide ◊◊◊ Die Ich, gar fein erlesene Gabe ◊ dir blütenrein ◊ gewidmet habe ◊◊◊ Sei eingedenk ◊ in deinem Sinn ◊ dass Ich dich lenk ◊ zu Welten hin ◊◊◊ Die lichtvoll sind ◊ wie der Azur ◊ wo Geisteswind ◊ dir wehet nur ◊◊◊ Sei stets bereit ◊ Geliebter mein ◊ erfüllt von Freud ◊ in Mir zu sein. F.

Genf, 12.7.1981

Wenn ich’s Dir nicht sagen darf, wem könnte ich’s denn anvertrauen?

Wie ein Gong ist meine Seele angerührt von Christian Morgenstern, der dieses Unerhörte ausspricht: „Ein Wunderlied von Hoffnungen und Tränen, in dem ein Herz mit seinem Schicksal stritt.“ Tun wir nicht dasselbe, bewusst oder unbewusst?

Selbst im Übermass an göttlichem Geschehen – Du und ich Stern geworden – der blauen Wiege des Lebens in seliger Verlorenheit hingegeben, liegt im Untergrund, eben in diesem Unbewussten, ein Schmerz, ein Häuflein Glück, oft sanft pochend nur, oft wirbelstürmig um sich schlagend.

Welche Welt steigt auf? Welches Leben widerhallt in mir? Wo stand mein Fuss? Wo tönten diese stillen Stunden, diese seltsamen Gespräche, die ich manchmal zu vernehmen, zu fühlen glaube, in meine Seele? Wo, wo? Ich weiss es nicht. Weiss nur, dass viel, viel, viel, viel Liebe mir entströmt, Kreise zieht, Wellen schlägt, rauscht und brandet – BRENNT. Wozu? Für wen? Für Dich, für die ganze Welt, für alle Menschen?

Ich sehne mich danach, alle Antworten zu vernehmen, um Ruhe zu finden. R-u-h-e, um dann nicht mehr „mit dem Schicksal streiten“ zu müssen. C.

Gossau, 13.7.1981

An die ruhende Seele.

Reich bist du im Empfangen göttlicher Gnaden, dem Unendlichen geöffnet, das in dich einströmt und dich erfüllt mit dem Zauber lichtvoller Beseligung. Du fühlst dich dem Kreuze der Erde entbunden und verweilst im Anschaun des Vortrefflichen, das sich deiner Gelöstheit enthüllt und dir siegreiche Sicherheit gibt über alle Gefahren. Du siehst dich bewahrt im Medium des allschaffenden Vermögens und angesteckt von der Leichtigkeit, mit der die wirkende Urkraft so spielend in Schleiern das Dasein entwirft, um die Schwebenden dann mit der Zeit zur beständigen Form zu verdichten. Doch trägt das Gestaltete immer in sich den Keim der Bewegtheit und wandelt sich mählich zu diesem und jenem, so wie es der Sinn der sich selber gestaltenden Kraft sich erwählt. Vielfältig beglückt bist du, Seele, in deinem Erhobensein, in dem du so friedvoll verweilst und noch atmest im alldurchstrahlenden Lichte in langen, seligen Zügen.

Genf, 13.7.1981

Zu Dir hin bin ich aufgewacht ◊ was wird der Tag uns bringen? ◊ Zu Dir hin hab ich froh gelacht ◊ Weit öffne ich die Schwingen ◊◊◊ Da höre ich ein Stimmchen fein ◊ Es lächelt Deine Seele: ◊ “Wir fliegen durch den Tag zu zwein ◊ Dass keins dem andern fehle. ◊◊◊ “O Du mein Herz, ◊ nun halt mich stumm ◊ In Dir sanft einge-schlossen ◊ Bis nachts vom Himmel um und um ◊ Die Sterne niederflossen. F.

Gossau, 14.7.1981

Erstrahlend bin ich dir ein Stern ◊ am morgenlichten Zelt ◊ mein Leuchten schaust du liebend gern ◊ in deiner kleinen Welt ◊◊◊ Dir schön zu blinken steh ich dort ◊ ein Führer in den Tag ◊ biet' deiner Seele sichern Hort ◊ wo sie sich bergen mag ◊◊◊ Mit allen Sorgen komm zu mir ◊ in meinem Licht besehn ◊ ist was sie schienen nichtig schier ◊ so mag es denn geschehn ◊◊◊ Dass du vor mir in Freiheit stehst ◊ Herr über deine Zeit ◊ und froh zum Tagwerk übergehst ◊ in Herzens Seligkeit. F.

Gossau, 15.7.1981

Dir send ich meines Herzens Strömen ◊ in liebevollen Zügen zu ◊ es ist ein traulich Angewöhnen ◊ in dieser morgenlichen Ruh ◊ Ein Sein als wie in leichtem Schweben ◊ im dämmrig stilletrunknen Raum ◊ und innig Sich-vereint-Erleben ◊ in liebvoll hingegebnem Traun ◊◊◊ Was wir erkennen atmet Frieden ◊ der uns mit leisem Wehn umhüllt ◊ in wunderfein gefühltem Lieben ◊ das unsre Seelen reich erfüllt ◊◊◊ Und lässt in Dank-barkeit uns wenden ◊ zu Dem, der soviel Schönheit malt ◊ und immerzu an allen Enden ◊ Seine Welt mit Liebe überstrahlt. F.

Genf, 16.7.1981

Welcher Zauber im Klang Deiner Stimme. Er webt einen Schleier aus Seide um meine Gefühle und lässt mich wieder das unendliche Du spüren, das mich irgendwo in der Geisterwelt schon einmal berührt hatte und von soviel Sonnen beschienen ist. Es fehlen mir die Worte, diesen etwas dumpfen, leicht verwirrten Zustand erinnernden Empfindens zu beschreiben. Wichtig ist die Gegenwart, die wir bewusst durchschreiten und die Du mir so klar und hell zu Füssen legst. Aber einmal, Frédéric, werden wir uns auch dieser Gegenwart nicht mehr erinnern.

Noch ist meine Seele von diesem dichten, hinderlichen Leib umgeben, aber sie wächst stürmisch dem Moment entgegen wo sie, erlöst von Materie, mit Dir verschmelzen darf. Und dann? C.

Gossau, 17.7.1981

Die Gabe der Weisheit mein Kind ◊ das hellste der Lichter ◊ geht nicht so gelind ◊ als wie mit dem Trichter ◊ ins Köpfchen dir ein ◊◊◊ Da braucht es ein Üben ◊ in vielen Momenten ◊ geduldiges Fügen ◊ bis wir uns erkennten ◊ im ewigen Sein ◊◊◊ Daraus wird erfliessen ◊ die silberne Quelle ◊ zum frohen Geniessen ◊ dir Welle an Welle ◊ von Wonne hinzu ◊◊◊ Was du in ihr findest ◊ mit süssem Behagen ◊ und innig empfindest ◊ in lichtvollen Tagen ◊ ist – göttliche Ruh. F.

Genf, 23.7.1981

Grandiose Alpenwelt! Ich finde Dich in allen Kreaturen und der Weg scheint überall nur von herzförmigen Steinen besät zu sein. Der Wind erzählt uns Geheimnisvolles. Von den Felsen tönt jeglicher Jubel im mehrfachen Echo. Und ich darf deinen Namen nur leise rufen, dafür aber umso inniger. C.

Einsam tönt das Klavier hinaus in die Nacht, zum unsichtbaren Mond, in den nahen Wald.

„Ich schnitt in seine Rinde, so manches liebe Wort ...“ Ich versenke mich in Deine Gedichte, die mir alle sagen, dass am Ende der Winterreise (von Schubert) ein schönes Land wartet.

Du, wie ich mich auf unser Wiedersehen freue. C.

Gossau, 22.7.1981

Soviel des Glückes fass ich kaum ◊ dass ich’s hinaus muss schreien ◊ und sag es jedem Strauch und Baum ◊ mit Liedern und Schalmeien ◊◊◊ Verliebt bin ich bis über's Ohr ◊ hab der mein Herz geweiht ◊ die mir entspricht wie nie zuvor ◊ manch zuckersüsse Maid ◊◊◊ Ihr sing ich tags aus voller Kehle ◊ und traut verhalten in der Nacht ◊ was meine jugendliche Seele ◊ so übermächtig glücklich macht ◊◊◊ Nenn ich's ein Finden im Gefühl ◊ ein sich Verstehn in tiefsten Gründen ◊ soviel ich in den Worten wühl ◊ es muss ein jedes endlich münden ◊◊◊ Zu dem was weltenschaffend klar ◊ aus allen Himmeln strahlend bricht ◊ schon seit Äonen immerdar ◊ der Liebe sonnenglänzend Licht. F.

Genf, 24.7.1981

Meine Gedanken begleiten Dich auf der Fahrt ins Tessin. Du wirst glückliche, sonnige, sorgenlose Tage verleben, inmitten lieber Menschen, duftenden Wiesen, und der Sonne Strahlen werden Dich durch-dringen und liebkosen.

All das macht mich unsäglich froh, weil ich Dein Herz leicht und dem Alltag entronnen weiss.

Durch die silbernen Morgenlüfte schicke ich Dir jeden Tag ein Handküsschen und ein fröhliches „Bonjour“. C.

Genf, 25.7.1981

Frédéric, ich bitte Dich, entlausche den sanften Winden was ich Dir so brennend sagen möchte. Auch ich tu genau dasselbe und so wird das Ungesagte zum berauschenden Lied, das beinahe unsere Herzen zersprengt.

Warten ist manchmal so schwer; mein warmes Leben pocht stürmisch zu Dir. C.

Gossau, 26.7.1981