Wenn die Liebe neu erwacht - Toni Waidacher - E-Book

Wenn die Liebe neu erwacht E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Das Telefon auf dem Schreibtisch von Dr. Toni Wiesinger läutete. Dem jungen Arzt gegenüber saß ein älterer Patient, mit dem er die Ergebnisse der letzten Untersuchung besprach. »Entschuldigen S', Herr Betz«, sagte Toni und griff zum Hörer. »Was gibt's denn, Steffie?«, fragte er. Es war seine Sprechstundenhilfe Stefanie Wagner: »Am Telefon ist der Kimmerlbauer. Seiner Frau geht's net gut. Ich denk', es wär' gut, wenn du mal selber mit ihm sprichst.« »In Ordnung. Ich übernehm', Steffi.« Die Sprechstundenhilfe legte auf und Toni meldete sich. Am anderen Ende der Leitung erklang eine dunkle, ziemlich aufgeregte Stimme. »Grüaß Ihnen, Herr Doktor. Ihre Sprechstundenhilfe wollt' mich abwimmeln. Aber net mit mir! Meiner Frau geht's net gut. Sie müssen unbedingt kommen und sie sich anschauen. Erst war ich ja der Meinung, dass sie simuliert.

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Der Bergpfarrer Extra – 41 –

Wenn die Liebe neu erwacht

Für die Leut` vom Kimmerlhof gibt`s Hoffnung!

Toni Waidacher

Das Telefon auf dem Schreibtisch von Dr. Toni Wiesinger läutete. Dem jungen Arzt gegenüber saß ein älterer Patient, mit dem er die Ergebnisse der letzten Untersuchung besprach. »Entschuldigen S’, Herr Betz«, sagte Toni und griff zum Hörer. »Was gibt’s denn, Steffie?«, fragte er.

Es war seine Sprechstundenhilfe Stefanie Wagner: »Am Telefon ist der Kimmerlbauer. Seiner Frau geht’s net gut. Ich denk’, es wär’ gut, wenn du mal selber mit ihm sprichst.«

»In Ordnung. Ich übernehm’, Steffi.«

Die Sprechstundenhilfe legte auf und Toni meldete sich. Am anderen Ende der Leitung erklang eine dunkle, ziemlich aufgeregte Stimme. »Grüaß Ihnen, Herr Doktor. Ihre Sprechstundenhilfe wollt’ mich abwimmeln. Aber net mit mir! Meiner Frau geht’s net gut. Sie müssen unbedingt kommen und sie sich anschauen. Erst war ich ja der Meinung, dass sie simuliert. Wenn ich sie jetzt aber so anschau’ …«

Tonis Miene zeigte Befremdung. Er kannte den Kimmerlbauern seit vielen Jahren. Sein Kontakt zu ihm hatte sich zwar in Grenzen gehalten, denn er konnte sich nicht erinnern, dass jemand aus der Familie zu ihm je in die Praxis gekommen war, doch wenn sie sich das eine oder andere Mal im Ort begegnet waren, hatte sich Michael Kimmerl immer freundlich gezeigt. Die letzte Begegnung war allerdings schon sehr, sehr lange her, überlegte Toni. »Inwiefern wollt’ Sie denn meine Sprechstundenhilfe abwimmeln?«, erkundigte er sich.

»Sie hat gemeint, ich sollt’ meine Frau zu Ihnen bringen«, erhielt er zur Antwort. »Allerdings hab’ ich net die Zeit, um stundenlang bei Ihnen in der Praxis herumzusitzen und Daumen zu drehen. Ich kenn’ das doch. Man wird hinbestellt, und dann wartet man. Man wartet und wartet …«

Tonis Befremdung wuchs, und er begann sich schon zu fragen, ob der Kimmerlbauer vielleicht etwas getrunken hatte. Er unterbrach ihn: »Was fehlt denn Ihrer Frau, Herr Kimmerl? Welche Symptome zeigt sie?«

»Sie ist schwach, hustet ständig, hat rote Flecken im Gesicht und wohl auch Fieber, denn sie ist ganz heiß. Wenn s’ dazwischen mal aufsteht, dann kann sie sich kaum auf den Beinen halten. Ich glaub’, die Christina ist wirklich krank, Herr Doktor.«

»Seit wann zeigt sie denn diese Symptome?«, wollte Toni wissen.

»Seit drei, vier Tagen. Wie gesagt, ich hab’ ihr erst net glauben wollen, dass es ihr so schlecht geht. Sie hat auch ihren Haushalt und die Küh’ versorgt, bis es wirklich nimmer gegangen ist. Aber jetzt, wo s’ daliegt wie tot, hab’ ich mir gedacht, ich ruf’ Sie mal an.«

»Nach allem, was Sie mir so schildern, Herr Kimmerl, hätten S’ wohl besser den Rettungsdienst der Bergklinik verständigt.«

»Die bringen die Christina doch gleich ins Krankenhaus, und dann können der Martin und ich schauen, wo wir bleiben. Wer soll denn dann den Haushalt und den Stall verrichten? Das kann ich mir net leisten, dass die Christina ausfällt. Also bitte, Herr Doktor, kommen S’ raus zu uns und bringen S’ ihr ein paar Tabletten mit, damit s’ so schnell wie möglich wieder auf die Füß’ kommt.«

Toni glaubte nicht richtig gehört zu haben. »Rufen S’ den Notdienst an, Herr Kimmerl«, forderte er eindringlich. »Ich glaub’, Ihre Frau ist schwer krank und muss stationär in die Klinik. Ich kann hier net so einfach weg …«

»Aber Sie haben doch einen Eid geschworen. Haben S’ doch, Herr Doktor, oder net? Also kommen S’ zu uns heraus und bringen S’ die Christina wieder auf die Beine. Das ist doch net zu viel verlangt. Wenn S’ Leut’ in Ihrem Wartezimmer sitzen haben, dann müssen die halt eine halbe Stunde länger warten.«

»Wenn ich es Ihnen doch sag’, Herr Kimmerl: Sie müssen den Notdienst alarmieren und …«

»Ich seh’s schon, Herr Doktor, Sie wollen net. Na schön, dann werd’ ich der Christina selber einen kalten Wadenwickel machen und mir in der Apotheke etwas gegen ihren Husten und das Fieber besorgen. Vielleicht fahr’ ich auch beim Brandhuber-Loisl vorbei. Der hilft mir sicher.«

Der Bauer beendete grußlos das Gespräch.

Tonis Hand mit dem Telefon sank nach unten. »Das darf doch net wahr sein«, brummte er vor sich hin, dann erhob er sich. »Einen Moment noch, Herr Betz …« Er ging an die Rezeption, wo Stefanie die Tastatur ihres Computers bearbeitete. »Wie viele Leut’ sind noch im Wartezimmer?«, fragte er.

»Nur die Frau Zeitler. Sie hat um zehn Uhr einen Termin. – Hast du den Kimmerl-Michl losgebracht? Der ist ja richtig pampig geworden, als ich ihm geraten hab’, seine Frau entweder in die Praxis zu bringen oder den Rettungsdienst anzurufen.«

»Weiß der Teufel, was mit dem Burschen los ist. Seine Frau scheint ihm nur wichtig zu sein, solang s’ den Haushalt und den Stall verrichten kann. Sein größtes Problem war, dass sie ausfallen könnt’. So was hab’ ich überhaupt noch net erlebt.«

Toni schaute auf die Uhr. »Es ist halb zehn Uhr vorbei. Irgendetwas muss ich tun. Wenn ich von mir aus einfach den Notdienst verständige, muss ich damit rechnen, dass der Kimmerl-Michl den Arzt und die Sanitäter gar net ins Haus lässt.« Toni griff sich an die Stirn. »Großer Gott, der Kerl tickt doch nimmer richtig. Einen Moment lang war ich sogar davon überzeugt, dass er betrunken ist.«

Tonis Hand sank wieder nach unten, er ging zur Tür, die ins Wartezimmer führte, öffnete sie und sagte: »Habe die Ehre, Frau Zeitler. Ich weiß, dass Sie um zehn einen Termin haben. Doch ich bin soeben zu einem Notfall gerufen worden. Macht’s Ihnen was aus, wenn S’ ein bissel warten müssen? Eine halbe Stund’ vielleicht, länger net.«

»Iwo, Herr Doktor. Meine Sach’ ist net so wichtig. Sie wollten sich ja bloß meine Hand anschauen, in die ich mich geschnitten hab’ und die Sie genäht haben. Sie bereitet mir keine Probleme. Alles verheilt wunschgemäß.«

»Ich schau’ sie mir trotzdem an. Aber es kann ein bissel dauern, Frau Zeitler.«

»Fahren S’ nur und lassen S’ sich Zeit. Fünf Minuten hin oder her spielen bei mir keine Rolle, Herr Doktor.«

»Danke.« Toni kehrte in sein Büro zurück, wo noch der ältere Patient saß. »Habens S’ noch Fragen, Herr Betz? Sie haben S’ eben ja selber gehört. Auf dem Kimmerlhof, scheint es mir, ist Not am Mann, und ich möcht’ keine Zeit verlieren. Wenn S’ also Fragen haben – bitte, machen S’ schnell. Soweit ist bei Ihnen ja alles in Ordnung …«

Der Mann erhob sich. »Keine Fragen, Herr Doktor. Sollt’ das Problem wiederkommen, meld’ ich mich bei Ihnen. Im Moment geht’s mir wirklich gut.«

Toni gab dem Mann die Hand. »Prima, freut mich. Ich denk’ wir haben das Problem in den Griff bekommen, und ich glaub’ net, dass es Ihnen noch einmal zusetzt. Nehmen S’ nur weiterhin Ihre Tabletten, so wie ich sie verordnet hab’, und dann dürft’ nix mehr passieren.«

Der Mann bedankte und verabschiedete sich. Toni holte seinen Notfallkoffer aus dem Schrank, sagte seiner Sprechstundenhilfe Bescheid und verließ die Praxis.

*

Zehn Minuten später stieg Toni Wiesinger auf dem Kimmerlhof aus seinem Auto. Der Bauer erwartete ihn unter der Tür. Michael Kimmerl war ein achtundvierzigjähriger Mann mit grauem Haar, mittelgroß und hager. Er schien voll Ungeduld zu sein, denn seine Lippen waren zusammengepresst, sein Gesicht wirkte verkniffen. »Jetzt haben S’ sich wohl doch noch aufgerafft«, rief er. »Ich wär’ jetzt zur Apotheke gefahren. Aber den Weg kann ich mir wohl sparen.«

Toni hatte die Haustür erreicht. Er hatte keine Ahnung, was er von Michael Kimmerl zu halten hatte, darum war der Blick, mit dem er den Bauern musterte, skeptisch, zugleich aber auch kritisch. »Wo ist Ihre Frau?«, fragte er kurz angebunden.

»Im Wohnzimmer liegt s’ auf’m Sofa. Ich hab’ ihr einen Tee gekocht, damit sich der Husten lockert. Haben S’ eine Medizin dabei, die ihr hilft?«

»Ich weiß ja net mal, was Ihrer Frau fehlt«, entgegnete Toni. Alles in ihm sträubte sich dagegen, dem Bauern geduldig und freundlich zu begegnen. Er konnte sich nicht verkneifen zu sagen: »Als wir vorhin miteinander telefoniert haben, bin ich das Gefühl net losgeworden, dass Sie Ihre Frau auf eine Stufe mit Ihren Kühen stellen, Herr Kimmerl.«

Michael Kimmerls Mundwinkel sanken geringschätzig nach unten. »Bei mir auf dem Hof hat alles und jeder zu funktionieren. Das verlang’ ich ja von mir selber auch. Zum Kranksein hab’ ich keine Zeit. Und wenn mich mal ein Zipperlein plagt, dann mach’ ich kein Drama draus, sondern ignorier’s einfach und wart’, bis es wieder verschwindet.«

Toni konnte nur den Kopf schütteln. Er wollte sich aber mit dem Bauern auf keine unnützen Diskussionen einlassen, da er davon überzeugt, war, dass sie sowieso zu nichts geführt hätten, daher sagte er: »Führen S’ mich zu Ihrer Frau. Nach allem, was Sie mir erzählt haben, ist das mehr als nur ein Zipperlein, an dem sie leidet.«

Michael brabbelte etwas vor sich hin, das Toni nicht verstand, das ihn aber auch gar nicht interessierte, und ging vor dem Arzt her ins Haus.

Im Wohnzimmer war es kalt. Christina Kimmerl lag, eine Decke bis zum Kinn hochgezogen, auf der Couch. Ihr Gesicht war gerötet, die Augen glänzten fiebrig, die Lidränder waren entzündet. Sie sah schlecht aus. Toni legte ihr den Handrücken auf die Stirn und spürte die Hitze, die sie ausstrahlte. »Wie fühlen S’ sich, Frau Kimmerl?«

»Elend«, kam die Antwort mit einer Stimme, die schwach wie ein Windhauch war.

Der Arzt hatte seinen Koffer auf den Tisch gestellt. Nun öffnete er ihn. Dabei streifte er Michael Kimmerl mit einem schnellen Blick. Der Bauer stand in der Tür, hatte die Hände in den Hosentaschen seiner Arbeitshose vergraben und beobachtete ihn. »Ist gar net so schlimm, gell?«, knurrte er.

»Wenn mich mein erster Eindruck net täuscht, dann hat Ihre Frau eine schwere Lungenentzündung«, versetzte Toni, nahm das Fieberthermometer und hielt es ans Ohr Christinas. Gleich darauf las er laut: »Vierzig Komma zwei Grad. – Ich horch’ jetzt die Lunge ab.« Er legte das Thermometer weg und nahm das Stethoskop. Dann half er Christina, sich aufzusetzen.

Nachdem er sie von vorn und von hinten abgehorcht hatte, nickte er und sagte: »Mein Verdacht hat sich bestätigt, Herr Kimmerl. Ihre Frau hat eine ziemlich üble Lungenentzündung. Sie muss sofort in die Klinik und dort behandelt werden. Ich werd’ jetzt den Rettungsdienst anrufen.«

In dem Moment betrat Martin Kimmerl, der neunzehnjährige Sohn des Ehepaares, das Wohnzimmer. Er schien die letzten Worte des Arztes verstanden zu haben, denn er fragte: »Wieso Rettungsdienst? Wegen dem bissel Husten, den die Mama hat? Die Mama ist doch unkaputtbar, und wenn s’ zwei Tage das Bett hütet, ist sie wieder hergestellt.«

Sein Vater nickte. Toni schaute die beiden an, als zweifelte er an ihrem Verstand. Martin war die jüngere Ausgabe seines Vaters. Während jedoch die Haare seines Vaters schon ergraut waren, verfügten seine noch über eine brünette Färbung. Von der Einstellung her schien der Apfel aber nicht weit vom Baum gefallen zu sein. Toni konnte kaum begreifen, was er eben vernommen hatte. »Deine Mutter ist schwer krank, Kerl!«, entfuhr es ihm geradezu unbeherrscht. »Willst du, dass sie stirbt?«

»An dem bissel Husten stirbt sie doch net«, verteidigte sich Martin. »Jeder hat mal eine Erkältung. Deswegen muss doch keiner in die Klinik.«

Toni atmete tief durch. Er war nahe daran zu explodieren. Solche Egoisten wie Vater und Sohn Kimmerl waren ihm noch nie untergekommen. Er fragte sich, ob sie vielleicht gar nicht egoistisch, sondern einfach nur dumm waren, und kam im nächsten Moment zu dem Schluss, dass es sich bei den beiden um ungehobelte und auch ungebildete Hackklötze handelte. Zorn kroch in ihm hoch, und sosehr er sich auch bemühte, sich dagegen zu wehren, es brach aus ihm heraus:

»Wie ihr zwei den Gesundheitszustand eurer Frau und Mutter einstuft ist mir völlig egal. Sollt’ einer von euch mal mit vierzig Grad Fieber und rasselnden Lungen daliegen, werd’ ich ihm empfehlen, kalte Wadenwickel zu machen und zwei Tage das Bett zu hüten. Was eure Frau und Mutter jedoch betrifft, werd’ ich jetzt den Notdienst informieren. Ich bin der Arzt, und ich bestimme in diesem Fall, was zu geschehen hat. Ihr beide haltet ab sofort euren Mund, oder wollt ihr, dass ich wild werd’?«

Er war in der Tat stocksauer.

»Was nützt mir meine Frau, wenn s’ irgendwo in einem Sanatorium herumliegt und dort ihre Tabletten schluckt«, beschwerte sich Michael. »Wir brauchen sie auf dem Hof. Weder ich noch der Martin haben eine Ahnung vom Haushalt.«

»Dann müsst ihr euch von mir aus eine Haushälterin suchen«, kanzelte ihn Toni ab. Er hatte schon sein Smartphone in der Hand und wählte die Nummer des Notrufs an.

»Das kann ich mir net leisten!«, regte sich Michael auf. »Was meinen S’, was so eine Haushälterin kostet. Ich …«

»Ruhe!«, donnerte Toni, und der Bauer brach erschrocken ab. Im nächsten Moment sprach Toni in den Hörer: »Guten Tag. Hier spricht Doktor Wiesinger. Ich befind’ mich auf dem Kimmerlhof. Die Frau Kimmerl ist meiner ersten Diagnose nach an einer ziemlich schweren Pneumonie erkrankt. Es ist höchste Zeit, dass sie in der Klinik behandelt wird.«

Toni lauschte kurz, dann bedankte er sich und beendete das Gespräch. Den Blick auf Michael geheftet, stieß er hervor: »Ihre Frau stirbt, wenn ihr net sofort geholfen wird. Sie hätten mich oder die Klinik schon viel früher informieren müssen.«

»Das kann ja heiter werden«, grummelte Michael, »wenn der Martin und ich hier allein wursteln sollen. Keiner von uns kann kochen, ich weiß net mal, wie man den Herd anstellt. Weißt du es, Martin?«

»Nein.«

»Wir können auch die Waschmaschine net bedienen. Wer macht ab sofort den Stall sauber, melkt und füttert die Küh’?«

»Dass es Ihrer Frau schlecht geht, interessiert Sie wohl überhaupt net?«, fuhr Toni den Bauern an. »Ich frag’ mich, ob Sie noch richtig ticken da oben …« Er tippte sich mit Zeige- und Mittelfinger gegen die Stirn. »Wissen S’, was ich Ihnen rate, Herr Kimmerl? Nehmen S’ jeden Morgen eine Mistgabel in die Hände, gehen S’ in den Stall und machen S’ ihn sauber. Und du, Bursch’«, so wandte er sich an Martin, »kannst die Kühe füttern und melken. Du wirst dir keinen Zacken aus der Krone brechen. Wenn ihr eure Frau und Mutter nämlich hier jämmerlich sterben lasst, bleibt euch auch nix anderes übrig, als selbst mal Hand anzulegen.«

»Die Christina ist zäh«, blaffte Michael. »Die stirbt net so schnell.«

»Mir liegt jetzt was auf der Zunge, Herr Kimmerl«, knurrte Toni. »Aber ich sag’s net, weil ich zum einen ein höflicher Mensch bin und zum anderen keine Beleidigungsklage am Hals haben möcht’. – So, und jetzt raus mit euch! Ihr zwei seid hier fehl am Platz. Und lasst euch bloß net einfallen, nachher den Notarzt und die Sanitäter zu behindern. Ihr würdet es herausfordern, dass ich den Trenker-Max anruf’, damit euch der zu Raison bringt.«

»Ist ja schon gut«, murmelte Michael ziemlich kleinlaut. Die Drohung Tonis, den Leiter der Polizeistation von St. Johann zu verständigen, hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Vielleicht spürte der Bauer auch, dass er den Arzt nicht mehr länger herausfordern durfte, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, dass dieser ihn vor seinem Sohn verbal zurechtstutzte. »Komm, Martin, gehen wir«, grummelte er und schob seinen Sohn vor sich her zur Tür hinaus.

Toni wandte sich wieder der Frau zu. »Gleich kommt eine Ambulanz, Frau Kimmerl. Die bringt sie in die Notaufnahme der Bergklinik. Dort oben kriegen Sie die Ärzte schon wieder hin.« Er tätschelte der Bäuerin die welke Wange. »Und machen S’ sich bloß wegen der beiden Esel da draußen keine Gedanken. Die werden ohne Sie weder verhungern noch im Dreck ersticken. Müssen S’ halt selber mal ein bissel aktiv werden, die beiden.«

»Ich hab’ mir immer Mühe gegeben, den Buben so zu erziehen, dass er net wird wie sein Vater«, murmelte die Kranke. »Ich hab’s net geschafft. Der Martin ist aus demselben Holz geschnitzt wie der Michael. Die Frau, die den mal heiratet, wird auch nix zu lachen haben.«

Versonnen musterte Toni das eingefallene, gerötete Gesicht mit den fiebrigen Augen. Der letzte Satz, den Christina eben gesprochen hatte, gab ihm zu denken. Er beinhaltete nichts anderes als den Hinweis, dass sie hier auf dem Kimmerlhof alles andere als glücklich war.

In der Ferne war die Sirene eines Unfallwagens zu vernehmen. »Sie kommen schon«, sagte Toni. »Jetzt gehen S’ erst mal in die Klinik, damit man Sie dort wieder aufpäppelt, Frau Kimmerl, und dann schauen wir weiter. Möglicherweise schickt man Sie auf eine Kur. Ich werd’ mich jedenfalls dafür einsetzen.«