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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Im Kindergarten herrschte das übliche nachmittägliche Gewusel. Väter und Mütter waren gekommen, um die Kleinen abzuholen, und die Erzieherinnen machten sich daran, die letzten Spielsachen fortzuräumen. Sabine Meissner stand an der Tür und verabschiedete Eltern und Kinder. »Viel Spaß im Urlaub. Schöne Ferien«, wünschten die Buben und Madln der jungen Kindergärtnerin. »Komm gesund wieder.« »Ihr auch!« Sabine lächelte gerührt. »Ihr werdet mir fehlen.« Die Sommerferien hatten begonnen, und der Kindergarten schloß für drei Wochen. Jeder, der konnte, fuhr in den wohlverdienten Urlaub, begleitet von guten Wünschen. Nachdem Ruhe eingekehrt war, setzten sich die Erzieherinnen für einen Moment zusammen. »Puh«, sagte Annelore Hoffmann, die Leiterin, »das wäre geschafft.« Die jungen Frauen hatten Tee und Kaffee gekocht und einen Teller mit Keksen auf den Tisch gestellt. Insgesamt betreuten sechs Erzieherinnen vierzig Kinder. Sie waren ein eingespieltes Team und verstanden sich ausgezeichnet untereinander. Jetzt erzählten sie von ihren Urlaubsplänen. »Ich freue mich schon auf Sonne, Sand und Meer«, schwärmte Lilly Winkler. »Vierzehn Tage Ostsee –, das muß einfach traumhaft werden!« »Hoffentlich spielt das Wetter mit«, meinte die zwanzigjährige Petra. »Letztes Jahr waren wir auf Sylt, und da hat's nur geregnet.« »Wo verbringst du eigentlich deinen Urlaub?« wandte sich Annelore Hoffmann an Sabine, die neben ihr saß. »Ich fahr in die Berge, nach St. Johann.« »Ach, das ist ja interessant«, sagte die Leiterin des Kindergartens. »Jetzt sag' bloß noch, du hast in der Pension Stubler gebucht?« »Stimmt.« »Wirklich? Dann grüß die Ria bloß von mir. Wir sind zweimal dort gewesen. Der Ort ist zauberhaft und die Pension einfach Spitzenklasse. Du, da gibt's ein Frühstück mit allem drum und
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Seitenzahl: 123
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Im Kindergarten herrschte das übliche nachmittägliche Gewusel. Väter und Mütter waren gekommen, um die Kleinen abzuholen, und die Erzieherinnen machten sich daran, die letzten Spielsachen fortzuräumen.
Sabine Meissner stand an der Tür und verabschiedete Eltern und Kinder.
»Viel Spaß im Urlaub. Schöne Ferien«, wünschten die Buben und Madln der jungen Kindergärtnerin. »Komm gesund wieder.«
»Ihr auch!« Sabine lächelte gerührt. »Ihr werdet mir fehlen.«
Die Sommerferien hatten begonnen, und der Kindergarten schloß für drei Wochen. Jeder, der konnte, fuhr in den wohlverdienten Urlaub, begleitet von guten Wünschen.
Nachdem Ruhe eingekehrt war, setzten sich die Erzieherinnen für einen Moment zusammen.
»Puh«, sagte Annelore Hoffmann, die Leiterin, »das wäre geschafft.«
Die jungen Frauen hatten Tee und Kaffee gekocht und einen Teller mit Keksen auf den Tisch gestellt. Insgesamt betreuten sechs Erzieherinnen vierzig Kinder. Sie waren ein eingespieltes Team und verstanden sich ausgezeichnet untereinander. Jetzt erzählten sie von ihren Urlaubsplänen.
»Ich freue mich schon auf Sonne, Sand und Meer«, schwärmte Lilly Winkler. »Vierzehn Tage Ostsee –, das muß einfach traumhaft werden!«
»Hoffentlich spielt das Wetter mit«, meinte die zwanzigjährige Petra. »Letztes Jahr waren wir auf Sylt, und da hat’s nur geregnet.«
»Wo verbringst du eigentlich deinen Urlaub?« wandte sich Annelore Hoffmann an Sabine, die neben ihr saß.
»Ich fahr in die Berge, nach St. Johann.«
»Ach, das ist ja interessant«, sagte die Leiterin des Kindergartens. »Jetzt sag’ bloß noch, du hast in der Pension Stubler gebucht?«
»Stimmt.«
»Wirklich? Dann grüß die Ria bloß von mir. Wir sind zweimal dort gewesen. Der Ort ist zauberhaft und die Pension einfach Spitzenklasse. Du, da gibt’s ein Frühstück mit allem drum und dran.«
»Ich werd’ die Grüße ausrichten«, versprach Sabine mit einem Lächeln.
»Und wenn du den Bergpfarrer kennenlernst, dann mußt du ihn auch grüßen.«
»Den Bergpfarrer?« fragte die junge Erzieherin irritiert. »Wer soll das sein?«
Annelore Hoffmann schmunzelte.
»Eigentlich heißt er ja Pfarrer Trenker«, erklärte sie. »Aber die Leut’ dort haben ihm diesen Spitznamen gegeben, weil er sich droben in den Bergen auskennt wie kein andrer. Mein Mann und ich haben einige Touren mit ihm gemacht, und ich kann dir sagen, es war wirklich ein Erlebnis. Bestimmt lernst du ihn kennen, wenn du dir die Kirche anschaust, und das solltest du unbedingt tun…«
Die nächste Viertelstunde schwärmte die Leiterin des Kindergartens von dem Gotteshaus in St. Johann und schilderte Sabine ganz genau, was es dort alles zu sehen gab.
»Jetzt bereue ich es fast, daß Roland dieses Jahr nach Ungarn will«, meinte sie zum Schluß.
Sabine fuhr gutgelaunt nach Hause. Wenn sie ehrlich war – und das war sie immer –, dann mußte sie zugeben, daß sie sich ein wenig vor diesem Urlaub gefürchtet hatte. Es war nämlich das erste Mal nach der Trennung von ihrem Freund, daß sie alleine wegfuhr, und die Angst, sich in dem Bergdorf einsam zu fühlen, war groß gewesen. Doch jetzt, nach der Schilderung der Kollegin, war sie sicher, daß es schöne Ferien werden würden.
Bis St. Johann würde sie von Rosenheim aus nicht länger als zwei Stunden brauchen. Sie hatte extra einen Ort in der Nähe gewählt, um notfalls den Urlaub abbrechen und wieder nach Hause fahren zu können, sollte es ihr doch nicht gefallen. Jetzt bestand diese Befürchtung allerdings nicht mehr.
Die hübsche Erzieherin wohnte in einem kleinen Dorf in der Nähe von Rosenheim. Bevor sie dorthin fuhr, kaufte sie in der Stadt noch ein paar Sachen ein. Annelore Hoffmann hatte ihr von dem herrlichen Badesee vorgeschwärmt, den zu besuchen sie auf keinen Fall versäumen dürfe. Sabine hatte daraufhin beschlossen, sich einen neuen Badeanzug zu kaufen.
Auch wenn der nicht gerade billig war, bereute sie diesen Entschluß nicht. Schließlich war Urlaub, und den hatte man nur einmal im Jahr.
Spätabends waren Koffer und Reisetasche gepackt. Sabine saß im Wohnzimmer und telefonierte mit ihrer Mutter. Hinterher rief sie noch eine Freundin an, um sich zu verabschieden, und ging früh schlafen.
Früh wollte sie auch nach St. Johann aufbrechen, denn sie wollte die Ferien in vollen Zügen und von Anfang an genießen.
*
Jonas Burger saß in seinem Büro und sah die letzten Akten durch, als das Telefon klingelte. Der Rechtsanwalt nahm den Hörer ab, während er nach dem Jackett griff, das er über seinen Stuhl gehängt hatte.
»Ihre Tochter«, meldete die Sekretärin.
Jonas lächelte. Er hatte es sich schon gedacht, daß es Alina sein würde. Sicher wartete sie ungeduldig darauf, daß er endlich nach Hause kam.
»Stellen Sie durch, Frau Brenner«, sagte er.
Es klickte in der Leitung, und gleich darauf vernahm er ihre Stimme.
»Papi, wann kommst du denn endlich? Weißt du eigentlich, wie spät es schon ist?«
Der Vorwurf in Alinas Stimme war nicht zu überhören.
»Bin schon auf dem Weg, mein Engel«, antwortete Jonas. »Ich wollt’ gerad’ meine Jacke anziehen. Hast du denn schon deine Sachen gepackt?«
»Alles fix und fertig«, lautete die Antwort. »Wir können gleich los.«
»Du meinst, morgen früh«, stellte der Vater klar.
»Ach, könnten wir net schon heut’ abend…?«
»Das geht leider net, Alina, das Zimmer in der Pension ist doch erst morgen für uns frei.«
»Na gut«, lenkte die Kleine ein. »Aber beeil’ dich trotzdem. Tante Inga hat Pizza im Backofen.«
»Pizza? Na, dann komme ich aber wie der Blitz!«
»Gut, Papi«, sagte seine Tochter zufrieden, »dann lege ich jetzt auf.«
»Bis gleich.«
Während des Telefonats hatte Jonas auf die gerahmte Fotografie geschaut, die auf seinem Schreibtisch stand. Immer, wenn er sie ansah, gab es ihm einen wehen Stich im Herzen. Das Foto zeigte Alina und Amelie, seine verstorbene Frau.
Mutter und Tochter lächelten in die Kamera. Jonas hatte es während ihres letzten gemeinsamen Urlaubs gemacht.
Kaum zu glauben, daß es jetzt schon drei Jahre her war, daß…
Der Rechtsanwalt riß sich von dem Anblick los und zog das Jackett an. Im Vorzimmer war Elke Brenner schon dabei, den Computer auszuschalten.
»Schöne Ferien«, wünschte Jonas. »Und kommen S’ mir heil wieder zurück.«
»Sie auch, Herr Doktor«, nickte die Sekretärin. »Ich räum’ nur noch alles fort und schließe dann ab.«
»Prima. Also, dann bis in drei Wochen.«
»Viel Spaß und grüßen S’ die Alina.«
»Mach ich«, erwiderte der Anwalt und verließ die Kanzlei.
Sein Büro lag im dritten Stock eines Münchner Hochhauses, fast direkt in der Innenstadt. Das Auto stand in der Tiefgarage. Jonas nahm den Fahrstuhl und befand sich zehn Minuten später schon auf dem Nachhauseweg.
Allerdings dauerte es eine Weile, bis er die Villa im Stadtteil Bogenhausen erreicht hatte. Der abendliche Berufsverkehr war immer noch stark, und an manchen Stellen kamen die Autos nur sehr langsam voran.
Jonas atmete auf, als er in die ruhige Seitenstraße einbog. Er fuhr das Auto gleich in die Garage und ging von dort aus durch eine Seitentür ins Haus. Schon im Flur schlug ihm der Duft der frischgebackenen Pizza entgegen.
Alina hatte ihn vom Fenster aus gesehen. Im Flur sprang sie ihm um den Hals.
Fünf Jahre war sie jetzt, beinahe schon sechs, und ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie hatte langes, blondes Haar, ein niedliches Gesicht mit einem kecken Näschen darin, und ihre Augen funkelten genauso blau, wie es Amelies getan hatten.
»Hurra, endlich Ferien!« rief sie.
»Ja, hurra!« stimmte Jonas lachend ein.
Er gab ihr einen Kuß und setzte sie wieder ab.
»Hmm, das duftet aber lecker«, sagte er. »Da hat die Tante Inga aber wieder was Tolles gezaubert.«
Seine Schwägerin trat aus der Küchentür.
»Du sollst mich nicht immer Tante nennen«, schmunzelte sie und drohte dabei gleichzeitig mit dem Zeigefinger.
»Du bist doch aber meine Tante«, stellte Alina fest.
»Stimmt. Aber das wollen wir jetzt nicht vertiefen. Kommt lieber zum Essen, sonst verbrennt die Pizza noch.«
Im Eßzimmer war der Tisch gedeckt. Inga Peters hatte die Pizza aus der Küche gebracht. Jonas kümmerte sich um die Getränke.
»Erzähl’ doch mal«, sagte er gutgelaunt, »hast du viele Sachen, die du mitnehmen willst? Oder reicht mein kleines Auto? Sonst kaufen wir noch schnell ein neues.«
Alina grinste.
»Ich glaub’ net, daß das nötig ist«, antwortete sie. »Wenn du nur eine kleine Tasche brauchst…«
»Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann hättest du ganz bestimmt einen größeren Wagen gebraucht«, meinte Inga. »Aber ich konnte sie dann doch noch überreden, das meiste hierzulassen.«
Während des Abendessens war natürlich der bevorstehende Urlaub Thema der Unterhaltung. Jonas erzählte seiner Tochter, was es dort alles zu sehen und zu erleben gäbe. Alina war jetzt schon hellauf begeistert und konnte es gar nicht abwarten, daß es endlich losging.
»Morgen um diese Zeit schlafen wir schon in der Pension«, sagte der Rechtsanwalt, als er seine Tochter ins Bett brachte. »Aber jetzt mußt du ganz schnell schlafen.«
»Erst das Abendgebet«, widersprach Alina und faltete die Hände. »Lieber Gott, danke, daß du uns heute beschützt hast, und bitte tue das auch morgen und an allen Tagen. Und paß gut auf Tante Inga auf, wenn Papi und ich net da sind, und grüß’ die Mami von mir.«
Jonas schluckte. Es war stets das gleiche Gebet, das sie sprach – nur manchmal ein wenig abgewandelt, so wie heute. Aber nie vergaß Alina, dem lieben Gott Grüße an die Mami aufzutragen, die bei ihm im Himmel wohnte…
»Erinnerst du dich überhaupt noch an Mama?« fragte er mit belegter Stimme.
Das Madl sah ihn beinahe entrüstet hat.
»Aber freilich!« sagte Alina. »Ich hab’ doch das Bild hier an meinem Bett stehen.«
Jonas nickte und gab ihr einen Gutenachtkuß.
Natürlich konnte sie die Erinnerung nicht verlieren. Auch wenn Amelie tot war, so war sie doch überall präsent. Der Garten, den sie so liebevoll gestaltet hatte, das Haus von ihr eingerichtet –, alles zeigte ihre Spuren.
Und vor allem war Amelie ganz tief in ihren Herzen!
*
Jonas wartete, bis seine Tochter eingeschlafen war, dann löschte er das Licht und verließ das Kinderzimmer. Seine Schwägerin saß im Wohnzimmer. Sie hatte eine Flasche Rotwein geöffnet und auf den Tisch gestellt.
»Wir müssen auf euren Urlaub anstoßen«, meinte Inga Peters, während sie die Gläser einschenkte.
Sie reichte ihm eines und schaute ihn dabei an.
»Du weißt, daß ich sehr gerne mitgekommen wäre…«, sagte sie.
Jonas stöhnte innerlich auf. Bereits im Vorfeld der Planung hatte es darüber Diskussionen gegeben. Inga wollte sie unbedingt begleiten, doch Vater und Tochter waren sich einig, den Urlaub allein verbringen zu wollen.
Der junge Witwer war dennoch schwankend gewesen. Seit Amelies Tod wohnte ihre Schwester in der Villa. Damals hatte sie ihre Stellung in Hamburg aufgegeben und war nach München gezogen, um ganz für ihre Nichte dazusein, wie sie sagte. Indes war das nur die halbe Wahrheit. Jonas wußte nur zu gut, daß Inga sehnlichst darauf wartet, Amelies Stelle einzunehmen… Doch das war ein Gedanke, mit dem er sich ganz und gar nicht anfreunden konnte.
Gewiß, er verdankte seiner Schwägerin viel. Besonders, daß Inga sich wirklich aufopfernd um Alina kümmerte, rechnete Jonas ihr hoch an. Doch mehr als eine Verwandte konnte er in ihr nicht sehen, und manchmal wünschte er sich, nicht so auf sie angewiesen zu sein.
Damals war er dankbar gewesen, inzwischen überlegte er immer öfter, ob es nicht besser gewesen wäre, eine Kinderfrau einzustellen. Aber nach Amelies schrecklichem Unfall war er nicht fähig gewesen, einen klaren Gedanken zu fassen. Und jetzt war es zu spät dazu. Alina hatte sich an Inga gewöhnt, und es war fraglich, ob sie mit einer anderen Person, die ihr zuerst fremd sein mußte, so gut auskommen würde wie mit ihrer Tante.
»Ich denke, das Thema ist ausreichend besprochen«, sagte Jonas. »Laß uns net mehr darüber diskutieren.«
»Wie du willst.« Scheinbar gleichgültig zuckte seine Schwägerin die Schultern.
Aber ihre Augen straften diese Gleichgültigkeit Lüge. Sie nahm auf dem Sofa Platz und schaute aus dem Fenster. Doch sie sah nicht die herrlichen Pflanzen, die gerade in der Hochzeit ihrer Blüte waren. Inbrünstig dachte sie daran, wie sehr sie ihren Schwager begehrte, und daß sie alles tun würde, um ihn für sich zu gewinnen.
Schon immer hatte sie Jonas geliebt und war sie eifersüchtig auf ihre Schwester gewesen, der es gelungen war, den attraktiven Mann für sich zu gewinnen. Als Amelie Jonas das erste Mal mit nach Hause brachte, fühlte sich Inga sofort zu ihm hingezogen. Aber sie respektierte, daß er zu ihrer Schwester gehörte, und hielt ihre Gefühle unter Kontrolle.
Doch inzwischen, dachte sie, muß er doch merken, was ich für ihn empfinde. Aber er ist wie aus Eis, verbittert in seiner Trauer, und ohne Alina hätte ich überhaupt keine Chance, ihm nahe zu sein. Dabei habe ich alles für ihn aufgegeben. Das Haus in Hamburg, meine Stelle als Modezeichnerin im Atelier und mich selbst auch…
In gewisser Weise hatte sie recht. Wäre Inga Peters in Hamburg geblieben, könnte sie längst Karriere gemacht haben. Sie hatte Geschmack, und ihre Kreationen hatten immer wieder begeisterten Anklang bei den Kundinnen des Modeateliers gefunden. Bestimmt hätte der alte Kranz ihr ein eigenes Label zugestanden, vielleicht sogar die Teilhaberschaft angeboten.
›Peters & Kranz – Mode‹ – die Erfüllung ihrer Träume.
Doch statt dessen hatte sie alles aufgegeben und war hierher gekommen. Zum einen wirklich, um für Alina da zu sein, zum anderen aber auch, weil sie hoffte, eines Tages den Mann ihrer Träume zu bekommen.
Inzwischen waren drei Jahre vorüber, und Jonas verkroch sich immer noch in seiner Trauer, und je mehr Tage vergingen, um so geringer wurde ihre Hoffnung.
*
Markus Bruckner, der Bürgermeister von St. Johann, schaute unwillig auf, als Sebastian Trenker das Büro betrat.
»Grüß dich«, sagte der Geistliche und wartete, daß ihm ein Platz angeboten wurde.
»Grüß Gott, Hochwürden«, nickte Bruckner. »Setzen S’ sich.«
Sebastian zog den Stuhl zurück, der vor dem Schreibtisch stand, und ließ sich darauf nieder.
»Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?«
»Das kannst’ dir doch sicher denken. Es geht um die Gesellschaft, die das Haus der verstorbenen Frau Gärtner umbaut. Wie’s ausschaut, beabsichtigt man, dort eine Pension einzurichten. Ich möcht’ gern’ von dir wissen, wer dahintersteckt.«
Der Bürgermeister zuckte die Schultern.
»Das kann ich Ihnen beim besten Willen net sagen«, behauptete er. »Ich würd’s selbst gern’ wissen.«
Der Bergpfarrer schüttelte ungläubig den Kopf.
»Willst du mir ernsthaft erzählen, du wüßtest net, wer die Leute sind?« fragte er nach. »Du mußt doch wissen, was im Dorf vorgeht. Gibt’s denn keinen Bauantrag?«
»Der ist net nötig. Es handelt sich ja net um Baumaßnahmen, die am Haus selbst vorgenommen werden. Drinnen kann jeder mit seinem Eigentum machen, was er will.«
»Aber fragst du dich net auch, was das für Leute sind, die sich hier niederlassen? Ich meine, man möcht’ doch gern wissen, mit wem man es zu tun hat.«
Markus Bruckner breitete in einer Geste der Hilflosigkeit die Arme aus.