Wer hilft diesem Kind - Patricia Vandenberg - E-Book

Wer hilft diesem Kind E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Nun gibt es eine Sonderausgabe – Dr. Norden Aktuell Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. Als Dr. Daniel Norden zu Renate Costa gerufen wurde, hatte er ein ungutes Gefühl. Er hegte nicht die geringste Sympathie für diese exzentrische Frau. Weil es diesmal jedoch um ihr Töchterchen Nadja ging, schob er diesen Besuch nicht auf. Renate Costa bewohnte mit ihrer Tochter eine komfortable Terrassenwohnung in einem neuerbauten Wohnviertel. Zu Dr. Nordens Verwunderung wurde er von einem Mann empfangen, der keine besonders eindrucksvolle Erscheinung war und nicht so recht in das Bild paßte, das er sich von Renate Costa gemacht hatte. »Fessler«, stellte er sich vor, »es ist gut, daß Sie so schnell kommen, Herr Doktor. Nadja hat hohes Fieber, und nächste Woche muß sie fit sein.« Dr. Nordens Augenbrauen hoben sich, denn diese Bemerkung gefiel ihm gar nicht. »Darf ich fragen, wofür Nadja fit sein soll?« fragte er. »Wir wollen mit den Filmaufnahmen beginnen. Ich bin der Regisseur.« Er war mittelgroß, untersetzt, ein Durchschnittstyp, doch an Selbstbewußtsein mangelte es ihm gewiß nicht. Er war sehr gelassen, während Renate wieder einmal einem Nervenzusammenbruch nahe schien. Sie kam aus dem Zimmer gestürzt und redete wie ein Wasserfall verworrenes Zeug, auf das Dr. Norden nicht hörte.

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Dr. Norden Aktuell – 27 –

Wer hilft diesem Kind

Patricia Vandenberg

Als Dr. Daniel Norden zu Renate Costa gerufen wurde, hatte er ein ungutes Gefühl. Er hegte nicht die geringste Sympathie für diese exzentrische Frau. Weil es diesmal jedoch um ihr Töchterchen Nadja ging, schob er diesen Besuch nicht auf.

Renate Costa bewohnte mit ihrer Tochter eine komfortable Terrassenwohnung in einem neuerbauten Wohnviertel. Zu Dr. Nordens Verwunderung wurde er von einem Mann empfangen, der keine besonders eindrucksvolle Erscheinung war und nicht so recht in das Bild paßte, das er sich von Renate Costa gemacht hatte.

»Fessler«, stellte er sich vor, »es ist gut, daß Sie so schnell kommen, Herr Doktor. Nadja hat hohes Fieber, und nächste Woche muß sie fit sein.«

Dr. Nordens Augenbrauen hoben sich, denn diese Bemerkung gefiel ihm gar nicht.

»Darf ich fragen, wofür Nadja fit sein soll?« fragte er.

»Wir wollen mit den Filmaufnahmen beginnen. Ich bin der Regisseur.«

Er war mittelgroß, untersetzt, ein Durchschnittstyp, doch an Selbstbewußtsein mangelte es ihm gewiß nicht. Er war sehr gelassen, während Renate wieder einmal einem Nervenzusammenbruch nahe schien. Sie kam aus dem Zimmer gestürzt und redete wie ein Wasserfall verworrenes Zeug, auf das Dr. Norden nicht hörte.

»Kann ich Nadja sehen?« schnitt er ihr energisch das Wort ab. »Reden können wir später.«

»Beruhige dich, Rena«, sagte Jürgen Fessler. »Es gibt doch jetzt so gute Mittel.«

Nadjas Fieber war nicht so hoch, wie Dr. Norden gefürchtet hatte, aber das kleine Mädchen sah entsetzlich elend aus. Dr. Norden kannte sie schon lange. Immer war sie ein zartes Kind gewesen, aber trotzdem nicht anfällig.

Übergroß wirkten ihre dunklen Augen in dem kleinen Gesicht.

»Ich bin so müde, Onkel Doktor«, flüsterte sie. »Aber Maman denkt, daß ich mich vor der Probe drücken will.«

Es war auch so ein Tick von Renate Costa, sich Maman rufen zu lassen, obgleich sie außer Merci und Bonjour kaum ein französisches Wort kannte. Ein Geisteslicht war sie wahrhaftig nicht, dafür aber von einem ungeheuren Ehrgeiz besessen. Und man konnte ihr nicht absprechen, daß sie eine bildschöne Frau war. Allerdings von einer leeren Schönheit.

Dr. Norden stellte jedenfalls fest, daß Nadja nicht an einer Erkältung oder Halsentzündung litt. Sie klagte auch nicht über Schmerzen, sondern nur darüber, daß sie so müde sei. Und Dr. Norden kam zu der Überzeugung, daß dieses Kind einfach überfordert war. Er wußte, daß Renate Costa aus ihrer Tochter eine berühmte Tänzerin machen wollte. Oft genug hatte sie ja das große Talent der Kleinen gelobt. Nun wollte sie Nadja anscheinend auch zum Film bringen.

Dr. Norden konnte sich beherrschen und den Zorn, der in ihm gärte, nicht ausdrücken.

»Nadja braucht Luftveränderung und Ruhe«, erklärte er.

»Wir werden verreisen, wenn der Film beendet ist«, sagte Renate mit schriller Stimme.

»Begreifen Sie nicht, Frau Costa, daß Ihr Kind keinen Belastungen ausgesetzt werden darf?« fragte Dr. Norden.

»Sie hat Launen«, sagte Renate. »Geben Sie ihr Kräftigungsmittel. Sie schmollt nur, weil ihr Vater sie am Wochenende nicht abgeholt hat. Nun, ich hoffe, daß dies ein Ende haben wird, wenn ich mit Herrn Fessler verheiratet bin. Schließlich ist Marian ja längst wieder verheiratet und hat kein Recht mehr auf das Kind«, fügte sie boshaft hinzu.

Wieder mal eine Scheidung, unter der nur das Kind zu leiden hatte, aber Dr. Norden wußte, daß auch Marian Costa sehr gelitten hatte, weil Nadja der Mutter zugesprochen worden war. Über die Gründe hatte er allerdings nie gesprochen. Dr. Norden kannte auch ihn und nahm sich vor, mit Marian Costa zu sprechen, denn jetzt ging es allein um das Kind, das schamlos ausgenützt wurde.

»Ich muß jede Verantwortung ablehnen, wenn Sie meinen Rat nicht befolgen, Frau Costa«, sagte er nochmals.

»Na, dann fährst du eben ein paar Tage mit ihr weg«, mischte sich Jürgen Fessler ein.

»Damit du wieder tun und lassen kannst, was du willst«, fauchte sie ihn unbeherrscht an.

»Nimm dich zusammen«, sagte er warnend.

»Ich bin fertig mit den Nerven«, stöhnte sie.

Was sind das für Verhältnisse, dachte Dr. Norden bestürzt. Jemand mußte da doch etwas für dieses Kind tun.

Er überlegte hin und her, während er heimwärts fuhr, und meinte dann, daß seine Frau wohl einen Rat wüßte. Fee hatte immer gute Ideen.

*

Aber Fee Norden dachte in erster Linie als Mutter und war maßlos empört, als Daniel ihr erzählte, was ihm da Sorgen bereitete.

»Die Frau hat einen Tick«, sagte sie.

»Nicht nur einen, Liebes, aber wie ist dem Kind zu helfen?«

»Ich verstehe überhaupt nicht, daß das Gericht ihr das Sorgerecht erteilt hat.«

»Wahrscheinlich deshalb, weil der Vater sehr viel auf Reisen ist«, sagte Daniel.

»Du mußt mal mit ihm sprechen. Du kennst ihn,

und er macht doch eigentlich einen sehr seriösen Eindruck.«

»Sie hat gesagt, daß er wieder verheiratet ist.«

»Immerhin sind sie bereits seit zwei Jahren geschieden. Oder ist es schon länger?«

»Weiß ich nicht mehr genau. Gut, ich werde ihn anrufen und hören, was er zu sagen hat.«

Er rief auch gleich von der Wohnung aus an, nachdem Fee Marian Costas neue Telefonnummer herausgesucht hatte.

Es meldete sich eine sympathische Frauenstimme. »Mein Mann ist noch im Geschäft«, sagte sie. »Darf ich fragen, um was es sich handelt?«

»Wenn Sie Herrn Costa bitte ausrichten würden, daß Dr. Norden dringend um seinen Besuch bittet«, sagte Daniel.

»Ist etwas mit Nadja?« tönte es erschrocken an sein Ohr.

»Ja, es handelt sich um Nadja«, erwiderte er.

»Ich werde meinen Mann sofort anrufen. Er wird bestimmt so schnell wie möglich kommen, Herr Doktor«, sagte Frau Costa.

»Ja, das wäre mir lieb.«

»Ist sie sehr schwer krank?« fragte die Stimme am anderen Ende.

»Erschöpft«, erwiderte Daniel kurz. »Ich werde mit Herrn Costa darüber sprechen.«

Er sah Fee an, als er den Hörer aufgelegt hatte. »Macht am Telefon einen guten Eindruck«, sagte er nachdenklich.

»Das kann täuschen«, erwiderte Fee. »Aber du wirst ja mit ihm sprechen können.«

Und das konnte Daniel Norden schon eine Stunde später. Er war kaum wieder in seiner Praxis, als Loni sagte, daß Herr Costa gekommen sei.

Desinteressiert war er also nicht. Er machte sogar einen besorgten Eindruck.

Er war jedenfalls eine andere Erscheinung, als dieser Jürgen Fessler, obgleich er nicht so selbstsicher auftrat. Marian Costa war Kunsthändler, und er hatte in dieser Branche einen sehr guten Namen.

Er war groß, schlank und hatte dichtes blondes Haar, das einen seltsamen Kontrast zu den dunklen Augen bildete, die er seiner Tochter vererbt hatte.

»Nadja ist also doch schlimmer krank«, sagte er erregt.

»Wieso schlimmer?« fragte Dr. Norden.

»Renate rief mich an und sagte, daß ich sie zum Wochenende nicht holen könnte, weil sie erkältet sei.«

»Ihre Frau – Entschuldigung – Ihre geschiedene Frau sagte es mir anders«, erklärte Dr. Norden.

»Was hat sie wieder vom Stapel gelassen?« fragte Marian gereizt.

»Daß Nadja schmollt, weil Sie sie nicht abgeholt hätten.«

»Wenn sie doch nur nicht dauernd lügen würde«, sagte Marian zornig. »Ich bin kein Rabenvater, Herr Dr. Norden. Ich kann heute noch nicht begreifen, daß das Gericht so entschieden hat.«

»Sollten wir nicht einmal offen sprechen, in Nadjas Interesse?« fragte Dr. Norden vorsichtig.

»Ich wollte nicht alles breittreten«, erwiderte Marian gepreßt. »Ich habe nicht geglaubt, daß man Nadja ihr geben würde, da wir doch eine konventionelle Scheidung durchbringen konnten. Ich wollte die Frau, die Mutter unseres Kindes doch nicht bloßstellen. Aber ich habe diese Ehe auch nicht ertragen.«

»Kannten Sie damals schon Ihre jetzige Frau?« fragte Dr. Norden.

»Sissi? Gott bewahre. Wir lernten uns vor einem Jahr kennen. Ihr Vater ist auch Kunsthändler. Sissi habe ich zu verdanken, daß ich einigermaßen wieder ins Gleichgewicht kam. Aber Renate hat durchgesetzt, daß ich Nadja nur allein treffen durfte. Und als ich dagegen Einspruch erhob, wurde mir nur erwidert, daß meine frühere Frau ja noch nicht wieder geheiratet hätte und das Kind in besten Verhältnissen lebte.«

»Darf ich die indiskrete Frage stellen, wie es zu der Scheidung kam?« fragte Daniel. »Ich frage das nur, weil ich Nadja helfen möchte.«

»Ihnen glaube ich das, Herr Dr. Norden«, sagte Marian mit einem bitteren Unterton. »Renate ist eine gute Schauspielerin, und sie beeindruckt die Männer, selbst nüchterne Juristen. Und ich habe leider nicht das Talent, brutal zu werden. Diese Ehe war eine Hölle. Ich war betört, als ich Renate kennenlernte, aber sie wollte nur versorgt sein. Sie kommt aus sehr bescheidenen Verhältnissen. Sehen Sie, das klingt schon wieder so anzüglich. Ich hasse es, über etwas zu reden, was ich mir selbst eingebrockt habe.«

»Aber es wäre doch gut, wenn Sie sich darüber aussprechen. Ihre Tochter wird so überfordert, daß ich Schlimmes befürchte, wenn man nicht eingreift.«

»Das erklären Sie mal Richtern, vor denen Renate als liebevolle, fürsorgliche Mutter eine Schau abzieht.«

»Ich könnte es erklären, wenn ich eine Untersuchung anordne. Das werde ich Ihnen später klarlegen, Herr Costa, wenn Sie bereit sind, eine klare Stellungnahme abzugeben.«

»Haben Sie so viel Zeit?« fragte Marian. »Es ist doch eine lange Geschichte.«

»Würden Sie eine Abendstunde opfern? Nach der Sprechstunde? Vielleicht auch Ihre Frau?« fragte Dr. Norden.

»Wollen Sie Ihre Freizeit dafür opfern?« fragte Marian staunend.

»In diesem Fall schon.«

»Wir wären gern dazu bereit. Sissi auch. Ihr tut es genauso weh wie mir, daß wir für Nadja nichts tun können.«

»Würden Sie gegen sieben Uhr in meiner Privatwohnung sein können? Meine anderen Patienten könnten hier sonst wirklich ungeduldig werden.«

»Wir werden gern kommen, aber ich hoffe, daß Sie mir eine entsprechende Rechnung schicken, Herr Dr. Norden.«

»Wir könnten einen Kompromiß schließen. Sie machen meiner Frau mal einen günstigen Preis, wenn ihr etwas besonders Schönes gefällt.«

»Sehr gern. Ich danke Ihnen. Ja, ich danke Ihnen sehr.«

*

Dieser Dank drückte sich schon in einem wunderschönen Zinnteller aus, den die Costas anstelle von Blumen für Fee mitbrachten. Fee konnte den Wert einschätzen, da sie seltene Stücke für ihr Bauernzimmer nur erwarb, wenn sie gar nicht widerstehen konnte.

Als Daniel sie angerufen hatte, um ihr zu sagen, daß sie abends Gäste haben würden, war sie überrascht gewesen, und als er sagte, daß es Marian und Sissi Costa wären, war sie nicht frei von Skepsis. Aber ein Blick genügte ihr, um Sissi herzlich zu begrüßen.

Sissi war verkörperte frauliche Anmut. Sie war ungeschminkt, aber sie hatte auch keine Schminke nötig. Sie hatte wunderbare, zarte, reine Haut, Augen wie Bergseen und kastanienbraunes Haar. Unübersehbar war es, daß sie ein Kind erwartete. Fee schätzte, daß sie im siebenten Monat sei, und da sie selbst Ärztin war, traf sie den Nagel auf den Kopf.

»Wir sind Ihnen sehr dankbar, daß wir mit Ihnen über Nadja sprechen dürfen«, sagte Sissi und zeigte sich der Situation mehr gewachsen als ihr Mann, der deprimiert wirkte.

»Ich habe Renate angerufen und mich nach Nadja erkundigt«, erklärte er. »Sie war sehr abweisend. Ich habe aber nicht gesagt, daß ich mit Ihnen gesprochen habe, Herr Dr. Norden«, fügte er rasch hinzu.

»Wir sind sehr besorgt«, sagte nun wieder Sissi.

»Setzen wir uns doch«, meinte Fee mit ihrem bezwingenden Lächeln.

»Meine Frau kennt die ganze Geschichte«, sagte Marian.

»Möchten sich die Herren allein unterhalten?« fragte Fee.

»Ich könnte vielleicht manches dazu sagen, was Marian nicht so gern erwähnt«, warf Sissi ein. »Wenn Sie uns schon Ihre Zeit opfern, sollten auch klare Voraussetzungen für weitere Schritte geschaffen werden.«

»Sissi hat recht«, sagte Marian. »Aber Sie können vermuten, daß ich Sissi alles nur aus meiner Sicht gesagt habe.«

»Das wird hier bestimmt nicht vermutet werden, Lieber«, sagte Sissi.

Daß sie eine kluge Frau war mit viel Menschenkenntnis, hatten Daniel und Fee sofort begriffen.

»Über den Anfang dieser Ehe brauche ich wohl nichts zu sagen. Da war ich noch verblendet«, begann Marian. »Nach der Geburt von Nadja stellte Renate nur noch Ansprüche. Das Kind, das ich liebte, war ihre Trumpfkarte. Aber ich bin kein Millionär, auch heute noch nicht. In meiner Branche muß man investieren und geht manches Risiko ein.« Er unterbrach sich.

»Es fällt Marian schwer, darüber zu sprechen«, erklärte Sissi. »Renates Ansprüche waren unerfüllbar. Ein Luxusbungalow, die teuerste Einrichtung, die kostbarsten Teppiche, ich weiß das, weil ich die Abrechnungen gesehen habe. Aber das hätte Marian noch verkraftet, wenn sie nicht auch die teuersten Pelze und kostbaren Schmuck gekauft hätte, wenn es ihr danach gerade zumute war. Und es schien ihr immer zumute danach zu sein. – Bitte, Marian, laß es mich deutlich aussprechen. Unsere Gastgeber werden es schon richtig verstehen.«

»Ja, sagen Sie es nur klar und deutlich«, sagte Fee.

»Über Nadja zu sprechen, möchte ich lieber meinem Mann überlassen«, meinte Sissi. »Du hast das Wort, Marian.«

Sie sagte es so liebenswürdig, daß man es nicht als Befehl betrachten konnte. Und das Lächeln, das ihre Worte begleitete, verriet, wieviel ihr dieser Mann bedeutete.

»Nadja entwickelte sich zu einem besonders hübschen Kind«, begann Marian stockend. »Auf der Straße blieben die Leute stehen und blickten ihr nach. Sie lernte früh sprechen und bewegte sich so graziös, daß Renate bald auf den Gedanken kam, sie in eine Gymnastikschule zu bringen. Ich war dagegen, aber ich kam nicht gegen sie an. Anfangs hatte ich als Entschuldigung für sie immer noch, daß sie dem Kind alles geben wollte, was ihr selbst versagt geblieben war. Nadja machte

es auch Spaß, herumzuspringen. Sie kam dann in eine Ballettschule, schon mit drei Jahren, und da sprach Renate immer öfter davon, daß sie ein Star werden würde.

Wir hatten Meinungsverschiedenheiten, und…« Da unterbrach er sich.

»Und Marian kam dahinter, daß Renate auch an eine eigene Karriere dachte, weil sie sich zu Probeaufnahmen für eine Reklame gemeldet hatte«, mischte sich Sissi ein. »Man riß sich um sie. Sie ist sehr fotogen.«

»Es trieb alles einer Katastrophe zu«, sagte Marian gequält. »Ersparen Sie es mir bitte, die Einzelheiten zu schildern. Renate wollte selbst die Trennung, aber ich war des Glaubens, daß man mir das Kind zusprechen würde. Und dann ging es los, daß ich viel unterwegs wäre und eine bezahlte Kraft für das Kind brauchen würde, und Renate zerfloß in Tränen vor Gericht. Man billigte mir dann großmütig zu, Nadja ein Wochenende im Monat zu mir zu nehmen.«

»Aber was Renate dafür alles verlangte, war gerichtlich nicht festgelegt worden«, sagte Sissi. »Als wir geheiratet hatten, bekam ich dauernd Anrufe von ihr. Sie dichtete Marian Eigenschaften an, die er überhaupt nicht besitzt. – Bitte, Marian«, sagte sie, zu ihrem Mann gewandt, »ich darf doch die Wahrheit sagen. Ich werde sie auch in der Öffentlichkeit sagen, wenn Nadja jetzt leiden muß. Einmal muß doch reiner Tisch gemacht werden. Wir werden ein Kind haben, aber Nadja ist deine Tochter, und ich würde ihr auch gern Mutter sein.« Sie machte eine kleine Pause. »Herr Dr. Norden, ich bin sehr froh, daß ich mit Ihnen sprechen kann«, fuhr sie dann fort. »Ich habe mich informiert, was man mit Nadja vorhat. Eine Bekannte von mir hat auch ein Kind in der Ballettschule. Ich gebe im allgemeinen nichts auf Gerede, aber schließlich handelte es sich um Marians Tochter. Für Nadja ist es kein Spiel mehr. Sie wird dressiert. Und jetzt wird sie auch noch vor die Filmkamera zitiert. Renate hat sich mit einem Regisseur zusammengetan.«

»Sie spricht von Heirat«, sagte Daniel Norden.

»Ja, ich weiß«, sagte Sissi. »Ich habe Marian auch gesagt, daß Renate ihm eine Absage für das Wochenende mit Nadja erteilte, damit er nicht sieht, wie das Kind strapaziert wird. Es stimmt doch!«

»Ja, es stimmt. Sie haben die richtige Intuition, Frau Costa«, erwiderte Daniel.

Sie senkte den Kopf. »Ich habe es geahnt«, flüsterte Sissi. »Was sie nicht aus eigener Kraft erreichen kann, versucht sie über das Kind zu erreichen. Und eine Mutter sollte doch zuerst an das Wohlergeben ihres Kindes denken. Ehen können so oder auch anders schiefgehen, aber dann sollte man doch immer darauf bedacht sein, daß die etwaigen Kinder nicht darunter zu leiden haben.«

»Was würden Sie tun, wenn Ihre Ehe schiefgehen würde?« fragte Daniel.

»Das wäre blanke Theorie. Wir werden uns niemals trennen. Aber nehmen wir mal die Theorie an. Ich meine, man sollte das Kind entscheiden lassen.«

»Hätte sich Nadja für Sie entschieden, Herr Costa?« mischte sich nun Fee ein.

»Damals ja. Aber inzwischen hat ihr Renate eingeflüstert, daß ich eine andere Frau hätte und mich gar nicht mehr für sie interessiere.«

»Nun wird Nadja wissen, daß ihre Mutter einen anderen Mann heiraten will. Vielleicht ist sie deshalb völlig aus dem Gleichgewicht geraten«, sagte Daniel. »Es tut gut, daß wir uns so offen unterhalten können. Sie, Herr Costa, können jedenfalls beanspruchen, Ihr krankes Kind zu besuchen.«

»Sie ließe mich gar nicht in die Wohnung«, sagte Marian.

»Du hast die Wohnung bezahlt«, erklärte Sissi energisch. »Sie gehört Nadja. Renate hat nur das Nutzungsrecht.«

»Na, das ist doch ein Argument«, meinte Daniel. »Sie haben keinen Grund, so großzügig zu sein, Herr Costa. Es geht um Ihr Kind.«

»Ja, es geht um dein Kind«, sagte Sissi, »und ich möchte, daß es unser Kind wird, bevor es zu spät ist. Überall mischen sich diese Behörden doch ein, warum nicht dann, wenn die Gesundheit eines kleinen Kindes auf dem Spiel steht?«

»Ich gebe Ihnen völlig recht, Frau Costa«, sagte Daniel. »Ich bin gern bereit, Ihnen zu helfen, wenn Sie rechtliche Schritte unternehmen wollen, Herr Costa.«

»Und als Arzt bist du verpflichtet, die zuständigen Behörden einzuschalten, wenn du schwere Bedenken hast«, sagte Fee.

Schweigen trat ein, dann sagte Marian: »Ihr Mann weiß, wie schwer man gegen Renate ankommt, gnädige Frau.«

»Ich könnte in die Luft gehen«, explodierte Sissi. »Alle Nachsicht hat ein Ende.«

Sie waren sich einig geworden und verstanden sich, aber am nächsten Tag mußte Marian erfahren, daß Renate mit Nadja verreist war. Er hatte seinen Anwalt eingeschaltet, doch der konnte ihm auch nur sagen, daß im Augenblick gar nichts zu machen war.

Renate hatte nur notgedrungen in diese Lösung eingewilligt. Aber Jürgen Fessler hatte alles wohlüberlegt.