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Eine Schatzkiste voller Ideen zur Weihnachtszeit
Die Weihnachtszeit stellt Pfarrerinnen und Pfarrer alle Jahre wieder vor besondere Erwartungen. Die Liturgien sollen festlich und schön sein, die Predigten originell, die Andachten ergreifend und die Texte ansprechend, und zum Krippenspiel dann einmal etwas ganz Neues. Wie aber all diesen Erwartungen an den verschiedenen Orten und zu den unterschiedlichen Anlässen gerecht werden?
Zu Advent und Weihnachten bietet dieses Werkbuch Gebete, Gottesdienste, Meditationen, Predigten und Predigtideen, Anspiele und liturgische Skizzen. Eine Materialkiste voller Anregungen – entstanden aus und in der Praxis vieler Jahre in Gemeinde, Schule, Seelsorge, Projektarbeit und Erwachsenenbildung.
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Seitenzahl: 245
Bewährte und praxiserprobte Materialien für die besinnlichste Zeit des Jahres
Die Advents- und Weihnachtszeit stellt Pfarrerinnen und Pfarrer alle Jahre wieder vor besondere Erwartungen. Die Liturgien sollen festlich und schön sein, die Predigten originell, die Andachten ergreifend und die Texte ansprechend, und zum Krippenspiel dann einmal etwas ganz Neues. Wie aber all diesen Erwartungen an den verschiedenen Orten und zu den unterschiedlichen Anlässen gerecht werden? Zu Advent, Weihnachten und Epiphanias bietet dieses Werkbuch Gebete, Gottesdienste, Meditationen, Predigten und Predigtideen, Anspiele und liturgische Skizzen.
Eine Materialkiste voller Anregungen – entstanden aus und in der Praxis vieler Jahre in Gemeinde, Schule, Seelsorge, Projektarbeit und Erwachsenenbildung.
Thomas Weiß, Theologe, Pfarrer, Mitglied der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik, Leipzig. Derzeit arbeitet er als Leiter der Evangelischen Erwachsenenbildung in der Badischen Landeskirche. 2020 wurde er in das PEN-Zentrum Deutschland aufgenommen.
Thomas Weiß
Werkbuch
Advent und Weihnachten
Gestaltungsideen und Material für die besinnlichste Zeit des Jahres
Für Gemeinde und Gottesdienst
Für David und Konstantin
ecclesia dell'arte
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Die Bibelzitate stammen, soweit nicht anders vermerkt, aus: Die Bibel. Nach Martin Luthers Übersetzung. Lutherbibel revidiert 2017, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2017.
Copyright © 2023 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln
Umschlagmotiv: © Gundolf Renze – AdobeStock.com
ISBN 978-3-641-29026-9V001
www.gtvh.de
Inhalt
Vorwort
Advent
Gottesdienste, Predigten
Arten zu warten. Gottesdienst im Advent
Sein Gesicht. Gottesdienst im Advent
Bahn frei! Predigt im Advent zu Jesaja 40,1-5
Ein rustikaler Freund. Predigt im Advent zu Jakobus 5,7+8
Lohnt sich’s? Predigt im Advent zu Matthäus 11,1-6
Meditation
Wo bleibst du nur? Meditation
Gebete
Lass leuchten. Zu den vier Wochenpsalmen der Adventszeit
Macht hoch. Erste Zeilen
All unsre Not zu End er bringt. Fürbitte
Gedichte
gib mir nur einen grund
einzug in jerusalem
die törichten
johannes der täufer
lobgesang des zacharias
johannes spricht
Weihnachten
Gottesdienste, Predigten
Wo Gott zu finden ist. Gottesdienst zu Heiligabend
Was kann dies für eine Nacht sein? Literarischer Gottesdienst zum Christfest, mit: Selma Lagerlöf, Die heilige Nacht
Himmlische Heerscharen. Predigt zu Heiligabend
... wenn die Jungfrau zum Kinde kommt. Predigt zu Lukas 1,46-55 (Magnifikat), zum 1. Weihnachtsfeiertag
Genau so! Ansprache zu Heiligabend im Dialog mit Anton Bruckner, Windhaager Messe (WAB 25)
Meditationen
Jesu Antlitz. Zu Bert Brecht, Maria
Wenn schon, dann …. Sprechtext zu Lukas 2,1-20
Ein neues Lied. Variation zu Psalm 96
Gute Nachricht
Maria singt (Magnifikat 1)
Maria freut sich (Magnifikat 2)
Maria steht auf (Magnifikat 3)
Maria stimmt zu (Magnifikat 4)
Maria hört (Magnifikat 5)
Vierzig Fragen an die Weihnachtsgeschichte – und eine Antwort
Gebete
Keinen Raum
Eilend
Bei den Hürden
Gedichte
wer sein licht
dein sohn maria
von den hirten
du musst ihn nicht schützen
aus den nüstern des esels
kein vogel sang
nachdem
wenn ich etwas bitten dürft
Erzählung
Der Hirt-Wirt
Jahreswechsel
Gottesdienste, Predigten
Freies Geleit. Gottesdienst zum Altjahrsabend
Die wunderbare Zeitvermehrung. Gottesdienst zum neuen Jahr
Auf ein Neues. Predigt zum Neujahrstag zu Ezechiel 36,26
Meditationen
Ein leiser Anfang
Des Jahres Last. Besinnung
Zum neuen Jahre. Ein Neujahrslied von Johann Peter Hebel
Zauberhaft? Zu Hermann Hesse, Stufen
Gebete
Bleib mir treu
Das alte Jahr, das neue Jahr
Gedichte
was soll ich feiern
es wird grüne keime
was ich eintausche
blick vom berg
vom jahr das geht
Erzählung
Wie das Jahr zur ersten Stunde kam
Epiphanias
Gottesdienste
Ein schöner Rücken. Gottesdienst zum Epiphaniastag
Eingeschränktes Halteverbot. Gottesdienst zum Epiphaniastag (im neuen Jahr)
Meditationen
Wer da alles zusammenkommt! Ansprache
Von Gottes Kindlichkeit
Jesus ist kommen. Erste Zeilen
Gebete
Bei Lichte besehen
Wenn du erscheinst
Gedichte
drei könige
es soll die rede sein
frag nicht nach
ein funke
Erzählung
Von den heiligen drei Dienern
Vorwort
Nach warmem Fell oder altgewordenem Stroh? Wie hat es gerochen im Stall? Hat Johannes des Täufers Kamelhaarmantel arg gekratzt? Wer hat die drei Könige begleitet (Erzähle mir keiner, die wären allein aufgebrochen!)? Und welche Duftnote hatte der Weihrauch?
Die großen Geschichten, die wir schon lange kennen und die uns vertraut sind, kommen uns im Kleinen, im Detail, in der Nuance näher und ganz nah. Dem oft Gehörten noch einmal nachlauschen, im Vertrauten bisher nicht gesehene Entdeckungen machen – das ist es, was dieses Buch möchte. In der Arbeit am Buch habe ich mich überraschen lassen, den zweiten und dritten Blick gewagt, mich von Assoziationen und der Intuition leiten lassen. Es ist am Ende nichts Neues, das sich beim Nachsinnen und -denken über Advent, Weihnachten, Jahreswechsel und Dreikönigstag erschließt, aber das Verlässliche, das in allen Zeiten Aktuelle entfaltet sich neu.
Dazu dienen in diesem Buch: Gottesdienstentwürfe, Predigten und Meditationen, Gebete und literarische Formen wie Gedicht und Erzählung. Sie können persönlich gelesen und meditiert werden, um sich auf diese besondere Kirchenjahreszeit einzustimmen und sich bewegen zu lassen, und sie können handwerklich eingesetzt werden, in Gottesdiensten, Andachten, Grußworten. Dabei habe ich mich von der eigenen liturgischen, pastoralen und literarischen Praxis leiten lassen. Beinahe alle Entwürfe und Texte sind erprobt: Predigten wurden gesprochen, Liturgien gefeiert, Gedichte verschenkt und Gebete gebetet. Mit Erfolg? »Erfolg« ist eine zwiespältige Kategorie, wenn es um Liturgie und Verkündigung geht (und im Literarischen in Wahrheit auch). Gewiss aber: mit guter Resonanz – wobei »gut« die Zustimmung ebenso einschließt wie den Widerspruch, beide eröffnen Wege zu der Botschaft, die in diesem Buch laut werden will.
Vor Augen habe ich Menschen, die sich mit den Themen der Adventszeit, der Weihnacht, der verfließenden Zeit beim Jahreswechsel und dem aufgehenden Licht am Epiphaniastag (noch) befassen möchten, denen die Institution Kirche mit ihrer althergebrachten Tradition aber womöglich schon fremd geworden ist.
Insbesondere die Liedvorschläge in den Gottesdienstentwürfen sind (von den Zwischengesängen in den Gebeten und Besinnungen abgesehen) als Platzhalter zu verstehen. Sie haben in Ihren Gemeinden ihre je eigenen musikalischen Gewohnheiten und Möglichkeiten, mit Chören, Sologesang, instrumentalen Virtuosinnen und Virtuosen. Bitte gehen Sie aber auch mit den Predigten und Meditationen, den Gebeten und Gedichten so um, dass Sie sie Ihren Gegebenheiten und Bedarfen anpassen. Die vorliegenden Texte sind – um mit Umberto Eco zu sprechen – offene Kunstwerke und werden erst »rund und schön« (Matthias Claudius, Der Mond ist aufgegangen, 3. Strophe), wenn sie gelesen, rezipiert, weitergedacht oder gedichtet werden.
Ich wünsche mir das Buch in die Hände von Menschen, die sich die Kirchenjahreszeit zwischen Advent und Dreikönigstag kreativ und fantasievoll neu zugänglich machen möchten, und in die von Liturginnen und Liturgen, die für ihre Feiern und Andachten Material im besten Sinne suchen. Das Buch denke ich mir freilich nicht als »Steinbruch«, aus dem das Baumaterial für Gottesdienste und Andachten herausgebrochen werden soll; eher als »Schatzkästlein« im Sinne des humorvoll-liberalen Erzählers und Theologen Johann Peter Hebel: »Ein Körnlein Goldes ist in allem!« So schreibt er es in seinen »Biblischen Geschichten« von 1828, so mögen Sie es heute vorfinden und fruchtbar machen (Johann Peter Hebel, Biblische Geschichten, hg.v. Karl-Josef Kuschel und Thomas Weiß, Tübingen 2019, S. 220.). Drehen Sie also ab und an den Schlüssel am Kästlein um, lüften sie den Deckel und nehmen Sie dies und das heraus, um sich bereichern zu lassen, wenn es denn sein darf.
Im Stall roch es übrigens nach Liebe und Muttermilch, und Johannes hat sich wohl an den groben Mantel gewöhnt.
Baden-Baden, zu Epiphanias 2023
Thomas Weiß
Advent
Advent
Gottesdienste, Predigten
Arten zu warten. Gottesdienst im Advent
Orgelvorspiel
Lied: Wie schön leuchtet der Morgenstern … (EG 70,1.4)
Votum – Amen
Begrüßung:
Liebe Gemeinde, herzlich willkommen zum Gottesdienst im Advent! Wenn Advent ist, dann ist nicht einfach Vorweihnachtszeit, der Advent hat einen ganz eigenen Charakter! Von alters her ist der Advent Fastenzeit, daher ziert die liturgische Farbe Violett den Altar: Es ist Zeit der Einkehr, der Bereitung auf ein großes Fest.
Der Gott, der sich auf den Weg macht zu uns, der kommende Gott, der sei mit euch – und mit deinem Geist
Gott, tröste uns! Psalmgebet im Wechsel, nach Psalm 80:
Liedstrophe:
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
O komm, ach komm in unsre Zeit,
reich uns die Hand, gib uns Geleit!
(nach EG 7,4)
Du Beschützer deiner Menschen, höre,
der du uns behütest wie einer, der liebt!
Wach auf mit deiner Kraft
und komm uns zu Hilfe!
Gott, tröste uns wieder
und lass leuchten dein Antlitz, so werden wir gesund.
Gott, wie lange sollen wir ohne Hilfe bleiben,
während wir zu dir beten?
Wo bleibst du, Trost …
Du speist uns mit hartem Brot
und du tränkst uns mit einem großen Krug voll Tränen.
Gott, wende dich uns doch zu!
Schaue in unsere Zeit und schau genau hin,
nimm dich deiner Menschen an.
Schütze doch, was du geschaffen hast!
Deine Hand schütze Mann und Frau, Kinder und Alte,
die Menschen, die du gebildet hast.
Gott, tröste uns wieder;
lass leuchten dein Antlitz, so werden wir gesund.
Wo bleibst du, Trost …
Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern!
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.
Ehre sei dem Vater …
Bitte beten Sie mit mir:
Gott, mein Gott, tröste mich wieder!
Tröste mich wieder, nachdem die Angst
mir Wunden geschlagen hat,
tröste mich in der Unsicherheit, mit der ich lebe,
tröste mich in der Schwermut, die mich zu Boden drückt,
tröste mich in der Mutlosigkeit, die mir die Tage zur Last macht.
Verbinde die Wunden, Gott,
ermutige mich,
leg mir die Hand auf die Schulter,
stütze zärtlich meinen Arm.
Das bitte ich dich, mein Gott, erbarme dich!
Kyrie eleison … (EG 178.6)
(V – gesprochen Liturg*in, A – gesungen: Gemeinde)
V: Tau aus Himmelshöhn, Heil, um das wir flehn,
A: Herr, erbarme dich.
V: Licht, das die Nacht erhellt, Trost der verlornen Welt,
A: Christus, erbarme dich.
V: Komm vom Himmelsthron, Jesus, Menschensohn,
A: Herr, erbarme dich.
Gott hört uns und er lässt sich hören. Das ist es, was Gott uns zusagt:
Seht auf, und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
Ehre sei Gott in der Höhe – und auf Erden Fried …
Lied: Es kommt ein Schiff geladen … (EG 8,1-3)
Arten zu warten
Predigt
Himmel und Erde mögen vergehen, aber dein Wort, mein Gott, vergeht niemals. Amen
Hören wir auf Gottes Wort, aus dem Evangelium des Lukas, im 21. Kapitel, die Verse 25-28:
Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres,
und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.
Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit.
Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
Dazu kann ich nicht raten, ehrlich gesagt, liebe Gemeinde, dazu kann ich nicht raten, aus medizinischen Gründen, aus orthopädischen, um genauer zu sein. Dazu kann ich nicht raten: »Seht auf und erhebt eure Häupter!«
Stellen Sie sich das nur mal vor: andauernd mit erhobenem Kopf einhergehen, nach oben starren, den Blick zum Himmel – das macht doch einen steifen Nacken, und wenn es zur Dauerhaltung wird, sind Dauerschäden in Kauf zu nehmen. Auch wenn er fromm aussieht, so ein christlicher Hans-guck-in-die-Luft, es tut der oberen Rückenmuskulatur nicht gut, und wenn die christliche Seele bloß immer in den Himmel guckt, wird sie auch steif und ungelenk davon. Am Ende tut das höllisch weh.
Ein Mediziner war Jesus ja nicht, aber immerhin ein Heiler – darum glaub ich nicht, dass er es so gemeint hat, dass wir unverwandt und pausenlos nach oben starren sollten. Er war sich der unliebsamen Folgen sicher bewusst. Sein Ruf zum Aufsehen und Hauptaufheben, der ist eine Aufforderung zum Warten, zum Warten auf Erlösung: »Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht!«
»Erlösung«, das ist ja eines der schwierigeren Wörter unserer Kirchensprache, und es ist über die Jahrhunderte sehr unterschiedlich begriffen worden. Zu Anfang, als die Evangelien, auch das des Lukas, geschrieben wurden, da dachten sich die Menschen Erlösung sehr greifbar und konkret: die Römer aus dem Land werfen, den Kaiser stürzen, Weltgericht und neue Erde, paradiesische Zustände auf ewig. Später ging es um die Erlösung von Angst und dunklen Mächten, um Rettung aus dem Jammertal, dann um die Befreiung der Seele von Sünde und Gottferne. Immer machte die Hoffnung auf Erlösung den Horizont weit auf, immer versprach sie, dass es noch etwas anderes gäbe, dass noch etwas warte auf die bedrängte Gemeinde, auf den ängstlichen Menschen und seine verwundete Seele – und um das zu sehen, braucht es eben den Blick nach oben, das erhobene Haupt.
Heute, meine ich, warten wir nicht weniger als die Generationen vor uns, warten wir nicht weniger auf Erlösung, nur sagen wir anders dazu. Meine Worte wären: Lebendigkeit, Lebenssinn und Seelenruhe. Wären: Befreiung zu mir selbst und zur Verantwortung für andere, zu Liebe, zu Fantasie und Kreativität. Wären: Lebenslust und Lebensmut, Befreiung von Hartherzigkeit und Halsstarrigkeit, Frieden und Gerechtigkeit.
Diese Erlösungswünsche sind, das hören Sie gewiss, recht diesseitig, im Unterschied zu manchen Vorstellungen, die die Erlösung aufs Jenseits verlegen, auf irgendwann und nicht in dieser Zeit.
Aber ich glaube, dass gerade die strengen Endzeiterwarter mit ihren steifen Nacken, ihrer frommen Hauptüberheblichkeit und ihren verhärteten Seelen etwas Erlösung nötig hätten, um nicht den Blick zu verlieren für unsere Welt hier, für die Menschen, die uns anvertraut sind. Aber gut, die warten immerhin, die haben eine Perspektive über das Vorfindliche, das Normale und Immer-schon-Gewesene hinaus, und das ist nicht zu verachten. Hoffnung, einen weiten Horizont, eine Ahnung, dass es Erlösung geben könnte, die Sehnsucht nach Sinn und Mut und Tatkraft, die brauchen wir auch. Auch wir warten, ich jedenfalls tue es, und ich vermute, Sie auch, weil wir alle, glaube ich, diesen Mehrwert Leben brauchen, dieses tiefe Wissen darum, dass ich mehr bin, als andere sagen und ich mir selbst zutraue, dass das Leben tiefer ist, als es scheint, dass da noch Größeres, Glänzenderes ist als die grau-graue Wirklichkeit, die ich vor Augen habe.
Auch wir warten.
Wenn ich aber nun nicht halsstarrig und steifnackig enden will, nicht mit starrer Seele und hartem Herzen, wie warte ich dann am besten?
Es gibt viele Arten zu warten; hören wir da mal hin! Auf die Arten zu warten:
Ich kann ab-warten. Das ist ein eher distanziertes Warten, auf Abstand und Verdacht, ein »Schau’n-mer-mal«, wer oder was da auf mich zukommt, ein wenig Skepsis ist auch dabei – und manchmal wünsche ich das, worauf ich warte, gar nicht: die Mathe-Arbeit, die Kündigung, der unliebsame Besuch – »Na, ich kann’s abwarten!«
Ich kann auch er-warten. Darin schwingt Sehnsucht, Leidenschaft schon, wenn ich es kaum erwarten kann, meine Frau, meine Kinder wiederzusehen. In Erwartung mache ich das Herz auf und die Arme sehr weit, dann öffne ich mich, dann bin ich in froher Erwartung, in guter Hoffnung vielleicht sogar, dann lebe ich der Zukunft zugewandt.
Freilich gibt es die Er-wartung auch fordernder. Ich kann auch so erwarten, dass ein anderer gefälligst etwas tun oder liefern soll, dann hege ich hohe Erwartungen. Zuweilen ist das nur recht und billig: Wenn ich Verlässlichkeit und Verantwortlichkeit erwarte unter Freunden, hat das einen guten Grund, und wenn ich von Gott Aufmerksamkeit erwarte, verlange, einfordere, wird er es nicht verbieten. Aber mit allzu hohen Erwartungen laufe ich auch Gefahr, enttäuscht zu werden – namentlich dann, wenn ich alles vom anderen, von mir selbst aber nichts erwarte.
Zu-warten kann ich auch, dann bin ich in Geduld schon etwas geübt, dann habe ich Ausdauer und Kraft zu warten, denn Warten kostet Kraft und fordert Beharrlichkeit. Wer zuwartet, der hat Energie und kann beharren, der wartet gut – und der ist sich wohl auch gewiss, dass er bekommt, worauf er wartet. Schadet nichts, wenn es sich noch etwas hinzieht, wenn ich nur weiß, dass die Hoffnung sich erfüllt, das Ersehnte eintrifft.
Ich kann auch auf-warten. In diesem Wort klingt die ganz alte, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes »warten« mit. Wer auf-wartet, der hat Acht auf den anderen – und wenn der seinen Teller leergegessen hat und seinen Becher ausgetrunken, dann legt der Aufwartende nach und schenkt wieder ein – höflich und aufmerksam –, dann wartet er mit weiteren Köstlichkeiten auf. »Eines Amtes warten«, »den Kindern warten«, das sind solche alten Wendungen, die das Warten kennen als Hilfsbereitschaft und ernst gemeinte Aufmerksamkeit, als Pflichtbewusstsein und Dienst. Der Wärter, das war zu Anfang eben nicht der Vollzugsbeamte im Knast, der die Zellen aufschließt und Gefangene in Gewahrsam hält; das war der Dienstbeflissene, der sich ums leibliche Wohl sorgte seiner Herren oder Gäste. Der Tankwart, den es heut wohl nicht mehr gibt, und der Bahnbeamte im Wärterhäuschen, der auch außer Dienst gestellt ist, die hatten noch aufmerksame, dienstbare Wärterberufe.
Und das geht noch kräftiger: Der »Wart«, das ist im alten Sinn der Wachturm, der Burgfried, auf dem ich gute Aussicht habe, und von dem aus ich weit ins Land schauen kann und sehe, ob Feind kommt oder Freund. In den Namen der »Wartburg« oder der »Bockenheimer Warte« in Frankfurt ist diese Bedeutung noch wach.
Und sie gefällt mir besonders, sie versteht das Warten als eine sensible, zukunftsorientierte Haltung. Dann bleibe ich nicht im Wartesaal hocken, nicht in der Warteschleife gefangen, dann versetzt mich niemand in den Wartestand, dann bin ich nicht untätig, lebensfaul und verloren, sondern achtsam und aufmerksam.
Dieses Warten, dieses »Auf-der-Wart« sein, hatte, meine ich, Jesus im Sinn, ein offenes, eines, das den Blick weitet, und das nicht starr nach oben gerichtet ist, sondern weit um mich her.
»Die Erlösung ist nah«, weiß Lukas; darum schaue ich nicht nur haupterhoben in den lichtjahrfernen Sternenhimmel oder ins drohende Gewölk, darum bin ich aufmerksam für all das um mich her, Welt und Mensch und Gott.
Dann wird der Nacken nicht steif, und die Seele bleibt lebendig, dann wird das Herz aber ruhig und gewiss, dass Gott meiner wartet, dass er sich meiner annimmt – und die Erlösung ist längst da. Schaut euch nur um!
Amen
Lied: O Heiland reiß die Himmel auf … (EG 7,1-3.5)
Bitte beten Sie mit uns:
Zwischengesang:
Seht auf und erhebt eure Häupter,
weil sich eure Erlösung naht,
weil sich eure Erlösung naht.
(EG 21)
Liturg*in:
Du siehst, Gott, wo es Erlösung braucht:
wo wir Mut nötig haben,
um an Zukunft zu glauben,
damit wir Hand anlegen,
wo wir gebraucht werden.
Ermutige uns, denn wir halten Ausschau nach dir!
Seht auf und erhebt eure Häupter …
Sprecher*in:
Du siehst, Gott, wo es Erlösung braucht:
dort, wo die Waffen nicht schweigen,
wo Menschen vor Trümmern stehen
und zu Opfern geworden sind,
wo sie verzweifeln.
Greif ein, denn sie halten Ausschau nach dir!
Seht auf und erhebt eure Häupter …
Sprecher*in:
Du siehst, Gott, wo es Erlösung braucht:
wo einer ratlos ist und nicht weiterweiß,
wo eine in ihrer Sucht gefangen ist,
wo Menschen blind geworden sind
für eine Zukunft, die ihnen gilt.
Steh an ihrer Seite, denn sie halten Ausschau nach dir!
Seht auf und erhebt eure Häupter …
Sprecher*in:
Du siehst, Gott, wo es Erlösung braucht:
wo Kinder missachtet werden,
geschlagen und missbraucht,
wo sie verstummen und ihre Seele zerreißt.
Heile sie, Gott, denn sie halten Ausschau nach dir!
Seht auf und erhebt eure Häupter …
Sprecher*in:
Du siehst, Gott, wo es Erlösung braucht:
wo deine Kreatur bitterlich seufzt
und ihr Sterben beklagt,
wo für das Loblied der Geschöpfe kein Platz mehr ist,
wo Hitze das Land verbrennt und Wasser es fortreißt.
Rette deine Geschöpfe, Gott, denn sie halten Ausschau nach dir.
Seht auf und erhebt eure Häupter …
Liturg*in:
Du siehst, Gott, wo es Erlösung braucht.
In der Stille sagen wir dir,
was uns persönlich belastet und bewegt:
...
(Gebetsstille)
Geh mit uns durch die Zeit, Gott,
denn wir halten Ausschau nach dir!
Seht auf und erhebt eure Häupter …
Beten wir miteinander, wie Jesus gebetet hat:
Vaterunser …
Liturg*in:
Und der Friede Gottes, der höher ist
als unser Hoffen und Sehnen,
unser Schauen und Verstehen,
der bewahre eure Herzen in Christus Jesus.
Amen
Lied: Das Volk, das noch im Finstern wandelt … (EG 20,1-4)
Liturg*in:
Gehen wir in diesen Tag und in die Adventswoche im Segen und im Frieden unseres Gottes:
Schau dich nur um – Gott ist nicht fern.
Schau dich nicht um – er geht an deiner Seite.
Schau dich nur um – schon wird es heller.
So segnet und behütet dich Gott,
der Liebevolle und Lebendige,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen, Amen, Amen
Orgelnachspiel
Sein Gesicht. Gottesdienst im Advent
Orgelvorspiel
Votum – Amen
Begrüßung:
Sehr herzlich begrüße ich Sie und euch heute, hier, im Gottesdienst zum Anfang des neuen Jahres: des neuen Kirchenjahres! Jetzt beginnt sie wieder, die schöne Adventszeit, die erste Kerze brennt, Adventskalender sind im Gebrauch, die Erwartung steigt – jetzt geht es um Ausblicke. Und ums Warten-können. Nicht unbedingt eine leichte Übung, aber eine lohnende, eine, die das Leben tief und sinnvoll macht. Lassen Sie sich darauf ein in den kommenden Wochen!
Lied: Macht hoch die Tür … (EG 1,1-3)
Der Gott, der sich aufmacht, die zu besuchen, die er liebt, unser Gott, der sei mit euch – und mit deinem Geist
Beten wir im Wechsel miteinander einen Adventspsalm, zu Beginn und dazwischen antworten wir mit einem Zwischengesang:
Wir sagen euch an den lieben Advent … (EG 17,1)
Wir sagen euch an …
Gott, komm, wir warten auf dich;
Gott, komm, und zögere nicht.
Wir brauchen dich, Gott,
damit es heller werde in einer dunklen Zeit.
Wir brauchen dich, Gott,
damit es heller werde in unseren Herzen.
Wir sagen euch an …
Gott, komm, wir warten auf dich,
Gott, komm, um zögere nicht.
Wir sehnen uns nach deinem Wort, Gott,
das uns tröstet und das uns Mut macht.
Wir sehnen uns nach deinem Wort, Gott,
das uns zurecht bringt und uns Wege weist.
Wir sagen euch an …
Gott, komm, wir warten auf dich,
Gott, komm, und zögere nicht.
Wir öffnen uns für dich, Gott,
zieh ein in unsere Tage.
Wir öffnen uns für dich, Gott,
heile uns und schenk uns ein Lachen.
Wir sagen euch an …
Du kommst, Gott, du lässt uns nicht warten.
Du kommst, Gott, unsere Sehnsucht wird gestillt.
Ehre sei dem Vater …
Bitte beten Sie mit mir:
Gott, manchmal wird mir das Warten zu lang,
manchmal berste ich schier vor Ungeduld.
Ich will dich spüren, Gott,
ich will dich hören und will dich an meiner Seite sehen.
Weil ich neugierig bin auf dich, Gott,
und weil ich ohne dich nicht sein kann.
Lass mich nicht warten, Gott,
das bitte ich dich:
Erbarme dich!
Kyrie eleison … (EG 178.9)
Gott hört uns und er lässt sich hören.
Und das ist es, was Gott uns zusagt:
Sieh nur, Gott kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer!
Ehre sei Gott in der Höhe – und auf Erden …
Lied: Wie soll ich dich empfangen … (EG 11,1+2)
Beten wir miteinander:
Du, Gott, großer, lebendiger, schöner Gott,
du, Gott, auf den wir warten,
nach dem wir uns sehnen,
damit es lebendig werde in uns
und schön um uns herum,
du, Gott, zögere nicht,
komm in unsere Zeit!
Das bitten wir dich durch Jesus Christus,
der unser Bruder geworden ist,
und der mit dir und dem heiligen Geist
lebt und wirkt von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen
Lesung: Jeremia 23,5+6
Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird.
Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: »Der Herr unsere Gerechtigkeit«.
Freue dich, du Tochter Zion, und jauchze, du Tochter Jerusalem,
Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.
Halleluja
Halleluja …
Lied: Tochter Zion … (EG 13,1-3)
Sein Gesicht.
Predigt
Weise mir, Gott, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit. Amen
Hören wir auf Gottes Wort zum Advent, im Evangelium des Matthäus, im 21. Kapitel, die Verse 1-11:
Sprecher*in 1:
Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus und sprach zu ihnen:
Sprecher*in 2:
»Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir!
Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen.«
Sprecher*in 1:
Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9):
Sprecher*in 3:
»Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.«
Sprecher*in 1:
Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf und er setzte sich darauf.
Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.
Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie:
Sprecher*in 3:
»Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!.«
Sprecher*in 1:
Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte:
Sprecher*in 2:
»Wer ist der?«
Sprecher*in 1:
Die Menge aber sprach:
Sprecher*in 2:
»Das ist Jesus, der Prophet aus Nazareth in Galiläa.«
Das wird ein Aufmarsch gewesen sein, liebe Gemeinde, ein Trubel und Getümmel, wie’s Jerusalem nicht oft zu sehen bekam. Es gibt ja moderne Versionen davon, vor zwei oder drei Wochen erst fand eine statt, mit rotem Teppich, Paparazzi-Spalier und allem drum und dran. Die Furtwängler war da, Herr Burda der Ältere natürlich auch, Philipp Lahm und Miro Klose hab ich gesehen, die Schöneberger und Samu von Sunrise Avenue, Lang Lang hat nicht gefehlt, Peter Maffay gab sich die Ehre und Sarah Wiener war da, aber hat, glaube ich, nicht gekocht.
Vielleicht haben Sie es auch mitbekommen, die Bambi-Preisverleihung, diesmal in Berlin. Ich schau mir so was gerne an, das Bambi und den Oscar, die – auf etwas gehobenerem Niveau – Verleihung des Deutschen Filmpreises oder des »Echo«. Doof find ich nur, dass ich so einen Preis nie kriegen werde, so’n goldiges Rehlein oder irgendein Meißner Porzellan. Selbst der Deutsche Predigtpreis – den gibt es wirklich, allerdings undotiert! –, selbst der ist mir bisher verwehrt geblieben! Trotzdem, ich schau es mir gerne an, weil da was zu lernen ist über deutsche Kultur und was sich dafür hält, und weil solche Verleihungen viel über Verlierer sagen.
Am spannendsten find ich nämlich die Gesichter derer, die den Preis nicht bekommen. Selten ist einer ganz offensichtlich enttäuscht, manche applaudieren den siegreichen Konkurrenten pflichtschuldig, andere überbieten sich an – ich unterstelle mal – gespielter Begeisterung.
Bei Jesus, damals, ging es nicht um einen Medienpreis oder um Bestnoten beim Eselreiten, um einen Meistersingerwettbewerb oder einen antiken Oscarius. Begeistert waren die Leute trotzdem – schrill kreischende Teenies am Wegesrand, bedächtig würdevolle Honoratioren schritten einher, Autogrammjäger drängten sich an ihren Star heran, die Menge skandierte seinen Namen. D.h. genauer: Sie sangen ihm ein Loblied, ein ganz altes, das Loblied auf einen König, auf den König der Könige: »Hosianna dem Sohn Davids!«
Mit dem da, dem Eselreiter, dem Wundertäter, dem wortmächtigen Erzähler, mit dem verbanden sie Hoffnungen, der verlieh ihren Sehnsüchten Ausdruck. Das tun die heutigen Stars und Idole auch, das gilt für die ernst zu nehmenden Künstler von Film und Ton genauso. Die, die im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen, die, die gefeiert und gepriesen werden, die stehen für Hoffnungen, für Fragen und Wünsche, für Sehnsüchte und Bedürfnisse, die das Publikum hat. Das war bei Jesus nicht anders, sein Preis war kein Silberner Löwe, kein goldenes Bambi, sein Preis war ein Lobpreis, ein Lobgesang, der ihm die Würde des Messias, des Weltenretters andichtete. Und das ist keine Kleinigkeit, das ist reichlich mehr als der Oscar oder ein Nobelpreis für irgendwas – mehr kann ich von einem Menschen eigentlich nicht erwarten, als dass er ein Volk rettet, die ganze Welt heilt und meine ganz persönlichen Wunden gleich mit.
Jesu Gesicht, das hätte ich gerne gesehen, als er einritt auf dem roten Teppich aus Mänteln und Zweigen. Matthäus erzählt, dass er kein Wort sagte zum Volk und zum Jubeltrubel; er schweigt. Anders als heute, da die Preisträger ziemlich gleichlautend ihrem wunderbaren Team und den hervorragenden Kollegen und Mama und Papa danken – Jesus schweigt. Wie wird er dreingeschaut haben?
Mich interessiert das, weil ich, wie gesagt, die Gesichter der Verlierer am spannendsten finde. Der da einreitet, der sich besingen und preisen lässt, der ist nämlich, ein paar Tage später nur, der Verlierer schlechthin. Die heute »Hosianna« rufen, kreischen und brüllen nicht mal eine Woche danach: »Kreuzigt ihn! Kreuzigt ihn!« Der Hoffnungsträger von heut wird morgen ein Gescheiterter sein.