Werkbuch Passionszeit bis Ewigkeitssonntag - Thomas Weiß - E-Book

Werkbuch Passionszeit bis Ewigkeitssonntag E-Book

Thomas Weiss

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Beschreibung

Bewährtes und praxiserprobtes Material

Die Zeit zwischen Palmsonntag und Ewigkeitssonntag ist eine Zeit mit wenigen Festtagen, aber umso mehr Sonntagen, die von Pastor*innen, Pfarrer*innen oder Ehrenamtlichen zu gestalten sind. Thomas Weiß stellt für diese Zeit praxiserprobte und bewährte Materialien vor, die entweder als komplette Entwürfe oder als Bausteine für die Gestaltung der sonntäglichen Gottesdienste genutzt werden können.

Predigten, Gebete, Gedichte, Erzählungen in großer Fülle und inhaltlicher Vielfalt geben eine Schatztruhe an Ideen an die Hand, sodass diese Zeit bereichernd und kreativ gefüllt werden kann.

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Seitenzahl: 332

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Bewährtes und praxiserprobtes Material

Die Zeit zwischen Palmsonntag und Ewigkeitssonntag ist eine Zeit mit wenigen Festtagen, aber umso mehr Sonntagen, die von Pastor*innen, Pfarrer*innen oder Ehrenamtlichen zu gestalten sind. Thomas Weiß stellt für diese Zeit praxiserprobte und bewährte Materialien vor, die entweder als komplette Entwürfe oder als Bausteine für die Gestaltung der sonntäglichen Gottesdienste genutzt werden können.

Predigten, Gebete und Gedichte in großer Fülle und inhaltlicher Vielfalt geben eine Schatztruhe an Ideen an die Hand, sodass diese Zeit bereichernd und kreativ gefüllt werden kann.

Thomas Weiß war bis April 2024 Leiter der Evangelischen Erwachsenenbildung in der Badischen Landeskirche. 2020 wurde er in das PEN-Zentrum Deutschland aufgenommen. Er lebt in Baden-Baden.

Thomas Weiß

Werkbuch

Passionszeit bis Ewigkeitssonntag

Ideen, Texte und Materialien für Gottesdienste und Andachten

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber an den aufgeführten Zitaten ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall nicht gelungen sein, bitten wir um Nachricht durch den Rechteinhaber.

Copyright © 2025 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich

Pflichtinformationen nach GPSR)

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

Umschlagmotive von Adobe Stock.com:

© artpluskr (Taube), © Marinesea (Getreide), © kangnam (Kreuz),

© Inna Zakharchenko (Kürbis)

ISBN 978-3-641-33035-4V003

www.gtvh.de

Denen, die zu feiern wissen

ecclesia dell’arte

Inhalt

Vorwort

Palmsonntag

Gottesdienst

Die ganze Aufregung! Gottesdienst zu Palmsonntag

Predigten

Göttliches Liedgut

Zum Steinerweichen

Die Liebesaffäre, ein Gerücht

Gebete

Reite ein bei mir

Nicht weit

Gedichte

es reitet sich leicht

hosianna

Karwoche

Die Woche mit Brot und Korn. Zeiten der Stille

Karmontag – Im Schweiße deines Angesichts

Kardienstag – Nicht vom Brot allein

Karmittwoch – So sollen mir Disteln wachsen

Gründonnerstag – Mein Leib

Karsamstag – Mit Tränen

Eine Woche voller Zeichen. Zeiten der Stille

Karmontag – Auf den Punkt

Kardienstag – Ausrufezeichen

Karmittwoch – Komma

Gründonnerstag – In Klammern

Gründonnerstag

Gottesdienst

Zeigt her eure Füße. Abendgottesdienst mit Mahlfeier zu Gründonnerstag

Gedichte

letztes mahl

meine füße halte ich dir hin

Karfreitag

Gottesdienst

Fragezeichen. Gottesdienst zu Karfreitag mit Mahlfeier

Predigten

Was du heute kannst besorgen …

Sonnenfinsternis

Gedichte

gethsemane

wie soll ich

Meditationen

Sieben letzte Worte

Gestalten unter dem Kreuz

Impuls

Statt zagen: wagen

Ostern

Gottesdienste in der Osternacht

Was geschieht, wenn Ostern wird. Gottesdienst zur Osternacht

Gedankenstrich. Gottesdienst zur Osternacht

Gottesdienst am Ostermorgen

Doppelpunkt. Gottesdienst zum Ostersonntag

Literarische Predigt

Unverhofftes Wiedersehen. Predigt zu Ostersonntag

Impulse

Eiskalt

Bundesgartenschau

Himmelfahrt

Predigten

Überflieger, Superman

Himmelhoch jauchzend

Gebete

Es war einmal. Gebet im Wechsel

Nicht fort. Fürbitte

Pfingsten

Gottesdienst

Nichts als die Wahrheit. Gottesdienst zu Pfingstsonntag mit Mahlfeier

Gebete

Du wohnst bei uns. Fürbitte

Ganz bei Trost. Fürbitte

Fröhlich in ihm. Psalmgebet im Wechsel und Eingangsgebet

Meditationen

Anrufung

Welcher Geist?

Segen

Mit einem sanften Segen

Mit einer Flamme

Trinitatis

Gottesdienst

Draußen vor der Tür. Ein Theatergottesdienst

Gebete

Drei in Einigkeit. Gebet

Drei Ecken. Gebet

Agios o theos. Fürbitte

Heilig. Fürbitte

Erntedank

Predigt

Das Antlitz des Menschen

Gebete

Schönheit. Fürbitte

Beglückender Gott. Fürbitte

Meditation

Mal »Danke« sagen!

Reformationsfest

Predigten

Das Wort sie sollen lassen stahn: UND

Bei Lichte besehen

Gebet

Bei Lichte besehen. Fürbitte

Klang- und Wortinstallation

Beim Luther: Viel »Getöns«

Meditation

Das schöne Confitemini

Buß- und Bettag

Gottesdienst

Worte wie Früchte. Abendgottesdienst mit Mahlfeier

Predigt

Worte wie Früchte

Gebete

Bleibe bei uns. Abendgebet

Bist du da? Gebet

Angesprochen. Fürbitte

Ewigkeitssonntag

Gottesdienste

Wem die Stunde schlägt.

Großer, schwarzer Vogel.

Predigten

Wie die Träumenden

Mit dem Tod der andern leben

Gebete

Aus der Tiefe. Gebet im Wechsel

Bei den Menschen. Fürbitte

Meine engen Grenzen. Fürbitte

Anmerkungen

Verzeichnis der Predigttexte

Predigten zu Liedern und Literatur

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

manche stolze Trutzburg ist zur Ruine geworden, weil die Leute drumherum, die ehemaligen Untertanen und selbstbewussten Bürger und Bürgerinnen – der Herrschaft ledig – sich genommen haben, was sie für den eigenen Hausbau brauchten: Zargen, Balken, Bausteine, Kupferrohre und goldene Wasserhähne. Bitte: Machen Sie es geradeso! Nehmen Sie sich in diesem Buch alles, was Sie brauchen können! Mit Überzeugung und nach Herzenslust!

Denn darauf ist dieses Buch angelegt: Die Gottesdienstentwürfe, die Predigten und Gebete, Sprechtexte und Gedichte dienen der Anregung, können im besten Sinne benutzt werden, sie sind Bausteine zum Weiterdenken und -schreiben. Errichten Sie, wenn Sie mögen, Ihre eigene liturgische Hütte damit! In der Sie sich wohlfühlen und in die Sie gerne einladen, Freunde und Bekannte und die Leute von den Hecken und Zäunen, Gäste allesamt.

Dieses Werkbuch – von der Passionszeit bis zum Ewigkeitssonntag – schließt an das »Werkbuch Advent und Weihnachten« an, das seine Freundinnen und Freunde gefunden hat. Mit beiden Büchern liegen nun Vorschläge und Material für die großen Feiertage des Kirchenjahres vor, die meisten erprobt in meiner eigenen pastoralen Arbeit und gewürzt mit meiner Lust an Liturgie und Predigt. Liturgie und Predigt, die auch etwas wagen dürfen, die nach neuen Worten und Bildern suchen, die im Gewohnten das Überraschende entdecken möchten.

Noch einmal: Gehen Sie damit um, wie Sie es brauchen: Die Liedvorschläge etwa sind als Platzhalter zu verstehen, wo ich Chöre oder Instrumentalmusik verzeichne, kann gut variiert werden, je nach den persönlichen und gemeindlichen Gegebenheiten. Den Gebeten und Gedichten, den anderen Texten können Sie auch andere Orte geben, in kleineren Andachten, einem Gemeindebrief, einer liturgischen Besinnung. Seien Sie so frei.

Also bitte: Bedienen Sie sich!

Im Herbst 2024 Thomas Weiß

Palmsonntag

Palmsonntag

Gottesdienst

Die ganze Aufregung! Gottesdienst zu Palmsonntag

Orgelvorspiel

Lied: Wie soll ich dich empfangen … (EG 11,1.2.5)

Votum – Amen

Begrüßung: Jetzt ist die ernste Zeit im Kirchenjahr, wenn wir der letzten Tag Jesu eingedenk sind und des Weges Jesu ans Kreuz innewerden, und was er uns bedeuten mag. Das erschließt sich uns immer neu und immer anders. Heute: Sogar ein wenig aufregend! Ich lade Sie ein, sich mit diesem Gottesdienst wieder darauf einzulassen.

Der Gott, der bei uns einzieht, der Gott, der uns besucht, unser Gott, der sei mit euch – und mit deinem Geist

Gott, hilf mir, Psalmgebet im Wechsel, nach Psalm 69:

Zwischengesang:

Herr, bleibe bei uns,

denn es will Abend werden

und der Tag hat sich geneiget.

(EG 483)

Liturg*in: Gott, hilf mir!

Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle.

Gemeinde: Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist;

ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen.

Liturg*in: Ich habe mich müde geschrien,

mein Hals ist heiser.

Gemeinde: Meine Augen sind trübe geworden,

weil ich so lange harren muss auf meinen Gott.

Zwischengesang: Herr, bleibe bei uns …

Liturg*in: Ich aber bete zu dir, Gott, zur Zeit der Gnade;

Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.

Gemeinde: Errette mich aus dem Schlamm,

dass ich nicht versinke,

Liturg*in: dass ich errettet werde vor allen, die mich missachten,

und aus den tiefen Wassern;

Gemeinde: dass mich die Flut nicht ersäufe und die Tiefe nicht verschlinge

und das Loch des Brunnens sich nicht über mir schließe.

Zwischengesang: Herr, bleibe bei uns …

Liturg*in: Erhöre mich, Gott, denn deine Güte ist tröstlich;

wende dich zu mir nach deiner großen Barmherzigkeit

Gemeinde: und verbirg dein Angesicht nicht vor deinem Freund,

denn mir ist angst; erhöre mich eilends.

Liturg*in: Nahe dich zu meiner Seele und erlöse sie,

Gott, deine Hilfe schütze mich!

Zwischengesang: Herr, bleibe bei uns …

Liturg*in: Die Himmel erzählen vom Glanz Gottes,

ein Tag sagt’s dem anderen

und eine Nacht tut’s kund der anderen.

Ehre sei dem Vater …

Bitte beten Sie mit mir:

Gott, mein Gott, manchmal steht mir das Wasser bis zum Hals,

manchmal weiß ich nicht ein noch aus,

dann hab ich mich verrannt in meiner Selbstgerechtigkeit,

dann gehe ich ziellos durch meine Tage,

dann bin ich ängstlich,

wenn die Sonne sinkt und die Schatten kommen,

die Schatten der Einsamkeit, der Verzagtheit.

Gott, nimm dich meiner an,

vergib, wo ich gefehlt habe,

hilf mir tragen,

wo mir die Last zu schwer wird,

verscheuche die Dunkelheit.

Lied: Kyrie eleison … (EG 178.9)

Gott hört uns und er lässt sich hören. Das ist es, was Gott uns zusagt:

Der Tag ist Gottes und sein ist die Nacht,

er gedenkt derer, die ihn suchen.

Amen.

Lied: Allein Gott in der Höh sei Ehr … (EG 179,1+3)

Bitte lassen Sie uns miteinander beten:

Du Gott an unserer Seite,

dem wir vertraut sind,

der Acht hat auf uns,

Gott, gib uns Augen für deine Gegenwart,

Ohren für dein leises Flüstern

und ein Herz, das spürt,

wie du uns liebst.

Darum bitten wir dich durch Jesus Christus,

der unser Bruder geworden ist,

und der mit dir und dem Heiligen Geist

lebt und wirkt von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Amen

Lesung: Philipper 2,5-11

Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht:

Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein,

sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.

Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.

Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Himmel und Erde werden vergehen, aber Gottes Wort wird nicht vergehen.

Amen

Lied: Dein König kommt in niedern Hüllen … (EG 14,1.4.5)

Die ganze Aufregung.

Predigt zu Matthäus 21,1-11

Es ist ein Wort ergangen, das geht nun fort und fort,

das stillt der Welt Verlangen wie sonst kein ander Wort. Amen

Hören wir auf Gottes Wort zum heutigen Palmsonntag, im Evangelium des Matthäus, im 21. Kapitel (1-11):

Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen.

Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.«

Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf und er setzte sich darauf.

Aber eine sehr große Menge breitete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!

Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und fragte: Wer ist der? Die Menge aber sprach: Das ist Jesus, der Prophet aus Nazareth in Galiläa.

Entschuldigung – aber mir ist das alles viel zu laut hier! Nein, ich meine nicht den erbaulichen Gemeindegesang, das ist Wohlklang – aber dort, dort geht’s ja zu wie im Hühnerstall, Menschenskind, da, auf den Straßen Jerusalems. Die schreien »Hosianna«, springen johlend auf der Straße herum, reißen Zweige von den Bäumen und schmeißen sie in den Weg, sind so frei und machen sich frei und legen die Mäntel in den Staub. So ein Tohuwabohu. Die sind wahrhaftig aus dem Häuschen, oder einfach – durchgeknallt!

Mir persönlich – ich weiß nicht, wie es Ihnen da geht, aber: mir persönlich wäre das alles viel zu laut und zu umtriebig. Ja, wo bleibt denn da die Besinnung? Fragt man sich ja manchmal, beim Gang durch Innenstädte oder Supermärkte, beim »Late Night Shopping« oder beim »Verkaufsoffenen Sonntag« – nebenbei: Sie hören zu Recht etwas Kritik! Wie auch immer: Ich dachte immer, wenn ich mich ärgere über das permanente Rubelrollen, über den Werbeüberschwang in dieser oder jener Groß- oder Kleinstadt, dann hätte ich da Gott auf meiner Seite. Und dann lese ich diesen Text und erlebe eine herbe Enttäuschung. Da wird gerollt und gerubelt, getanzt und gejubelt, was das Zeug hält, es »erregte sich die ganze Stadt«, erzählt Matthäus.

Und Jesus hat offensichtlich nichts dagegen. Lukas, der andere Evangelist, berichtet sogar, dass die Priester in Jerusalem mäßigend auf Jesus einreden, er solle doch seine Jünger etwas im Zaum halten. Aber der antwortet nur: »Ach was, lasst sie doch. Wenn die nicht schreien würden, schrien die Steine dafür.«

Geschrien werden muss offensichtlich, wenn Jesus ankommt, Erregung ist angesagt, Aufregung, Fangesänge. Mich verwirrt das ein bisschen.

Denn ich habe es wirklich gerne ein bisschen ruhiger, auch bei der Gestaltung meines Glaubens. Ich liebe die Stille, das Nachfühlen, Nachspüren und Nachdenken, ich mag die ruhigen Momente im Gottesdienst, und lass mich gerne tragen, von unaufgeregten Worten, von ruhiger Musik und Chorgesang – ich brauch das auch, um innerlich und äußerlich ruhig zu sein, um bei der Sache und bei den Menschen zu bleiben, ungeteilt.

Ich glaube, so wie mir geht es vielen. Es sind die stillen Filme, die ein großes Publikum haben, es sind die Bücher, die zu Meditation und Achtsamkeit anleiten, die viele Leser anziehen, es ist der Erholungsurlaub, die Zeit der Entspannung, die die Leute buchen. Klar, die Event-Schiene gibt es auch, das schrille Abenteuer, die grelle Musik, der Actionreißer – aber viele, viele sehnen sich nach Entschleunigung, hoffen auf ihre persönliche Entdeckung der Langsamkeit und der Stille.

Jesus wohl nicht, seine Jünger nicht, die Leute von Jerusalem nicht. Denen kann es nicht aufregend genug sein.

Mach ich denn da was falsch, stimmt da was nicht im Glaubensleben derer, die es lieber moderat und gemach haben? Es gibt die Christinnen und Christen ja, die’s in unserer Landeskirche gähnend langweilig finden, und die ganz geschäftig daherkommen mit ihren Gemeindeaufbauprogrammen und den Lobpreisgottesdiensten, bei denen es keinen auf dem Stuhl hält, bei dem kein Auge trocken bleibt. Die’s anspricht, mögen sich gerne ansprechen lassen, aber ich muss einfach sagen: Mir ist das zu umtriebig und laut. Vor etlichen Jahren hab ich in Heidelberg in einer Gemeinde gelebt und gearbeitet, in der charismatische Gottesdienste gefeiert wurden. Ich hab mich in diese Gottesbegeisterung, diese Jesusaufregung nie wirklich eingefunden. Fehlt mir da was? Manche und mancher meiner frommen Brüder und Schwestern in der alten Gemeinde haben mir das vorgeworfen: dass ich unfähig sei, mich von Gott begeistern zu lassen, dass ich meinen Glauben recht emotionslos gestalte, trocken und kalt, kopflastig und herzensschwach.

Und wenn ich lese, was damals in Jerusalem geschah, als Jesus durch die Tore ritt – da muss ich ihnen wohl kleinlaut recht geben, oder? Die Leute waren ergriffen, erregt, begeistert, und sie taten ihre Begeisterung lautstark kund. Hände in Höhe, Mäntel auf den Boden, Hosianna-Geschrei.

Was machen wir falsch, wenn davon in unseren Gottesdiensten nichts zu hören ist, oder so liturgisch abgedämpft, dass es keinen mehr vom Hocker reißt? Ich sag’s schon mal gleich: Wir machen gar nichts falsch, wir könnten es nur noch etwas besser machen.

Ich schau mal, warum die Leute eigentlich so begeistert sind. Das liegt ja auf der Hand. Da kommt einer auf einem Esel geritten, wie es die alten Prophezeiungen angekündigt haben, da kommt einer, der ihre Hoffnungen erfüllen wird. Zumindest hat er das Zeug dazu; der ist kein Maulheld, der tut, was er sagt; der wendet sich den Schwachen zu, das ist kein Großkopferter; der schließt keine faulen Kompromisse, der lässt sich seine Worte und Taten was kosten, auf den ist Verlass. Jesus ist ein Hoffnungsträger, und was er tut und lässt, sagt und schweigt, gibt allen Grund zu glauben, dass er die Hoffnungen nicht enttäuschen wird. Deshalb waren die Menschen begeistert – um seiner Glaubwürdigkeit willen, und weil er einer von ihnen war.

Tatsächlich hat Jesus die Sehnsucht der Menschen gehört, tatsächlich hat er geantwortet darauf und sie gestillt, hat er die großen Hoffnungen erfüllt, aber anders, als die Leute dachten. Darum wurde aus dem begeisterten »Hosianna!« bald ein gehässiges »Kreuzigt ihn!«. Da waren sie nicht mehr begeistert, als er scheinbar scheiterte, obwohl er doch nur viel tiefer half, viel grundsätzlicher befreite: von Tod und Angst und Hass.

Unsere Sehnsüchte, unsere Träume und Hoffnungen mögen andere sein. Uns geht es nicht mehr um die Fremdherrschaft der Römer, oder darum, dass Leprakranke ausgestoßen werden. Wir haben andere, wir haben unsere modernen Sorgen. Das sind andere, aber kleiner sind sie nicht.

Sie sind nicht kleiner – und sie bleiben nicht ohne Antwort. Der auf dem Esel ist Gottes Antwort: Ihr seid wohl besorgt, aber ich komme und trage. Ihr seid wohl gefangen, aber ich komme und befreie. Ihr seid wohl in Angst, aber ich komme und ermutige euch. Das ist Gottes Antwort – und auf die ist unbedingt Verlass.

Diese Gewissheit, diese Zuversicht, die mag begeisternd sein, aufregend; besser vielleicht noch: an-regend. Die An-regung, die Ermutigung also, die Beglückung, der Zuspruch, das Versprechen, die Befähigung, die sind – für meinen Geschmack – dauerhafter als die Aufregung. Aufregung – könnte auch viel Lärm um nichts sein; Anregung aber hält an, setzt Kräfte frei, befähigt mich dazu, mein Leben zu gestalten.

Die Leute damals, die waren nach dem ersten Jubel und der begeisterten Feierlaune rasch fertig mit diesem Jesus, der nicht hielt, was sie sich von ihm versprachen. Sie waren nicht aufmerksam, sie haben gerufen und geschrien, gehört haben sie nicht, nicht hingelauscht und die Ohren und die Herzen aufgesperrt, um genau zu merken, was er zu sagen hat. Ich lerne daraus, das zu tun: Wenn ich mit meinen Fragen und Sehnsüchten komme, genau darauf zu achten, was Gott antwortet.

Die Karwoche, die heute beginnt, die gibt uns Gelegenheit dazu. Es ist Besinnungszeit, stille Zeit. Eine Woche über Karfreitag zu Ostern hin, die mich lehren möchte, die Ohren aufzutun, achtsam zu sein, zu lauschen darauf, wer der ist, der einzieht in mein Leben, meine Welt.

Ich will die Gelegenheit wahrnehmen, wenn Sie möchten, tun Sie’s auch. Es lohnt ich, es ist vielleicht nicht so aufregend wie Jubellieder und verkaufsoffene Sonntage, aber es ist: höchst lebendig, höchst anregend.

Amen

Lied: Holz auf Jesu Schulter … (EG 97,1-3.6)

Bitte beten Sie mit uns:

Liturg*in: Gott, der du dich selber gibst,

wir bitten dich,

begib dich hinein in unsere Zeit.

Sprecher*in: Erfülle sie mit Gerechtigkeit,

wo die Ungerechtigkeit herrscht,

erfülle sie mit Liebe,

wo der Hass regiert,

erfülle sie mit Frieden,

wo die Gewalt herrscht.

Erfülle uns mit deiner Gegenwart.

Liturg*in: Das bitten wir dich:

Zwischengesang:

Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut

für die Ängste für die Sorgen,

für das Leben heut und morgen:

Schenk und Weisheit, schenk uns Mut.

(EG BEL 662,1)

Liturg*in: Gott, der du dich selber gibst,

wir bitten

für die, die nichts haben:

Sprecher*in: Für die vielen Millionen,

die von Hunger und Krieg aus ihrer Heimat vertrieben werden,

für die Menschen,

denen Erdbeben und Flutkatastrophen Haus und Einkommen geraubt haben,

für die Opfer von Terror und Gewalt.

Gott, gib ihnen Zukunft.

Liturg*in: Das bitten wir dich:

Zwischengesang: Schenk uns Weisheit …

Liturg*in: Gott, der du dich selber gibst,

wir bitten dich für die, die sich leer fühlen:

Sprecher*in: Für Menschen in ihrer Sucht nach immer mehr,

für Alkohol- und Drogenkranke,

für schlagende Väter und Mütter,

für die, denen die Schwermut alle Lebensfreude raubt.

Erfülle du sie, Gott,

bring sie zurecht.

Liturg*in: Das bitten wir dich:

Zwischengesang: Schenk uns Weisheit …

Liturg*in: Gott, der du dich selber gibst,

sei mit denen, die etwas von sich selbst geben:

Sprecher*in: Bei den Menschen,

die sich für andere einsetzen,

die einen Angehörigen pflegen und begleiten,

die sich für die Bewahrung deiner Schöpfung einsetzen,

die den Verletzten und Geplagten ihre Hand reichen.

Ermutige sie immer wieder, Gott,

gib ihnen Ausdauer und Geduld.

Liturg*in: Das bitten wir dich:

Zwischengesang: Schenk uns Weisheit …

Liturg*in: Gott, der du dich selber gibst,

du bist bei uns, du hörst, was uns bedrängt und beglückt.

In der Stille sagen wir dir, was uns bewegt:

(Gebet in der Stille)

Für alle, die wir lieben,

und die du uns anvertraut hast,

und für uns selbst bitten wir dich:

Zwischengesang: Schenk uns Weisheit …

Vaterunser

Und der Friede Gottes,

der weiter ist als unser Denken und Glauben,

der tiefer ist als unser Fühlen und Verstehen,

der bewahre eure Herzen in Christus Jesus.

Amen

Lied: Segne und behüte … (EG BEL 580,1-3)

Gehen wir in diesen Sonntag und in diese Karwoche im Segen und im Frieden unseres Gottes:

Der uns nicht fallen lässt, der hält dich!

Der selbst gefallen ist, der richtet dich auf!

Der wieder aufsteht, gibt dir neue Kraft.

So segnet und behütet dich Gott,

der liebevolle und lebendige,

der Vater, Sohn und Heilige Geist.

Amen, Amen, Amen

Nachspiel

Palmsonntag

Predigten

Göttliches Liedgut

Predigt zu Jesaja 50,4-7

Wohin sollen wir gehen, Gott? Du hast Worte des ewigen Lebens. Amen

Hören wir auf Gottes Wort, aus dem Propheten Jesaja, im 50. Kapitel, die Verse 4-7:

Gott der HERR hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Alle Morgen weckt er mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück.

Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. Aber Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Darum hab ich mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein; denn ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde.

Was glauben Sie, liebe Gemeinde, auf welche Melodie werden diese Worte wohl gesungen worden sein? Denn was wir eben gehört haben, das ist ein Lied. Gut, es reimt sich nicht, auch im Hebräischen nicht, aber trotzdem: Es war ein Gesang, ein Chanson, eine Lamentatio von einem, der duldet, der zu ertragen hat. Im Jesaja-Buch gibt es vier davon, vier so genannte Gottesknechtslieder. Sie handeln von einem, der leidet. Der leidet um der Schuld der Menschen willen, der geschlagen und gefoltert wird, der verspottet und allein gelassen wird, ein Schmerzensmann.

Jüdinnen und Juden haben diese Gottesknechtslieder auf sich selbst bezogen, als Ausdruck des Leidens des jüdischen Volkes in und an der Welt – und eingedenk unserer eigenen Geschichte, an die etwa die Stolpersteine allenthalben in unseren Städten erinnern, liegt diese Deutung wahrhaftig nicht fern. Mancher jüdische Theologe bezog die Lieder auf den verheißenen Messias, der die Welt und Gottes Volk retten würde, der aber vorher leiden müsste – und dieser Deutung sind die Christen gefolgt. Der leidende Gottesknecht, der Geplagte und Geschlagene, das ist Jesus. Die alten Lieder des Jesaja, fünfhundert Jahre vor Jesus geschrieben und gesungen, diese alten Lieder halfen den Christen, die grauenvollen Ereignisse um Jesu Leiden und Tod zu verstehen.

Zu welcher Melodie auch immer sie gesungen wurden, sie muss in Moll geschrieben sein. Es muss ein trauriger, ein verzweifelter Gesang gewesen sein, nahe am Schrei oder am Verstummen. Das ist die Weise, in der unsere Lebensmelodien auch manchmal gehen: schleppend, dunkel getönt und wie ein Trauermarsch.

Den Freunden Jesu kam kein fröhliches Lied mehr von den Lippen, als sie die Geschichte erlebten, die uns in den kommenden Tagen beschäftigen wird, in der Karwoche, die heute beginnt. Da war nur noch Platz für Klage, als der, auf den sie hofften, von dem sie Großes erwarteten, als der starb wie ein Verbrecher, als alle Träume platzen und alle Sehnsucht ins Leere ging. Trauerlieder, Klagelieder, zerrissene Melodien.

Und da mag sich plötzlich einer erinnert haben, Petrus vielleicht, Matthäus oder Johannes, der Gelehrte, mag sich erinnert haben an die alten, alten Lieder von Jesaja, die sie in der Synagoge gehört haben von Kindheit an, die zum Volksliedgut zählten: die Gottesknechtslieder.

Es muss eine unglaubliche Entdeckung gewesen sein, eine Erleuchtung geradezu: Nun hatte das alles einen Sinn! Gott hatte es ja angekündigt! Gott hat es ja vor Jahrhunderten schon zu verstehen gegeben, dass es so kommen musste, wie es kam. Ich glaube, wir können uns diese Erkenntnis, diese Entdeckung nicht tief genug vorstellen, umwerfend im besten Sinn des Wortes. Dann war dieser Tod nicht nur ein Unglück, dann war Jesu Leiden und Sterben nicht nur ein grausames Schicksal, dann war – vor allem – nicht einfach alles verloren. Jesaja hatte es doch gesagt und gesungen: »Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen … auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.« So heißt es im vierten Gottesknechtslied – und so wird das fürchterliche Kreuz zur liebevollen Gottestat umgesungen.

Aber: Bei allem Verständnis für die Erleichterung der Jüngerinnen und Jünger, und bei aller Bewunderung für die Deutungskunst der ersten Christinnen und Christen, mich stört da etwas.

Vielleicht geht es Ihnen auch so. Ich mach es fest am Titel der Lieder: Gottesknechtslieder.

Was ist denn ein »Gottesknecht«? Es klingt für mich ganz fatal danach, als sei Gott da der Herrscher auf dem Himmelsthron, der willkürliche Fürst, der unleidige König, der Knechtsdienste einfordert. Weil Gott ganz mächtig erzürnt ist über die Bosheit der Menschen, weil wir alle keine Engel, sondern arme Sünder sind, muss ein Knecht her, der an unserer Statt den Zorn auf sich zieht, der den Kopf hinhält, damit wir ungeschoren davonkommen. Tatsächlich ist das Kreuz über die Jahrhunderte hin auch so verstanden worden, besonders bei den pietistischen und bei den evangelikalen Geschwistern. »Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last; ich hab es selbst verschuldet, was du ertragen hast.« So lautet die vierte Strophe von Paul Gerhardts »O Haupt voll Blut und Wunden«, dieses Lied, das mich, und das jede und jeden von uns ganz persönlich haftbar macht für Jesu Leid und Tod. Darum wähle ich dieses Lied für meine Gottesdienste in der Regel nicht aus. Es ist halt einfach etwas komplizierter mit der Sünde und mit der Schuld. Vor allem aber: Ich glaube, dass Gott ein anderer ist, nicht so willkürlich, nicht so zornesrot und blind vor Wut, nicht so rachsüchtig, dass ein Knecht herhalten muss.

Er sagt doch, Gott sagt doch, dass er liebt! Gottesknecht und Liebe, das Mütchen kühlen und sich liebevoll zuwenden, das passt doch nicht zusammen.

Ich habe noch ein anderes Lied für Sie, auch ein Gottesknechtslied, aber eines in Dur, mit hellen Tönen, ein fröhlicher, ein beschwingter Gesang. Es ist ein Weihnachtslied. »Lobt Gott, ihr Christen alle gleich« heißt es, die Nummer 27 im Gesangbuch. Und nein: Ich habe mich in der Kirchenjahreszeit nicht verguckt. Die Heilige Nacht und der Karfreitag, die liegen so weit nicht auseinander, denn der da geboren wird, arm wie Menschen arm sind, das ist derselbe der da stirbt, elend wie Menschen elend sind.

In Nikolaus Hermans Weihnachtslied, vor 450 Jahren geschrieben, klingt das mit dem Gottesknecht so: »Er äußert sich all seiner G’walt, wird niedrig und gering, und nimmt an eines Knechts Gestalt, der Schöpfer aller Ding, der Schöpfer aller Ding. … Er wird ein Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein. Wie könnt es doch sein freundlicher, das herze Jesulein, das herze Jesulein.«

Zugegeben, es ist kein herze Jesulein mehr, der da durch die Straßen Jerusalems getrieben wird und der auf Golgatha zum Sterben kommt, es ist ein Mann, der seinen Weg gegangen ist. Aber den wir da sehen, das ist Gott selbst. In seinen Gesten ist Gott zärtlich, in seinen Worten spricht Gott selbst, in seinen Tränen weint Gott, in seinem Schmerz erduldet Gott selbst, was uns Schmerzen bereitet. Nicht der ferne, vom Zorn gezeichnete Gott, sondern der nahe, der von der Liebe gezeichnete, von dem es bei Jesaja heißt: »Ich bot meinen Rücken dar, ich hielt meine Wangen hin, mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.«

Sein Angesicht – es ist das Angesicht Gottes. »Er wird ein Knecht und ich ein Herr«; Gott also, Gott selbst ist der Held der Gottesknechtslieder, Gott macht sich zum Knecht. Zum Knecht des Todes, weil der uns bedroht, zum Knecht des Leidens, weil wir leiden oft genug, zum Knecht des Kreuzes, weil wir schwer tragen an den Kreuzen, die uns auf den Schultern lasten. Gott, der Knecht, der Knecht zuerst und vor allem seiner Liebe, die ihn dazu bestimmt, uns nicht fern zu bleiben, uns nahe zu sein.

Im Lied von Gott, dem Knecht, das Jesaja in Moll singt, in diesem Lied lautet eine Zeile sehr hoffnungsfroh: »Ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde!«. Das, liebe Gemeinde, das ist unser Kehrvers, diese Zeile ist für uns gemeint, die ist uns in den Mund gelegt, damit wir gewiss sind: Nichts und niemand trennt uns von dem, der uns so sehr liebte, dass er mittrug, was uns über die Kraft geht. Was auch immer kommt, welche Lieder auch immer wir noch anstimmen werden, Jubelgesänge oder Klagelieder, das gilt und das bleibt, dafür steht Gott ein: Wir werden nicht zuschanden werden.

Amen

Zum Steinerweichen

Predigt zu Hesekiel 36,24-28

Mein Gott, ich bin ein Gast auf Erden, verbirg deine Weisungen nicht vor mir! Amen

Hören wir auf Gottes Weisungen, zum Pfingstfest heute Morgen, aus dem Buch des Propheten Hesekiel, aus dem 36. Kapitel:

Denn ich will euch aus den Völkern herausholen und euch aus allen Ländern sammeln und wieder in euer Land bringen, und ich will reines Wasser über euch sprengen, dass ihr rein werdet; von all eurer Unreinheit und von allen euren Götzen will ich euch reinigen.

Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben.

»Zwar hatten alle drei einen Hauptfehler, der sie bei den Leuten verhasst machte, es war dies ihr unmenschlicher Geiz, ihre Gefühllosigkeit gegen Schuldner und Arme«. Die Rede ist, liebe Gemeinde, vom »dicken Ezechiel«, vom »langen Schlurker« und vom »Tanzbodenkönig«. Die drei Geizigen und Fühllosen werden zum Vorbild für den »Kohlenmunkpeter« in Wilhelm Hauffs Schwarzwaldmärchen, Sie haben es vielleicht schon erkannt. Peter Munk ist ein armer Schlucker, ein Köhler, und um etwas zu werden, versucht er’s beim Glasmännlein zuerst, der ihn nasführt und mahnt, und dann beim Holländer Michel, dem schlauen Polterer, der ihm gibt, was er will: Geld und Macht und Ansehen – aber zu einem hohen Preis. Sein Herz, sein lebendiges Herz gibt Peter ab, und er erhält dafür: das »kalte Herz« – wie das Märchen auch heißt.

Ich beginne mit einem Märchen heute Morgen, weil Märchen nicht einfach schöne, aber harmlose Mären sind, sondern weise, menschliche Geschichten. Wilhelm Hauff wusste es gut, dass es Menschen mit kalten, mit steinernen Herzen gibt; und woran sie kranken, das ist die Unmenschlichkeit, die Fühllosigkeit.

Sicher fallen uns solche Menschen auch ein, und wir hätten unsere modernen Geschichten zu erzählen von ihnen: Die Geschichte vom Terroristen, der das Todesflugzeug steuert, die Geschichte von der Soldatin, die gefangene Iraker foltert, die Geschichte vom Autobahnraser, der den Tod einer Familie in Kauf nimmt, Geschichten von Spekulanten, Profitgeiern, Waffenschiebern, Menschenhändlern, Kinderschändern. Nichts Märchenhaftes ist an denen, die sind grauenhaft, und ich bekomme eine Gänsehaut oder einen mächtigen Zorn, wenn ich solche Geschichten höre. Unmenschlichkeit, Gefühllosigkeit – die gibt es im Schwarzwald, an der See und in Frankfurt und überall, wo Menschen sich verhärten, wo Menschen hartherzig und gnadenlos sind, wo sie ihre Mitmenschen verachten.

Steinerne Herzen – ich habe einen Zeigefinger, der trefflich auf andere zeigen kann. Und ich selbst? Hesekiel, der hebräische Prophet, der erzählt keine Märchen von anderen, der sagt – in Gottes Namen –: Ihr! »Ihr«, das ist zuerst das Volk Israel, und das sind wir. Gott sagt nicht: »Schau dir bloß den Kohlenmunkpeter an, schüttle das Haupt und staune über den langen Schlurker!«; nein, Gott sagt: »Du! Du, achte auf dein Herz!«.

Wie steht’s, liebe Gemeinde, um unsere Herzen?

Also, so ganz hartherzig, kalten Herzens sind wir auf den ersten Blick sicher nicht, wir wären auch viel zu höflich dazu. So unverfroren sind wir nicht, dass wir steinerne Herzen auf den Händen und auf den Lippen tragen, das ist nicht kirchlicher Stil – und, ganz ohne Ironie gesagt, natürlich sind wir alle bemüht, nicht herzlos zu sein.

Aber schau ich ganz ehrlich in mich hinein, lass ich mir das »Du« von Gott wirklich gesagt sein, dann stelle ich schon fest: Da gibt es Ecken meines Herzens, die sind durchaus sehr hart; es gibt sie bei mir: die Nischen der Gefühllosigkeit, die Kammern der Gleichgültigkeit, die Winkel der Vorurteile.

Sie bedenken es bitte für sich selbst; ich muss für mich sagen: Mein Herz ist steinern als Ganzes nicht – aber da gibt es Stellen, die sind steinhart. Das ist so, wenn ich ehrlich bin.

Und das ist so, weil Verbitterung mich verhärtet hat, weil eine Verletzung zu einer harten Narbe geworden ist, weil ich manchmal vor Zorn nicht an mich halten kann, weil ich mich manchmal lieber hart mache, weil ich bisweilen lieber versteinere, als mich wieder verletzen zu lassen, weil ich gegen bestes Wissen und gegen allen Vorsatz doch Vorurteile hege, weil ich zuweilen nur bei mir selbst bleiben kann, wenn ich gegen andere Grenzen errichte und mich verschließe. Beim Kartenspiel sagt der dicke Ezechiel einmal: »Das ist ja gerade das Bequeme an unseren kalten Herzen, dass uns keine Furcht befällt …«. Und als der Kohlenmunkpeter dem Holländer Michel nach einer langen Reise begegnet, dankt er ihm: »Überhaupt, Euer steinernes Ding, das ich in der Brust trage, schützt mich … vor manchem.«

Sie kennen das alles vermutlich auch – und nichts daran ist märchenhaft, nichts daran macht froh und das Leben zur Lust. Die Versteinerung, die Hartherzigkeit, Gefühllosigkeit, Gleichgültigkeit, Vorurteile – das sind schlimme, schlimme Krankheiten des Herzens, und kein Bypass ist da, der Abhilfe schafft. Wir leiden durchaus darunter, und es kann ein Leiden zum Tode sein.

Wissen Sie noch, was ihn rettet, den Peter Munk, was ihm hilft, sein fleischernes Herz wieder zu erlangen? Es ist die Stimme seiner Frau, von Lisbeth, der Schönsten und Tugendsamsten im ganzen Wald, die der Munkepeter mit der Peitsche erschlägt, weil sie einen armen Alten mit seinem Ehrenwein labt. Aus dem Jenseits kommt die Stimme und ruft – durch die Mauern um Peters Herz hindurch: »Peter, schaff dir ein wärmeres Herz!«. Die Stimme einer ganz unverdienten Liebe rettet ihn, einer Liebe, die selbst über den Tod hinaus nicht verstummt, die sogar ein steinernes Herz anrührt, die an der Härte eines Herzens nicht zerschellt, die dieses Herz erweicht. Es ist eine Stimme zum Steinerweichen!

Die Stimme einer Liebe – welch eine Weisheit im Märchen. Es ist ja nichts anderes, was wir zu hören bekommen beim Propheten Hesekiel, die Stimme der Liebe unseres Gottes: »Ich will das steinerne Herz aus eurem Fleisch nehmen und euch ein fleischernes Herz geben!«. Hier hat das Märchen übrigens ein Ende. Der Kohlenpeter muss sich sein lebendiges Herz zurückerschleichen mit einer famosen, schwarzwaldbauernschlauen List. So geht das bei uns nicht.

Die Verletzungen unserer Herzen können wir nicht selbst heilen, die Angst und die Mutlosigkeit, die die Nischen und Ecken unserer Herzen verhärten, die können wir nicht selbst vertreiben. Uns selbst gut zureden, uns selbst Hoffnung zusprechen, das führt nicht zum Ziel. Ein anderer muss das tun, und ein anderer, Gott, tut es auch: Gott spricht uns zu, dass er uns heilt, dass er die Furcht vertreibt, die Verbitterung versüßt, dass er die Vorurteile in Rücksicht wandelt und den Zorn in Tatkraft und Zuwendung. Gott spricht es uns zu, Gott redet uns gut zu.

Da geht es uns besser als dem Peter Munk. Der konnte sich seiner Sache nicht so sicher sein; dem Holländer Michel, diesem Riesen, einen Bären aufzubinden, das ist kein leichtes Spiel, und am Ende ist Peter gerade so mit dem Leben davongekommen. Wir werden mit dem Leben davonkommen, aber mit einem Leben in Fülle, wie Jesus es verspricht: beglückt, geheilt, befreit von Steinen und Mauern und Felsen. Gerade, weil es nicht in unserer Hand liegt, weil wir für ein fleischernes, ein lebendiges, ein liebendes Herz nicht selbst sorgen können und nicht müssen, gerade deshalb kommen wir gut davon, mit heiler Haut und geheilter Seele.

Ist das so? Ja, das ist so, weil Gott sagt: »Ich will!«. In den Worten des Propheten sagt er es gleich acht Mal! »Ich will!«. Den Unterschied von Wollen und Tun, von Vorsatz und Ausführung, den gibt es bei Gott nicht; will Gott, dann zögert er nicht, es zu tun. Gott will heilen, also sind wir geheilt; Gott will unser Herz erweichen, also sind unsere Herzen warm und liebesfähig; Gott will die Mauern niederreißen und die harten Winkel aufbrechen, also sind wir frei, und wir brauchen uns nicht mehr zu verhärten.

Darum mögen Furcht, Verbitterung und Vorurteil wohl da sein und uns bedrängen, darum mag die Angst uns wohl locken, unsere Herzen hart zu machen – gelingen muss es ihnen nicht. Wir sind geborgen in dem Gott, der uns liebt, der warmherzig schaut nach uns – so müssen wir uns nicht schützen und verschließen.

Tun wir doch unsere Herzen auf, werfen wir die Steine fort – wir brauchen sie nicht. Gott birgt uns, wir müssen uns nicht hinter kalten Mauern verschanzen, wo wir doch selbst nichts tun als frieren.

Das Glasmännlein, »in schwarzem Wams und roten Strümpfen«, mit seinem feinen, freundlichen Gesichtchen und einem »Bärtchen, so zart wie aus Spinnweben«, das Glasmännlein ist der gute Geist des Märchens vom kalten Herzen, der dem Kohlenmunkpeter die Schliche zeigt, wie er sein gutes Herz zurückgewinnen kann. Als es dem Peter tatsächlich gelingt, und er sogar die tugendsame Lisbeth und die Barbara Munkin, die Mutter, wieder sieht, da schließt das Märchen romantisch-vertraut: »Die drei lobten (den Glasmann) und segneten ihn und gingen heim!«.

So wird’s zum guten Ende auch bei uns sein, liebe Gemeinde, dann loben wir Gott, weil er uns liebt.

Amen 

Die Liebesaffäre, ein Gerücht

Predigt zu Markus 14,3-9

Dein Wort, mein Gott, ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg. Amen

Hören wir auf Gottes Wort heute Morgen, aus dem Evangelium des Markus, im 14. Kapitel:

Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt.

Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.

Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.

Das Gerücht, liebe Gemeinde, das Gerücht geht ja schon lange, geht durch die Jahrhunderte und hält sich hartnäckig bis auf unsere Zeit. Das Gerücht, dass sie was hatten miteinander; man munkelt, sie seien ein Liebespaar gewesen, heimlich, wenn die anderen wegsahen, aber wohl nicht heimlich genug, sonst wäre das Gerücht nicht entstanden. Jesus und Maria Magdalena; um Maria von Magdala handelt es sich der Legende nach bei der Frau in Bethanien, von der wir gerade gehört haben. Jesus und Maria waren sich zärtlich verbunden, Geliebter und Geliebte, Salomo und Sulamith, wie die Turteltauben aus dem Hohenlied, dem Lied der Lieder? War das so? Immerhin, die Legendenbildung ist mächtig, eine breite esoterische Tradition ist sich sicher, Jesu habe mit Maria Kinder gezeugt und starb als alter Mann in Kashmir. Nikos Katzanzakis und Luise Rinser haben der Maria-Jesus-Affäre Romane gewidmet, beeindruckende übrigens – und zuletzt hat Dan Brown für den Bestseller »Sakrileg« aus der Legende Kapital geschlagen.