Wie könnte ich jemals von dir lassen - Toni Waidacher - E-Book

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Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Nachdenklich betrachtete Markus Bruckner das Gelände am Rande des Dorfes. Dabei spielte ein verschmitztes Lächeln um die Lippen des Bürgermeisters von St. Johann. »So müßt's eigentlich gehen«, murmelte er vor sich hin und ließ sich auf eine Bank sinken, die am Wegesrand stand. Während er die Arme verschränkte und weiter lächelte, war sein Blick in weite Ferne gerichtet. Vor seinem geistigen Auge sah er es ganz deutlich. Diese brachliegenden Wiesen auf dem Gemeindegrund waren der ideale Ort, um sich einen Traum zu verwirklichen. Einen Traum, den der Bürgermeister träumte, seit er von einem Besuch der Partnerschaftsgemeinde, St. Ulrich im Schwarzwald, zurückgekehrt war. Eine Delegation von zehn Gemeindemitgliedern, unter der Füh-rung Markus Bruckners, hatte sich auf den Weg gemacht, die freundschaftlichen Verbindungen in den Schwarzwald zu vertiefen. Man war herzlich empfangen worden, ordentlich untergebracht und köstlich bewirtet. Und natürlich wurde man überall herumgeführt, es gab wirklich viel zu sehen. Unter anderem waren auch Ausflüge in die nähere Umgebung organisiert, das Glottertal gehörte ebenso zu den Zielen, wie der eindrucksvolle Titisee. Was den Bürgermeister von St. Johann allerdings am meisten begeistert hatte, war ein großzügig gebautes Thermalbad, das es in der Nachbargemeinde St. Ulrichs gab. Dabei handelte es sich um ein sogenanntes Spaßbad, das alle erdenklichen Freizeitvergnügen darbot, das jährlich Tausende von Besuchern anlockte, die, da der Großteil der Anlage überdacht war, auch im Winter zum Baden herbeiströmten. Seit Markus Bruckner Bekanntschaft mit dieser Badelandschaft gemacht hatte, stand für ihn fest: So etwas mußte auch in St. Johann gebaut werden!

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Der Bergpfarrer – 365 –

Wie könnte ich jemals von dir lassen

Toni Waidacher

Nachdenklich betrachtete Markus Bruckner das Gelände am Rande des Dorfes. Dabei spielte ein verschmitztes Lächeln um die Lippen des Bürgermeisters von St. Johann.

»So müßt’s eigentlich gehen«, murmelte er vor sich hin und ließ sich auf eine Bank sinken, die am Wegesrand stand.

Während er die Arme verschränkte und weiter lächelte, war sein Blick in weite Ferne gerichtet. Vor seinem geistigen Auge sah er es ganz deutlich.

Diese brachliegenden Wiesen auf dem Gemeindegrund waren der ideale Ort, um sich einen Traum zu verwirklichen. Einen Traum, den der Bürgermeister träumte, seit er von einem Besuch der Partnerschaftsgemeinde, St. Ulrich im Schwarzwald, zurückgekehrt war.

Eine Delegation von zehn Gemeindemitgliedern, unter der Füh-rung Markus Bruckners, hatte sich auf den Weg gemacht, die freundschaftlichen Verbindungen in den Schwarzwald zu vertiefen. Man war herzlich empfangen worden, ordentlich untergebracht und köstlich bewirtet. Und natürlich wurde man überall herumgeführt, es gab wirklich viel zu sehen. Unter anderem waren auch Ausflüge in die nähere Umgebung organisiert, das Glottertal gehörte ebenso zu den Zielen, wie der eindrucksvolle Titisee. Was den Bürgermeister von St. Johann allerdings am meisten begeistert hatte, war ein großzügig gebautes Thermalbad, das es in der Nachbargemeinde St. Ulrichs gab. Dabei handelte es sich um ein sogenanntes Spaßbad, das alle erdenklichen Freizeitvergnügen darbot, das jährlich Tausende von Besuchern anlockte, die, da der Großteil der Anlage überdacht war, auch im Winter zum Baden herbeiströmten.

Seit Markus Bruckner Bekanntschaft mit dieser Badelandschaft gemacht hatte, stand für ihn fest: So etwas mußte auch in St. Johann gebaut werden!

Im Sommer kamen ja genug Touristen, doch in den Wintermonaten, meist schon ab dem Spätherbst, herrschte in dem Alpendorf gähnende Leere. Da konnte es doch nur wirtschaftlich klug sein, den Leuten so ein Angebot zu machen, das auch in der trüben Jahreszeit die Kassen klingeln ließ.

»Bruckner-Therme« – das wäre schon ein Name!

Aber so weit wollte der Bürgermeister dann nun doch nicht gehen, obgleich er dieses Projekt für immer mit seinem Namen verbunden sah. Aber dazu mußte er es erst einmal im Gemeinderat durchdrücken und da sah er schon ein paar Schwierigkeiten auf sich zukommen – oder eigentlich war es nur eine und die hieß Sebastian Trenker.

Mit seiner eigenen Fraktion würde der Bruckner-Markus keine Probleme haben, dessen war er sicher. Aber leider hatte sie seit der letzten Kommunalwahl nicht mehr die absolute Mehrheit, sondern war auf das Wohlwollen der anderen Ratsmitglieder angewiesen. Und das könnte in diesem Fall bedeuten, daß das Projekt »Wachnertal-Therme«, wie Markus Bruckner es insgeheim getauft hatte, schon im Stadium der Planung zum Scheitern verurteilt war.

Indes – da gab es immer etwas zu machen. Wenn man überzeugende Argumente aufführte, dann konnte man eventuell den einen oder anderen von der Fraktion des Geistlichen auf die Seite der Befürworter ziehen.

Allerdings war es noch nicht so weit. Außer dem Bürgermeister wußte noch niemand etwas von dessen Plänen, nicht einmal seine eigene Frau…

Und Pfarrer Trenker durfte schon gleich gar nix davon erfahren! Vorerst jedenfalls. Hochwürden hatte es bisher immer geschafft, Markus Bruckners ehrgeizige Pläne zu durchkreuzen, sei es das Projekt Hubertusbrunn gewesen, als der Bürgermeister aus einem alten Jagdschloß ein Spielcasino machen wollte, oder damals, als ein finanzkräftiger Bauunternehmer aus München, ein großes Ferienzentrum bauen wollte. Jedesmal, wenn die Unternehmungen Gestalt annahmen, vereitelte Pfarrer Trenker sie in letzter Minute.

Dabei wollte der rührige Bürgermeister doch nur etwas tun, um die regionale Wirtschaft anzukurbeln. Mehr Touristen mußten her, und wenn es nach ihm gegangen wäre, dann würde längst ein Skilift zum Gletscher hinaufführen und die Pisten ausgebaut, dazu Hütten, in denen die Wintersportler sich bei Jagertee und heißer Musik amüsieren konnten.

Doch das war alles am Widerstand des Geistlichen gescheitert, und der Bruckner-Markus wußte, daß er den Bau des Spaßbades nur durchziehen konnte, wenn so wenige wie möglich eingeweiht waren. Er hoffte nur, daß in dieser Planungsphase niemand dahinter kam. Allerdings bestand jetzt auch noch keine Gefahr, daß etwas an die Öffentlichkeit drang. Außer dem Bürgermeister selbst wußte nur noch ein Münchener Architekt davon. Eben dieser hatte die Anlage im Schwarzwald konzipiert und die Pläne dafür erstellt. Markus Bruckner hatte ihn gleich nach seiner Rückkehr kontaktiert und ihn gebeten, nach St. Johann zu kommen, um sich das in Frage kommende Gelände einmal anzusehen. Fabian Roloff, so hieß der Mann, hatte seine Ankunft für den morgigen Tag telefonisch angekündigt, noch am selben Tag wollte der Architekt eine Ortsbegehung vornehmen. Von seinem Urteil hing alles ab.

Aber wie gesagt, das mußte alles noch unter größter Geheimhaltung stattfinden! Der Bürgermeister konnte sich schon jetzt vorstellen, was für ein Wirbel es geben würde, wenn die Sache vorher bekannt wurde.

Wenn sie aber erst einmal stand, die Wachnertal-Therme, dann waren ihm Lob und Anerkennung sicher – und bestimmt auch bessere Wahlergebnisse.

Markus Bruckner stand auf und ging zu seinem Wagen. Eigentlich war er auf dem Weg zur Kreisstadt gewesen, wo ein Treffen von Kommunalpolitikern seiner Partei stattfand. Aber er hatte hier unbedingt noch einmal anhalten müssen, um für ein paar Minuten zu träumen.

Zufrieden stieg er ein und fuhr los.

Diesmal, Hochwürden, dachte er zuversichtlich, diesmal funken S’ mir net dazwischen!

*

Britta Anzinger schleppte den vollen Korb mit der schweren, nassen Wäsche aus der Waschküche hinaus. Auf der Wiese hinter dem Haus stellte die junge, hübsche Bauerntochter den Korb ab und holte erst einmal tief Luft.

»Hätt’st die Wäsch’ doch net allein’ schleppen müssen«, hörte sie die Stimme ihrer Mutter, die mit ein paar weiteren Teilen hinterher gekommen war.

»Ach, so schwer war’s nun auch wieder net«, gab Britta zurück und bückte sich nach einem Bettlaken und ein paar Wäscheklammern.

»Aber du sollst dich doch erst einmal ein bisserl erholen«, tadelte Maria Anzinger ihre Tochter. »Nachdem, was du alles durchgemacht hast!«

»Na ja, so’n bisserl Arbeit kann ja net schaden«, lachte das Madl. »Außerdem bin ich ja net krank, sondern hab’ nur meine Stelle verloren.«

»Was dich doch ganz schön mitgenommen hat«, meinte die Bäuerin. »Tu’ net so, als ob das spurlos an dir vorbeigegangen ist.«

Britta hielt einen Moment in ihrer Tätigkeit inne.

»Du hast’ schon recht«, sagte sie nachdenklich und fuhr sich durch die blonden Locken. »Hat ja auch niemand ahnen können, daß alles so kommt…«

Nachdem sie die Schule beendet hatte, machte die Tochter des Anzingerbauern eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau, Schwerpunkt Im- und Export. Die Firma hatte ihren Sitz in der Stadt, und Britta machte es nichts aus, tagtäglich dorthin zu fahren. Im Gegenteil, die Arbeit machte ihr Spaß, sie lernte viel und bestand die Prüfung mit besonderer Auszeichnung. Sie wurde nach der Ausbildung übernommen und machte rasche Karriere innerhalb der Firma. Und schon bald sollte sie die rechte Hand des Chefs werden. Doch der verstarb an den Folgen eines Unfalls, und seine Nachkommen, die eine Erbengemeinschaft bildeten, verkauften die Firma an einen ausländischen Konzern. Zunächst wurden fast alle Mitarbeiter übernommen, darunter auch Britta Anzinger. Doch schon ein Jahr später mußte der Betriebsrat den Kollegen mitteilen, daß der Standort aufgelöst würde, und Entlassungen drohten.

Unter den Betroffenen war auch die Bauerntochter aus dem Wachnertal. Die jetzt Vierundzwanzig­jährige konnte sich nicht entschließen, ein Stellenangebot im Ausland anzunehmen, wurde arbeitslos und hatte, da konnte sie der Mutter nur recht geben, daran schwer zu knabbern gehabt.

Jetzt war es schon bald vier Wochen her, daß sie keine Arbeit hatte, und der Angestellte auf dem Arbeits­amt konnte ihr auch keine großen Hoffnungen machen, daß sich dieser Zustand bald ändern würde.

Jedenfalls nicht, solange Britta nicht bereit war, aus der Heimat fortzugehen und irgendwo anders eine Stelle anzunehmen.

»Kommt Zeit, kommt Rat«, meinte sie und nahm einen Pulli aus dem Wäschekorb und hängte ihn auf die Leine.

»Willst’ es dir net doch noch mal überlegen und hier auf dem Hof arbeiten?« fragte ihre Mutter zwischendurch.

Britta schüttelte energisch den Kopf.

Natürlich gab es immer noch diese Möglichkeit. Aber sie hatte nicht eine Ausbildung gemacht, um als Magd auf dem Hof der Eltern zu schaffen. Ganz abgesehen davon, daß es bereits eine Magd gab. Mit dem Vater hatte es deswegen lange Diskussionen gegeben. Franz Anzinger hatte es schon seinerzeit nicht gerne gesehen, daß seine Tochter nicht auf dem Hof bleiben wollte, so wie ihr Bruder. Auch für Brittas Argumente, daß der Thomas ohnehin einmal alles erben würde und schon alleine deshalb in der Landwirtschaft arbeiten müsse, hatte der Bauer kein Verständnis gezeigt.

»Wie stellst’ dir das denn vor?« hatte Britta damals gefragt. »Eines Tages wird der Thomas sich eine Frau nehmen, und ich soll dann die Magd für meine Schwägerin sein?«

»Und wenn schon«, hatte ihr Vater darauf erwidert. »Immerhin wärst abgesichert, im Schoß der Familie.«

Na vielen Dank, hatte das Madl gedacht und entschlossen seinen Willen durchgesetzt. Allerdings sah es jetzt so aus, als würde die so erfolgreiche Laufbahn, die Britta Anzinger begonnen hatte, nicht mehr weiterführen. Sie kam sich vor wie in einer Sackgasse, aus der es keinen Weg gab, höchstens zurück. Und zurück würde sie gehen, wenn sie jetzt auf dem elterlichen Hof als zweite Magd zu arbeiten begann.

»Wenn’s denn gar net anders geht, dann werd’ ich mich wohl doch noch ganz woanders umschauen müssen«, erwiderte sie auf den Vorschlag der Mutter.

Maria Anzinger sah ihre Tochter ängstlich an.

»Du meinst, daß du dann ganz und gar fortgehen würdest?«

Britta zuckte die Schultern.

»Wenn alle Stricke reißen, wird mir wohl nix anders übrig bleiben.«

Die Bäuerin seufzte schwer.

»Und wenn du doch den Antrag vom Jochen Pelching annimmst?« fragte sie hoffnungsvoll. »Schau, so ein schlechter Kerl ist er doch net, der Jochen. Und eines Tages übernimmt er den elterlichen Hof, und du würdest dort Bäuerin sein. Also, ich kenn’ Madln, die’s weitaus schlechter getroffen haben.«

Das junge Madl erwiderte nichts darauf. Jedesmal, wenn sie nicht mehr weiter wußte, kam ihr die Mutter damit, den Sohn einer befreundeten Familie aus Waldeck, zu heiraten. Jochen Pelching war gewiß nicht häßlich, und die paar Male, die sie zum Tanzen ausgegangen waren, hatten gezeigt, daß er nicht nur ein geselliger Bursche, sondern auch ein hervorragender Tänzer war. Doch als Jochen um ihre Hand anhielt, da schrillten bei Britta die Alarmglocken. Denn eines wollte sie unter gar keinen Umständen werden – Bäuerin.

»Mutter, ich will net weiter darüber reden«, sagte Britta Anzinger kurz angebunden und nahm das letzte Wäschestück aus dem Korb.

Nachdem sie es aufgehängt hatte, wandte sie sich zu ihrer Mutter um.

»Zum Mittag bin ich net da. Ich fahr’ gleich noch mal zum Arbeits­amt in die Stadt. Vielleicht hat sich ja inzwischen was getan.«

Viel Hoffnung hatte sie allerdings nicht. Vielmehr ging es ihr auch darum, den Eltern zu »entkommen«, um sich nicht schon wieder anhören zu müssen, welche Vorteile es hätte, auf dem Hof zu arbeiten oder, noch besser, Jochen Pelching zu heiraten.

*

Fabian Roloff schaute neugierig aus dem Fenster seiner dunklen Limousine. Vor ihm tat sich die imposante Bergwelt der bayrischen Alpen auf. Schneebedeckte Gipfel ragten in die Höhe, saftige Almwiesen luden zum Wandern und Verweilen ein, und die hohen Tannenwipfel der Wälder schienen wie von einer Ansichtskarte abgemalt. Und über allem stand die strahlende Sonne am Himmel.

Der junge Architekt war am Morgen aus München abgefahren. Die Anfrage des Bürgermeisters von St. Johann schien ihm interessant genug, um sich selbst auf den Weg in das Alpendorf zu machen. So, wie es sich angehört hatte, schien ein lukrativer Auftrag zu winken.

Fabian fand es schon bemerkenswert, daß der Herr Bruckner sich auf das Thermalbad bezog, das er seinerzeit im Schwarzwald konzipiert hatte. Die Anlage war inzwischen sechs Jahre alt, und die Anfrage des Bürgermeisters war bereits die vierte oder fünfte gewesen. Dreimal hatte es Fabian Roloff geschafft, andere Ortsvorsteher und Investoren von seinem Konzept zu überzeugen, und er war sicher, daß es ihm auch hier gelingen würde. Vorausgesetzt, die Therme ließe sich in das Landschaftsbild integrieren. Ganz abgesehen von anderen Gesichtspunkten, die erfüllt sein mußten. Dazu gehörte nicht nur eine genau berechnete Finanzierung, ebenso mußte darauf geachtet werden, ob die Badelandschaft überhaupt den Zuspruch der Bevölkerung fand. Eine aufwendig gestaltete Therme nützte überhaupt niemandem, wenn sie leer stand, weil die Leute sie nicht annahmen und dadurch die Besucher fehlten.

Der junge Architekt passierte das Ortschild und fuhr durch das Dorf. St. Johann gefiel ihm auf Anhieb. Die Häuser, mit ihren Lüftlmalereien, strahlten Gemütlichkeit aus. Fabian hatte den Eindruck, als sei die Zeit hier stehen geblieben, denn außer einem kleinen Einkaufszentrum, sah er hier kaum moderne Bauten. Und noch etwas fiel ihm auf, der schlanke, hohe Turm der Kirche. Fabian hatte sich schon immer für Kirchenarchitektur interessiert, und daß es in Bayern mit die schönsten Gotteshäuser gab, wußte er natürlich. Er hoffte, daß er während seines Aufenthalts Zeit haben würde, die Kirche von St. Johann zu besichtigen. Doch jetzt steuerte er erst einmal den Parkplatz des Hotels an. Sechs Tage hatte er für den Aufenthalt eingeplant, wobei das Wochenende genau hinzu kam. Den Samstag und Sonntag wollte er dazu nutzen, ein wenig auszuspannen und die Umgebung von St. Johann zu erkunden. Ein bisserl Ruhe und Erholung würde ihm nach den anstrengenden Wochen, die hinter Fabian Roloff lagen, bestimmt guttun.

Sepp Reisinger, Wirt und Inhaber des Hotels »Zum Löwen«, stand selbst an der Rezeption.

»Mein Name ist Roloff, aus München«, stellte sich der Architekt vor. »Für mich ist ein Zimmer reserviert.«

»Selbstverständlich, Herr Roloff«, nickte der Hotelier. »Herzlich willkommen. Hatten S’ eine gute Fahrt?«

Fabian bejahte. Die Fahrt war wirklich problemlos verlaufen.

»Dann zeig’ ich Ihnen gleich das Zimmer«, sagte Sepp. »Wenn ich vorangehen darf.«

Das Jenneralm-Zimmer hieß so, weil man von dort aus dem Fenster einen herrlichen Blick auf die Berge und die gleichnamige Alm hatte. Fabian nickte zufrieden. Hier würde es ihm gefallen.

»Das freut mich«, sagte der Wirt und erklärte, von wann bis wann das Frühstück eingenommen werden konnte.

Außerdem vergaß Sepp nicht zu erwähnen, daß das Restaurant des Hotels bis zweiundzwanzig Uhr geöffnet habe.

»Dann reservieren S’ mir doch, bitte schön, gleich einen Tisch, für heut’ abend«, bat Fabian Roloff.

»Gern«, antwortete Sepp und verließ mit einer Verbeugung das Zimmer.

Der junge Architekt packte zuerst seine Reisetasche aus und ging ins Bad, um sich zu erfrischen. Für die Fahrt hatte er sich bequeme Kleidung angezogen. Jetzt wechselte er sie und wählte einen dunklen Anzug, dazu Hemd und Krawatte. Mit einer Aktenmappe unter dem Arm verließ er kurz darauf das Hotel und schlenderte zum Rathaus hinüber.

Im Vorzimmer des Bürgermeisters saß, wider Erwarten, keine Sekretärin, dafür stand die Tür zum Büro offen. Fabian räusperte sich vernehmlich, und gleich darauf streckte ein Mann seinen Kopf heraus.

»Herr Roloff, nehm’ ich an?«

Der Besucher nickte.

»Markus Bruckner«, rief der Mann lächelnd und reichte ihm die Hand. »Kommen S’ nur herein. Schön, daß Sie da sind. Ich hab’ meiner Sekretärin freigegeben, damit wir ungestört sind.«

Fabian folgte ihm in das Büro. Irgendwie befremdete es ihn, daß der Bürgermeister nicht wollte, daß seine Mitarbeiterin etwas von dem Besuch mitbekam. Aber er fragte nicht nach den Gründen für diese Geheimhaltung.

»Bitte schön, nehmen S’ Platz«, sagte Markus Bruckner und deutete auf einen Stuhl, vor seinem Schreibtisch.

Der Architekt setzte sich.