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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Sepp Reisinger, der Wirt vom Hotel »Zum Löwen« in St. Johann, stand in der Tür zum großen Saal und schaute zufrieden auf das Treiben. Dreihundert Menschen paßten hier rein, und ungefähr so viele waren es auch. Nahezu jeder Tisch war besetzt, Bier floß in Strömen, die Musik spielte und auf der Tanzfläche drängten sich die Paare. Besonders ausgelassen zeigten sich die junge Leute, die an einem gesonderten Tisch saßen, der näher zur Musikkappelle stand, im Gegensatz zu dem, an welchem die Honoratioren des Dorfes ihre Plätze hatte. Und unter den Madln und Burschen tat sich einer ganz besonders hervor: Toni Kreuzinger, der dreiundzwanzigjährige Sohn des Kreuzingerbauern, der schon am Wochenbeginn dem Samstagabend entgegenfieberte, an dem das Tanzvergnügen im Löwen stattfand. Der fesche Bursche war allerdings auch ein begnadeter Tänzer, und die Madln rissen sich darum, von ihm aufgefordert zu werden. Ob dieser Kunst, und weil der Toni ohnehin ein sympathischer Kerl war, hatte er eine Menge Spezi, war auf jeder Veranstaltung gern gesehen und ließ auch von sich aus keine Gaudi aus. Nur treu sein, das konnte der Kreuzinger-Toni net, denn wo es so viele schöne Madln gab, da konnte es der Herrgott net gewollt haben, daß der Toni nur eine glücklich machte und die and'ren net beachtete – so war zumindest seine Lebensphilosophie. Unter denen, die dort an dem Tisch saßen, war auch eine junge Magd. Vroni Raitmayr arbeitete seit gut zwei Jahren auf dem Kreuzingerhof. Aus Unterfranken war sie hierhergekommen, nachdem der Bauer, bei dem sie zuvor gearbeitet hatte, den Hof aufgegeben hatte und nun als Fernfahrer sein Geld verdiente. Dreiundzwanzig war sie, wie der Toni, und hübsch obendrein. Das hatten die Burschen längst bemerkt, und wenn Tanzabend war, konnte sich Vroni kaum vor Verehrern retten. Nur einer schien in dieser Beziehung blind zu sein – Toni. Der Bauernsohn hatte keine Ahnung, daß die Magd schon lange ihr Herz an ihn verloren hatte. Seit sie damals auf den Hof gekommen war, wußte sie, daß sie dem Mann ihrer Träume begegnet war, doch wie es schien, war diese Liebe aussichtslos. Vroni war indes ein lebensfrohes Madl und hatte eine Menge Freundinnen. Besonders gut verstand sie sich mit Katja Hirsinger, einer Magd vom Nachbarhof.
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Seitenzahl: 125
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Sepp Reisinger, der Wirt vom Hotel »Zum Löwen« in St. Johann, stand in der Tür zum großen Saal und schaute zufrieden auf das Treiben. Dreihundert Menschen paßten hier rein, und ungefähr so viele waren es auch. Nahezu jeder Tisch war besetzt, Bier floß in Strömen, die Musik spielte und auf der Tanzfläche drängten sich die Paare.
Besonders ausgelassen zeigten sich die junge Leute, die an einem gesonderten Tisch saßen, der näher zur Musikkappelle stand, im Gegensatz zu dem, an welchem die Honoratioren des Dorfes ihre Plätze hatte.
Und unter den Madln und Burschen tat sich einer ganz besonders hervor: Toni Kreuzinger, der dreiundzwanzigjährige Sohn des Kreuzingerbauern, der schon am Wochenbeginn dem Samstagabend entgegenfieberte, an dem das Tanzvergnügen im Löwen stattfand.
Der fesche Bursche war allerdings auch ein begnadeter Tänzer, und die Madln rissen sich darum, von ihm aufgefordert zu werden. Ob dieser Kunst, und weil der Toni ohnehin ein sympathischer Kerl war, hatte er eine Menge Spezi, war auf jeder Veranstaltung gern gesehen und ließ auch von sich aus keine Gaudi aus.
Nur treu sein, das konnte der Kreuzinger-Toni net, denn wo es so viele schöne Madln gab, da konnte es der Herrgott net gewollt haben, daß der Toni nur eine glücklich machte und die and’ren net beachtete – so war zumindest seine Lebensphilosophie.
Unter denen, die dort an dem Tisch saßen, war auch eine junge Magd. Vroni Raitmayr arbeitete seit gut zwei Jahren auf dem Kreuzingerhof. Aus Unterfranken war sie hierhergekommen, nachdem der Bauer, bei dem sie zuvor gearbeitet hatte, den Hof aufgegeben hatte und nun als Fernfahrer sein Geld verdiente.
Dreiundzwanzig war sie, wie der Toni, und hübsch obendrein. Das hatten die Burschen längst bemerkt, und wenn Tanzabend war, konnte sich Vroni kaum vor Verehrern retten. Nur einer schien in dieser Beziehung blind zu sein – Toni. Der Bauernsohn hatte keine Ahnung, daß die Magd schon lange ihr Herz an ihn verloren hatte. Seit sie damals auf den Hof gekommen war, wußte sie, daß sie dem Mann ihrer Träume begegnet war, doch wie es schien, war diese Liebe aussichtslos.
Vroni war indes ein lebensfrohes Madl und hatte eine Menge Freundinnen. Besonders gut verstand sie sich mit Katja Hirsinger, einer Magd vom Nachbarhof. Die beiden steckten oft zusammen, und Katja war die einzige, die von Vronis einsamer Liebe zu dem Bauernsohn wußte.
Jetzt saßen die zwei Madln nebeneinander und schauten dem Treiben auf der Tanzfläche zu. Wie nicht anders zu erwarten, zeigte Toni Kreuzinger wieder einmal sein ganzes Können. Er wirbelte seine Tanzpartnerin durch die Luft, als die Kapelle einen Rock ’n’ Roll spielte, wiegte sie beim langsamen Walzer sanft in seinen Armen und hatte dabei jenen verträumten Ausdruck im Gesicht, der die Madln zum Dahinschmelzen brachte.
»Na, der zieht ja mal wieder mächtig eine Schau ab«, meinte Katja und stieß Vroni dabei in die Seite.
Die hübsche Magd zuckte die Schultern.
»Laß ihm doch seinen Spaß.«
Katja Hirsinger schüttelte den Kopf.
»Also, mir wär’s net so egal, wenn der Mann meiner Träume sich so mit anderen Madln amüsiert«, sagte sie. »Keinen Augenblick könnt’ ich’s aushalten.«
Vroni seufzte und trank einen Schluck von ihrer Weinschorle.
»Was soll ich denn machen?« fragte sie. »Er ist nun mal so. Außerdem weiß er ja gar net, daß ich ihn liebhab’.«
»Ja, und genau das stößt mir sauer auf«, sagte die Freundin ärgerlich. »Warum hast’ ihm denn noch nie zu verstehn gegeben, was du für ihn empfindest? Von allein kommt er ja doch net darauf.«
»Wie stellst’ dir denn das vor?« antwortete Vroni ungehalten. »Soll ich ihm etwa um den Hals fallen und ihm sagen, daß ich ihn zum Mann haben möcht’?«
»Warum net?«
Vroni senkte den Kopf.
»Erstens mach’ ich so was net«, erwiderte sie, »zweitens möcht’ ich, wenn überhaupt, daß er von selbst darauf kommt, und drittens ist’s sowieso aussichtslos, weil…«
Katja sah sie fragend an.
»Weil was? Nun red’ doch endlich weiter!«
Die Magd schaute sich um, ob jemand außer der Freundin sie hören konnte. Aber nur am anderen Ende des Tisches saßen ein paar Burschen und unterhielten sich lautstark.
»Der Toni soll die Anne heiraten«, sagte sie schließlich. »Der Bauer hat’s so beschlossen.«
Katja riß die Augen auf.
»Was, uns’re Anne? Das glaub’ ich net.«
»Kannst du ruhig. Tonis Vater und euer Bauer haben’s besprochen und sind sich einig geworden. Der Stadlerbauer hat keinen Hof-erben, und wenn der Toni und Anne heiraten, dann werden die beiden Höfe zusammengelegt.«
Katja Hirsinger war so überrascht von dieser Neuigkeit, daß sie erst einmal etwas trinken mußte.
»Seit wann weißt’ denn das?« wollte sie wissen.
Vroni blickte auf die Tanzfläche, wo Toni Kreuzinger immer noch der Platzhirsch war.
»Vor ein paar Tagen war dein Bauer bei uns auf dem Hof, Tonis Vater wollt’ er sprechen. Die zwei haben zusammengesessen und alles verabredet.«
»Ach, ich weiß schon. Am nächsten Morgen ist der Stadlerbauer mit ziemlicher Verspätung und noch mehr Kopfschmerzen aufgestanden. Wahrscheinlich haben s’ den Handel gleich richtig begossen.«
Katja sah nachdenklich vor sich hin.
»Möcht’ nur wissen, was die Anne dazu sagt«, überlegte sie halblaut. »Ob die überhaupt schon von ihrem Glück weiß?«
Sie blickte auf die Freundin.
»Und du läßt dir das gefallen?« fragte sie kopfschüttelnd.
Vroni Raitmayr hob hilflos die Hände und ließ sie wieder fallen.
»Was soll ich denn machen? Abgesehen davon, daß der Toni ja keine Ahnung hat, was ich für ihn empfinde, hab’ ich doch gar keine Chance gegen die Anne. Ich bin nur die Magd, ohne Hof. Ich hab’ ja net einmal viel Geld, außer dem bissel, was ich gespart hab’. Wenn ich damit komm’, lacht der Bauer mich doch aus, vom Toni ganz zu schweigen.«
Resignierend zuckte sie die Schultern.
»Es ist halt nur ein schöner Taum.«
»Ja«, nickte Katja, »und du mußt aufpassen, daß du rechtzeitig aufwachst. Sonst träumst nämlich in zwanzig Jahren immer noch von deiner einsamen Liebe!«
*
Auch wenn Toni am Wochenende gerne mal über die Stränge schlug, so war er morgens doch wieder pünktlich aus den Federn. Wie jeden Tag stand er im Stall, melkte und fütterte die Kühe, mistete den Schweinestall aus und trieb die Tiere anschließend auf die Weide.
Denen war es nämlich egal, was für ein Tag es war oder ob der Bauernsohn sich die halbe Nacht um die Ohren geschlagen hatte – sie wollten versorgt werden, und Toni kam seinen Pflichten nach.
Er wußte, wenn er ordentlich seine Arbeit verrichtete, dann würde der Vater auch ein Auge zudrücken, wenn der Sohn sich mal wieder irgendwelche Eskapaden leistete.
Nur eines machte dem Bauernsohn Sorge. Seit ein paar Wochen sprach der Vater wiederholt davon, daß es für Toni endlich an der Zeit wäre, sich die Flausen aus dem Kopf zu schlagen und ernsthaft darüber nachzudenken, ob es nicht endlich an der Zeit wäre, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Schließlich sei er, der Vater, nicht mehr der Jüngste und wolle sich beizeiten auf das Altenteil zurückziehen.
Ein siedendheißer Schreck durchfuhr den Burschen bei diesen Worten.
Heiraten?
Das war das letzte, was er wollte!
Doch schien der Vater in dieser Angelegenheit unerbittlich, denn erst gestern hatte er wieder gesagt, daß sie sich zusammensetzen müßten, um darüber zu reden.
Daran dachte Toni, während er zusammen mit der Magd die Milchkannen nach vorn an die Straße schob.
Tja, wenn die Mutter noch lebte, die würde dem Vater diesen Blödsinn schon austreiben!
Toni war ein absolutes Wunschkind gewesen. Lange hatte es gedauert, bis Xaver und Christine Kreuzinger endlich Eltern wurden, und die Mutter hatte dem Bub stets alles durchgehen lassen.
Doch leider hatte der Herrgott sie längst zu sich gerufen, und jetzt konnte der Sohn zusehen, wie er dieses Damoklesschwert, das über ihm hing, abwehrte.
»So schweigsam?« unterbrach Vroni die Gedanken des jungen Bauern.
Im Gegensatz zu ihm wußte sie ja schon von der Verabredung seines Vaters mit dem Nachbarn. Als die beiden auf der Diele gesessen waren und sich den Obstler hatten schmecken lassen, da konnte die Magd durch die offene Küchentür hören, worüber sie sprachen. Vor allem, daß sie ausmachten, erst am kommenden Wochenende, also heute nach dem Kirchgang mit den Kindern zu reden.
Toni schaute auf.
»Was?«
Offenbar hatte er nur am Rande mitbekommen, daß sie ihn angesprochen hatte.
»Ach nix«, schüttelte sie den Kopf und half ihm, die schweren Milchkannen abzuladen.
Während der Bursche wieder im Kuhstall verschwand, eilte die Magd in die Küche und machte sich daran, das Frühstück herzurichten. Schon bald duftete es nach gebratenen Eiern und Speck, frischgebrühtem Kaffee und herzhaftem Schinken und Käse. Gestern hatte Vroni ein Semmelbrot gebacken, das sie aufschnitt und zusammen mit Butter und Marmelade auf den Tisch stellte.
Xaver Kreuzinger gönnte es sich am Sonntag, ein wenig länger im Bett zu bleiben, und erschien erst zum Frühstück, als Toni mit seiner Arbeit fertig war und hereinkam.
»Na, wie war’s gestern abend?« erkundigte sich der Bauer und schaute seinen Sohn schmunzelnd an.
Der grinste breit.
»Wie soll’s schon gewesen sein?« entgegnete er. »Feuchtfröhlich halt.«
Der Altbauer trank einen Schluck Kaffee.
»Denk’ dran, daß wir nach dem Kirchgang was zu besprechen haben«, erinnerte er ihn. »Ist wichtig.«
Natürlich konnte Toni sich denken, weshalb der Vater mit ihm reden wollte. Andeutungen hatte er in den letzten Wochen ja genug gemacht. Aber heute schien die ganze Angelegenheit ernsthaft Gestalt anzunehmen.
»Worum geht’s denn eigentlich?« fragte er deshalb.
Xaver Kreuzinger schüttelte den Kopf.
»Nachher, hab’ ich gesagt.«
Toni seufzte innerlich. Eigentlich ging er nach der Messe immer ins Wirtshaus, wo er sich mit den anderen traf. Dort spülten sie die letzten Reste ihres Katers fort und übertrafen sich in ihren Schilderungen, welche tollen Erlebnisse sie in der vergangenen Nacht gehabt hatten.
Nun ja, würden seine Spezi sich heut’ eben allein unterhalten müssen.
Bis zur Fahrt hinunter ins Dorf hatte jeder noch irgend etwas zu tun. Vroni bereitete in der Zeit das Mittagessen soweit vor, daß es später nur noch aufgewärmt werden mußte. Dann zog sie sich um und stand pünktlich abfahrbereit in der Diele des Bauernhauses.
An manchen Sonntagen schien die Kirsche von St. Johann viel zu klein für die vielen Menschen, die zur Messe kamen. Unter ihnen waren nicht nur die Dörfler und die Bauern aus dem Wachnertal. Viele Urlauber, die hier ihre Ferien verbrachten kamen ebenfalls, hatte es sich doch herumgesprochen, daß Pfarrer Trenker seine Predigten immer mit einer Prise Humor würzte und so manches fröhliche Gelächter durch die alten Mauern des Gotteshauses hallte.
Der Geistliche empfing die Gemeinde vor der Tür und begrüßte jeden einzelnen. Oft war es ein gutes Wort, das er fand, manchmal aber auch ein kleiner, spaßhafter Seitenhieb.
»Na, Toni«, sprach Sebastian den Bauernsohn an, nachdem er die Magd und Xaver Kreuzinger begrüßt hatte.
»Bist’ schon wieder auf den Beinen? In der vergangenen Nacht hast’ ja wieder mächtig aufgedreht, wie man so hört.«
Toni war unwillkürlich rot angelaufen.
»Woher wissen S’ denn das, Hochwürden?« fragte er mit gesenktem Kopf.
Sebastian schmunzelte und deutete mit dem Zeigefinger zum Himmel.
»Du hast wohl vergessen, daß ich einen besonders guten Draht nach da oben hab’, was?«
»Das ist ohnehin bald vorbei, Hochwürden«, mischte sich der Bauer lachend ein. »Wenn der Bub erstmal Ehemann geworden ist, dann ist’s Schluß mit diesen jugendlichen Torheiten.«
Der gute Hirte von St. Johann sah Vater und Sohn erstaunt an.
»Was hör’ ich da? Wer ist denn die Auserwählte?«
Xaver Kreuzinger verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen.
»Das, Hochwürden, wissen außer mir nur noch der Brautvater und der liebe Gott«, sagte er mit einem Augenzwinkern. »Aber der Bub wird’s heut’ noch erfahren, und dann kommt er bald mit seiner Braut zu Ihnen, um das Aufgebot zu bestellen.«
Sebastian Trenker sah den beiden nachdenklich hinterher.
Hatte er das wirklich richtig verstanden? Toni Kreuzinger würde bald heiraten, wußte aber noch gar nicht wen?
Wenn das mal gutgeht, überlegte der Geistliche, während er die Stufen zur Kanzel hinaufging.
Oben angekommen, sah er einen Moment auf die Gemeinde hinab. Der Kreuzingerbauer und sein Sohn saßen auf ihren Plätzen, daneben die junge Magd.
Vroni, war sie die Braut?
Im Grunde würde Sebastian das gutgeheißen haben. Die Magd war nicht nur hübsch, sondern auch fleißig. Kurz nach dem Tod der Kreuzingerin hatte der Bauer sie eingestellt, und ohne ihre Hilfe wäre der Männerhaushalt wahrscheinlich längst im Chaos versunken.
Nur eines störte den guten Hirten von St. Johann: Toni schien noch gar nichts davon zu wissen, wen er heiraten sollte, und daß sein Vater die Magd auserwählt hatte, mochte Sebastian nicht so recht glauben. Wie er aus zahlreichen Gesprächen wußte, die er und Xaver geführt hatten, wollte der Bauer eine Schwiegertochter, die eine stattliche Mitgift auf den Hof einbrachte, und da war Vroni Raitmayr die dankbar ungeeignetste Kandidatin. Außerdem lebte ihr Vater nicht mehr, wie er einmal von Vroni erfahren hatte.
Xaver, Xaver, dachte Sebastian, während er begann, seine Predigt zu halten, was hast’ dir bloß dabei gedacht?
*
»Der schmeckt aber gut, der Schweinsbraten«, lobte der Stadlerbauer das Mittagessen. »Und die Knödel erst! Richtig schön locker. Die hast’ mit viel Liebe gemacht, was?«
Bei dieser Frage sah er seine Tochter an, die ihm gegenübersaß. Anne, ein hübsches zweiundzwanzigjähriges Madl lächelte. Den ganzen Morgen über überlegte sie schon, warum der Vater heute so gute Laune hatte. Als sie ihre Mutter fragte, hatte die nur mit den Schultern gezuckt. Aber irgendwie herrschte heute eine geheimnisvolle Atmosphäre auf dem Hof, gerade so, als ob etwas Besonderes in der Luft liege.
Dazu trug auch der junge Bursche bei, der mit am Tisch saß und die Bauerstochter immer wieder verstohlen anschaute. Wenn sich dann ihre Blicke begegneten, zwinkerte er ihr zu und erntete dafür ein Lächeln.
Florian Brendel arbeitete seit einem halben Jahr auf dem Hof, nachdem der Altknecht in Rente gegangen war. Zwischen dem jungen Knecht und der Tochter des Bauern hatte sich recht schnell etwas angebahnt. Im Heustadel war es, wo sie sich das erste Mal geküßt hatten. Seither trafen sie sich heimlich, und weder die Eltern noch Katja Hirsinger wußten etwas davon, obgleich Anne ein recht freundschaftliches Verhältnis mit der Magd verband.
Aber sie wollte nicht, daß ihre Liebe schon bekannt würde, ahnte Anne doch, was ihr Vater dazu sagen würde, wenn sie den Eltern erzählte, daß sie Florian heiraten wollte.
Natürlich wäre es etwas ganz anderes, wenn der Knecht nicht Knecht, sondern der Sohn eines reichen Bauern gewesen wäre. Schließlich hatte Franz Stadler immer wieder betont, daß ihm nur ein wohlhabender Schwiegersohn auf den Hof käme. Aber das war Florian Brendel nicht, ganz im Gegenteil. Nachdem er vergeblich versucht hatte, den hochverschuldeten Hof seines Vaters wieder auf Vordermann zu bringen, war ihm nichts anderes übrig geblieben, als das Erbe zu verkaufen und sich woanders als Knecht zu verdingen. Ein paar tausend Euro waren ihm zwar übrig geblieben, aber das war viel zu wenig, um damit Annes Vater imponieren zu können.
Dennoch, Anne liebte ihn ebensosehr wie er sie, und für beide stand fest, daß sie zusammenbleiben und heiraten würden.
Nach dem Mittagessen zogen sich Magd und Knecht in das Gesindehaus zurück, während die Familie in der Wohnstube saß.