Wir beide haben es geschafft - Patricia Vandenberg - E-Book

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Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. In der Behnisch-Klinik ging es turbulent zu, als dichter Nebel und das erste Glatteis seine Opfer forderten. Fast ohne Pause hörte man Sirenen, und drei Verletzte waren schon in den Morgenstunden eingeliefert worden. Zwei konnten nach ambulanter Versorgung entlassen werden, der dritte mußte mit einem komplizierten Beinbruch bleiben. Nach ersten noch sonnigen Tagen zeigte sich nun der November als der düstere Monat der Trauer. Stürmische Winde rissen die letzten Blätter von den Bäumen und peitschten Regenböen durch die letzten Straßen. Die frischoperierten Patienten litten besonders unter diesem Wetter, obgleich sie wenigstens ein sicheres Dach über dem Kopf hatten, aber Dr. Behnisch und seine Frau Jenny fürchteten, daß es für sie noch mehr zu tun geben würde. Der junge Arzt Dr. Gerald Wacker, der seit ein paar Wochen an der Behnisch-Klinik praktische Erfahrungen sammelte, machte seinem Namen alle Ehre und hielt sich wacker. Er mußte manchmal aber gewaltig schlucken, wenn er von nervösen Patienten mit ungerechten Vorwürfen überhäuft wurde, die mehrmals hatten klingeln müssen, bis ein Arzt sich um sie kümmern konnte. Die Schwestern taten, was sie konnten, aber überall konnten sie auch nicht zu gleicher Zeit sein. Aber es bewies sich wieder einmal, daß diejenigen, die die größten Schmerzen hatten, am geduldigsten waren. Dr. Wacker machte auch privat eine bittere Erfahrung, denn seine Freundin Sabine hatte nicht das geringste Verständnis dafür, daß er an solchem Tag in der Klinik bleiben mußte, da sie doch Karten für ein Jazz-Konzert besorgt hatte. Ihr beleidigter und zugleich aggressiver Ton ärgerte ihn. Und als sie sagte, daß sie dann

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Dr. Norden Bestseller – 264–

Wir beide haben es geschafft

Patricia Vandenberg

In der Behnisch-Klinik ging es turbulent zu, als dichter Nebel und das erste Glatteis seine Opfer forderten. Fast ohne Pause hörte man Sirenen, und drei Verletzte waren schon in den Morgenstunden eingeliefert worden. Zwei konnten nach ambulanter Versorgung entlassen werden, der dritte mußte mit einem komplizierten Beinbruch bleiben.

Nach ersten noch sonnigen Tagen zeigte sich nun der November als der düstere Monat der Trauer. Stürmische Winde rissen die letzten Blätter von den Bäumen und peitschten Regenböen durch die letzten Straßen.

Die frischoperierten Patienten litten besonders unter diesem Wetter, obgleich sie wenigstens ein sicheres Dach über dem Kopf hatten, aber Dr. Behnisch und seine Frau Jenny fürchteten, daß es für sie noch mehr zu tun geben würde. Der junge Arzt Dr. Gerald Wacker, der seit ein paar Wochen an der Behnisch-Klinik praktische Erfahrungen sammelte, machte seinem Namen alle Ehre und hielt sich wacker. Er mußte manchmal aber gewaltig schlucken, wenn er von nervösen Patienten mit ungerechten Vorwürfen überhäuft wurde, die mehrmals hatten klingeln müssen, bis ein Arzt sich um sie kümmern konnte.

Die Schwestern taten, was sie konnten, aber überall konnten sie auch nicht zu gleicher Zeit sein. Aber es bewies sich wieder einmal, daß diejenigen, die die größten Schmerzen hatten, am geduldigsten waren.

Dr. Wacker machte auch privat eine bittere Erfahrung, denn seine Freundin Sabine hatte nicht das geringste Verständnis dafür, daß er an solchem Tag in der Klinik bleiben mußte, da sie doch Karten für ein Jazz-Konzert besorgt hatte.

Ihr beleidigter und zugleich aggressiver Ton ärgerte ihn. Und als sie sagte, daß sie dann eben Peter fragen würde, wohl um ihn eifersüchtig zu machen, erwiderte er barsch: »Dann geh doch mit ihm!«

Es mochte manchmal gut sein, daß man in einer bestimmten Situation nachdenklich gestimmt wurde, wenn man von einem anderen Menschen nur die Schokoladenseite kannte. Dr. Wacker dachte nicht mehr lange über Sabine nach. Das konnte er auch gar nicht, denn schon wieder fuhr der Rettungswagen vor, und diesmal sollte es für alle Ärzte in der Behnisch-Klinik hart werden.

Da wurde auf einer Trage ein Bündel Mensch hereingetragen, an dem nichts unversehrt zu sein schien. Selbst für Dr. Behnisch und seine Frau Jenny, die an Schlimmes gewöhnt waren, bot sich ein entsetzlicher Anblick dar. Wie sollten sie da noch helfen können?

Aber das Herz schlug, und es war das Herz eines Mannes, der noch am gestrigen Tag eine kraftvolle Persönlichkeit gewesen war.

Als er in den OP gebracht worden und sein Gesicht vom Blut gesäubert war, kam ein Stöhnen über Dr. Behnischs Lippen.

»O Gott, das ist Julian Gregory«, kam es tonlos über seine Lippen, und er sah seine Frau Jenny mit einem hilflosen Blick an. Er hatte diesen Schwerverletzten nur an der Narbe erkannt, die sich von der Stirn zum linken Ohr hinzog, denn diese Wunde hatte er vor einem Jahr selbst geklammert, als Julian Gregory von einem Betrunkenen mit einem Bierkrug niedergeschlagen worden war. Aber da war es nur die Platzwunde und eine leichte Gehirnerschütterung gewesen. Jetzt sahen die Ärzte für ein Überleben dieses Mannes kaum eine Hoffnung.

Immerhin war Dr. Julian Gregory durch Zufall in eine Klinik gebracht worden, in der man ihn erkannte, denn Papiere hatte er nicht bei sich. Überhaupt nichts, was auf seine Identität schließen ließ, und das gab Dr. Behnisch erst recht zu denken.

Nachdem für ihn getan worden war, was man jetzt überhaupt tun konnte, denn eine genaue Untersuchung oder gar eine Operation konnte in diesem Stadium tatsächlich das Ende von Julians Leben bedeuten, sagte Dr. Behnisch sehr nachdenklich zu seiner Frau: »Wenn man ihn woanders hingebracht hätte, würde man ihn vielleicht für einen Obdachlosen halten, so, wie er beisammen ist. Ich verstehe das nicht, Jenny. Ich habe ihn erst vorige Woche getroffen, als ich beim Vortrag von Gürtner war.«

»Was hat Gregory mit Herzchirurgie zu tun? Er ist doch Ingenieur, soweit ich mich erinnere.«

»Und Forscher und Erfinder«, sagte Dieter Behnisch nachdenklich. »Er hat uns angedeutet, daß die Herzschrittmacher verbessert werden könnten. Was mag da geschehen sein, daß er uns in einem solchen Zustand ins Haus gebracht wird?«

Sie erfuhren nur, daß er auf der Zufahrt zur Autobahn Garmisch gefunden worden sei, und daß man von einem Wunder sprechen könne, daß er nicht noch überrollt worden wäre.

»Jedenfalls scheint es so, daß er zumindest angefahren worden ist, ob vorher oder nachher müßte festgestellt werden«, meinte Dieter Behnisch. Und die Polizei mußte freilich auch eingeschaltet werden, aber das war sie schon, wie sie gleich darauf erfuhren. Für die war es jedenfalls interessant, daß Dr. Behnisch sagen konnte, um wen es sich handelte, und da machte der Polizeibeamte die bedeutsame Bemerkung, daß die Schuldigen damit wohl nicht gerechnet hätten.

Dr. Gregory sollte in ein anderes Krankenhaus gebracht werden, aber dagegen protestierte Dr. Behnisch. »Ich kenne ihn, und wir tun, was möglich ist. Hier hat er persönliche Betreuung von Ärzten, die an ihm menschliches Interesse haben.«

»Aber er hat doch wohl kaum eine Überlebenschance«, sagte der Beamte.

»Solange sein Herz schlägt, geben wir nicht auf«, erklärte Dr. Behnisch.

Aber für ihn, seine Frau und die Behnisch-Klinik sollten aufregende Wochen beginnen, und sie waren recht froh, daß Dr. Wacker seinem Namen auch weiterhin Ehre machte.

*

Obgleich Julian Gregory nach wie vor im Koma lag, schien es, als wäre der Lebenswille in ihm nicht gebrochen. Blutransfusionen und Infusionen hatten ihn über die kritischen nächsten vierundzwanzig Stunden hinweggerettet, und die Ärzte konnten nun auch feststellen, welche Verletzungen am gravierendsten waren. Die unteren Rückenwirbel und der Beckenbereich bereiteten Dr. Behnisch da tatsächlich noch die wenigsten Sorgen, weil Julian Gregory sich sowieso nicht bewegen konnte. Er war stillgelegt, wie es die Mediziner bezeichneten, dauernd unter Betäubungsmitteln gehalten. Es war auch die einzige Möglichkeit, um wenigstens die Brüche zu richten. Beide Beine waren gebrochen, auch der linke Arm. Hinzu kamen die schweren Stauchungen und die Quetschungen der Innenorgane. Als zweites Wunder konnte es Dr. Behnisch bezeichnen, daß die Nieren arbeiteten und der Leberriß als solcher nicht lebensbedrohend sein würde, wenn keine weiteren Komplikationen hinzukamen.

Dr. Behnisch wußte, daß Julian Gregory ein kräftiger und auch sportlicher Mann war, und er kapitulierte nicht, wie es mancher andere wohl getan hätte, der nur den augenblicklichen Zustand dieses Mannes sah. Für Dr. Behnisch war es wichtig, daß Julian die erste Nacht überstanden hatte, und das war ein Beweis, daß er wenigstens auf die medikamentöse Behandlung ansprach.

Nach achtundvierzig Stunden entwickelte sich alles noch dramatischer. Da erschien ein sehr seriös wirkender älterer Herr und wünschte ihn bezüglich des Falles Gregory persönlich unter vier Augen zu sprechen.

Zum Mißtrauen schien kein Anlaß zu bestehen, denn dieser Dr. Richter wies sich als enger Mitarbeiter von Dr. Gregory aus, aber Dr. Behnisch hatte in seinem Leben schon so manches erlebt, was ihn immer vorsichtiger hatte werden lassen, und so war er auf der Hut und entsprechend reserviert.

Dr. Richter erklärte vorerst, daß er um äußerste Diskretion bäte und bezüglich des Patienten ebensolche gewahrt werden solle. Dann fragte er, ob Dr. Gregory Papiere bei sich gehabt hätte.

»Nichts, gar nichts, und wenn ich ihn nicht zufällig persönlich gekannt hätte, hätte ich ihn möglicherweise auf den ersten Blick für einen Landstreicher halten können, so war er beisammen.«

»Schlecht gekleidet?« fragte Dr. Richter wachsam.

»Nun, die Kleidung war zerfetzt, und Hinweise auf den Hersteller waren herausgerissen. Aber ich würde Sie doch bitten, Ihre Informationen direkt bei der Kriminalpolizei zu erfragen.«

»In diesem ganz besonderen Fall, der uns sehr am Herzen liegt, möchte ich lieber vertraulich mit dem verantwortlichen Arzt sprechen«, erklärte Dr. Richter.

»Würden Sie mir dann bitte vertraulich mitteilen, worum es geht?« fragte Dr. Behnisch sarkastisch.

»Das kann ich leider nicht. Ich kann nur soviel sagen, daß Dr. Gregory möglicherweise wegen seiner Erfindung überfallen und beraubt wurde.«

»Und um was für eine Erfindung handelt es sich?«

»Das kann ich auch nicht sagen. Das unterliegt strengster Geheimhaltung. Jedenfalls möchte ich Sie bitten, in Dr. Gregorys Interesse niemanden zu ihm zu lassen, der nicht mit ihm verwandt ist oder entsprechend kontrolliert wird.«

»Sie machen mir Spaß«, sagte Dr. Behnisch trocken. »Kontrollieren kann ich niemanden, aber ich kann Sie insofern beruhigen, daß vorerst überhaupt keine Besuche gestattet werden, schon wegen einer eventuellen Infektionsgefahr nicht. Dr. Gregory schwebt immer noch in höchster Lebensgefahr.«

»Wenn er doch wenigstens nur sagen könnte, was passiert ist und was mit seinen Akten geworden ist«, sagte Dr. Richter heiser.

»Für uns ist wichtiger, daß wir sein Leben erhalten«, erklärte Dr. Behnisch kühl.

»Darf ich fragen, woher Sie Dr. Gregory kennen?« fragte Dr. Richter nach kurzem Überlegen.

»Ich mußte ihn vor einem Jahr schon einmal ärztlich versorgen, weil ein Betrunkener ihn angegriffen hatte. Er hatte eine Stirnwunde davongetragen, die ich geklammert habe. Man sieht die Narbe noch. Daran habe ich ihn erkannt.«

»Welch ein glücklicher Zufall für Dr. Gregory«, sagte Dr. Richter, und es klang aufrichtig und erleichtert. »Es gibt da viele Rätsel zu lösen, das kann ich Ihnen sagen, Herr Dr. Behnisch. Sie würden sich große Verdienste erwerben, wenn Sie Julians Leben erhalten würden.«

*

»Große Verdienste!« sagte Dr. Behnisch spöttisch zu seiner Frau Jenny, als Dr. Richter gegangen war. »Da kriege ich vielleicht noch einen Orden. Ich möchte aber lieber wissen, warum man den armen Kerl so zugerichtet hat.«

»Du denkst auch an einen Überfall?«

»Darauf hat mich erst dieser Dr. Richter gebracht. Ich hatte den vagen Gedanken, daß ihn vielleicht ein Anhalter überfallen haben könnte.«

»Ein Anhalter, wie kommst du darauf?«

»Weil ich mich frage, wie er auf die Zufahrt zur Autobahn kam, und wo sein Wagen geblieben ist. Er fuhr einen recht teuren Wagen, Jenny, der ja nicht so einfach verschwunden sein wird.«

»Das werden die Kriminalisten doch wohl auch überlegen«, sagte Jenny nachdenklich.

»Sonst hätten sie ja wohl ihren Beruf verfehlt«, meinte er sarkastisch.

Freilich waren die Ermittlungen voll im Gange, ohne daß davon etwas an die Öffentlichkeit drang. Ohne Dr. Behnischs Hilfe hätten sie ja nie so schnell herausgefunden, um wen es sich bei diesem Schwerverletzten handelte, aber nun konnte man doch da ansetzen, wo er als angesehener und hochdotierter Mitarbeiter tätig war. Man wußte, wo er wohnte und welche Kennzeichen sein Auto besaß. In die Wohnung kam man hinein, aber das Auto blieb unauffindbar. Und bisher schien noch niemand Dr. Julian Gregory zu vermissen, abgesehen von Dr. Richter und ein paar Leuten, die zu strengstem Stillschweigen verpflichtet worden waren.

In der Behnisch-Klinik war er vorerst noch ein namenloser Patient, denn Dr. Behnisch und seine Frau Jenny befolgten die Bitte um Diskretion auch im Interesse ihres Patienten.

Drei Tage später erschien dann allerdings in den großen Tageszeitungen ein kurzer Artikel, in dem berichtet wurde, daß auf der Zufahrt zur Autobahn Garmisch ein Schwerverletzter gefunden worden sei, dessen Identität noch nicht festgestellt werden konnte. Es handele sich um einen Mann, über ein Meter achtzig groß, dunkelblondes Haar und blaugraue Augen. Er läge im Koma, und an seiner Gesundung würde gezweifelt.

Dr. Behnisch war davon zuvor unterrichtet worden. Das Klinikpersonal wußte, daß es sich um den Patienten handelte, der auf der Intensivstation lag, aber sie machten sich keine Gedanken, daß er rund um die Uhr betreut wurde, denn in der Behnisch-Klinik wurde niemand bevorzugt, sondern jedem wurde die Fürsorge zuteil, die nötig war. Die Klinik war in dem Artikel nicht genannt worden.

Es meldete sich auch niemand, und die Behnischs fragten sich, was wohl mit Julian Gregory geschehen wäre, wenn Dieter ihn nicht erkannt hätte.

*

Dr. Daniel Norden hatte während dieser stürmischen Tage auch sehr viel mit Verletzungen zu tun, die aber meist nicht besonders gefährlich waren. Doch dann wurde ihm eine junge Frau gebracht, der ein Dachziegel auf den Kopf gefallen war, und sie mußte in klinische Behandlung. Er brachte sie selbst zur Behnisch-Klinik. Dorthe und Franzi mußten die noch wartenden Patienten vertrösten, aber die hatten Verständnis für einen solchen Notfall.

Dorthe Harling war die Nachfolgerin von Loni geworden, die nun schon ein paar Monate als Frau Ruppert mit ihrem Mann und seinen beiden Töchtern, die sehr an ihr hingen, restlos ausgelastet war. Franziska Spar, ein liebes und tüchtiges Mädchen, wurde in Dr. Nordens Praxis als Arzthelferin ausgebildet. Dr. Norden konnte mit seinen beiden »Neuen« vollauf zufrieden sein, denn es klappte alles vorzüglich, und sie verstanden sich auch untereinander ausnehmend gut und ebenso auch mit den Patienten.

Franzi konnte nicht gleich damit fertig werden, daß die Patientin, die Dr. Norden in die Behnisch-Klinik brachte, von diesem Dachziegel doch recht beträchtlich verletzt worden war.

»Da geht man ganz arglos dahin, dann knallt es plötzlich, und man weiß gar nicht, woher es kommt«, sagte Franzi kopfschüttelnd. »Wer ist da eigentlich haftbar?«

»Wahrscheinlich doch die Haftpflichtversicherung des Hausbesitzers«, erwiderte Dorthe, »sofern er eine abgeschlossen hat. Aber ich glaube, das ist sogar Pflicht.«

»Da werde ich mal Onkel Walter fragen, der weiß es bestimmt«, sagte Franzi.

Dorthe warf ihr einen Seitenblick zu. »Ihr versteht euch wohl gut«, meinte sie beiläufig.

»Ganz prima, und ich hätte wirklich nichts dagegen, wenn Mutti ihn heiraten würde. Er möchte es nämlich gern, aber Mutti kann so stur sein.«

»Ich kann es verstehen, Franzi«, sagte Dorthe, »ein gebranntes Kind scheut das Feuer.«

»Aber mein Vater hat Mutti sitzen lassen, das wissen Sie doch, Dorthe. Onkel Walter meint es ehrlich.«

Dorthe wußte über die persönlichen Verhältnisse von Lotte Spar und ihrer Tochter Franzi ganz gut Bescheid, denn sie waren auch öfter privat zusammen, aber da sie selbst eine sehr unglückliche Ehe hinter sich hatte, hatte sie auch viel Verständnis für Lotte, die den Verstand jetzt vor das Gefühl stellte.

Dr. Norden war indessen mit der jungen Patientin in der Behnisch-Klinik angekommen. Die junge Frau, es war ja mehr ein Mädchen, hatte gerade noch ihren Namen nennen können, dann sagte es: »Es tut weh«, und dann schwand ihr Bewußtsein.

Sie war jung und hübsch, sehr zierlich und sehr gut gekleidet. Alix Rombach hieß sie. Rombach, irgendwie kam Dr. Norden der Name bekannt vor, aber momentan wußte er nicht, wo der einzuordnen wäre. Jedenfalls nicht in seine Praxis.

Da fällt ein Dachziegel von einem Haus und trifft ausgerechnet so ein hübsches junges Ding genau am Kopf, hatte auch Daniel Norden unterwegs gedacht. Es gab tatsächlich die seltsamsten Zufälle!

*

»Fein, daß du dich mal wieder blicken läßt«, wurde Dr. Norden von seinem Freund Dieter begrüßt.

»Ich hatte keine Ahnung, daß du mich vermißt«, scherzte Daniel. »Meistens stöhnst du doch, wenn ich dir Arbeit bringe.«

»Aber ich schicke dich nie weg, das kannst du nicht sagen.«

»Sage ich auch nicht.«

»Den schwersten Fall habe ich nicht dir zu verdanken«, fuhr Dieter fort. »Wir haben ja schon manches Dilemma gemeinsam durchgestanden, aber mein Sorgenpatient macht mir schwer zu schaffen.«

Daniel wußte bisher nur, daß der Schwerverletzte von der Autobahn in der Behnisch-Klinik lag. Das hatte er erfahren, als Jenny ihn wegen eines Patienten angerufen hatte, der von ihm zur Operation geschickt worden war.

Dr. Wacker bemühte sich inzwischen um Alix Rombach. Dieter wollte ihn auch mal allein entscheiden lassen.

»Schau dir doch mal den Patienten an«, sagte Dieter. »Vielleicht kennst du ihn?«

»Noch nicht identifiziert?« fragte Daniel.

Dieter verneinte. Er wollte es noch für sich behalten, daß er Julian sofort erkannt hatte und herausfinden, ob sich auch Daniel an ihn erinnerte, denn er hatte damals bei Julian erste Hilfe geleistet, als er durch den Betrunkenen verletzt worden war.

Daniel Norden betrachtete den Patienten, dann sah er Dieter fassungslos an.

»Das ist doch Gregory«, rief er aus, »hast du ihn etwa nicht erkannt?«

Schnell Legte Dieter den Zeigefinger auf seine Lippen. »Doch«, erwiderte er leise, »aber es soll nicht publik werden. Ich ahne, daß es da schlimme Hintergründe gibt. Aber uns ist es wichtig, daß er durchkommt.«

»Besteht immer noch akute Lebensgefahr?« fragte Daniel.

»Eine leichte Besserung ist eingetreten, aber solange er nicht aus dem Koma erwacht, bleibt alles in der Schwebe. Das EEG ist zwar nicht beängstigend, die Gehirnströme lassen hoffen, aber daß ein Mensch mit solchen Verletzungen überhaupt lebt, ist ein Wunder. Es war nicht einfach ein Unfall, Daniel.«

»Du meinst, man wollte ihn umbringen?« fragte Daniel heiser.

»Nicht nur ich meine das, und wahrscheinlich hielt man ihn für tot, sonst hätte man ihm den Rest gegeben. Mir graust es zu denken, daß es solche Subjekte gibt, die so grausam sind.«

»Man braucht doch nur mal Zeitung zu lesen, Dieter. Ich weiß schon, warum ich mir von Fee alles Wichtige berichten lasse. Mir langt es, wenn ich selbst mit gepeinigten Opfern zu tun habe, und das nicht zu wenig. Auch hinter fürstlichen Mauern waltet oft brutale Gewalt. Aber dir brauche ich das ja nicht zu erzählen. Was weißt du noch von Gregory?«

»Anscheinend hat er an einem wichtigen geheimen Projekt gearbeitet. Ein Mitarbeiter, Dr. Richter, war hier und hat ein paar Andeutungen gemacht und auch gesagt, daß niemand zu Gregory darf, auch wenn es bekannt wird, daß er hier liegt.«

»Und wer weiß, daß er hier liegt?«

»Jenny und ich und dieser Dr. Richter und jetzt du.«

»Ist dieser Dr. Richter glaubwürdig?«

»Aber ja, er hat seine Telefonnummer hinterlassen. Er war sehr besorgt um gewisse Papiere.«

»Also mehr um Papiere als um Gregory?«