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Der dauerhaft suchende Single hat die Gnade der Blindheit verloren. Diese Blindheit ist nötig, um sich dem anderen zu öffnen und sich ohne Vorbehalte auf ihn einzulassen. Langzeit-Singles aber stehen unter erheblichem Zeit- und Erwartungsdruck, ihre Ansprüche sind hoch. Kaum zeigt der andere Schwächen oder Fehler - schon wird er aussortiert. Der Nächste bitte! Wie es gelingt, dieses Schema zu durchbrechen und den passenden Partner zu finden, beschreibt der renommierte Paarberater Michael Mary in seinem erfrischend direkten Ratgeber Wo bist du und wenn nicht wieso? Mary hat bei der Arbeit mit seinen partnersuchenden Klienten verschiedene Verhaltensmuster identifiziert, die weitgehend unbewusst ablaufen und verhindern, dass eine tragfähige Beziehung aufgebaut werden kann. Man findet als Single in diesem Ratgeber nicht nur Antwort auf die Frage nach dem Warum und Wie des eigenen Verhaltens, sondern erfährt auch, wie man es wirkungsvoll verändert, sodass eine Beziehung möglich wird.
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Seitenzahl: 217
Nachdem ich wiederholt öffentlich die These vertrat, ein dauerhaftes Single-Dasein verdanke sich keineswegs dem Zufall, sondern sei von den Betroffenen selbst herbeigeführt, brandete unter Lesern und in Internetforen eine angeregte Diskussion auf. Bei allen Protesten leuchtete meine provokative These aber auch vielen Betroffenen ein, und meine Beratungspraxis erhielt fortan regen Single-Zulauf. Kamen bisher vorwiegend Paare, um ihre Beziehung zu verbessern oder zu retten, wollten jetzt auch zahlreiche Alleinstehende für sich herausfinden, »warum es nicht klappte« – oder andersherum: wie sie ihr Single-Dasein selbst herbeiführten und Beziehungen erfolgreich verhinderten.
Tun Singles das tatsächlich? Aber ja, auch wenn sie es natürlich unabsichtlich tun! Das einzusehen, fällt nicht unbedingt leicht. Wer ein Problem mit seinem Partner hat, der weiß zumindest, dass er diesen gewählt hat und niemand anderen verantwortlich dafür machen kann, gerade diesen Partner zu haben und keinen anderen. Bei Singles verhält es sich ebenso. Auch der Single wählt. Er wählt allerdings nicht aus, sondern ab. Er wählt »diesen nicht« und »jenen nicht« und »den schon gar nicht«. Er wählt sein Alleinsein. Die Frage, wie man es schafft, lange Zeit erfolgreich Single zu bleiben, lässt sich also leicht beantworten: indem man potenzielle Partner konsequent und dauerhaft aussortiert.
Eines muss ich hinsichtlich solcher Aussagen klarstellen: Ich bewerte dieses Vorgehen nicht, aber ich will bei den Fakten bleiben. Niemand wird gezwungen, Single zu sein. Dass dennoch Millionen Frauen und Männer diese Lebensform praktizieren, sollte nicht diffuses Mitleid hervorrufen, sondern aufrichtige Neugier wecken. Wie macht man das eigentlich? Wie bleibt man trotz Sehnsucht nach einem Partner allein? Wie ist es möglich, trotz intensiver Suche und häufiger Kontakte zum anderen Geschlecht einfach keinen Partner zu finden?
Kann denn Single Zufall sein? Nun, um Zufall handelt es sich bei dieser Lebenslage auf Dauer sicherlich nicht. Auch die bequeme Überzeugung, da draußen liefen Millionen »falsche« Partner herum, hilft niemandem weiter. Denn wenn diese Behauptung stimmen würde, wäre jede Partnersuche sinnlos und man könnte sie einstellen. Nein, man kann es drehen und wenden, wie man will: Der Single hat seine Finger im Spiel, wenn er keinen Partner findet. Aber genau darin liegt eine große Chance. Denn wenn der Single herausfindet, wie er sein Alleinbleiben aufrechterhält, was er selbst dazu tut, um Single zu bleiben, kann er dieses Verhalten ändern und zugunsten eines anderen Auftretens aufgeben – und schließlich sogar eine Beziehung eingehen.
In dieser Hinsicht bin ich durchaus optimistisch. Denn Singles, die in meine Beratung kommen, gewinnen wichtige Erkenntnisse, geben wesentliche ihrer scheinbar wahren Ansichten über den »richtigen« Partner auf und ersetzen selbstbezogenes Verhalten durch ein sinnvolleres, weil auf andere bezogenes Verhalten. Sie folgen dabei einer fundamentalen Erkenntnis: Wer eine Beziehung will, muss sich beziehen! Solche Effekte wünsche ich auch den Leserinnen und Lesern dieses Ratgebers!
Ihr Michael Mary
Verzichten Sie auf falsches Mitleid mit Singles! Single zu sein ist kein Makel und nicht automatisch von Nachteil. Ganz im Gegenteil: Es können sich auch erhebliche Vorteile mit diesem Zustand verbinden. In bestimmten Lebensphasen kann es angebracht sein, allein zu leben, etwa wenn man eine Trennung verarbeitet. Oder wenn man bestimmte Lebensziele verwirklichen möchte, für die sich bisher kein Partner fand.
Beziehungen sind ja nicht an sich erstrebenswert, und niemand ist nur deshalb glücklich, weil er eine Beziehung hat, auch wenn sich dieses Vorurteil hartnäckig hält. Je nach ihrer Qualität können Beziehungen auch Leid verursachen. So mancher Single hat dem, der aus Angst vor dem Alleinsein in einer fragwürdigen Beziehung verharrt, einiges voraus. Singles haben auch keine kürzere Lebenserwartung als in Beziehung lebende Personen. Seit das Alleinleben gesellschaftlich akzeptiert und nicht mehr stigmatisiert wird, seit nicht mehr mit dem Finger auf Alleinlebende gezeigt wird, gleicht sich die Lebenserwartung der beiden Gruppen an. Und schließlich gibt es keinen sozialen und ökonomischen Zwang mehr, eine Ehe vorzuweisen. Auch Singles finden heutzutage Wohnungen und Arbeitsplätze und können für ihr materielles Überleben sorgen. Aus solchen und anderen Gründen ist das Single-Dasein heute eine verbreitete Lebensform, in der sich viele Menschen vorübergehend eingerichtet haben oder in der sie sich dauerhaft wohlfühlen.
Doch zweifellos suchen viele Singles einen Partner, einen Lebensgefährten, eine verlässliche Beziehung und eine dauerhafte Liebe. Nur – wo liegt eigentlich das Problem? Potenzielle Partner sind reichlich vorhanden. In Ballungsräumen ist die Hälfte der Erwachsenen alleinstehend. In einer Stadt wie Hamburg betrifft das Hunderttausende Männer und Frauen. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, warum unter so vielen potenziellen Partnern nicht ein einziger passender dabei sein sollte. Die leichtfertige Beschwörung des angeblich so seltenen »Richtigen« kann keine ernsthafte und schon gar keine weiterführende Erklärung für das Phänomen bieten. Bevor es also darum geht, wie Singles einen Partner finden, muss erst einmal geklärt werden, warum selbst intensiv suchende Singles allein bleiben.
Diese Frage lässt sich vorab knapp beantworten: Sie beherrschen die Kunst des Aussortierens. Potenzielle Partner durchleben mehrere Phasen, bis es zu einer Beziehung kommt. In jeder dieser Phasen bieten sich Gelegenheiten auszusortieren. Dauerhafte Singles machen davon ausgiebig Gebrauch. Sie stellen einander vor Schnellgerichte, schlagen Funken aus, löschen Feuer, stellen Ego-Fallen auf und sorgen dafür, dass sie nicht zueinander passen. Es wundert also nicht, dass sie schließlich auf der Endstation Sehnsucht landen. Aber eins nach dem anderen! Schauen wir uns die erste Phase auf dem Weg zu einer Beziehung an, die Sympathiephase.
Damit zwei zu einer Beziehung gelangen, müssen sie zuallererst aufeinandertreffen. Zwar haben die wenigsten dauerhaft suchenden Singles Probleme, Kontakte zu knüpfen, und nur manche sind zu schüchtern, um ihre Sympathie offen zu zeigen. Diese bleiben womöglich allein, weil sie sich nicht trauen, Risiken einzugehen, sondern lieber auf der sicheren Seite verharren, indem sie Desinteresse signalisieren – obwohl das ihrer Sehnsucht widerspricht. Doch den meisten gelingt es schließlich auch, Kontakt herzustellen. In der Arbeitswelt, bei der Ausübung von Freizeitinteressen und zunehmend über das Internet lernen sie zahlreiche potenzielle Partner kennen. Dieses große Angebot macht es nötig, verlockende von uninteressanten Kontakten zu trennen. Dies geschieht im unmittelbaren Austausch, also durch Gespräch, SMS- und Telefonkontakt oder durch E-Mail-Austausch. In diesen relativ flüchtigen ersten Begegnungen stellt sich recht bald heraus, ob sich zwei sympathisch finden und in der Folge neugierig aufeinander werden. Ist er interessiert, geht der Single auf den anderen zu. Unsympathischen oder uninteressanten Menschen teilt er das mit, indem er ihren Blicken ausweicht, sie ignoriert, sich von ihnen abwendet oder sie durch Bemerkungen oder Gesten wegstößt. Damit sind sie aussortiert.
Schon jetzt findet also ein Aussortieren statt. Diese Wahl ist aber meist unbewusst motiviert. Das Auswahlkriterium ist Sympathie, ein Gefühl, das ohne tiefenpsychologische Analyse kaum näher begründet werden kann. Angesichts des Überangebots an potenziellen Partnern lohnt es den Aufwand ohnehin nicht, den es bräuchte, um herauszufinden, warum man jemanden interessant findet oder warum er einen kalt lässt.
In dieser ersten Phase »klingelt es« oder »es klingelt nicht«. Wenn es nicht klingelt, war es das. Der suchende Single folgt seinem Gefühl, und daraus mag man ihm keinen Vorwurf machen. Schließlich sollte schon ein Mindestmaß an Sympathie und eine aufkeimende Neugier auf mehr vorhanden sein, um miteinander in die zweite Phase auf dem Weg zu einer Beziehung zu gehen. Wenn es nicht »klingelt«, macht es wenig Sinn, nach den Gründen dafür zu suchen. Deshalb will ich mich für die Sympathiephase nicht weiter bei der Frage aufhalten, wie das Aussortieren stattfindet. Die Ablehnung ist schlicht durch Gleichgültigkeit oder Abneigung begründet und an neuen Kontakten besteht meist kein Mangel. Sehr viel bedeutender sind die beiden folgenden Phasen, die Kontaktphase und die Anbahnungsphase. Dort werden Funken erstickt, Feuer gelöscht und es wird verhindert, dass es »passt«.
Hat es geklingelt, entsteht der Wunsch nach mehr. Nach mehr Nähe und wiederholtem Kontakt. Die potenziellen Partner treten in die zweite Phase auf dem Weg zu einer Beziehung ein, in die Kontaktphase. Man trifft sich, man spricht miteinander, man fragt sich gegenseitig aus, man schaut sich länger in die Augen oder berührt sich wie zufällig. Vielleicht fassen sich beide sogar schon an oder verbringen eine erste Nacht miteinander.
In dieser Phase geschieht eine ganze Menge. Die potenziellen Partner erfahren einige Lebenseinstellungen und Ansichten, vergleichen den sozialen Status und die finanzielle Situation, erfahren etwas aus der Lebensgeschichte des anderen. Sie nehmen seinen Geruch wahr und hören den Klang seiner Stimme und anderes mehr. In dieser größeren Nähe lassen sie die Erscheinung des anderen bewusst und zu großen Teilen unbewusst auf sich wirken. Die Nähe, die ausgetauschten Informationen und die körperlichen Kontakte dienen einem Test. Beide Seiten testen, was zwischen ihnen entsteht. Das kann beispielsweise eine erotische Spannung sein oder eine grundsätzliche Übereinstimmung in geistiger Hinsicht oder in der Interessenlage.
Wenn alles gut geht, festigt sich in der Kontaktphase das Interesse füreinander, ohne dass sich bereits stark bindende Gefühle einstellen. Das wäre nur der Fall, wenn auf beiden Seiten der Blitz einschlägt. Dann hätten die Partner die Kontakt- und oft auch die folgende Anbahnungsphase quasi übersprungen und würden gleich in einer Beziehung landen. So etwas passiert natürlich, aber eher jungen Menschen. Der dauerhaft suchende Single ist meist zurückhaltend und vorsichtig, er nutzt die Kontaktphase zu Testzwecken.
Kommt sein Test zu einem negativen Ergebnis, wird der potenzielle Partner ohne großes Aufhebens aussortiert. Es besteht aber ein Unterschied zum Aussortieren in der ersten Phase. Jetzt verlieren suchende Singles nämlich ihre Unschuld. Ich meine damit, dass sie mit dem absichtlichen und vorsätzlichen Aussortieren beginnen. In der Sympathiephase folgen sie schlicht einem unerklärlichen Gefühl, jetzt hingegen können sie ihre Entscheidung begründen und Auskunft darüber geben, was ihnen am anderen missfällt und weswegen sie ihn als potenziellen Partner ablehnen. Denn sie haben ausführlich getestet, was miteinander möglich zu sein scheint. Ein solcher Test macht natürlich nur vor dem Hintergrund von Erwartungen Sinn. Niemand kann erwartungsfrei suchen, und daher sind Erwartungen unverzichtbar, sie treiben den Single durch Hoffnungen und Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte zu seiner Suche an.
Welche Erwartungen sollen in der Kontaktphase erfüllt werden? Wer sich eingehend mit suchenden Singles unterhält, bemerkt schnell, dass sie zwei grundlegende Erwartungen an einen potenziellen Partner stellen. Zum einen soll es zwischen beiden »funken« und zum anderen muss es »passen«. »Was sonst?«, möchte man ausrufen, »Das ist doch selbstverständlich!« Allerdings nur auf den ersten Blick. Denn diese beiden Erwartungen sind recht unterschiedlicher, beinahe gegensätzlicher Natur. Und sie erfüllen sich nicht so selbstverständlich, wie es erwartet wird.
Funken springen zwischen Stoffen über, die unterschiedliche elektrische Ladungen aufweisen. Dieses physikalische Gesetz gilt auch in der Liebe – allerdings nur für die leidenschaftliche Liebe. Diese ist eine Liebesform neben der freundschaftlichen und partnerschaftlichen Liebe, die in Beziehungen vorkommen.
Partner können sich aus unterschiedlichen Gründen lieben. Etwa weil sie in freundschaftlicher Hinsicht geistige oder andere Interessen miteinander teilen und sich Gutes tun. Oder weil sie sich in partnerschaftlicher Hinsicht, beispielsweise bezüglich der Arbeit oder Familie oder anderer Lebensprojekte, besonders gut unterstützen. Die freundschaftliche und partnerschaftliche Liebe ergeben sich in der Regel aber erst, nachdem die Partner eine Weile zusammen sind. Die heute zumeist am Anfang einer Beziehung stehende Liebesform ist die leidenschaftliche Liebe.
Mit der Metapher des »Funken« wird diese leidenschaftliche, tief emotionale und erotische Spannung zwischen Partnern beschrieben. Der andere fasziniert und wirkt anziehend wie ein Magnet. Auch Magneten ziehen sich dort an, wo sie unterschiedliche Ladungen aufweisen, am Plus- und Minuspol.
Partner beschreiben diese Anziehung etwa folgendermaßen: »Er riecht so gut« oder »Ich bin von ihrer Zartheit hin und weg« oder »Seine Art zieht mich unwiderstehlich an«. Warum riecht er so gut? Weil er anders riecht als man selbst. Warum fasziniert ihn ihre Zartheit so stark? Weil er eher grob und handfest und sie ganz anders ist. Was ist an seiner Art derart unwiderstehlich? Es ist auch hier die Andersartigkeit, mit der man durch den Partner in Kontakt kommt.
Andersartigkeit wirkt faszinierend, weil man sich von ihr etwas verspricht. Man verspricht sich von der Nähe zum anderen beispielsweise Intensität, Bereicherung, Ergänzung, Erotik, Bestätigung, Zärtlichkeit, Liebe … Dieses sich selbst gemachte Versprechen macht sich im Verlangen nach dem Partner bemerkbar. Andersartigkeit bedeutet auf psychischer und emotionaler Ebene Distanz, und das Verlangen nach dem Partner will diesen Abstand überwinden. Wenn sich die Partner einander nähern, knistert es, es fliegen Funken oder ein Feuer wird entfacht. Dieser Vorgang wird als erotisch – weil grenzüberschreitend – empfunden, man fühlt sich darin lebendig und erfährt, wenn es gut läuft, die Erfüllung des Verlangens. Der erotische Höhepunkt liegt dann vielleicht in einer sexuellen Begegnung und dem ersehnten Gefühl, miteinander zu verschmelzen.
Damit es derart funken und das Feuer der Leidenschaft auflodern kann, muss also eine unabdingbare Voraussetzung erfüllt sein: Die Partner müssen einander bewusst oder unbewusst als recht verschiedenartig erleben. Treffen zwei Partner aufeinander, die sich auf Anhieb ähnlich zu sein scheinen und die kaum Unterschiede aneinander wahrnehmen, bleibt die erotische Faszination aus. Es fliegen keine Funken, es springt nichts über und nichts flackert auf. Schon gar nicht schlägt ein Blitz ein. Die heiße, die leidenschaftliche Liebe bleibt ganz einfach aus. Der Volksmund beschreibt die Voraussetzungen des Funkenflugs und Feuerfangens mit den Worten »Gegensätze ziehen sich an.« Daran ist viel Wahres – aber auch das Gegenteil trifft zu.
Auch für dieses Gegenteil hält der Volksmund eine Beschreibung parat, sie lautet: »Gleich und gleich gesellt sich gern.« Diese Erkenntnis bezieht sich aber nicht auf die erotischen Aspekte einer Beziehung, sondern darauf, wie gut die Partner im alltäglichen Leben zusammenpassen. Diese sogenannte Passung hat also die entgegengesetzte Voraussetzung zum Funkenfliegen. Damit es passt, müssen Partner einander ähnlich sein. Es ist schwer vorstellbar, dass zwei, die unterschiedliche Meinungen vertreten, unterschiedliche Interessen haben, unterschiedliche Umgangsformen zeigen und entgegengesetzte Lebensentwürfe verfolgen, einen liebevollen Alltag und ein harmonisches Leben miteinander verbringen können.
Stellen Partner im Lauf der Zeit fest, dass sie zueinander passen, entsteht ebenfalls Liebe füreinander, allerdings keine leidenschaftliche, sondern eine partnerschaftliche Liebe, aus der sich eine verlässliche und tief vertraute Beziehung ergibt.
Sowohl die leidenschaftliche als auch die partnerschaftliche Liebe sind wunderschön und für die meisten Menschen Bestandteile einer erstrebenswerten Beziehung. So wundert es nicht, dass suchende Single beides zur Bedingung ihrer zukünftigen Beziehung machen. Aber sie möchten noch wesentlich mehr: Sie möchten beides gleichzeitig geliefert bekommen. Das ist nun alles andere als selbstverständlich, und dieser Wunsch wirft große Probleme auf. Die beiden Liebesformen kommen nämlich nicht Hand in Hand daher, sie folgen einander meist in einigem Abstand.
In den meisten Fällen kommt die Leidenschaft zuerst, und wenn die Partner allmählich feststellen, in ihren Lebensvorstellungen und ihrem Alltagsverhalten zueinander zu passen, ergibt sich eine partnerschaftliche Verbindung. Um diese Aussage nachzuvollziehen, braucht man sich nur an die eigene Jugend zu erinnern, an die erste oder zweite oder dritte Liebe. Auch damals suchte man, allerdings war die Suche auf den Funkenflug beschränkt. Kaum ein junger Mensch von 17 oder 20 Jahren macht sich Gedanken darüber, ob ein Partner für ein gemeinsames Leben taugt. Erst einmal soll die leidenschaftliche Liebe da sein, erst einmal muss es funken – und erst lange danach wird geprüft, ob es auch passt. Junge Menschen leisten sich eine recht lange Phase frei von konkreten Zielen und Absichten, frei von verbindlichen Zusagen und Verpflichtungen.
Den Luxus solcher Unverbindlichkeit will sich der dauerhaft suchende Single nicht mehr gönnen. Er steht unter enormem Druck und hat weder die Zeit noch das Vertrauen, einen Partner zu suchen. Er möchte ihn viel lieber gleich finden. Eine Frau bringt das auf den Punkt: »Ich bin jetzt 45. Ich habe keine Lust mehr auf die Sucherei. Ich habe nicht mehr die Geduld wie früher. Ich will jetzt endlich den Partner fürs Leben finden!«
Die Frau sagt im Grunde: »Ich will alles und zwar sofort und für immer.« Umgehend stellt sich die Frage, wie man etwas finden kann, ohne gesucht zu haben. Geht das überhaupt?
Wer ein Geldstück findet, der mag nicht danach gesucht haben. Aber wer einen Partner will, der muss sich die Zeit nehmen, um festzustellen, ob es funkt und ob es passt. Man kann einen Partner nicht wie einen Gegenstand finden. Und man findet ihn nicht draußen in der Welt – dort findet man in der Sympathiephase bestenfalls sympathische Menschen. Den Partner, bei dem es funkt oder passt, den sucht und findet man im konkreten Kontakt miteinander – und zwar nur dort.
Dieser Kontakt erfordert viel Zeit und eine Offenheit, die aufzubringen suchende Singles meist nicht bereit sind. Viele Paare berichten, es habe erst nach Wochen oder Monaten gefunkt. Und um herauszufinden, ob es passt, brauchten sie etliche Monate oder noch länger. Der unter Druck suchende Single kürzt die Sache ab und vergleicht den Partner der Einfachheit halber mit seinen Erwartungen, und diese lauten: Ich will beides, und zwar sofort! Doch beide Erwartungen erfüllen sich nur selten gleichzeitig, und das nimmt der suchende Single zum Anlass, potenzielle Partner nach wenigen Kontakten auszusortieren. In der Praxis sieht das dann zum Beispiel folgendermaßen aus:
Ein 42-jähriger Mann hat einige schöne Nächte mit einer 38-jährigen Frau verbracht. Als sie eines Morgens unvermittelt sagt, wie froh sie sei, »endlich einen Freund gefunden zu haben«, zieht er sich zurück und sortiert sie aus.
Eine 48-jährige Frau hat einen »fantasievollen, lebendigen, schlauen Kopf« kennengelernt, mit dem sie sich hervorragend versteht. Sie wäre ihm gern näher gekommen, aber »er hat einen kleinen Bauch«. Es springt nicht sofort der Funke über, und der Mann wird aussortiert.
Diese beiden typischen Beispiele zeigen das Dilemma. Entweder es funkt schnell, dann steht die Passung noch nicht fest (wie im ersten Beispiel), oder es scheint zu passen, ohne dass augenblicklich auch noch die Funken fliegen (wie im zweiten Beispiel). In beiden Fällen liegt die Enttäuschung nahe. Aber natürlich ist es leichter, schon nach kurzer Zeit eine fehlende erotische Anziehung festzustellen als eine fehlende Passung. Ob man jemanden anziehend findet, weiß man schnell, ob er passt, muss man allmählich herausfinden. Meiner Erfahrung nach gelangen potenzielle Partner in den meisten Fällen nur dann bis zur Mitte der Kontaktphase, wenn sich ein Mindestmaß an erotischem Interesse ergeben hat und es zumindest »kribbelt«. Wenn es nicht kribbelt, werden die potenziellen Partner schon nach Stunden oder wenigen Tagen größerer Nähe aussortiert. Kribbelt es hingegen, wird das als Zeichen dafür genommen, dass mehr drin sein könnte.
Das ist ein kritischer Punkt. Denn nachdem es gekribbelt hat, will der suchende Single so schnell wie möglich die Passung prüfen – schließlich hat er keine Lust mehr zu suchen, sondern will sofort finden. Leider führt diese Hektik dazu, dass weitere Funken verhindert, auflodernde Flammen erstickt und sogar brennende Feuer gelöscht werden. Die folgenden Beispiele zeigen das, und ich möchte betonen, dass es sich um Beispiele aus der Praxis handelt.
Funken verhindern:
Gina, eine selbstständige Maklerin, hat seit zwei Wochen E-Mail-Kontakt zu Peter, einem erfolgreichen Automobilverkäufer. Die beiden haben sich in einem Forum kennengelernt, haben aber weder Fotos ausgetauscht, noch haben sie bisher telefoniert oder sich getroffen. Dennoch sind sie neugierig aufeinander und halten den Schriftverkehr aufrecht. Sie steuern auf ein mögliches Treffen zu und tauschen sich diesbezüglich aus. Allerdings schreibt Peter seine E-Mails grundsätzlich in Kleinschrift und gibt sich keine Mühe mit der Interpunktion. Das hat Gina von Anfang an gestört. Im Lauf der ersten beiden Wochen muss sie darüber hinaus feststellen, dass die Rechtschreibfehler, die er ebenfalls von Anfang an machte, keine Flüchtigkeitsfehler darstellen, sondern in jeder E-Mail auftauchen. Das genügt Gina, um Peter auszusortieren. Sie antwortet einfach nicht mehr auf seine E-Mails. Ginas Urteil lautet: Er ist ein oberflächlicher Mann!
Funken verhindern:
Uli findet das Foto von Gerd, auf das sie in der Internet-Partnerbörse gestoßen ist, »super«. Sie schreibt ihm und gibt sich Mühe, aus der Menge der Frauen, die diesem attraktiven Mann mit Sicherheit schreiben, herauszuragen. Sie schreibt ihm in Versform. Diese Gedichtform – und ausdrücklich nicht den Inhalt der Verse – findet Gerd derart blöde, dass er sie aussortiert und ihr eine harsche Absage schickt. Gerds Urteil lautet: naiv, nicht ernst zu nehmen!
Funken ausschlagen:
Bettina und Klaus haben sich über fünf Wochen hinweg E-Mails geschrieben und sich über alles Mögliche ausgetauscht. Seine Lockerheit und sein Humor sind bei ihr gut angekommen, eine positive Erwartungsspannung hat sich aufgebaut. Jetzt sehen sich die beiden zum ersten Mal in einer Szenekneipe. Der Vergleich mit den vorher ausgetauschten Fotos hält dem realen Aussehen beider gerade noch stand, auch wenn sie in Wirklichkeit etwas älter aussehen als auf den Fotos. Die Herzen der beiden beginnen zu klopfen. Nur über eines kommt Bettina nicht hinweg: Klaus hat weiße Socken in seinen braunen Sandalen an. Socken zu Sandalen, zudem noch weiße, das schockiert Bettina derart, dass sie steif und höflich eine halbe Stunde mit Klaus verbringt und sich dann aus dem Staub macht. Sie hatte ihn in dem Augenblick aussortiert, als ihr Blick auf sein Schuhwerk fiel. Was auch immer Klaus von da an sagte oder tat, er blieb ohne Chance. Bettinas Urteil lautet: schlichter Charakter, geschmacklos!
Flammen ersticken:
Ingolf und Annegret sind einen Schritt weiter als die potenziellen Partner aus den vorigen Beispielen. Nach drei Wochen E-Mails, Telefonaten und einigen Spaziergängen sind sie bei Annegret im Bett gelandet. Sie haben Lust aufeinander. Ingolf zieht Annegret die Hose herunter. Als diese über ihre Beine gleitet, quellen unmittelbar vor Ingolfs Augen Schamhaare aus ihrem Slip hervor. Schamhaare – noch dazu auf beiden Seiten des Slips! Das kann Ingolf nicht verkraften. Dass Annegret nicht wie alle anderen Frauen, mit denen er es versucht hat, rasiert ist, macht ihn sprachlos. Mit den Worten »Sorry, ich kann das nicht« macht er sich blitzschnell aus dem Staub. Annegret weiß nicht, wie ihr geschieht, aber sie weiß: Ich bin aussortiert. Ingolfs Urteil lautet: eine primitive Frau!
Solche Beispiele ließen sich bis ins Unendliche fortführen, derart zahllos und kreativ sind die Möglichkeiten, Funken und Feuer zu löschen. Mal ist es sein harmloser sächsischer Akzent, der im E-Mail-Verkehr verborgen blieb, aber beim ersten Treffen nicht zu überhören ist, ein anderes Mal sind es ihre lackierten Fußnägel, die auf ihn einen »prolligen« Eindruck machen.
In jedem der Beispiele fällt die Geschwindigkeit auf, mit der suchende Singles zu ihrem Urteil kommen und aussortieren. Ein solches Tempo kann man erreichen, indem man den Partner vor ein Schnellgericht stellt.
In der Kontaktphase bringen suchende Singles potenzielle Partner häufig vor ein Schnellgericht, wo es blitzschnell zu einem Urteil kommt. Dieses lautet entweder »Es funkt nicht« oder »Es passt nicht« – und das war es dann.
Ein Schnellgericht zeichnet sich dadurch aus, dass es weder einen Verteidiger noch einen Staatsanwalt braucht. Ein Verteidiger würde dem Angeklagten beispringen, ein Staatsanwalt müsste die Anklage ausführlich begründen. Der Verteidiger würde beispielsweise die Fragen aufwerfen: »Was genau ist an weißen Socken so schlimm?« oder »Deuten Rechtschreibfehler tatsächlich auf einen schlichten Charakter hin?« Der Staatsanwalt seinerseits müsste seine Anklage sachlich untermauern.
Beim Schnellgericht des suchenden Singles werden solche Verzögerungen vermieden, es wird ohne Umwege gleich ein Urteil verkündet. Dieses Urteil muss nicht näher begründet werden, der Richter entscheidet allein nach seinem Empfinden, das von enttäuschten Erwartungen ausgelöst wird. Ob diese Erwartungen bewusst sind im Sinne von: »Ich werde niemals eine Beziehung zu jemandem haben, der weiße Socken trägt«, oder ob sie unbewusst waren und sich erst im Schock des Augenblicks bemerkbar machen: »Um Gottes Willen, der trägt weiße Socken!«, das ist unerheblich. Das Urteil beruft sich auf ein scheinbar untrügliches Gefühl.
Außenstehenden mag diese Gefühlsbegründung seltsam und merkwürdig erscheinen, oder an den Haaren herbeigezogen und fadenscheinig vorkommen – dem suchenden Single aber macht sie Sinn. Er kann nicht anders. Schließlich fühlt er so, und dafür kann er doch nichts. Gefühle können doch nicht falsch sein ...
Aber natürlich können Gefühle täuschen! Zwar irrt sich der suchende Single nicht über sein Gefühl, es ist da, es ist echt und es ist mächtig. Aber Gefühle können uns eine scheinbar untrügliche Bedeutung nahelegen, die wir an einem bestimmten Merkmal festmachen.
Wer sich an weißen Socken, sächselnden Partnern oder Rechtschreibfehlern stört, hat am eigenen Leib oder indirekt schlechte Erfahrungen mit diesen Merkmalen gemacht, ansonsten könnten sie keine ablehnende Reaktion hervorrufen. Mit seinem schnellen Urteil will sich der suchende Single nun erneute Unannehmlichkeiten, Frust oder gar Schmerzen ersparen. Seine Gefühlswelt sperrt sich mit Händen und Füßen dagegen, sich mit einem derart unmöglichen Partner weiter einzulassen. Er ist sich sicher: »Wenn ich einen sächselnden Partner habe, werden mich meine Freunde auslachen«, »Wer die Rechtschreibung nicht beherrscht, hat einen einfältiges Wesen« oder »Wer weiße Socken trägt, ist geschmacklos und altmodisch«.
Das Schnellgericht beruft sich auf Überzeugungen von der Bedeutung eines Merkmals, wie sie in der Vergangenheit entstanden sind. Die negativen Gefühle gelten aber dem Merkmal und eben nicht der Person, die dem suchenden Single gegenwärtig gegenüber steht. Das aber interessiert den suchenden Single wenig. Wer einen Schnellrichter zur Revision seines Urteils bewegen möchte, könnte ebenso eine Katze baden wollen. Es wird ihm nicht gelingen, weil der suchende Single sich sicher ist: »Das kann nicht gut gehen.« »Das brauche ich mir nicht anzutun.« »Da kannst du sagen, was du willst.« »Damit kenne ich mich aus.« »Das lassen wir mal lieber.« »Das hat keinen Sinn!« Damit will ich nicht sagen, dass jedes Aussortieren falsch wäre. Aber ob es richtig oder falsch ist, lässt sich sehr selten sofort erkennen, und wenn das Urteil zu schnell fällt, wird man nicht erfahren, ob es angebracht war.
Wie rasant Urteile vor dem Schnellgericht gefällt werden, lässt sich beim Speed-Dating erkennen, bei dem Singles nur einige Minuten Zeit für einen ersten Kontakt haben. Jeder testet sein Gegenüber blitzschnell ab, sucht nach ersehnten, erwarteten Merkmalen und bleibt am Störenden hängen. Er fokussiert selbst bei diesem kurzen Kontakt auf störende Merkmale, er starrt den Pickel an und übersieht den schönen Mund. Damit schiebt sich der Schatten einer Vergangenheit zwischen ihn und den Partner. Aber daran lässt sich seiner Meinung nach selbst dann nichts ändern, wenn der Schnellrichter sein Urteil bemerkt. Gegen seine Gefühle, so meint er, komme er nicht an.
Außenstehende mögen den Kopf schütteln ob der Sicherheit des suchenden Singles, ob der Starrheit seines Urteils, ob der Sturheit, mit der er seine Gefühle verteidigt. Männer mit weißen Socken können anregende Partner sein, Schamhaare weisen nicht auf einen verkommenen Charakter hin. Das ändert nichts. Es scheint dem suchenden Single in solchen Situationen unmöglich, von seinen Erfahrungen abzusehen oder seine Gefühle zu relativieren. Ganz im Gegenteil hält er sich für konsequent, wenn er den Partner jetzt schon aussortiert.