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Über welcher Stadt lacht die Sonne, über welche die Welt und wo weint man zweimal? Welche sieben Städte zählte Humboldt zu den am schönsten gelegenen der Welt? 222 Redensarten und Fakten zu Städten sind in diesem Büchlein zusammengetragen. Unterhaltsame stadtbezogene Informationen, die Ihnen gerade noch gefehlt haben.
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Seitenzahl: 90
Vorwort
Klassische Redewendungen
Lokale Redewendungen
Fakten
Das Wetter
Rivalen
Aufzählung und Arbeitsteilung
Rekorde
Verschiedenes
Anhang
Literatur
Webseiten
In meinem Buch Elbflorenz und Spreeathen hatte ich Städtebeinamen und Redewendungen zu Städten zusammengestellt. Im Laufe der Neuauflagen kamen immer mehr Städtebeinamen dazu, und auch einige Redewendungen. Deshalb beschloss ich, zwei Bände daraus zu machen, einen zu Beinamen und einen zu Redewendungen.
Das Buch beginnt mit klassischen Redewendungen wie „Rom wurde nicht an einem Tag erbaut“ und „Eulen nach Athen tragen“, von denen es in anderen Ländern durchaus Varianten gibt. Dann folgt ein Kapitel mit eher lokalen Redewendungen zu Städten.
Der Band enthält auch ein Kapitel mit scheinbar faktischen Aussagen zu Städten, wie höchste Kneipendichte, grünste Stadt etc., die bei Lichte betrachtet aber oft an urbane Legendengrenzen. Diesen Aussagen wird in einem eigenen Kapitel nachgegangen. Schließlich werden im nächsten Kapitel Städterivalen und entsprechende Sprüche näher beleuchtet. Das Wetter ist auch ein wichtiges Thema, was Redensarten betrifft. Dann ist noch ein Kapitel zu Redensarten, die Städte an der Spitze sehen, wie schönste, schlimmste Stadt etc. enthalten.
Das letzte Kapitel des Buches rundet die Sammlung durch Nonsens-Sprüche ab. Während es viele Bücher zu Redensarten gibt, finden sich doch nur sehr wenige zu Redensarten, welche sich nur auf Städte beziehen. Für Hinweise, die Sammlung weiter auszubauen, bin ich immer dankbar. Jörg Berkes (Langen) möchte ich für Korrekturhinweise zur ersten Auflage danken.
Berlin, im Mai 2020
Richard Deiß
Land (des Spruches)
... wurde(n) nicht an einem Tag erbaut
Frankreich
Paris
Russland
Moskau
Niederlande
Köln
und
Aachen
(Keulen en Aken)
Belgien
Gent
und
Brügge
(Gent en Brugge)
Polen
Krakau
Portugal
Rom
und
Pavia
Spanien
Zamora
(nicht in einer Stunde erobert)
Röm. Reich
Korinth
Die Redewendung ‚Rom wurde nicht an einem Tag erbaut‘, mit der ausgedrückt werden soll, dass eine bestimmte Aufgabe ausreichend Zeit braucht (Gut Ding will Weile haben), wird in vielen Ländern in dieser Form gebraucht, sogar in Japan und China (Rom heißt dort Luoma). In Europa gibt es jedoch Länder, die in dieser Redewendung andere Städte einsetzen.
Für die Franzosen ist ihre Hauptstadt der Nabel der Welt, sie sagen deshalb ‚Paris ne s’est pas fait en un jour’. Die Polen wiederum sagen Krakau wurde nicht an einem Tag erbaut. Krakau ist eine mittelalterliche Stadt, an der Jahrhunderte gebaut wurde.
Der russische Ausdruck ‘Moskau wurde nicht an einem Tag erbaut’ zielt auch auf die Stadt St. Petersburg ab. Als Peter der Große 1710 das erst im Entstehen begriffene Petersburg zur russischen Hauptstadt erklärte, beorderte er auch den Adel in die Stadt. Doch dieser wollte lieber in Moskau bleiben und mit diesem Spruch wurde ausgedrückt, dass man sich Zeit lassen wollte und Petersburg, wie einst Moskau, sich auch erst langsam zu einer richtigen Stadt entwickeln musste.
Niederländer und Flamen verwenden in einem entsprechenden Ausdruck gleich zwei Städte, die zudem in Deutschland liegen, sie sagen ‚Keulen en Aken zijn niet op één dag gebouwd‘. Beides sind Städte, welche nicht weit von dem niederländischen Sprachraum entfernt liegen und bereits früh auch für die Niederlande bedeutende Orte waren. In Flandern setzt man in der Redewendung auch die im Mittelalter wichtigen Städte Gent und Brügge ein, deren Altstädte heute zu den größten Europas gehören.
In Spanien drückt man es ein bisschen anders aus. Dort sagt man Zamora wurde nicht in einer Stunde erobert. Zamora ist eine Stadt im Westen Spaniens, unweit der Grenze zu Portugal gelegen, und wurde im Mittelalter sukzessive von Arabern und Christen belagert (und eingenommen), weshalb sie befestigt war. Befestigungsanlagen gab es auch woanders; die Spanier nutzen den Stadtnamen in der Redewendung vor allem, weil sich diese dadurch im Spanischen reimt (No se gano Zamora en una hora).
Dies ist auch der Grund, weshalb die Portugiesen der Redewendung die Stadt Pavia hinzufügen, sie reimt sich dadurch in der Landessprache ebenfalls- Roma e Pavia não se fizeram num dia (Rom und Pavia wurden nicht an einem Tag erbaut).
Im Lateinischen gibt es zudem den Ausdruck
Alta die solo non est exstructa Corinthus- das hochgelegene Korinth wurde nicht an einem Tag erbaut. Die am Isthmus von Korinth gelegene griechische Stadt wurde bereits im 10. Jahrhundert v. Chr gegründet, war in der Antike eine der wichtigsten und reichsten griechischen Städte und verfügte über eine bedeutende Akropolis.
Früher gab es in Norddeutschland zudem den heute nicht mehr genutzten Spruch Lübeck wurde an einem Tag gestiftet, aber nicht an einem Tag erbaut.
Land/Region
... Eulen nach
Athen
tragen
England
Carry
coals
to
Newcastle
Schottland
Carry sau(l)t to
Dysart
Carry
puddings
to
Tranent
Iran
Kümmel
nach
Kerman
tragen
Israel
Stroh in
Afarayim
verkaufen
Italien
Vasen
nach
Samos
tragen
Portugal
Bananen
nach Madeira bringen
Russland
Mit eigenem
Samowar
nach
Tula
reisen
Spanien
Orangen
nach
Valencia
bringen
Syrien
Klingen
nach
Damaskus
Die Redewendung Eulen nach Athen tragen geht auf den antiken Dichter Aristophanes zurück, der sie in seiner Komödie ‚Die Vögel‘ prägte. Wahrscheinlich hing das mit den Eulen zusammen, die damals auf der Rückseite von Drachme-Münzen zu sehen waren. Münzen ins reiche Athen zu tragen, wurde also als nicht notwendig angesehen. Viele Länder nutzten diese Redewendung; die Briten sagen aber stattdessen eher ‚carry coals to Newcastle‘, denn im Kohleexporthafen Newcastle liegt bereits genug des schwarzen Brennstoffes. Die Schotten sagen auch 'carry saut (salt) to Dysart' und 'carry puddings to Tranent'. Ein eher selten genutzter deutscher Ausdruck ist ‘Schnecken nach Metz treiben’.
In der russischen Stadt Tula, einem Zentrum der Waffenindustrie, entstanden früh eisenverarbeitende Betriebe. Im Jahr 1778 gründeten hier die Brüder Lissizyn eine Manufaktur zur Herstellung von Samowar-Teekochern, im Jahr 1808 gab es in der Stadt bereits 8 Samorwarfabriken. Der russische Ausdruck für eine überflüssige Tätigkeit ist seither ‚mit eigenem Samowar nach Tula fahren‘. Der Ausdruck Stroh in Afarayim verkaufen (die Stadt, gibt es heute nicht mehr) stammt aus dem Talmud.
Land /Region
Alle Wege führen nach...
Deutschland
Rom
Italien
Rom
Estland
Petersburg
Lettland
Riga
Finnland
Abo
(Turku)
Russland
Moskau
Türkei
Mekka
Tibet (China)
Lhasa
Die Redewendung ‚Alle Wege führen nach Rom‘ gibt es in fast allen europäischen Sprachen und fast immer ist es Rom, wohin alle Wege führen. Die Italiener sagen tutte le strade portano a Roma, die Franzosen Tous les chemins vont à Rome, die Briten All roads lead to Rome und die Spanier Todo camino va a Roma. All diese Länder gehörten einst zum Römischen Reich, welches sich durch ein hoch entwickeltes Straßennetz auszeichnete. Nur im Nordosten Europas sind die Bezugspunkte anders. In Estland, früher Teil des Russischen Reiches, sagte man einst ‚Alle Wege führen nach Petersburg‘ und auf Petersburg war das Straßennetz Estlands ja tatsächlich ausgerichtet (die Letten sagen dagegen nach Riga). In Russland selbst liegt Moskau zentraler als Petersburg. Dort sagt man ‚Alle Wege führen nach Moskau‘.
Das 1229 gegründete Turku ist die älteste Stadt Finnlands und war bis ins 19. Jahrhundert unter den Schweden Hauptstadt des Landes. Als Finnland 1809 zu Russland kam, wurde das näher an Petersburg gelegene Helsinki Hauptstadt. Trotzdem sagt man noch heute in Finnland Alle Wege führen nach Turku (bzw. Abo, denn so heißt Turku im Schwedischen).
Die Slowenen sagen übrigens: Nicht alle Wege führen nach Rom.
Region
Paris ist eine Messe wert
Deutsch
Paris ist eine Messe wert.
Französisch
Paris vaut bien une messe.
Englisch
Paris is well worth a mass.
Region
Paris ist eine Reise wert
Frankreich
Paris ist eine Reise wert.
Korea
Selbst wenn du auf allen Vieren kriechen musst, schau zu, dass du nach Seoul kommst.
Jemen
Sana ist ein Muss, wie weit die Reise auch sei.
Heinrich IV. (1553-1610), König von Frankreich und Navarra, war eigentlich Hugenotte und damit Protestant. Doch als er die französische Krone erbte, trat er zum Katholizismus über, auch um das durch die Hugenottenkriege zerrissene Land zu befrieden. Immerhin sicherte er durch das Edikt von Nantes den Protestanten freie Religionsausübung in Frankreich zu. Sein angeblicher (wohl aber eher ihm vom Volk zugeschriebener Kommentar zu seinem Übertritt: Paris vaut bien une messe (Paris ist eine Messe wert, womit die katholische lateinische Messe gemeint ist).Vom französischen Schriftsteller Robert Merle (1908-2004) gibt es übrigens einen Roman zu Heinrich IV. aus dem Jahr 1983 mit dem Titel ‚Paris ist eine Messe wert‘.
Im Touristenzeitalter wurde der ähnliche Satz ‚Paris ist eine Reise wert‘ kreiert. Dazu gibt es den Witz, dass Chinesen, die angeblich das R als L aussprechen, dazu sagen (wenn sie denn Deutsch sprächen) die Stadt sei ‚eine leise Welt‘).
Als Koreaner muss man unbedingt nach Seoul gelangen, selbst auf allen Vieren. Die Jemeniten meinen wiederum, so weit die Reise auch sei, Sana sei ein Muss.
Sprache
Version
Deutsch
Neapel sehen und sterben
Italienisch
Vedi Napoli e poi muori
Englisch
See Naples and then die
Französisch
Voir Naples et puis mourir
Neapel hatte einst einen anderen Ruf als heute. Humboldt zählte es angeblich zu den sieben am schönsten gelegenen Städten der Welt. Fontane nannte Bristol wegen seiner schönen Lage ein ‚Neapel des Nordens‘. Der französische Schriftsteller Stendhal meinte einst, in Europa gäbe es nur zwei Hauptstädte, Paris und Neapel (manchmal werden ihm auch drei in den Mund gelegt: Paris, London und Neapel). Während Norditalien bis zur Gründung des italienischen Nationalstaates Ende des 19. Jahrhunderts politisch zersplittert und ohne Hauptstadt war, war Neapel bereits seit Jahrhunderten Kapitale eines in einem Königreich vereinten Süditaliens. Allerdings überholte während der Industrialisierung der Norden des Landes den Süden und die Gebiete des Königreiches Neapel bilden heute den unterentwickelten Mezzogiorno Italiens.
Die Redewendung Neapel sehen und sterben