Zerstör mein Leben nicht - Patricia Vandenberg - E-Book

Zerstör mein Leben nicht E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Claus Tillmann kam nie pünktlich aus der Fabrik nach Hause, aber schon lange glaubte ihm seine Frau Stefanie nicht mehr, daß er so lange arbeiten müsse. Er war Konstrukteur in einem großen Automobilkonzern und verdiente gut, aber Stefanie und die kleine Tammy, die jetzt knapp drei Jahre alt war, wurden kurz gehalten. Sie wurden dafür gestraft, daß Stefanie nicht die Mitgift bekommen hatte, die Claus Tillmann erwartet, mit der er sogar felsenfest gerechnet hatte. Stefanies Vater, Oscar Ambery, war nämlich ein sehr vermögender Großgrundbesitzer. Aber er war gegen die Ehe gewesen, er hatte Claus als Mitgiftjäger bezeichnet, und damit hatte er sogar richtig gelegen. Es war soweit gekommen, daß keinerlei Kontakte mehr gepflegt wurden, dabei hatte Claus doch gehofft, daß das Kind seinen Schwiegervater versöhnen würde. Von ihren Großeltern hatte Stefanie eine Doppelhaushälfte geerbt, und so brauchten sie keine Miete zu bezahlen. Deshalb fragte sich Stefanie auch immer öfter, was Claus eigentlich mit dem Geld machte, das er verdiente, und das war nicht wenig. Sie bekam ja nur fünfhundert Euro Wirtschaftsgeld. Stefanie war es längst bewußt, daß ihr Ja eine Fehlentscheidung gewesen war, aber sie hatte nicht den Mut, die Trennung zu vollziehen. Dr. Norden wußte es, ein paar gute Freunde und ihre einzige Freundin Cornelia wußten es auch, aber wie sollte man Stefanie dann helfen? Man wunderte sich nur, daß Claus Tillmann nicht von sich aus auf der Scheidung bestand, denn die Spatzen pfiffen es ja von den Dächern, daß andere Frauen eine bedeutendere Rolle in seinem Leben spielten als seine Ehefrau. Als Claus Tillmann an diesem Abend Ende März nach Hause kam, vernahm er ein Schluchzen, und dann wurde der Telefonhörer aufgelegt. »Was heulst du denn schon wieder!« fuhr er seine Frau an, als sie ihm ihr verweintes Gesicht zuwandte. Und auch das war schon wieder ungerecht, denn Stefanie weinte nur noch, wenn niemand es sehen konnte. »Tammy ist krank. Sie hat hohes Fieber. Ich habe Dr.

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Leseprobe: Chefarzt Dr. Norden Doppelband

Doppelband

E-Book 1: Dr. Daniel Norden, Klinikchef

E-Book 2: Du hast es in der Hand, Alexa!

Dr. Norden Bestseller – 328 –

Zerstör mein Leben nicht

Patricia Vandenberg

Claus Tillmann kam nie pünktlich aus der Fabrik nach Hause, aber schon lange glaubte ihm seine Frau Stefanie nicht mehr, daß er so lange arbeiten müsse. Er war Konstrukteur in einem großen Automobilkonzern und verdiente gut, aber Stefanie und die kleine Tammy, die jetzt knapp drei Jahre alt war, wurden kurz gehalten. Sie wurden dafür gestraft, daß Stefanie nicht die Mitgift bekommen hatte, die Claus Tillmann erwartet, mit der er sogar felsenfest gerechnet hatte.

Stefanies Vater, Oscar Ambery, war nämlich ein sehr vermögender Großgrundbesitzer. Aber er war gegen die Ehe gewesen, er hatte Claus als Mitgiftjäger bezeichnet, und damit hatte er sogar richtig gelegen. Es war soweit gekommen, daß keinerlei Kontakte mehr gepflegt wurden, dabei hatte Claus doch gehofft, daß das Kind seinen Schwiegervater versöhnen würde.

Von ihren Großeltern hatte Stefanie eine Doppelhaushälfte geerbt, und so brauchten sie keine Miete zu bezahlen. Deshalb fragte sich Stefanie auch immer öfter, was Claus eigentlich mit dem Geld machte, das er verdiente, und das war nicht wenig. Sie bekam ja nur fünfhundert Euro Wirtschaftsgeld.

Stefanie war es längst bewußt, daß ihr Ja eine Fehlentscheidung gewesen war, aber sie hatte nicht den Mut, die Trennung zu vollziehen.

Dr. Norden wußte es, ein paar gute Freunde und ihre einzige Freundin Cornelia wußten es auch, aber wie sollte man Stefanie dann helfen? Man wunderte sich nur, daß Claus Tillmann nicht von sich aus auf der Scheidung bestand, denn die Spatzen pfiffen es ja von den Dächern, daß andere Frauen eine bedeutendere Rolle in seinem Leben spielten als seine Ehefrau.

Als Claus Tillmann an diesem Abend Ende März nach Hause kam, vernahm er ein Schluchzen, und dann wurde der Telefonhörer aufgelegt.

»Was heulst du denn schon wieder!« fuhr er seine Frau an, als sie ihm ihr verweintes Gesicht zuwandte. Und auch das war schon wieder ungerecht, denn Stefanie weinte nur noch, wenn niemand es sehen konnte.

»Tammy ist krank. Sie hat hohes Fieber. Ich habe Dr. Norden angerufen. Er wird gleich kommen.«

»Mein Gott, wann ist Tammy mal nicht krank«, sagte er spöttisch. »Du dürftest sie halt nicht so verpäppeln. Aus dem Kind kann ja nichts werden. Sie ist genauso labil wie du. Ich frage mich immer öfter, wie ich auf den Gedanken kommen konnte, dich zu heiraten.«

Plötzlich packte Stefanie kalter Zorn. »Das kann ich dir genau sagen. Du hast gedacht, bei meinem Vater Millionen absahnen zu können. Und ich war so blöd zu denken, daß du mich liebst.«

Er drehte sich um. »Dein Vater hat alles kaputtgemacht«, sagte er anklagend. »Kannst du dir nicht vorstellen, wie peinlich es für mich ist, daß er uns völlig übersieht? Unsere hohen Herren sind doch mit ihm zum Teil auf du und du.«

Sie war schon wieder ins Kinderzimmer gegangen, während er noch redete und es gar nicht bemerkte, daß er bereits allein war. Und dann läutete es.

Dr. Norden kam. Claus öffnete ihm die Tür und rang sich einen freundlichen Gruß ab.

»Meine Frau sieht alles sicher wieder in Panikstimmung. Sie sollten ihr ein Beruhigungsmittel geben, das grenzt ja schon an Hysterie.«

Dr. Norden maß ihn mit einem durchdringenden Blick, der ihn verunsicherte.

»Ich werde sehen, was Tammy fehlt«, sagte Dr. Norden. »Ihre Frau ruft mich abends nicht wegen einer Bagatelle an.«

Er konnte nicht verbindlich sein zu diesem Mann. Er wußte, wieviel Tränen Stefanie schon wegen ihm geweint hatte.

Die Diagnose, die Dr. Norden stellen mußte, war sehr ernst.

Als er in das verweinte Gesicht von Stefanie blickte, wollten ihm die Worte nicht über die Lippen, er mußte es trotzdem sagen.

»Tammy muß sofort in die Kinderklinik, Frau Tillmann«, sagte er. »Es besteht Verdacht auf Hirnhautentzündung. Es ist sehr gut, daß Sie mich so bald gerufen haben.«

»Das Fieber kam jetzt erst, so plötzlich«, stammelte Stefanie. »Sie war erst nur ziemlich matt, aber…«, sie unterbrach sich, »ich hätte sie nicht draußen spielen lassen sollen, aber sie wollte zu den Kindern.«

Dr. Norden wußte, daß Stefanie sich nun selbst die größten Vorwürfe machen würde, und er fragte sich, wie diese zarte empfindsame Frau es überstehen würde, wenn dieses übersensible, scheue Kind lange in der Klinik bleiben mußte. An das noch Schlimmere wollte er wahrhaftig nicht denken. Er war ein liebevoller Vater, anders als Claus Tillmann. Er wußte, welche Sorgen ihn bewegt hätten, wenn es um eins seiner Kinder gegangen wäre.

»Darf ich mitkommen?« fragte Stefanie, als Dr. Norden den Krankenwagen bestellte.

»Selbstverständlich, und es wird auch möglich sein, daß Sie bei Tammy bleiben. Ich bringe sie in die private Christophorus-Klinik. Sie ist in der Nähe, und ich kann mich dort auch um sie kümmern.«

Er vernahm dann, daß Stefanie zu ihrem Mann sagte: »Du hast es gehört. Ich fahre mit.«

»So schlimm wird es doch nicht sein«, sagte er.

»Es besteht Verdacht auf Hirnhautentzündung.«

Der Krankenwagen kam schon. Stefanie hatte schnell den Mantel angezogen und ihre Tasche genommen. Sie würdigte Claus keines Wortes mehr, und er ließ sich nicht blicken.

Kalte Wut hatte Dr. Norden gepackt, und er nahm sich vor, diesem Claus Tillmann bei Gelegenheit mal gehörig die Meinung zu sagen, aber jetzt war nicht die Stunde, jetzt war Tammy viel wichtiger.

Dr. Norden fuhr hinterher, aber er war zur gleichen Zeit wie der Krankenwagen bei dem modernen Bau angekommen.

Schnell wurde das Kind hineingetragen. »Ich wußte gar nicht, daß es eine Klinik wird«, sagte Stefanie geistesabwesend. »Sie ist noch nicht lange fertig.«

»Drei Monate, aber allerbestens ausgestattet«, erklärte Dr. Norden. »Kein Massenbetrieb, hier wird Tammy rund um die Uhr betreut werden.«

Jetzt traten wieder Tränen in Stefanies Augen. »Wenn ich Sie nicht hätte«, flüsterte sie. »Was müssen Sie nur von meinem Mann denken.«

»Momentan gar nichts, weil ich meine, es lohnt sich nicht, Gedanken an ihn zu verschwenden.«

Stefanie sank noch mehr in sich zusammen. »Und was denken Sie eigentlich über mich, Dr. Norden?« fragte sie bebend.

»Daß Sie eine von jenen gutgläubigen Geschöpfen sind, die von dem ersten Mann, auf den Sie flogen, schwer enttäuscht wurden, und leider geschieht das viel zu oft.«

»Wirklich?«

»Ich habe Erfahrung.«

Aber dann ging es wieder nur um Tammy. Stefanie mußte warten. Während sie wartete, gingen ihr viele Gedanken durch den Sinn, Erinnerungen an die Zeit, als sie Claus kennenlernte. Erinnerungen, die sie hatte verdrängen wollen.

Damals war sie die behütete Tochter von Oscar und Marianne Ambery gewesen, ein sehr konservativ erzogenes Mädchen, das es nur bis zur mittleren Reife brachte, doch diesbezüglich erwartete ihr Vater nicht zuviel von ihr. Er hatte ja einen Sohn, und die Tochter sollte eine gute Hausfrau werden wie ihre Mutter, heiraten, natürlich einen adäquaten Mann, Kinder kriegen und so leben, wie ihre Eltern sich es vorstellten.

Die Mutter war immer ausgleichend für den cholerischen Vater, der ein strenges Regiment führte, aber sie starb, als Stefanie sich gerade in Claus Tillmann verliebt hatte. Und da veränderte sich Oscar Ambery sehr. Für ihn war seine Marianne der Mittelpunkt der Familie gewesen. Er konnte es nicht begreifen, daß sie sterben mußte, kaum, daß man bei ihr den Gebärmutterkrebs festgestellt hatte.

Und dann wollte er nicht begreifen, daß seine Tochter sich in einen Habenichts verliebt hatte, ihn heiraten wollte. Er sah Claus Tillmann mit strengen Augen. Ja, man konnte sagen, er durchschaute ihn, weil er gehofft hatte, Stefanie würde bei ihm bleiben, und deshalb glaubten manche, daß er sehr hart und ungerecht in seinem Urteil war. Auch sein Sohn Helmut glaubte das, aber gegen den Vater kam er nicht an.

Immerhin genoß Helmut den Vorzug, von seinem Vater akzeptiert zu werden, da er Landwirtschaft studiert hatte und außerdem auch noch eine sehr gute Partie machte. Er heiratete Renate von Billing, die Tochter des zweiten Großgrundbesitzers im weiten Umkreis.

Für Stefanie zählte mehr, daß Renate ein liebes Geschöpf war, keine Schönheit, aber auch nicht eingebildet und wenn Renate in der Stadt war und Claus in der Fabrik wußte, besuchte sie Stefanie und brachte immer etwas für Tammy mit.

Stefanie wurde in Konflikte gestürzt, als Tammy zu fragen begann, warum sie nicht auch mal Renate besuchen würden, denn sie mochte Renate und auch Helmut, der allerdings seltener kam als seine junge Frau. Er mußte sich um das väterliche Gut kümmern und auch um das seiner Schwiegereltern, die zwar zwei Söhne hatten, die aber noch zur Schule gingen.

Auch das ging Stefanie durch den Sinn, während sie wartete, jetzt schon fast apathisch.

Nur ein paar Schwestern kamen vorbei, und manchmal hörte sie das Weinen eines Kindes, doch endlich kam Dr. Norden mit einem Arzt, der etwas jünger als Dr. Norden sein mochte, aber ein ähnlicher Typ.

Er verhielt unwillkürlich den Schritt, und Stefanie hielt den Atem an.

»Ich darf Sie mit Dr. Pauly bekannt machen, Frau Tillmann«, sagte Dr. Norden.

»Du bist das, Steffi«, sagte Dr. Pauly atemlos. »Guter Gott, wie seltsam doch das Schicksal spielt.« Und zu Dr. Norden fuhr er erklärend fort. »Meine Schwester Lisanne war mit Stefanie im gleichen Internat, und sie war damals oft bei uns in Neustadt.«

»Es war eine schöne Zeit«, sagte Stefanie leise und gedankenverloren. »Wie geht es Lisanne?«

»Sie lebt mit ihrem Mann in England. Sie hat zwei Kinder.«

Er hielt Stefanies Hand immer noch fest. »Aber wir werden uns jetzt öfter sehen und können uns manches erzählen. Deine kleine Tochter schläft jetzt, du kannst heimfahren. Aber wenn du es willst, und dein Mann einverstanden ist, kannst du auch hierbleiben.«

»Ich brauche sein Einverständnis nicht, aber ich werde ihm Bescheid sagen und mir die notwendigen Sachen holen.«

Sie ließ ihren Blick zwischen den beiden Ärzten hin und her schweifen.

»Tammy wird doch wieder gesund?« fragte sie ängstlich mit einem unterdrückten Schluchzen.

»Es wird alles getan werden«, erwiderte Dr. Pauly. »Ich weiß, wie dir zumute ist. Ich habe auch einen Sohn, der etwas älter ist als Tammy und mir manche Sorgen bereitet. Du kommst heute noch zurück?«

»Ja, gewiß, ich hätte zu Hause keine Ruhe.«

Er nickte. »Dann lasse ich das Bett herrichten. Wir haben die Klinik so gebaut, daß immer ein Elternteil beim Kind bleiben kann.«

»Und ich bringe Sie jetzt heim, Frau Tillmann«, sagte Dr. Norden.

»Ich kann doch ein Taxi nehmen. Sie haben schon soviel von Ihrem Abend geopfert.«

»Das ist kein Opfer. Ich will doch nur, daß Tammy gesund wird.«

Und zur Zeit hatte er die größten Bedenken, daß dieser Wunsch sich erfüllen würde. Aber er wußte, daß Dr. Pauly ein sehr guter Arzt war, daß die Klinik bestens geführt wurde, und nun war da auch noch ein persönliches Interesse vorhanden. Das hatte ihn überrascht.

Doch was wußte er schon über Stefanie Tillmann! Nur, daß ihre Ehe schon fast eine Hölle war. Von anderen Angehörigen sprach sie nie, und obgleich sie schon ein paar Jahre in dem Villenviertel lebte, kannte man sie kaum.

»Was hat Dr. Pauly gesagt?« fragte Stefanie leise, als sie neben Dr. Norden im Wagen saß.

»Er hat meiner Diagnose nicht widersprochen, aber es kann sich um eine abgeschwächte Form handeln. Tammy hatte doch schon öfter Kopfschmerzen und bei Erkältungen ähnliche Symptome, wie man sie bei der Meningitis feststellt. Das plötzliche hohe Fieber kann sich als hilfreich erweisen, damit schnell genug Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Manchmal denken Mütter ja an das Dreitagefieber und rufen den Arzt zu spät.«

»Tammy ist doch alles, was ich habe, und ich glaube, daß sie so überempfindlich ist, weil ihr Vater ihr so gar keine Zuneigung entgegenbringt. Ich weiß nicht, was mit Claus los ist, ich stehe vor einer düsteren Wand.«

Und was hätte er zum Trost sagen können? Sie solle sich doch scheiden lassen? Nein, das tat ein Arzt nicht, der die Hintergründe nicht genau kannte.

Sie waren schon am Ziel. Stefanie wirkte erschöpft, aber Dr. Norden wußte, daß es für sie besser sein würde, in der Klinik bei Tammy zu sein, als hier mit ihrem Mann unter einem Dach, und die erleuchteten Fenster verrieten, daß Claus Tillmann zu Hause war.

Ja, er war zu Hause, er hatte wieder einmal getrunken. Die Whiskyflasche stand vor ihm auf dem Tisch und ein halbleeres Bierglas auch.

»Da bist du ja endlich«, stieß er hervor. »Kann ich jetzt etwas zu essen bekommen?«

»Hol es dir aus dem Kühlschrank«, sagte Stefanie. »Ich packe ein paar Sachen und fahre wieder in die Klinik.«

»Was soll das heißen? Wird das nicht genug kosten, daß Tammy von Schwestern betreut wird?«

»Aber sie sind ihr fremd. Sie ist krank und braucht mich.«

»Die rührende Mutter«, höhnte er, »der Mann kann verhungern.«

»Du verhungerst sonst auch nicht, wenn du in Lokale gehst, warum nicht auch heute?« fragte sie.

»Wenn du so weitermachst, wirst du mich bald nicht mehr sehen, überhaupt nicht.«

»Einen größeren Gefallen könntest du mir gar nicht tun«, erwiderte Stefanie.

»Dann kannst du ja bei deinem Vater zu Kreuze kriechen«, spottete er. »Du brauchst gar nicht zu denken, daß du nur einen Pfennig von mir bekommst.«

Stefanie legte den Kopf etwas zurück. »Über das Scheidungsrecht scheinst du nicht Bescheid zu wissen, aber mach dir darüber ruhig mal Gedanken.« Sie ging in ihr Zimmer. Getrennt schliefen sie schon lange, weil es ihm leid gewesen war, daß sie nachts sofort aufstand, wenn Tammy weinte. Sie packte einige Sachen ein, Wäsche und Toilettenartikel, und was sie sonst noch brauchte. Viel Auswahl hatte sie bei der Kleidung sowieso nicht.

Es hätte ihr nichts ausgemacht, wenn sie mit einem Mann verheiratet wäre, der sie liebte, bei dem sie sich geborgen fühlen konnte. Aber sie war aller Illusionen beraubt. Es war anders gekommen, als sie erträumt hatte.

Sie dachte auch nicht daran, bei ihrem Vater zu Kreuze zu kriechen. Wenn sie Geld brauchte, würde Helmut es ihr geben, und auch Tammys Patin Cornelia Alten würde einspringen, deren Mutter Tamara Stefanies Patin gewesen war. Auf Cornelia hatte sich Stefanie immer verlassen können.

Sie bestellte sich ein Taxi. Taumelnd erschien Claus in der Tür.

»Mach, was du willst«, lallte er, »aber wundere dich nicht, wenn du mich hier nicht mehr vorfindest, wenn du zurückkommst.«

»Nun, es genügt, daß ich das Haus vorfinde«, erwiderte sie eisig, »denn das gehört mir. Das kannst du nicht mitnehmen.«

Er starrte sie an. In seiner Trunkenheit fand er jetzt keine Antwort mehr, aber Stefanie spürte, daß sie ihn tatsächlich an seiner empfindlichsten Stelle getroffen hatte, denn er hatte dauernd davon geredet, daß sie das Haus ja verkaufen könnten, wenn er anderswo eine Stellung bekommen würde.

Das Taxi war da. Grußlos verließ sie das Haus. Nicht eine Frage hatte er nach Tammy gestellt, damit war die Brücke vollends gebrochen.