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Der kleine Beitrag ‚Zum Problem der Menschenrechte aus der Sicht des Klinikers‘ will „das Recht, selbst zu sein“ als Menschenrecht einfordern. Fromm geht es in diesem Beitrag um den individualisierten abendländischen Menschen, der immer mehr zum Ding wird und sich nicht mehr in einer stabilen Identität zu erleben vermag. Nach Fromm können Menschenrechte „nur durchgesetzt werden, wenn es uns gelingt, eine Kultur zu schaffen, in welcher Menschen sich selbst identisch erleben können und in der Gefühle nicht künstlich, sondern echt sind und wo es statt Einschüchterungen Ermutigung zu kritischem Denken gibt“.
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(A Clinical View of the Problem of Human Rights)
Erich Fromm(1966e)
Als E-Book herausgegeben und kommentiert von Rainer Funk[1]Aus dem Amerikanischen von Liselotte und Ernst Mickel.
Erstveröffentlichung unter dem Titel A Clinical View of the Problem of Human Rights, in: American Journal of Orthopsychiatry, Menasha, Jahrgang 36 (1966), S. 195-197.
Die E-Book-Ausgabe orientiert sich an einer von Gisela Haselbacher und Rainer Funk besorgten Übersetzung im (virtuellen) Band 10 der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, S. 166-168.
Die Zahlen in [eckigen Klammern] geben die Seitenwechsel in der Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden wieder.
Copyright © 1966 by Erich Fromm; Copyright © als E-Book 2016 by The Estate of Erich Fromm. Copyright © Edition Erich Fromm 2016 by Rainer Funk.
Was hat der klinische Psychologe den Anschauungen der Staatswissenschaftler, Ökonomen und Moralphilosophen hinzuzufügen?
In jedem dieser Wissenschaftszweige wird der Schwerpunkt unterschiedlich gesetzt. Der Staatswissenschaftler wird die grundlegenden Menschenrechte, die freie und furchtlose Ausdrucksweise und die Möglichkeit, an Gemeinschaftsentscheidungen teilzunehmen, betonen. Dem Volkswirtschaftler bedeuten Menschenrechte, dass jedem Bürger die materielle Grundlage zu einer menschenwürdigen Existenz zusteht, welche ihm auch die Ausübung seiner politischen Rechte erlaubt. Der Moralphilosoph wird Menschenrechte dadurch kennzeichnen, dass jedermann für sich selbst sein soll, und nicht für Zwecke anderer missbraucht wird.
Diese verschiedenen Aspekte von Menschenrechten sind wichtig, doch unvollständig, wenn sie nicht noch das Recht, selbst zu sein erwähnen – und genau dazu hat der klinische Psychologe etwas beizutragen.
Was bedeutet es, selbst zu sein? In erster Linie bedeutet es, ein Mensch und kein Ding zu sein. Sicherlich sind wir alle Menschen, geboren als solche und werden erst, wenn wir tot sind, zu einem Ding. Aber in unserer modernen industrialisierten Gesellschaft neigen wir dazu, uns schon zu Lebzeiten in Dinge zu verwandeln. Der größte Teil unserer Energie wird zur Herstellung und zum Verbrauch von Dingen verwendet. Dabei verdinglichen wir uns selbst, fühlen uns als kleine Teile einer großen Maschinerie. Wir sind nicht nur der homo faber, der herstellende Mensch; vielmehr werden wir mehr und mehr zu einem homo consumens, für den alles – Nahrung, Bücher, Kinofilme, Sex – zu Artikeln des Konsums wird.