Zwei Herzen auf Skye - Eireen McGowan - E-Book
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Zwei Herzen auf Skye E-Book

Eireen McGowan

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Beschreibung

Eine romantische Liebesgeschichte aus Schottland mit Herzklopf-Garantie.

Nach einem Skandal ist Adeline gezwungen, ihre Ballettschule vorübergehend zu schließen und Edinburgh zu verlassen. Dabei verschlägt sie das Schicksal auf die Isle of Skye, der letzte Ort, an dem Adeline jemals Urlaub machen würde, wenn sie sich nicht in den Kopf gesetzt hätte Colin McLaughlin zu suchen, ein ihr völlig unbekannter Mann, dessen Namen sie eigentlich gar nicht wissen dürfte. Mit dem einsamen Inselleben kommt die überzeugte Städterin überhaupt nicht zurecht und die Suche nach dem Unbekannten ist schwieriger, als sie angenommen hat. Doch dann begegnet sie zufällig dem eigenwilligen, aber charmanten Craig, der den Ruf eines Inselcasanovas hat und ihr das schottische Eiland auf seine ganz eigene Weise zeigt. Dabei wird ihr Gefühlsleben ziemlich durcheinandergewirbelt.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Epilog
Über die Autorin
Impressum

Zwei Herzen auf Skye

Schottland-Roman

von

Eireen McGowan

Kapitel 1

Colin McLaughlin.

Meine Hand zitterte ein wenig, als ich diesen Namen in schöner, schnörkeliger Schreibschrift mit einem blauen Kugelschreiber geschrieben auf dem kleinen Stück Papier las. Ich hatte Bridget fest versprochen, das Kuvert mit diesem Namen nur im absoluten Notfall zu öffnen. Und dieser Zeitpunkt war nun wohl gekommen. Ich nahm einen kräftigen Schluck von meinem Rotweinglas. Ein Bordeaux, Jahrgang 2002, von irgendeinem französischen Château. Maxwell hatte eine Schwäche für gute Rotweine gehabt. Im Keller lagerten noch jede Menge Bestände. Doch Maxwell war nicht mehr da. Vier Jahr bereits.

„Warum hast du mich und Finlay einfach hier allein gelassen?“, führte ich einen Dialog mit meinem verstorbenen Mann, was keine Seltenheit war.

Die Weinflasche war mittlerweile leer, während sich mir der Kopf drehte. Maxwell fehlte mir. In diesem Augenblick noch mehr als sonst. Er war der erste und einzige Mann, den ich geliebt hatte. Ich war gerade mal 19 gewesen, als wir uns kennengelernt hatten. Er bereits 35. Doch der Altersunterschied hatte in unserer Beziehung, die durch eine harmonische Ehe und unseren Sohn Finlay gekrönt wurde, nie eine Rolle gespielt. Gemeinsam hatten wir in diesem großzügigen Loft gewohnt, dass sich hoch über der Stadt in einem ehemaligen Industriebau aus Backsteinen befand, der relativ zentral gelegen war. Der Ausblick war gigantisch. Man sah sowohl zum Meer als auch über die ganze Altstadt und zu Edinburgh Castle. Wie viel schöne Sonnenuntergänge hatten wir hier gemeinsam erleben dürfen. Doch nun stand auf einmal alles auf dem Spiel. Ich war am Ende. Lediglich der viele Alkohol, den ich intus hatte, hielt mich davon ab, völlig durchzudrehen.

Meine Ballettschule war heute geschlossen worden. Sie war mein Leben und meine Leidenschaft. Selbst als Finlay noch klein gewesen war, hatte ich jede freie Minute dort verbracht. Ich liebte das beherrschte Tanzen, den klaren Rhythmus und die klassische Musik. Doch das hatte man mir nun von einer Minute auf die andere genommen. Schuld daran war Stuart. Eigentlich hatte ich immer gedacht, er wäre Maxwells bester Freund gewesen. Er war seine rechte Hand. Hatte mit ihm zusammen die Firma geführt, die schon seit Generationen in Familienbesitz war, und hatte nach seinem Tod die ganze Verwaltung von Maxwells Vermögen übernommen. Dass das ein Fehler war, hatte ich vor zwei Tagen schmerzlich erfahren müssen. Er hatte im großen Stil Gelder veruntreut und Kunden betrogen, was bedeutete, dass ich kurz davorstand, mein Leben, wie ich es bisher geführt hatte, komplett zu verlieren.

Die Presse hatte diese Neuigkeiten sofort spitzbekommen, weswegen meine Wohnung seit gestern umlagert war. Bereits jetzt konnte man die Schlagzeilen, die morgen in der Printausgabe der Zeitung zu lesen waren, im Internet sehen. Es war schrecklich. Ich wünschte mir, dass ich mich weit von hier wegbeamen könnten. Das einzig Gute war, dass Finlay mit seiner Freundin Sophie gerade durch Australien reiste und von all dem nichts mitbekam. Zumindest noch nicht so schnell. Bis dahin hatte sich das Chaos, das so überraschend über mein Leben gekommen war, vielleicht etwas geordnet. Bridget, die nicht nur meine beste Freundin war, sondern auch Steuerberaterin, arbeitete auf Hochdruck, um mir zu helfen. Aber auch sie war nur ein Mensch und brauchte Zeit, um sich über die Lage einen Überblick zu verschaffen. Das Einzige, was ich zurzeit tun konnte, war abwarten. Doch das war nicht so leicht, wie es sich vielleicht anhörte. Es zermürbte mich. Ich verfluchte Stuart, weinte viel und führte Zwiegespräche mit Maxwell im Himmel.

„Warum, Maxwell? Sag mir, warum?“, stieß ich schluchzend hervor und die Tränen liefen mir wie Sturzbäche über die Wangen.

In der Hand hielt ich immer noch den Zettel. Colin McLaughlin. Isle of Skye. Mehr war dort nicht zu lesen. Keine Ahnung, warum ich das Kuvert aufgerissen hatte. Er wohnte also auf einer Insel am Ende der Highlands. Wollte ich das wirklich wissen? Handelte ich mir dadurch nicht noch mehr Probleme ein, als ich eh schon hatte? Wollte ich diesen Mann überhaupt in mein Leben lassen? Oder war er nicht schon längst ein Teil davon? Eine Übelkeit überkam mich, von der ich nicht wusste, ob sie vom Rotwein oder von dem ganzen Chaos kam, das so plötzlich über mich geschwappt war. Isle of Skye. Wer war er? Ein Naturmensch? Pubbesitzer? Fischer? Whiskybrenner? Das waren die einzigen Berufe, die ich mir auf Skye vorstellen konnte. Vielleicht noch Hotelier. Das Leben auf einer wenig besiedelten Insel am Ende der Welt war so gar nicht meins. Ich war ein überzeugter Stadtmensch. Ich liebte die Kultur und den Puls, den Edinburgh zu bieten hatte. Selbst wenn Maxwell früher immer mit Finlay zum Landsitz seiner Eltern gefahren war, hatte ich meistens dankend abgelehnt. Maxwell hatte mir meine diesbezüglichen Eigenheiten zugestanden. Überhaupt hatte jeder von uns dem anderen seine Freiheiten gelassen, was wohl auch das Geheimnis unserer ausgeglichenen Beziehung gewesen war.

Colin McLaughlin. Wie musste ich ihn mir vorstellen? Ich kannte ihn nicht. Er war ein völlig Fremder und irgendwie ja doch nicht. Diese Vorstellung verwirrte mich zusätzlich. Wieso hatte ich nur dieses Kuvert aufgerissen? Ich hätte mir doch gleich denken können, dass das überhaupt gar nichts bringen würde.

„Verdammt, Maxwell. Hilf mir doch“, flehte ich zu dem gerahmten Foto, das auf dem Kaminsims stand.

Isle of Skye, schwirrte es mir durch den Kopf, der sich immer mehr drehte, bevor ich mich erschöpft auf das große Sofa niederließ und eine embryonale Stellung einnahm. Ich war noch nie auf Skye gewesen. Hatte auch nie das Bedürfnis dazu gehabt. Doch nun kreiste der Name dieser Insel wie ein Mantra durch meine Gehirnwindungen, die mittlerweile Totalausfallerscheinungen aufwiesen. Isle of Skye. Wieso lebte Colin McLaughlin auf Skye? Und was sollte ich nun mit dieser Information anfangen? Bevor ich dieses Kuvert aufgerissen hatte, war er für mich quasi nicht existent gewesen. Ein Phantom. Doch nun, da ich seinen Namen wusste und den Ort, an dem er zumindest mal gemeldet gewesen war, konnte ich ihn nicht mehr ausradieren. Colin McLaughlin.

„Verpiss dich aus meinem Kopf und meinen Gedanken“, lallte ich wütend und für mich untypisch vor mich hin, bevor ich wenige Sekunden später völlig erschöpft und vom Wein berauscht eingeschlafen war.

Kapitel 2

Völlig verpeilt erwachte ich am nächsten Morgen auf dem Sofa. Das Knarzen der schweren Metallhaustüre hatte mich geweckt. Der erste Versuch, meine Augen zu öffnen, scheiterte. Mein Körper fühlte sich unglaublich schwer an, was nicht auf physische Ursachen zurückzuführen war. Es waren meine Sorgen, die mich in diesem Moment zu erdrücken drohten. Außerdem plagte mich ein Kater der Extraklasse. Ein Problem, das ich bisher noch nie so gekannt hatte, da ich prinzipiell ein disziplinierter Mensch war, der nichts von übermäßigem Alkoholkonsum hielt. Doch nun machten mir nie dagewesene Kopfschmerzen und eine sagenhafte Übelkeit zu schaffen. Meine Probleme von gestern waren ebenfalls noch da und fühlten sich in meinem derzeitigen Zustand noch viel schlimmer an als Tags davor.

„Schöne Scheiße!“, knallte mir Maria, meine Putzfrau, die Zeitung von heute auf den kubischen Aluminiumcouchtisch, der nach meiner Trinkorgie nicht gerade ein ordentliches Erscheinungsbild aufzuweisen hatte.

Ihre Ausdrucksweise war manchmal etwas derb, doch grundsätzlich war sie eine gute Seele.

„Dieser Stuart ist ein Arschloch!“, fuhr sie mit energischer Stimme und leichtem Akzent fort, was meine Kopfschmerzen noch weiter beflügelte.

„Da will ich dir nicht widersprechen“, meinte ich müde zu ihr und rieb mir meine Schläfen.

„Und was jetzt, Adeline?“, wollte sie von mir wissen, hockte sich neben mich auf das Sofa und verschränkte ihre Arme.

Maria stammte aus Rumänien, lebte jedoch bereits seit etlichen Jahren mit ihrer Familie in Schottland. Sie war 31 und trug mit Vorliebe Plagiatsmarkenklamotten. Auch wenn sie bei mir lediglich zum Putzen angestellt war, machte sie jedes Mal den Eindruck, als hätte sie einen Auftritt auf dem Laufsteg. Ihr braunes halblanges Haar war perfekt gestylt und das Gesicht stark geschminkt. Wie sie das mit dem Putzen trotz der gigantischen Absätze ihrer glitzernden Pumps hinbekam, war mir auch nach all der Zeit, wo sie für mich arbeitete, noch immer ein Rätsel.

„Ich habe keine Ahnung. Ich weiß auch gar nicht, wie das alles jetzt finanziell weiter geht und inwieweit ich für Stuarts Verfehlungen haften muss. Es ist alles so schrecklich“, stiegen mir die Tränen langsam in die Augen. „Falls du dich lieber nach einer neuen Stelle umsehen möchtest. Ich weiß momentan wirklich nicht, wie ich dich bezahlen soll.“

„Was redest du da für einen Bullshit, Adeline. Du schenkst mir einfach die schwarzen Lederstiefeletten von Prada und ich putze dir das nächste halbe Jahr ohne Murren weiter. Das ist doch kein Problem“, meinte sie lachend, wurde dann aber schnell wieder ernst. „Viel größere Sorgen mache ich mir um dich. Du siehst furchtbar aus.“

„Bridget ist schon an der Sache dran. Sie versucht mir zu helfen, wo sie nur kann. Ich bin völlig überfordert mit allem. Nach Maxwells Tod habe ich mir nie groß Gedanken über die Firma gemacht, weil Stuart sofort zur Stelle war und die Geschäfte im Sinne meines Mannes weitergeführt hat. Dachte ich zumindest.“

Wieder kullerten mir Tränen über die Wangen, was Maria dazu bewog, mir ein Taschentuch zu reichen.

„Diesen Stuart sollte man lynchen“, knurrte sie und machte mit ihren Händen Gesten, als würde sie jemanden erwürgen.

„Wie kann man sich in einem Menschen nur so täuschen?“, fragte ich sie mit verheulten Augen.

„Adeline, ich mache dir jetzt erst mal eine Tasse Kaffee“, erhob sie sich von ihrem Platz und stöckelte auch schon in die große offene Küche, wo sie den Vollautomaten hochheizte. „Was sind das eigentlich für Leute da unten? Ist das die Presse?“

„Ja.“

Leise fluchte Maria auf Rumänisch vor sich hin, und ich konnte nur erahnen, dass des keine Nettigkeiten waren, die aus ihrem Mund kamen. Wenig später kam sie in der einen Hand mit einer Tasse und in der anderen mit dem Putzlappen daher. Sie stellte den dampfenden Kaffee vor mir ab und begann dann damit, den verwüsteten Couchtisch sauber zu machen. Meine Reaktionszeit war an diesem Morgen, der eigentlich schon in der Mittagszeit lag, noch sehr gehemmt. Schneller als ich schauen konnte, hatte Maria den Zettel in der Hand.

„Colin McLaughlin. Isle of Skye“, las Maria laut vor, was mir ein bisschen peinlich war, obwohl ich nicht sagen konnte, warum. „Wer soll das sein?“

„Mein Versicherungsvertreter“, log ich.

„Der kommt von Skye hierher nach Edinburgh?“, hakte sie erstaunt nach.

„Er arbeitet aus dem Homeoffice.“

„Na, von mir aus. Solange er nicht so ein Arschloch wie Stuart ist.“

Mit diesen Worten gab sie mir den Zettel in die Hand und wischt über den Tisch. Als wäre er ein Schatz, drückte ich ihn spontan an meine Brust, dann ließ ich ihn unauffällig in meiner Hosentasche verschwinden und nippte an dem Kaffee, dessen Duft meine Lebensgeister langsam reaktivierten. Ich brauchte dringend eine Dusche und frische Klamotten. Mein Blick schweifte über die Titelseite der Zeitung, die Maria mir vorhin heraufgebracht hatte.

Campbell-Imperium vor dem Zerfall?

Was wusste Maxwell Campbells Witwe von Suart Millers Machenschaften?

Darunter fügte sich ein schmieriger Bericht, der zum Großteil auf Halbwahrheiten und Mutmaßungen beruhte, jedoch kein gutes Haar an mir ließ. Wenigstens hatten sie darauf verzichtet, ein Foto von mir abzubilden. Die Schmach genügte auch so schon. Ich war ruiniert. Nicht nur, dass mir mein Lebenswerk, meine Ballettschule, genommen worden war, weil sie vermögenstechnisch irgendwie mit der Firma verbandelt war, nein, hier wurde auch noch zusätzlich meine Persönlichkeit komplett vernichtet. Ich war völlig am Ende und hatte keinen Plan, wie ich da je wieder rauskommen sollte. Schwerfällig schleppte ich mich ins Badezimmer und unter die Dusche. Eine ganze Weile ließ ich eiskaltes Wasser über mein Gesicht und meinen nackten Körper laufen, was mir allerdings nichts ausmachte. Im Gegenteil, die Kälte gab mir wenigstens das Gefühl, am Leben zu sein und mich zu spüren. Wie sollte ich es Finlay beichten? Was würden meine Eltern dazu sagen? Das einzig Gute daran war, dass alle weit genug weg waren und ich so vielleicht noch ein paar Tage Zeit hatte, um es ihnen schonend beizubringen. Vielleicht wusste ich bis dahin auch schon, was genau Sache war. Vielleicht würde sich das alles als ein schrecklicher Albtraum entpuppen und nichts von dem, was gerade passierte, war real. Das hoffte ich zumindest. Allerdings war mein Hoffnungslevel mittlerweile bereits in den Minusbereich abgerutscht. Doch an ein Wunder zu glauben, kostete wenigstens nichts und war selbst mir noch erlaubt.

Kapitel 3

Maria wirbelte noch immer putzend durch die Wohnung, als es klingelte. Ich wollte eigentlich nicht aufmachen, doch meine Putzfee war schneller an der Sprechanlage, als ich reagieren konnte.

„Bridget“, verkündete sie mir vergnüglich.

Ich konnte nur hoffen, dass sie gute Nachrichten für mich im Gepäck hatte. Alles andere würde ich heute nicht verkraften. Mit festem Schritt betrat Bridget wenig später das Loft. Wir kannten uns schon viele Jahre und neben der Betreuung meiner Steuersachen für die Ballettschule hatte sie auch stets ein offenes Ohr für mich. Sie trug einen schwarzen Jumpsuit und einen knallgelben Mantel darüber. Ihr kurzes Haar war kunstvoll in Form gebracht.

„Wie siehst du denn aus, Elli?“, fragte sie mich besorgt und fiel mir um den Hals, sodass mich umgehend ihr Parfum wie eine Nebelwolke umhüllte. „Ich glaube, ich habe dich noch nie ohne deinen Dutt gesehen.“

Normalerweise hatte ich mein Haar immer zu einer strengen Frisur gebunden, wie es sich für eine Ballettlehrerin gehörte. Doch heute fehlte mir einfach die Kraft dazu, mein langes dickes Haar zu bändigen, das auch mit 44 auf natürliche Weise kaum graue Strähnen aufwies. Bridgets Umarmung tat mir gut, gleichzeitig schwappten meine Emotionen über und ich heulte mich an ihrer Schulter aus.

„Ist ja schon gut, Elli“, versuchte sie mich zu beruhigen und klopfte mir dabei sanft auf den Rücken. „Ist ja schon gut.“

„Nichts ist gut“, wimmerte ich weiter. „Ich fühle mich um mein komplettes Leben betrogen.“

„Kann ich mir gut vorstellen. Dass sie dir die Ballettschule dichtgemacht haben, ist echt hart“, meinte sie mitfühlend zu mir. „Aber ich werde das wieder hinbekommen. Ich weiß zwar noch nicht wie, aber ich schaffe das.“

In diesem Moment wollte ich ihr wirklich glauben. Was blieb mir auch anderes übrig?

„Allerdings müssen wir erst mal die Hyänen von der Presse vertreiben, die vor dem Haus lungern“, meinte Bridget entschlossen zu mir und ließ mich langsam los, um zum Fenster zu gehen und nach unten zu schauen, wie die Lage gerade war.

„Und wie? Ich denke nicht, dass wir die so einfach losbekommen werden.“

„Am besten wäre, du würdest für ein paar Tage verreisen. Zumindest bis sich der erste Hype gelegt hat. Bis dahin weiß ich vielleicht auch schon mehr und wir können uns überlegen, wie wir die Sache darstellen, dass zumindest deine Person nicht komplett in den Dreck gezogen wird.“

„Du meinst, ich soll in den Urlaub fahren?“, fragte ich völlig überrumpelt von diesem Vorschlag.

„Hier bleiben bringt auf jeden Fall auch nichts. Du machst dich eh bloß fertig. Und in diesem Zustand bist du mir sowieso keine große Hilfe. Ein Tapetenwechsel würde dir sicherlich guttun. Gleichzeitig könnten wir die Leute von der Presse abschütteln“, fantasierte meine beste Freundin munter weiter. „Am besten, du setzt dich auf eine einsame Insel ab. Malta, Ibiza, Gran Canaria.“

„Eine einsame Insel? Ist das dein Ernst?“, entrüstete ich mich.

„Na gut, die Beispiele sind nicht ganz passend. Aber du weißt, wie ich es gemeint habe. Du brauchst ein bisschen Abstand von der Stadt“, führte sie euphorisch aus.

„Ich soll Edinburgh verlassen?“

„Ja, Elli, ich weiß, das ist schwer vorstellbar für dich. Aber in der momentanen Situation ist es wirklich das Beste. Ich werde für heute Nachmittag um 16 Uhr eine kleine Pressekonferenz anberaumen. Das dürfte die Hyänen erst mal ruhigstellen. In der Zeit kannst du das Weite suchen. Bevorzugt ans Ende der Welt, wo dich niemand kennt.“

„Ich bin eine Stadtpflanze“, murmelte ich widerwillig vor mich hin, denn diese Vorstellung stresste mich.

Ich wollte nicht von hier weg und erst recht nicht ans Ende der Welt. Ich wollte in Edinburgh bleiben und in meiner Ballettschule unterrichten. War das denn so schwer zu verstehen? Langsam suchte sich wieder eine Träne den Weg über meine Wange, als mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf spukte: Isle of Skye.

Ich könnte mich auf Skye absetzten. Dort würde mich sicherlich niemand vermuten. Nicht einmal ich selbst. Gleichzeitig könnte ich nach Colin McLaughlin forschen. Die Neugier hatte mich plötzlich gepackt. Natürlich durfte ich Bridget nichts von meinen Plänen erzählen, sie würde sonst sofort die Lunte riechen. Immerhin hatte ich von ihr das Kuvert mit dem Namen erhalten, über dessen Inhalt sie bestens informiert war. Wie sie diese Information erhalten hatte, darüber zerbrach ich mir immer noch den Kopf. Wissen wollte ich es allerdings lieber nicht so genau. Bridget pflegte ein breites Netzwerk. Nicht selten erhielt sie Nachrichten auf dem kleinen Dienstweg über irgendwelche Hintertüren. Das war wohl ihr Geschäftsgeheimnis, weswegen sie über eine große Mandantschaft verfügte und mittlerweile in ihrer Kanzlei etliche Mitarbeiter beschäftigen konnte.

„Du wirst es überleben“, tröstete mich meine beste Freundin.

„Und ich passe auf die Bude auf, wenn du nicht da bist“, wurde Bridget auch gleich von Maria verbal unterstützt.

„Und wie lange?“

„Solange du willst. Wenn etwas ist, werde ich dich anrufen“, versuchte sie mich zu beruhigen.

„Okay?“

„Okay.“

Noch einmal schaute Bridget aus dem Fenster zu den Leuten von der Presse, die nach wie vor sensationshungrig auf mich warteten.

„Das bekommen wir schon hin.“

„Ich will es hoffen. Schlimmer kann es eigentlich kaum noch werden“, versuchte ich optimistisch zu klingen, was mir allerdings in meiner momentanen Situation ziemlich schwerfiel.

„Mach dir keine Sorgen, Elli. Ich regle das. Und schau bloß, dass du pünktlich um 16 Uhr deine Koffer gepackt hast. Ewig kann ich die Meute dort unten nicht hinhalten“, meinte sie zu mir und umarmte mich zum Abschied noch einmal herzlich, was auch Maria dazu animierte, mich und Bridget mit ihren Armen zu umschlingen.

Als ich wieder allein war, kamen leichte Zweifel in mir hoch, ob es richtig war, was ich vorhatte. Doch wischte ich sie im Hinblick auf meine ausweglose Situation schnell wieder beiseite. Ich würde Urlaub machen auf Skye. Meine Freude hielt sich in Grenzen.

Kapitel 4

Urlaub war nicht gerade meine Spezialität. Bisher hatte mich hauptsächlich die Arbeit in meiner Ballettschule davon abgehalten, länger irgendwo hinzuverreisen. Maxwell hatte das nichts ausgemacht. Er war beruflich viel im Ausland unterwegs gewesen und genoss in seiner wenigen freien Zeit das Familienleben zu Hause oder mal ein Wellnesswochenende. Das war alles. Von daher konnte ich auch nicht so recht verstehen, woher Finlay den Drang hatte, bis ans andere Ende der Welt zu reisen. Aber als Mutter eines 19-Jährigen hatte ich mittlerweile gelernt, nicht alles verstehen zu müssen. Wie sollte ich ihm bloß beibringen, dass das Lebenswerk seines Dads von Stuart zerstört worden war? Ich konnte es ja selbst noch gar nicht richtig fassen. Finlay hatte erst letztes Jahr begonnen, Betriebswirtschaft zu studieren, um dann endlich das Erbe seines Vaters in der Firma anzutreten. Doch ob das noch möglich war, stand derzeit in den Sternen. Maxwells Großvater hatte sich seinerzeit in der Baubranche selbstständig gemacht. Mittlerweile war das Unternehmen im großen Stil am Immobilienmarkt tätig und beschäftigte mehrere hundert Mitarbeiter, die international agierten. Mit Maxwells Arbeit hatte ich nie viel am Hut gehabt, was ihn aber auch nie gestört hatte. Umso schlimmer hatte mich sein plötzlicher Tod und die damit einhergehende Verantwortung getroffen. Dass Stuart sich damals in der Firma sofort um alles kümmerte, hatte mich ungemein beruhigt. Es gab keinen Grund, ihm nicht zu vertrauen. Desto mehr war ich nun von ihm enttäuscht.

Völlig genervt stand ich nun in meinem großen begehbaren Kleiderschrank und überlegte, was ich für meine kurzfristige Reise mitnehmen sollte. Packen war für mich schon immer ein Horror gewesen. Was brauchte ich für meinen Aufenthalt auf einer Insel am Rande der Highlands? Ich war völlig überfordert und hatte keine Ahnung, wie das Wetter dort war. Es war bereits Dezember. Also wäre vielleicht wärmere Kleidung angebracht. Wahllos holte ich Klamotten aus den Regalen und stopfte sie in den Koffer. Irgendetwas davon würde schon passend sein. Zum Glück hatte ich im Tresor noch eine größere Summe an Bargeld. Ein Relikt, das ich von Maxwell übernommen hatte. So musste ich zu keiner Bank und konnte mich nachher einfach aus dem Staub machen. Ich war gerade dabei das Schuhregal zu inspizieren, als plötzlich das Telefon klingelte. Meine Festnetznummer hatten nicht viele Leute, sodass der Kreis der Anrufer überschaubar war. Ich schaute auf das Display. Marc.

„Hallo Bruderherz“, begrüßte ich ihn und versuchte möglichst unbefangen zu wirken, was aber nicht viel brachte.

„Elli, ich habe es gerade aus den Nachrichten erfahren. Das ist ja schrecklich. Wie geht es dir? Soll ich zu dir kommen? Ich könnte eine Aushilfe für den Pub organisieren“, redete er nicht lange um den heißen Brei.

Mein Bruder war fünf Jahre jünger als ich und betrieb mitten in der Altstadt von Edinburgh einen Pub, der bereits seit drei Generationen in unserer Familie war. Es war nicht so, dass wir uns jede Woche sahen oder telefonierten, obwohl wir maximal zehn Minuten voneinander entfernt wohnten. Trotzdem verstanden wir uns bestens. Seit Maxwells Tod war er nicht nur für mich zu einer großen Stütze geworden, sondern auch für Finlay ein wichtiger Vertrauter. Anders als ich, sah Marc das Leben manchmal etwas zu locker. Doch gerade deshalb ergänzten wir uns auf eine gute Weise.

„Brauchst du nicht. Bridget bekommt das ganze Chaos hoffentlich bald wieder in den Griff. Momentan kann ich nicht viel machen“, versuchte ich das Ganze zu beschwichtigen, obwohl die Realität ganz anders aussah.