Zwei Madeln und ein Störenfried - Toni Waidacher - E-Book

Zwei Madeln und ein Störenfried E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Sepp Reisinger, der Inhaber des Hotels »Zum Löwen« in St. Johann, betrachtete den vor ihm stehenden Gast mit einem taxierenden Blick. Geld hatte der Mann, so viel stand fest! Der Hotelier machte seine Überzeugung an der Tatsache fest, dass der Ankömmling nicht nur sehr gut gekleidet war – der Anzug war ganz sicher nicht von der Stange – sondern auch einen teuren Wagen fuhr; ein italienisches Modell, für dessen Kaufpreis sich andere Leute locker ein Eigenheim hätten bauen lassen können. Also die ›König-Ludwig-Suite‹! »Ich bedaure sehr«, sagte Sepp, mit einem scheinbar gequälten Lächeln auf den Lippen, »aber unser Haus ist ausgebucht.« Immerhin war der Mann einfach so hereingeschneit und hatte nach einem Zimmer gefragt. »Wir haben Hochsaison«, fuhr der Wirt fort, »da ist's fast unmöglich, dass überhaupt noch irgendwo im Wachnertal was frei ist.« Der Mann, er war um die Mitte vierzig, hatte ein markantes Gesicht, mit einem energischen Kinn und dunklen, kalt blickenden Augen. Er trug einen eleganten Anzug aus leichtem hellem Stoff. Er warf einen Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk und schüttelte unwillig den Kopf. »Kann man denn da gar nichts machen?«, fragte er mit einer Stimme, die einen merkwürdig rauen Klang hatte. Sepp Reisinger holte beim Anblick der goldenen Uhr heftig Luft. Er wusste, was so eine Uhr kostete. Also jetzt nur keine Hemmungen! Der Hotelier tat, als suche er im Computer eifrig nach einer Möglichkeit, dem Mann zu helfen, und schüttelte plötzlich überrascht den Kopf.

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Der Bergpfarrer – 304 –

Zwei Madeln und ein Störenfried

Der charmante Thomas bringt alles durcheinander …

Toni Waidacher

Sepp Reisinger, der Inhaber des Hotels »Zum Löwen« in St. Johann, betrachtete den vor ihm stehenden Gast mit einem taxierenden Blick.

Geld hatte der Mann, so viel stand fest!

Der Hotelier machte seine Überzeugung an der Tatsache fest, dass der Ankömmling nicht nur sehr gut gekleidet war – der Anzug war ganz sicher nicht von der Stange – sondern auch einen teuren Wagen fuhr; ein italienisches Modell, für dessen Kaufpreis sich andere Leute locker ein Eigenheim hätten bauen lassen können.

Also die ›König-Ludwig-Suite‹!

»Ich bedaure sehr«, sagte Sepp, mit einem scheinbar gequälten Lächeln auf den Lippen, »aber unser Haus ist ausgebucht.« Immerhin war der Mann einfach so hereingeschneit und hatte nach einem Zimmer gefragt. »Wir haben Hochsaison«, fuhr der Wirt fort, »da ist’s fast unmöglich, dass überhaupt noch irgendwo im Wachnertal was frei ist.«

Der Mann, er war um die Mitte vierzig, hatte ein markantes Gesicht, mit einem energischen Kinn und dunklen, kalt blickenden Augen. Er trug einen eleganten Anzug aus leichtem hellem Stoff. Er warf einen Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk und schüttelte unwillig den Kopf. »Kann man denn da gar nichts machen?«, fragte er mit einer Stimme, die einen merkwürdig rauen Klang hatte.

Sepp Reisinger holte beim Anblick der goldenen Uhr heftig Luft. Er wusste, was so eine Uhr kostete. Vor Jahren hatte er selbst einmal mit so einem schönen Stück geliebäugelt – allerdings war ihm dann gehörig der Schreck in die Glieder gefahren, als der Händler den Preis genannt hatte …

Also jetzt nur keine Hemmungen!

Der Hotelier tat, als suche er im Computer eifrig nach einer Möglichkeit, dem Mann zu helfen, und schüttelte plötzlich überrascht den Kopf. »Tatsächlich«, murmelte Sepp Reisinger, »eine Suite hätt ich noch, seh ich hier grad.« Er hob den Kopf und sah den Gast an. »Allerdings ist es unsre teuerste Suite, die ich ihnen noch anbieten kann …«

»Ich nehme sie«, antwortete der Mann sofort.

»Äh …, ja, sie kostet aber fünfhundert Euro – die Nacht …«

Der Unbekannte vor ihm nickte ungerührt. »In Ordnung.« Er reichte Sepp seine Autoschlüssel. »Lassen Sie mein Gepäck holen.«

»Selbstverständlich.« Der Wirt klingelte nach dem Hausburschen. »Für wie lang soll ich die Suite buchen?«, fragte er. Dabei kramte er nach dem Block mit den Meldezetteln. »Hier müssten S’ sich eintragen, Herr …«

»Erlander«, erwiderte der Mann. »Robert Erlander. Ich weiß noch nicht, wie lange ich bleibe. Sagen wir, erst einmal vierzehn Tage, mit Option auf Verlängerung, wenn das möglich ist.«

»Aber selbstverständlich, Herr Erlander«, wieselte Sepp eilig hinter dem Tresen hervor, den Schlüssel für die Suite in der Hand. »Ich darf Sie persönlich hinaufbringen?«

Der Gast nickte. »Ach, haben Sie eine Tageszeitung?«, erkundigte er sich.

»Aber freilich.« Der Hotelier deutete auf ein Regal, in dem Zeitungen und Magazine auslagen. »Internationale Presse«, erklärte er. »Wenn S’ sich bedienen möchten?«

Erlander trat an das Regal. Es gab tatsächlich nicht nur Presseerzeugnisse aus Deutschland, sondern auch in englischer, französischer und italienischer Sprache.

»Ich bin mehr an einer Zeitung aus der Region interessiert«, erklärte er nach einem kurzen suchenden Blick und griff dann zielsicher nach dem ›Kurier‹ aus Garmisch Partenkirchen.

Karl Berghammer, der Hausbursche, betrat die Hotelhalle, zwei braune Lederkoffer in den Händen.

»In die ›König-Ludwig-Suite‹«, wies Sepp ihn an.

Karl stieg die Treppe hinauf, die beiden Männer folgten ihm. Auf dem Weg nach oben führte der Wirt die Vorzüge des Hauses an und wies besonders auf das Restaurant hin, in dem man vorzüglich speisen könne.

Robert Erlander hörte schweigend zu, nickte hin und wieder und reservierte, zu Sepps Enttäuschung, keinen Tisch.

»So, da wären wir.« Sepp Reisinger schloss auf und ließ den Gast eintreten. Karl folgte mit den Koffern.

»Ja, vielen Dank«, sagte Erlander, nachdem der Hausbursche die Gepäckstücke auf die dafür vorgesehene Ablage gestellt hatte.

Er griff in die rechte Außentasche seines Sakkos und zog einen Geldschein hervor, den er Karl Berghammer in die Hand drückte – ohne geschaut zu haben, um welche Summe es sich handelte.

Der Hausbursche ließ das Geld in der Tasche seiner grünen Schürze verschwinden, die er immer im Dienst trug, und verließ die Suite unter etlichen Dienern.

»Sagen S’ nur, wenn ich noch etwas für Sie tun kann«, bemerkte der Hotelier. »Oder, falls irgendwas fehlen sollte.«

Robert Erlander blickte sich um. Die ›König-Ludwig-Suite‹ maß an die hundertfünfzig Quadratmeter, sie hatte einen kleinen Flur, von dem die Zimmer abzweigten. Es gab eine geräumige Wohnstube, eine Schlafkammer, sowie ein Bad, mit Wanne und Dusche. Selbstverständlich war eine gut gefüllte Bar im Wohnzimmer vorhanden, auf dem Tisch standen frische Blumen, sowie eine Schale mit Obst. Beides wurde täglich neu arrangiert, gleich ob die Suite belegt war oder nicht. Es hatte sich oft gezeigt, dass überraschend ein Gast sie buchte.

Heute erst wieder.

Der Mann schüttelte den Kopf.

»Vielen Dank«, erwiderte er. »Es ist alles in Ordnung. Sollte ich etwas brauchen, melde ich mich.«

»Sehr wohl«, dienerte Sepp und verabschiedete sich. »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in unserem Haus.«

Robert Erlander antwortete nicht darauf. Er ging in das Schlafzimmer und öffnete einen der beiden Koffer. Auf den Kleidungsstücken, die sich darin befanden, lag ein tragbarer Computer. Er nahm das Gerät und trug es ins Wohnzimmer. Vor einem der beiden großen Fenster stand ein Schreibtisch. Erlander stellte den Laptop darauf ab und schaltete ihn ein. Dann griff er nach der Tageszeitung und schlug sie auf. Gleich auf der zweiten Seite fand er, was er suchte.

Einen Artikel, den eine Journalistin geschrieben hatte, deren Kürzel ›ct‹ lautete. Erlander wusste den Namen dieser Journalistin – sie hieß Claudia Trenker, und ihretwegen war er nach St. Johann gekommen.

*

»Mach mal lauter!«

Pia Faber schnipste im Takt zu der Musik, die aus dem Autoradio erklang. Die junge Frau, die hinter dem Lenkrad des Kleinwagens saß, drehte eher unwillig die Lautstärke höher. Bei dem Song, der zu hören war, handelte es sich um eine Liebesballade eines derzeit sehr angesagten amerikanischen Teenystars; ein Lied, für das Esther Sommerfeld gerade überhaupt keinen Draht hatte …

»Blödes Gejaule«, meinte sie abschätzig.

Pia grinste. »Komm schon«, sagte sie, »vergiss den Heini einfach und freue dich auf zwei herrliche Wochen unvergesslicher Ferien.«

Esther seufzte. Mit dem ›Heini‹ war Thorsten gemeint. Thorsten Raitmayr, der ihr ewige Treue geschworen hatte. Bis vor einigen Wochen hatte Esther an diesen Schwur noch geglaubt, bis sie dahintergekommen war, dass sie offenbar nicht die Einzige war, der Thorsten dieses Versprechen gegeben hatte.

Die Entdeckung hatte für die hübsche Dreiundzwanzigjährige eine Welt zusammenbrechen lassen. Esther war überzeugt gewesen, in Thorsten den Mann fürs Leben gefunden zu haben, und hatte sich schon lebhaft ausgemalt, wie sie direkt nach ihrem Studium heiraten würden.

»Ich hab’s dir ja gleich gesagt, das Studium frisst uns auf!«

Pias Bemerkung, als sie von Thorstens Betrug erfuhr, war für Pia wenig tröstlich gewesen. Immerhin gab sie der Freundin recht, die jedem Annäherungsversuch aus dem Wege gegangen war.

»Erst das Studium«, war Pias Devise, wenn ein fescher Bursche ihr schöne Augen machte.

Und bislang hatte sie sich eisern daran gehalten.

»Wie weit ist es denn noch?«

Esther warf einen Blick auf das kleine Navigationsgerät an der Frontscheibe des Autos.

»Keine zehn Minuten mehr, dann sind wir da«, antwortete sie und schaute aus dem Fenster.

Vor einer guten halben Stunde hatten sie, aus München kommend, die Autobahn verlassen und waren über eine kurvenreiche Landesstraße weiter nach Süden gefahren. Die Landschaft hatte sich rapide verändert. Rings um sie herum gab es jetzt hohe Berge, deren schneebedeckten Gipfel scheinbar den Himmel berührten. Dunkelgrüne Bergwälder und hellere Wiesen bildeten einen hübschen Kontrast. Hin und wieder war auch in der Ferne ein Bauernhof zu erkennen, der sich an den Berg schmiegte. In eleganten Serpentinen kurvte die Straße in einen Talkessel hinunter, in dessen Grund St. Johann lag.

»Schau mal!«

Esther deutete nach vorn. Sie fuhren direkt auf das Dorf zu, das sich ihnen malerisch präsentierte. Die beiden Frauen kamen an gepflegten kleinen Häusern vorbei, deren Fassaden mit den für diese Gegend typischen Lüftlmalereien verziert waren, in der Mitte ragte der schlanke, mit einer zwiebelartigen Kuppel versehene, Turm der Kirche hervor, und auf den Straßen sahen sie Einwohner, die tatsächlich in Trachten gekleidet waren.

»Mensch, genau wie man sich das so vorstellt«, schwärmte Pia Faber begeistert.

Das Navigationsgerät lotste die beiden zu der Unterkunft, in der sie ein Zimmer gebucht hatten. Die Pension ›Edelweiß‹ lag am anderen Ende des Dorfes, in einer stillen Straße, in der kaum Autoverkehr herrschte. Esther hielt an, und sie stiegen aus.

»Schaut gut aus«, nickte Pia, nach einem Blick in die Runde. »Die Seite im Internet hat net zu viel versprochen.«

In St. Johann ging man mit der Zeit, auch wenn man hin und wieder den Eindruck bekommen konnte, dass sie gerade hier stehen geblieben sei. Die Pension ›Edelweiß‹ zumindest besaß eine eigene Homepage, über die Esther und Pia das Zimmer gebucht hatten. Da es alles ganz schnell und kurzfristig gegangen war, mussten sie mit einem Doppelzimmer vorliebnehmen, da die Pension ansonsten ausgebucht war. Doch das war für die Freundinnen kein Problem gewesen. Sie kannten sich seit dem Erstsemester an der Münchner Uni, an der sie Medizin studierten, und hatten seither schon vieles gemeinsam unternommen. Es war bereits ihr dritter Urlaub, den sie zusammen verbrachten.

Esther deutete über den Zaun.

»Da ist jemand.«

Pias Blick folgte ihrem Fingerzeig.

»Vermutlich der Inhaber. Komm, wir gehen mal zu ihm.«

Die beiden Madeln traten durch die Pforte und gingen über einen mit Platten ausgelegten Weg.

»Sehr gepflegt«, bemerkte Pia.

Die Studentinnen gingen zu dem Mann, der an einem der vielen Tische saß, die auf dem Rasen standen. Er hatte eine Kaffeetasse vor sich stehen.

»Herr Trenker?«, fragte Esther.

Er sah auf und nickte.

»Ja, mein Name ist Trenker«, antwortete der Mann freundlich lächelnd.

Er sah sehr sportlich aus und schien sich oft im Freien aufzuhalten, wie das gebräunte Gesicht vermuten ließ. Irgendwie erinnerte er die Frauen an einen berühmten Sportler oder Schauspieler.

Pia Faber streckte ihm die Hand hin.

»Grüß Gott. Ich bin Pia Faber, das ist Esther Sommerfeld. Wir haben ein Zimmer bei ihnen gebucht.«

Erstaunt blickte sie auf die Freundin, die aufgeregt an ihrem Ärmel zupfte.

»Was ist denn?«, kam es ungehalten über ihre Lippen.

»Das ist net der Wirt«, raunte Esther.

»Net? Aber wieso …?«

Erst in diesem Moment sah sie den Priesterkragen, den der Mann trug, gleichzeitig entdeckte sie an dem Sakko, das über der Rückenlehne seines Stuhls hing, ein kleines goldenes Kreuz, das am Revers steckte.

*

»Oh …, entschuldigen S’, Hochwürden«, stammelte Pia. »Ich hab gar net …«

Der Bergpfarrer schüttelte schmunzelnd den Kopf.

»Da gibt’s gar nix zu entschuldigen«, erwiderte er. »Mein Name ist tatsächlich Trenker, die Pension indes gehört meinem Cousin Thomas.«

Er schüttelte den Madeln die Hand.

»Herzlich willkommen in St. Johann.«

»Begrüßt du schon unsere Gäste?«

Eine Frau mittleren Alters trat aus der Terrassentür und kam zu ihnen.

»Hallo, Sie müssen Frau Sommerfeld und Frau Faber sein«, sagte sie. »Herzlich willkommen in der Pension ›Edelweiß‹. Ich bin Marion Trenker, die Wirtin.«

Die Studentinnen stellten sich vor, und alle zusammen lachten sie herzlich über die kleine Verwechslung.

Sebastian trank seinen Kaffee aus.

»So, ich muss mich leider schon verabschieden«, erklärte er. »Vielleicht seh’n wir uns ja noch mal, solang Sie hier Urlaub machen.«

»Bestimmt«, antwortete Pia. »Die Kirche soll ja sehr sehenswert sein.«

»Es wird mir eine Freud sein, Sie ein bissel herumzuführen. Also, pfüat euch miteinand.«

»Pfüat di, Sebastian«, rief Marion ihm hinterher und wandte sich ihren Gästen zu. »Dann zeige ich Ihnen erst einmal das Zimmer.«

Der gute Hirte von St. Johann ging zum Pfarrhaus zurück. Auf halbem Weg dorthin wurde er aufgehalten. Sepp Reisinger lief ihm nach, als Sebastian am Hotel vorüberging.

»Hochwürden! Hochwürden, so warten S’ doch mal!«

Erstaunt blieb der Geistliche stehen.

»Sepp, was ist denn los?«, fragte er. »Du bist ja ganz aufgeregt.«

Der Wirt japste nach Luft.

»Ich …, ich muss Sie unbedingt sprechen«, antwortete er. »Haben S’ einen Moment Zeit?«

Der Bergpfarrer nickte.

»Freilich. Worum geht’s denn?«

Sepp schaute sich um, als habe er Angst, belauscht zu werden.

»Net hier«, meinte er und schüttelte den Kopf. »Können S’ kurz mit ins Hotel kommen?«

Sebastian Trenker folgte dem seltsam aufgeregten Wirt. In der kleinen Halle schlug Sepp sofort den Weg zu seinem Büro ein, das sich hinter dem Tresen befand.

»Bitt schön, nehmen S’ Platz.«

Der Geistliche setzte sich, Sepp Reisinger ließ sich auf seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch sinken.

»Ja, ich weiß gar net, wie ich anfangen soll …«, murmelte er und richtete dann den Blick auf Sebastian.

»Also, seit einer guten Woche wohnt ein Mann bei uns, der meine Angestellten regelrecht ausfragt. Er scheint sehr reich zu sein. Ohne mit der Wimper zu zucken, als ich ihm den Übernachtungspreis genannt hab, hat er die teuerste Suite gebucht. Und bei meinen Leuten wirft er regelrecht mit dem Trinkgeld um sich, um an Informationen zu kommen …«

»Informationen über wen?«, unterbrach der Bergpfarrer den Redeschwall.

»Über die Claudia«, antwortete Sepp Reisinger, »die Frau deines Bruders!«

Sebastian runzelte die Stirn.

»Über Claudia? Aber warum? Wer ist der Mann und was will er von ihr?«

Der Hotelier zuckte die Schultern.

»Ich weiß es auch net genau. Jedenfalls erkundigt sich der Herr Erlander, so heißt er, sich ständig nach ihr. Erst hat er ihren Geburtsnamen benutzt und nach Claudia Bachinger gefragt, aber er schien schon zu wissen, dass sie verheiratet ist und jetzt Trenker heißt.«

Der gute Hirte von St. Johann machte ein nachdenkliches Gesicht.

»Hm, das ist schon merkwürdig. Danke, Sepp, dass du mich informiert hast. Ist der Herr Erlander jetzt im Hause?«

Sepp Reisinger schaute aus dem Fenster.

»Sein Auto steht jedenfalls auf dem Parkplatz. Soll ich mal in der Suite anrufen?«

Sebastian schüttelte den Kopf.

»Nein, das wär zu auffällig. Ich möcht ihn mir erst mal aus der Entfernung anschauen. Wie sieht der Mann denn aus?«

Der Wirt gab eine ziemlich genaue Beschreibung von dem Mann, der sich Robert Erlander nannte. Sebastian blickte auf die Uhr.